Entwicklung und Bestellung

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Die Entwicklung der späteren Baureihe Ae 4/6 sollte mit der Ablieferung der Reihe Ae 8/14 beginnen. Zwar wurde bei der Bestellung der grossen Maschinen noch von einer Stückzahl von 100 Lokomotiven gesprochen. Nun aber war alles anders, denn in Bern hatte sich ein neuer Gedanke durchgesetzt und der sollte die riesigen Lokomotiven mit den Nachteilen ausgleichen. Man suchte daher das berühmte Ei des Kolumbus.

Nehmen wir eine Lokomotive der Reihe Ae 8/14. Diese rund 34 Meter lange Maschine benötigt in einem Depot sehr viel Platz. Zudem steht die ganze Lokomotive still, wenn bei einer Hälfte deine Reparatur anstand. In den Depots hätte man zudem die Anlagen so anpassen müssen, dass Unterhaltsgeleise mit den Maschinen angefahren werden konnten. Alles in allem umfangreiche Arbeiten, deren Kosten ebenfalls nicht zu vernachlässigen waren.

Gegenüber von zwei kleinen Maschinen konnte man mit der grossen Lokomotive zwei Führerstände einsparen. Das waren Kosten bei der Beschaffung, die auf eine ganze Maschine nicht so gross ins Gewicht fielen. Jedoch hätte man mit zwei kleinen Lokomotiven nur jene Maschine mit Defekt zur Reparatur gehabt. Die Anlagen hätten daher nicht ausgebaut werden müssen, was die Kosten in diesem Punkt deutlich senkte.

Damit sind wir jedoch wieder dort, wo wir vor den grossen beiden Lokomotiven waren. Zwei Lokomotiven für einen Zug bedeutete bisher zwei Mannschaften. Das waren ebenfalls Kosten, die nicht sein sollten und die letztlich gerade zu den beiden Giganten geführt hatte. Wollte man alle Vorteile nutzen, dann bot sich eigentlich nur die Vielfachsteuerung von zwei Lokomotiven an. Die Reihe Be 4/6 zeigte, dass dies grundsätzlich möglich war.

Jedoch hatte noch niemand in Europa zwei Lokomotiven hoher Leistung miteinander verbunden. Gerade bei einem Unterbruch der Verbindung, konnte das zu Problemen mit den Zughaken führen. Es musste eine sichere Verbindung geschaffen werden, die zudem leicht getrennt werden konnte. Die Idee war da, aber die Verwirklichung war eine andere Geschichte, denn niemand wusste eigentlich, auf man sich hier einlassen sollte.

Die Idee sollte jedoch weiterverfolgt werden. Statt grosse schwere Lokomotiven, sollten neu kleinere Maschinen beschafft werden, die mit einer Vielfachsteuerung verbunden wurden. Daher wurde bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB ein entsprechendes Pflichtenheft ausgearbeitet. Dieser Katalog mit den Wünschen sollte schliesslich der einschlägigen Industrie übergeben werden. Damit waren jedoch auch die Vorstellungen der Staatsbahn definiert.

Bevor die Ae 8/14 Nummer 11 852 überhaupt nur in den Bestand der Schweizerischen Bundesbahnen SBB kam, beschloss man in Bern, diese Lokomotive als Muster zu benutzen und sie zu halbieren. Eine halbe Ae 8/14 sollte daher beschafft werden. Bei der Leistung wurde genau diese Hälfte angenommen, jedoch gab es andere Punkte, die deutliche Verbesserungen beim neuen Modell erwarten liess. Doch sehen wir uns das Pflichtenheft an.

Die Leistung der neuen Lokomotive sollte bei 4 100 kW oder 5 540 PS liegen. Das war genau eine halbe Ae 8/14 mit der Nummer 11 852. So entstand eine, der damaligen Zeit entsprechende Hochleistungslokomotive. Im Vergleich soll da die vierachsige Lokomotive der Baureihe Ae 4/7 herangezogen werden, denn gegenüber dieser Maschine erfolgte eine Steigerung bei der Leistung von 1 600 kW. Was nahezu einer Verdoppelung entsprach.

Die maximale Anfahrzugkraft sollte bei 250 kN liegen. Gegenüber dem Muster entsprach das ebenfalls der Hälfte. Jedoch war die Dauerzugkraft wichtiger und diese wurde bei 85 km/h angesetzt. Dabei sollte noch eine Restzugkraft von 173 kN vorhanden sein.  Der im Vergleich geringere Wert für die neue Baureihe, ergibt sich hier wegen der Steigerung der Geschwindigkeit um 10 km/h. Bei vergleichbaren Werten stimmten diese überein.

Weil man die Lokomotive der Baureihe Ae 8/14 halbierte, war auch klar, dass diese Leistung mit vier Triebachsen übertragen werden sollte. Zur besseren Führung im Gleis waren zwei führende Laufachsen vorzusehen. Eine dritte Laufachse, wie beim Muster wurde jedoch nicht mehr zugestanden. Das Gewicht der Lokomotive sollte daher lediglich noch auf sechs Achsen abgestützt werden. Eine deutliche Reduktion beim Gewicht, die umgesetzt werden sollte.

Für die als 4/6 bezeichnete Lokomotive sollten auf den Triebachsen 20 Tonnen Achslast zugelassen sein. Eine Toleranz von 0.5 Tonnen wurde für die Triebachsen zugestanden. Bei den beiden Laufachsen durften maximal 13 Tonnen angerechnet werden.

Rechnerisch ergibt sich so ein maximales Gewicht für die Loko-motive von 106 Tonnen. Ein in Bezug zur Leistung sehr geringer Wert, denn gegenüber dem Muster mussten 13 Tonnen eingespart werden.

Dabei sollte eine Lokomotive in den Steigungen bis 6‰ Lasten von rund 1 600 Tonnen geziehen können. In Steigungen bis 12‰, wie es sie auf den Zufahrten zum Gotthard gab, sollte die Anhängelast noch 1 000 Tonnen betragen. Das waren durchaus beachtliche Werte für eine vierachsige Lokomotive. Mit zwei solchen Lokomotiven hätte das maximal zulässige Zugsgewicht von 2 000 Tonnen ohne Probleme gezogen werden können.

Für die Steilstrecke am Gotthard definierte man für die neue Lokomotive bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB einen Wert von beachtlichen 500 Tonnen für eine massgebende Steigung von 26‰. Dieser Wert entsprach der Hälfte des Musters, jedoch musste sich diese an der schwächsten Maschine der Reihe Ae 8/14 orientieren und das war die Nummer 11 801. Es waren daher ausschliesslich theoretische Werte, die auf Grund der Zugkräfte errechnet wurden.

Jedoch sollte die spätere Baureihe Re 4/4 III zeigen, dass diese Werte durchaus erreichbar gewesen wären. Zu der Zeit, als die Reihe entwickelt wurde, waren das jedoch beachtliche Werte. Wer jedoch eine Lokomotive baut und diese im Land grosskotzig als stärkste Lokomotive der Welt präsentiert, muss erwarten, dass solche Bestellungen kommen können. Es waren auch hier lediglich die halben Werte der Nummer 11 852.

Bei der Höchstgeschwindigkeit der neuen Lokomotive sollten auch andere Massstäbe gelten. Bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB erwartete man eine maximale Geschwindigkeit von 125 km/h. Damit sollte für Lokomotiven ein neuer Rekord aufgestellt werden, denn bisher fuhren lediglich die kleinen roten Pfeile mit solchen Geschwindigkeiten durch das Land. Lokomotiven schafften bisher in der Schweiz jedoch nur 110 km/h.

Die Bezeichnung der neuen Lokomotive sollte gemäss dem Pflichtenheft als Ae 4/6 erfolgen. Hier begingen die Schweizerischen Bundesbahnen SBB einen grossen Fehler, denn man ging davon aus, dass mit der Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h klar war, dass die Zugreihe R ausgefahren werden konnte. Für die Zugreihe A galten damals Werte bis zu 110 km/h. Die korrekte Bezeichnung für die neue Lokomotive wäre daher eher als Re 4/6 anzusehen gewesen.

Um die Lokomotive abzubremsen sollte neben einer elektrischen Bremse in der neuen Schaltung mit Erre-germotor, eine leistungsfähige pneumatische Bremse eingebaut werden.

Die Bremsen mussten die Lokomotive auch aus 125 km/h auf dem vorhandenen Bremsweg ausreichend ver-zögern.

Damit war klar, man wünschte sich eine Hoch-leistungsbremse, wie sie bei den roten Pfeilen bereits umgesetzt worden war, jedoch jetzt für Lokomotiven optimiert werden sollte.

Was wir bisher betrachtet haben war für sich genom-men schon ein grosses Wunder. Eine Lokomotive mit sehr hoher Leistung und Zulassung zur Zugreihe R gab es bisher in der Schweiz schlicht noch nicht.

Jedoch war damit die Lokomotive noch nicht fertig umschrieben, denn noch fehlte ein wichtiger Punkt, der aus der kleinen Maschine schlicht ein neues Weltwunder der Eisenbahn machen sollte. Die Rede ist von der Vielfachsteuerung der Baureihe Ae 4/6.

Die Vielfachsteuerung der Lokomotive wurde sehr einfach umschrieben. Es sollten zwei baugleiche Lokomotiven miteinander verbunden und mit einem Lokführer bedient werden können. Auf mehr als zwei baugleiche Maschinen wollte man ausdrücklich verzichten. Auch eine Kombination mit den vorhandenen Triebwagen wurde von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB klar ausgeschlossen. Für diese Vielfachsteuerung wurde daher der Begriff Doppeltraktion geführt.

Die Ae 4/6 sollte schlicht zum Wunder am Gotthard werden. Wahrlich grosse Ideen, die die Lokomotive zu befriedigen hatte, bevor man überhaupt wusste, ob es eine passende Maschine gab. Schliesslich bestand bisher lediglich das Pflichtenheft für diese Baureihe. Damit daraus eine neue Lokomotive werden konnte, wurde das Pflichtenheft von den verantwortlichen Stellen bei den Staatsbahnen der einschlägigen Industrie übergeben.

Eigentlich war die Entwicklung der neuen Baureihe nicht so schwer. Man konnte die Ae 8/14 Nummer 11 852 nehmen und diese halbieren. Damit hatte man eigentlich schon das Ziel erreicht. Durch Einsparungen beim Gewicht sollte die fehlende Laufachse abgefangen werden. Daher wurde eine Lokomotive vorgeschlagen, die viele Merkmale der Baureihe Ae 8/14 haben sollte und die als Reihe Ae 4/6 bei der Industrie geführt wurde.

Im Jahre 1939 wurden deshalb vorerst vier Maschinen dieser neuen Reihe Ae 4/6 bestellt. Wie bei der Ae 8/14 sollte der mechanische Teil aus Winterthur stammen und daher von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik SLM gebaut werden. Neben dem Laufwerk und dem Kasten sollte die SLM auch die Antriebe für die Lokomotive liefern. Damit war dieser im Gegensatz zu den beiden grossen Ae 8/14 Aufgabe des Mechanikers.

Die elektrische Endmontage sollte bei Brown Boveri und Co BBC in Münchenstein und bei der Maschinenfabrik Oerlikon MFO erfolgen. Die Société anonym des Ateliers de Sécheron SAAS in Meyrin bei Genève wurde als Lieferant von Bauteilen beigezogen. Womit alle drei damals vorhandenen Elektriker an der neuen Baureihe beteiligt werden sollte. Bei einer grösseren Serie hätte auch die SAAS bei den Endmontagen mitgeholfen.

Wiederum bestellten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB Lokomotiven, die von drei Elektrikern gebaut wurden. Nur sollte es diesmal ein und dieselbe Maschine sein. Unterschiede, wie es sie bei der Baureihe Ae 4/7 noch gegeben hatte, durfte es jedoch keine mehr geben. Eine Zusammenarbeit, die später noch mehr bemüht werden sollte. Letztlich jedoch zum Zusammenschluss der drei Firmen führte, so dass davon nur noch die BBC übrigbleiben sollte.

Die Entwicklung dieser vier Lokomotiven für die Staatsbahnen war nicht sehr leicht. Es mussten viele Probleme während der Konstruktion gelöst werden. Dazu gehörten auch der beginnende zweite Weltkrieg und die Mobilmachung in der Schweiz. So fehlte es an wichtigen Rohstoffen, Bauteilen und Arbeitern. Zudem musste das Gewicht reduziert werden. Dadurch sollte es lange dauern, bis die erste Maschine dieser neuen Baureihe abgeliefert werden konnte.

Hier muss erwähnt werden, dass die von der In-dustrie gewünschten Rollenlager nicht verbaut wer-den konnten. Zwar hatte man diese aus der Schweiz bestellt und erhoffte eine Lieferung derselben.

Da die einzige Fabrik für diese speziellen Lager je-doch im süddeutschen Raum zu Hause war, stellte man dort die Rollenlager lieber für deutsche Panzer, als für Schweizer Lokomotiven her. So musste man notgedrungen zu den bewährten Gleitlagern greifen.

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB waren aber unerbittlich, denn diese bestellte zwischen 1941 und 1944 weitere acht Lokomotiven dieses Typs. Dabei sollten aus den Erfahrungen der ersten Maschinen Änderungen vorgenommen werden.

Man konnte daher bei den ersten vier Maschinen noch von Prototypen sprechen, die erste Serie umfasste acht angepasste Exemplare. Wobei es nicht bei die-sen bleiben sollte, denn man wollte durchaus mehr Maschinen bestellen.

Die Lokomotiven der Baureihe Ae 4/6 wurden des-halb mitten im zweiten Weltkrieg abgeliefert. Nur die letzten Maschinen kamen wenige Monate nach Kriegsende in den Betrieb.

Letztlich sollten zwölf Lokomotiven dieses Typs in den Bestand der Schweizerischen Bundesbahnen SBB kommen und sie sollten die Nummern 10 801 bis 10 812 erhalten. Hätte man damals gewusst, was man heute weiss, diese acht Lokomotiven wären nie ab-geliefert worden.

Es war die Entwicklung der Baureihe Ae 4/4 für die BLS und die grossen Probleme der Reihe Ae 4/6, die verhinderte, dass die in Aussicht gestellte grössere Serie von weit über 100 Exemplaren nicht bestellt wurde. Vielmehr wurde kurze Zeit später von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB an einer neuen Baureihe gearbeitet, die letztlich den erhofften Durchbruch bringen sollte. Das Ziel das man sich hier gesteckt hatte erreichte schliesslich nicht einmal die Reihe Ae 6/6.

Es wird nun aber Zeit, sich der Baureihe Ae 4/6 anzunehmen. Sie werden hier eine Lokomotive kennen lernen, die von jenen Leuten geliebt wurde, die neben dem Gleis waren. Gehasst wurden sie vom fahrenden Personal und auch nicht sonderlich geliebt vom Unterhalt. Geboren mit Behinderungen, deren Ursachen beim Krieg zu finden waren, konnte sie sich nie in Szene setzen. Dabei schlug sie sich wirklich sehr tapfer und nicht alles war schlecht.

 

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