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Diesellokomotiven in der Schweiz? Das gibt es nicht. So hätte ich wohl als Kind geantwortet, denn eigentlich wusste ich gar nicht, dass es Diesellokomotiven gab. Gut, zu meiner Entschuldigung muss ich gestehen, dass damals die Welt eigentlich nur aus dem Triebwagen BDe 4/4 und der Lokomotive Ae 4/7 bestand. Ab und zu verirrte sich noch eine Dampflokomotive. Jedoch eine Diesellokomotive? Ne, die gab es wirklich nicht.

Das änderte sich, als die Strecke erneuert wurde. Der Zug, der nur in der Nacht eingesetzt wurde, stand den Tag über im nahen Bahnhof. So kam ich erstmals einer Diesellokomotiven näher.

Die Bezeichnung Bm 4/4 konnte ich daran ablesen, aber sonst erkannte ich die Lokomotive nicht. Die Kindheit sollte mit diesem Wissensstand enden. Auch später waren die Informationen nicht unbedingt umfangreicher geworden.

Mit dem Beginn der Ausbildung änderte sich das. Am ersten Tag in Erstfeld wurde uns das Depot gezeigt. Nicht weil man darauf stolz war, sondern damit wir wussten, wo was zu finden ist.

Auf dem Gleis C12 war darum die Hilfslokomotive des Depots Erstfeld zu finden. So schön sie da stand, noch wussten wir alle nicht so viel über die Lokomotive Bm 4/4. Sie war sehr alleine, denn Geschwister gab es schlicht keine und am nächsten kamen die Schneeschleudern. Diese machten den jungen Männern deutlich mehr eindruck.

Erstfeld war daher eines jener Depots, das eine einzelne Bm 4/4 besass. Die Lokomotive war für den Einsatz vor dem Hilfswagen bestimmt. Im Gegensatz zur Lokomotive stand der Wagen im Regen. Obwohl es an diesem Tag trocken war und die Sonnenstrahlen den Weg in die engen Täler des Kantons Uri fanden. Doch der Rundgang ging weiter und endete in diesem Bereich, den man Magazin nannte. Dort kamen die Dienstkleider.

Danach ging es in die Schulung, Dort kamen viele kleine blaue Bücher. Neben so komischen Abkürzungen wie FDR, RDR und SR, war das noch jenes mit der Nummer 432.5 über die «Dieselelektrische Lokomotiven Bm 4/4 18401-18446».

Darunter stand noch «Beschreibung und Instruktion für die Bedienung». Schön, so viel Aufwand für eine Lokomotive? In Anbetracht, dass ich auch andere Exoten in die Finger bekam, was das keine grosse Sache.

Mit der voranschreitenden Ausbildung kamen auch die Triebfahrzeuge dazu. An einem Tag wurden wir zum Kurs «Bm 4/4» aufgeboten. Insbesondere die Kollegen aus Erstfeld wunderten sich etwas.

Jedoch erfuhren wir schnell, dass jeder Lokführer die Baureihe kennen muss. Auch dann, wenn im Depot nur eine Maschine zu finden ist. Das war der Tiefschlag für die Kollegen und mich, denn unser Depot war nicht mit vielen Bm 4/4 belohnt worden.

Gut, die Kollegen aus Luzern lachten darüber, denn dort gab es gar keine. Trotzdem mussten auch sie den Kurs besuchen. Daher war es nicht überraschend, dass die Einsätze auf der Maschine für diese Depots äusserst selten waren und man kaum die notwendige Praxis hatte.

In Erstfeld kam man noch am ehesten mit der Lokomotive in Kontakt, wenn man am Freitag auf das Rangier 1 eingeteilt wurde. Dann durfte die Ee 3/3 etwas ruhen. Das nur am Nachmittag auch auch nur, wenn der Hilfswagen im Depot stand.

So übten wir in der Ausbildung mit der Bm 4/4 vor den schweren Wagen mit Armierungseisen und stellten bald einmal fest, dass die Lokomotive durchaus enorme Zugkräfte entwickeln konnte.

Ja, oft zu viel, so dass wir dank der stufenlosen Beschleunigung die erlaubte Geschwindigkeit nur im allerletzten Moment noch einhalten konnten. Die Maschine marschierte einfach los, man musste keine Stufen nachschalten noch merkte man, dass solche geschaltet wurden.

Nur konzentrierte Blicke auf den beidseitig eingebauten Geschwindigkeitsmesser konnte die Sache etwas beruhigen. So verging der Tag mit mehr oder weniger Schwierigkeiten. Nach getaner Arbeit ging es nach Hause. Mit den nach Petrol stinken Kleidern wollte nun wirklich niemand zum Bier. Einzig, die von älteren Kollegen erwähnten Kopfschmerzen blieben mir bei der Baureihe Bm 4/4 erspart. Unglücklich darüber war ich nicht.

Nach der Ausbildung wurde es wieder sehr ruhig um die Lokomotive der Baureihe Bm 4/4 und die Kenntnisse fingen schnell an zu schwinden. Ja, ich konnte sogar Jahre erleben, in denen ich die Maschine nie von innen zu sehen bekam. Ich war auf der Strecke unterwegs und da verkehrten nur elektrische Lokomotiven. Einzig bei den unbeliebten einspurigen Abschnitten stand eine Bm 4/4 auf der Strecke vor dem Bauzug.

Wenn die Streckenlokführer einmal auf die Bm 4/4 kamen, dann war der Einsatz mit Hilfswagen gefragt. Die Lokomotive musste also mit mangelndem Wissen in einem Vorfall bedient werden. Neben der Sorge um den Vorfall, kam auch die Sorge um die Lokomotive.

Habe ich alles kontrolliert, wurde genug vorgeschmiert? Bei der Ausbildung hiess es 20 Hübe. Was, wenn es nur 19 waren? Dadurch waren die Einsätze vor dem Hilfswagen nicht immer einfach.

So traf es mich eines schönen Tages. Ich durfte mit dem Schnellzug nach Airolo reisen um dort die Bm 4/4 und den Hilfswagen nach Hause zu holen.

Als ich im fernen Tessin ankam, waren die Mannen des Hilfs-wagens immer noch kräftig an der Arbeit und die Bm 4/4 musste verhindern, dass sich der Traktor, der sich auf einen Prellbock verirrt hatte, ungewollt bewegte. Letztlich hatte ich aber kaum etwas mit der Bergung zu tun.

Die Fahrt nach Hause, war dann schon mühsamer. Besonders den Gotthard hinab, denn das war eine Bewährungsprobe für die Bremsen der Lokomotive und des Hilfswagens. Die Bm 4/4 konnte sich mit der elektrischen Bremse kaum selber halten und so musste der Hilfswagen mit der Luft gebremst werden. So stiegen die Temperaturen in den Widerständen und den Bremsklötzen des Wagens stetig an. Besonders letztere machten sich mit einem unangenehmen Geruch bemerkbar.

Wie es zu erwarten ist, danach wurde es wieder sehr ruhig. Ich bediente die grossen elektrischen Lokomotiven. Ab und zu begegnete mir eine Bm 4/4. Meistens nervte sie mich dann, wenn sie in Schleppfahrt mitgegeben wurde. Mit 75 km/h kam man nicht so schnell von Basel nach Erstfeld. Nur wegen dem «Diesel» musste ich langsamer fahren. Das macht einen jungen Lokführer schon etwas unruhig. Mit dem Alter ändert sich auch das.

Der nächste Einsatz führte mich mit der Bm 4/4 und dem Hilfswagen am Haken in aller Frühe nach Brunnen. Wie könnte es auch anders sein, der Hilfswagen wurde für die Bergung eines Zuges benötigt. Diesmal waren sich zwei Wagen in die Quere gekommen und waren mit den Puffern ineinander verhakt.

Kein schwerer Vorfall, aber der Hilfswagen musste mitten in der Nacht ausrücken. Den unglückseligen Lokführer auf Reserve erwischte es. Ich war schlicht zu langsam, beim gedeckt getarnten abschleichen. Pech gehabt, die Bm 4/4 wartete.

Die Lokomotive hatte in Brunnen ihre Arbeit vorerst getan, was natürlich auch für den Lokführer galt, der durch den Depotchef sofort in eine Funktion geworfen wurde, die er ohne entsprechende Ausrüstung erledigen musste. Was um Alles in der Welt macht ein Sicherheitswärter?

Gesehen habe ich sie schon oft und selbst angehalten wurde ich schon mit der roten Fahne, aber gemacht habe ich den Job nicht. Die Fahne habe ich natürlich ab der Bm 4/4 mitgenommen. Nun ja, oft wurde ich auch dort wieder abgezogen, besonders dann, wenn die Lokomotive ein paar Meter verschoben werden musste.

Anschliessend wurde es wieder ruhiger und ich musste weder die Bm 4/4, noch den Hilfswagen bewegen. Diese Einsätze waren, wie diese zwei einzigen Vorfälle zeigen, immer äusserst selten. Glücklicherweise benahmen sich die Züge auf der Bahnlinie über den Gotthard.

 und dann war es sogar noch umgekehrt und die Bm 4/4 eilte zu mir, denn meine Bm 4/4 war in Altdorf so stark, dass der vergessene Hemmschuh auf der Lokomotive nicht bemerkt wurde und dann der zweite Wagen, der auf dem Hemmschuh stand, entgleiste.

Ebenso oft, wie ich mit dem Hilfswagen zu hilflosen Fahrzeugen eilte, oder die Mannschaft abholte, wurde ich hilflos von einer Bm 4/4 abgeholt. Meist waren das Kurzschlüsse auf der Lokomotive, oder eine her-untergerissene Fahrleitung und deshalb ein Stromausfall. Die Bm 4/4 konnte aber mit Ausnahme des Hemmschuhs von oben immer ohne Hilfswagen kommen. So sah ich sie zumindest, doch nun stand der grösste Albtraum an.

Die periodische Prüfung! Davor hatte ich eigentlich keine Angst, aber die Gerüchte besagten, dass das Thema Bm 4/4 einen grossen Teil darstellen sollte. Verzweifelt wälzte ich das Reglement. Von oben bis unten und umgekehrt versuchte ich den Inhalt in den Kopf zu kriegen.

So war ich für die Prüfung bereit. Dort kam schliesslich alles, nur nicht die Lokomotive der Baureihe Bm 4/4. Mit keinem Wort wurde der «Diesel» erwähnt. Wegen dem Lokführer aus Zug, war das Thema Re 460 und die kannten wir doch recht gut. Immmerhin besser als der Prüfungsexperte.

So wurde ich im Jahre 1997 beauftragt, mit der Bm 4/4 an einem Sonntagabend von Erstfeld nach Bellinzona zu fahren. Das klang schon recht komisch, denn zu dieser Zeit waren Züge selten. Am Haken sollte diesmal aber nicht der Hilfswagen, sondern ein nagelneuer Wagen für den IC 2000 angehängt sein. Dieser spezielle Doppelstockwagen sollte ins Tessin zu den dort geplanten Feierlichkeiten zum 150-jährigen Bestehen der Schweizer Bahnen reisen.

Da die Gotthardstrecke jedoch nicht für Doppelstockwagen zugelassen war, ergaben sich daher Probleme mit der Überführung. Die Fahrleitung musste ausgeschaltet werden. Damit streikten die elektrischen Lokomotiven und die Baureihe Bm 4/4 musste herhalten.

Mit einem Lokführer, der dank der periodischen Prüfung zumindest theoretisch die Lokomotive in- und auswendig kannte. Die Fahrt verlief ohne besondere Vorkommnisse und ich erreichte letztlich Bellinzona.

So startete ich mit der Bm 4/4 und dem neuen Doppelstockwagen zu einer aussergewöhnlichen Fahrt über den Gotthard. In der speziellen Fahrordnung wurde zudem angeordnet, dass ich mit dem Zug in den Kehrtunnel immer das äussere Gleis befahren muss und dass in einigen Bahnhöfen Geleise gesperrt werden. Daher musste ich öfters die Spurwechsel befahren um im nachfolgenden Abschnitt auf der richtigen Seite zu sein.

In Ambri-Piotta durfte ich zudem die Perrongleise nicht befahren, da es eventuell Probleme mit dem Perrondach gegeben hätte. Aber, was immer der Fall war, die meiste Zeit fuhr ich unter einer Fahrleitung, die keinen Strom führte.

Ja, im Gotthardtunnel befuhr ich die eingeschaltete Schutzstrecke für einmal ohne mich darum zu kümmern. Frei nach dem Motto, bei Diesellokomotiven sind die Fahrleitungssignale ungültig und nicht zu beachten.

Weitere Einsätze brachten mich mit Arbeitszügen nach FDR 54 auf die Bm 4/4 und so auch wieder einmal auf die Strecke. So wurden zwischen Intschi und Gurtnellen die Tunnel saniert. Für diesen Einsatz stand eine Bm 4/4 der Baudienste bereit.

Da beim Lokomotivpersonal des Baudienstes niemand bereitstand, der die Lokomotive hätte bedienen können, mussten oder durften die Lokführer aus Erstfeld antraben und mit der Maschine fahren. Bm 4/4 und FDR 54 unmitelbar vor der periodischen Prüfung, ein Geschenk Gottes.

Ein Hinweis für die jüngeren Leser der Seite. Das was hier so schön als FDR 54 bezeichnet wurde und Arbeitszug genannt wurde, ist heute eher mit den Rangierbewegungen auf die Strecke in einem gesperrten Gleis zu vergleichen. Genau, das was bei der letzten Schulung erklärt wurde, weil es eben auch in den Vorschriften steht.

Mit der Lokomotive ging es mit mehr oder weniger flotter Fahrt am frühen Morgen nach Gurtnellen. Dort wurde der Zug formiert und dann ging es auf die Talfahrt zu den Tunnels, die saniert wurden. Danach hatte ich mit der Bm 4/4 nichts mehr zu tun. So griff ich nach dem Reglement und suchte irgendwo im Raum Meitschligen nach den Batterien. Selbst die Laschen, die nicht angerührt werden durften, wurden gesucht.

Irgendwann am Tag kam dann die Ablösung und der Lok-führer ging zu Fuss zur nächsten Haltestelle des Busses. Die Lokomotive wurde am Abend benötigt um den Zug nach Gurtnellen zu ziehen und fuhr danach zum Nachtlager nach Erstfeld.

Ich ging jedoch mit dem Wissen, wieder etwas über die Bm 4/4 gelernt zu haben. Freiwillig tat ich das damals sicherlich nicht, aber die periodische Prüfung stand erneut auf dem Plan.

Die Einsätze waren im Hinblick auf die periodische Prüfung sehr lehrreich und daher nicht unbeliebt. Man bediente die Bm 4/4 wieder einmal, lernte diese wieder kennen und machte auch gleich Fahrten nach FDR 54.

Alles waren in Erstfeld immer sehr beliebte Themen an der periodischen Prüfung. Was konnte schon besser sein, als das Ganze vorher in der Praxis zu üben. Meine Kenntnisse über die Bm 4/4 waren daher, wie die Arbeitszüge, an der Prüfung ausgesprochen gut.

Ach ja, ich muss noch erwähnen, dass bei der Prüfung wieder ein Kollege von Zug dabei war. Der kannte die Bm 4/4 schlicht nicht. Aus Rücksicht auf den Gast hatte der Oberlokführer daher beschlossen, dass der Teil mit den Lokomotiven im Depot auf einer Re 460 erfolgen sollte. Eine Lokomotive, bei der wir jede Macke und jeden gefährlichen Bereich kannten. Das Kamin zum Heizhüpfer kann nicht ohne Verletzung abgenommen werden, wie der OLF schmerzlich feststellte.

Mit dieser periodischen Prüfung endeten diese Züge und auch mein Einsatz auf dieser Lokomotive. Die Fahrten blieben in der Folge aus und eine Bm 4/4 sahen wir entweder im Zug geschleppt oder in den Bahnhöfen die Züge formieren. Unsere Zeit war jedoch vorbei und so gingen die massgebenden fünf Jahre ins Land. Das heisst, ich darf die Baureihe Bm 4/4 mangels Kenntnisse nicht mehr bedienen. An der Prüfung kommt sie nicht mehr, aber mittlerweile kenne ich sie recht gut.

Die Lokomotive stand in Erstfeld auch nicht mehr im Depot, sondern seit der Teilung im Bahnhof fest an den Lösch- und Rettungszug oder an den Hilfswagen gekuppelt. Wenn die Maschine nun losfährt, ist ein Lokführer der Betriebswehr damit unterwegs und es kann schlimmes passiert sein. Darum hofft jeder, dass die Lokomotive nicht bewegt wird und er beim Arbeitsbeginn die Maschine im Bahnhof stehen sieht. Zumindest damit fahren musste ich nicht mehr.

Ich könnte hier nun einfach behaupten, dass die Lokomotive für mich nie mehr zum Thema werden wird. Nur, wäre das gefährlich, denn nach all den Jahren, die ich mit der Bm 4/4 zu tun hatte, habe ich eines gelernt. Im Bezug zur Bm 4/4 sag niemals nie, denn die Lokomotive tauchte plötzlich ganz unerwartet auf und dann war alles anders. Ehrlich gesagt, würde ich mich vermutlich freuen, wenn ich wieder einmal mit der Bm 4/4 auf grosse Fahrt gehen könnte.

 

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