Versuchsfahrten und Inbetriebnahme

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Bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB war man sich der Tatsache bewusst, dass man die neuen Lokomotiven erproben musste. Jedoch waren diese gar noch nicht vorhanden und die Strecken mussten zuerst mit einem Fahrdraht versehen werden. Zudem sollten die neuen Lokomotiven am Gotthard verkehren und dort hat man erst damit begonnen die Kraftwerke zu planen.

Wollte man die Lokomotiven richtig testen, benötigte man vergleichbare Strecken. Schliesslich muss eine sich im Flachland bewährende Lokomotive im Gebirge nicht unbedingt gut sein. Die entsprechenden Erfahrungen hatte man bei der Staatsbahn mit den Dampflokomotiven machen können. Alles in allem, keine leichte Aufgabe für das Unternehmen. Doch so schwer, wie befürchtet war es nicht.

Ideal wäre eine vergleichbare Strecke gewesen und die gab es im Berner Oberland. Die Strecke zwischen Frutigen und Brig hatte den idealen Chara-kter, denn die Gotthardstrecke verfügte über ähnliche Steigungen und Kurvenradien.

Das Labor hatte man damit gefunden, doch die Lokomotiven sollten zu Hause unterhalten und abgestellt werden. Das nächste zu Hause war jedoch das Depot Bern und dort gab es keine Fahrleitung.

Daher beschloss man bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB die Strecke zwischen Bern und Thun mit einer Fahrleitung zu versehen. Damit konnten die neuen elektrischen Lokomotiven in Bern gewartet werden.

Sie konnten zudem aus eigener Kraft zu den Versuchen am Lötschberg fahren. Die Strecken waren damit für die Ankunft der neuen Lokomotiven gerüstet, auch wenn nicht dort, wo man erwartet hätte.

Ein weiterer Vorteil der Strecke von Bern nach Thun war, dass man dort keine Tunnel hatte. So konnte man einen Mischbetrieb mit den rauchenden Dampflokomotiven auch bei der vollen Spannung in der Fahrleitung aufrecht halten. Wichtig war das, weil die raren elektrischen Lokomotiven nicht immer verfügbar waren und für Versuche abgezogen wurden. So war man genötigt, den planmässigen Verkehr mit Ross und Wagen abzuwickeln.

Man hatte nun das Feld für die neuen Lokomotiven bereitgestellt. Ab dem 07. Juli 1919 stand die Fahrleitung zwischen Bern und Thun unter Spannung. Damit die ersten Züge fahren konnten, setzten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB auch die Lokomotiven aus dem Versuchsbetrieb zwischen Seebach und Wettingen ein. Damit standen zusammen mit den ersten neuen Lokomotiven knapp eine Handvoll Maschinen bereit.

Die ersten elektrischen Lokomotiven der Baureihe Fc 2x 3/4 wurden ab Ende 1919 abgeliefert und daher im Depot Bern stationiert. Jedoch stellte sich der Transport vom Hersteller in Oerlikon nach Bern schon als eine Herausforderung dar.

Fahrleitungen gab es auf den Strecken nicht. Mit eigener Kraft konnte die nagelneue Lokomotive daher nicht überführt werden. Man musste zu den Dampflokomotiven greifen.

Nicht alle Strecken und Brücken zwischen Zürich und Bern waren für die schweren Lokomotiven geeignet. Trotzdem musste man einen Weg nach Bern finden, denn sonst würde das mit der Inbetriebnahme der neuen Maschine nichts wer-den.

Logistische Probleme, die 1919 gelöst werden mussten. Gut dabei war, dass die Fahrt über Strecken der Staatsbahn geführt wurde, so kannte man die kritischen Abschnitte genau.

Für den Transport nach Bern bestanden daher spezielle Vorschriften. So durfte die Lokomotive nur am Schluss eines mindestens 150 Meter langen Güterzuges eingereiht werden und hinter der Lokomotive musste noch ein Bremswagen folgen. Speziell daran war, dass man so schwere Fahrzeuge schon damals lieber hinter der Zuglokomotive einreihte. Durch die 150 Meter Schutzwagen, standen nie beide Lokomotiven des Zuges auf einer Brücke.

Jedoch sorgte der gewählte Laufweg dafür, dass es meistens Sonderzüge waren. Dabei verliess die in Oerlikon startende Lokomotive den Bahnhof Seebach in Richtung Bülach. Das war schlicht die umgekehrte Richtung, als man erwarten würde. Danach ging es über Koblenz nach Turgi. Damit konnte man die zu schwache Stahlfachwerkbrücke über die Limmat bei Wettingen umfahren. Die verlangte Distanz der Wagen verteilte die Achslasten etwas besser auf den befahrenen Brücken.

Von Turgi aus konnte man schliesslich den direkten Weg nehmen. Dieser führte über Brugg, Olten und Burgdorf nach Bern. Sie sehen, so betrachtet, ging es eigentlich nur um einen Punkt, den man mit der neuen Lokomotive nicht befahren konnte. Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB waren längst mit dem Problem von zu schwachen Bauwerken konfrontiert. Mit den neuen Lokomotiven verschärfte sich das.

Die Lokomotiven wurden vor dem Transport von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB übernommen. Damals war das bei den Bundesbahnen so üblich. Dabei wurde die erste Fc 2x 3/4 mit der Nummer 12 251 am 21. November 1919 übernommen. Anschliessend erfolgte die Überführung der Lokomotive auf dem beschriebenen Weg. So erreichte die erste Lokomotive für den Gotthard den Bahnhof Bern.

Die neuen fünfstelligen Nummern unterschieden die neuen elektrischen Lokomotiven von den Dampflokomo-tiven, die mit ihren vierstelligen Nummern das Ruder bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB noch fest in der Hand hatten.

Schliesslich verkehrten sie auch im Raum Oerlikon wieder unangefochten vor den Zügen und die Fahrleitung war entfernt worden. Die Versuche fanden im Berner Ober-land statt.

Eine spezielle Situation gab es bei der dritten Lokomo-tive. Diese wurde vom Hersteller kurz vor Ende Jahr fertig gestellt.

Die anschliessenden Feiertage mit dem verbundenen Un-terbruch bei den Arbeiten führten dazu, dass die 1919 fertig gebaute Fc 2x 3/4 Nummer 12 253 erst am 15. Januar 1920 von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB übernommen wurden. Daher steht am Herstellerschild 1919.

Die neuen Lokomotiven hatten Bern erreicht, jedoch war es damit längst nicht getan. Das dortige Personal in den Werkstätten und natürlich das Lokomotivpersonal musste auf den neuen elektrischen Maschinen geschult werden. Dabei war der Schritt, den die von den Dampflokomotiven kommenden Mitarbeiter machen mussten, heute schlicht nicht mehr vorstellbar. Wir lernten von klein an, mit Elektrizität umzugehen.

So konnten die ersten Gehversuche absolviert werden. Während die Lokomotiven der Baureihe Fc 2x 3/4 zwischen Bern und Thun unangefochten an der Spitze standen, mussten sie sich bei Fahrten auf der BLS mit den dort verkehrenden Fb 5/7 messen. Dabei musste sich die Lokomotive der Schweizerischen Bundesbahnen SBB trotz geringerer Leistung nicht verstecken. Im Gegenteil, die neuen Modelle der SBB wirkten eleganter.

Die direkten Vergleiche mit der nur knapp sechs Jahre älteren Lokomotiven Fb 5/7 der BLS zeigte die Entwicklung im Bau von Lokomotiven deutlich auf. Die Maschine der Staatsbahn profitierte von den Erfahrungen der BLS und konnte sich trotz anderen Eckwerten auf der BLS durchaus mit den einheimischen Exemplaren messen. Ein Leistungsausweis für die Hersteller, die scheinbar funktionierende Maschinen lieferten.

Auf Kriegsfuss mit der neuen Lokomotive stand jedoch das Bedienper-sonal. Besonders dann, wenn sich der Stromabnehmer nicht dazu bewegen liess, sich zu heben, war die Versuchung gross, diesem rasch einen kleinen Stoss zu geben. Bei der Fc 2x 3/4 war man sehr schnell auf dem Vorbau und beim Stromabnehmer. Der Tod kam dann mit dem elektrischen Stromschlag noch viel schneller. Das Krokodil hatte zugebissen.

Schliesslich wurden die neuen Lokomotiven ab Bern in Richtung Thun vor fahrplanmässige Züge gespannt. Eine Umstellung auf elektrischen Betrieb erforderte den Einsatz jedes verfügbaren elektrischen Triebfahrzeuges. Die Versuche mit den neuen Lokomotiven änderten sich damit und es kamen planmässige Fahrten dazu. So konnten die Lokomotiven zeigen, ob sie dem Verkehr gewachsen sind.

Als schliesslich am 09. April 1920 die vierte Lokomotive dieser Baureihe übernommen wurde, war klar, dass sich bereits einiges geändert hatte. Wurden die ersten drei Lokomotiven noch nach dem Schema für die Dampflokomotiven bezeichnet. Kam nun ein neues Schema zur Anwendung. Der bisherige Einheitsbuchstabe F verschwand damit und neu gab es ein klein geschriebenes e, da die elektrische Lokomotive kennzeichnete.

Aus den Fc 2x 3/4 war nach nur drei Lokomotiven bereits wieder Geschichte geworden. Die vierte Lokomotive war die erste, die mit der definitiven Bezeichnung und der definitiven Nummern versehen wurde. So hörte sie auf die Bezeichnung Ce 6/8 II und sie trug die Nummer 14 254. Die bereits im Einsatz stehenden Modelle wurden in der Folge angepasst und damit umbezeichnet. In Zukunft galt für alle Ce 6/8 II.

Als schliesslich die Fahrleitung zwischen Göschenen und Ambri-Piotta unter Spann-ung gesetzt werden konnte, wurden die ersten Lokomotiven von Bern an den Gott-hard verschoben.

Somit begannen nun die Versuchsfahrten am Gotthard. Der Unterhalt an den Loko-motiven wurde dabei im kleinen Depot Göschenen vorgenommen.

Am 18. Oktober 1920 übernahm diese Aufgabe jedoch das Depot Erstfeld, denn die Nordrampe war elektrisch befahrbar.

Die Ce 6/8 II Nummern 14 251 bis 14 262 wurden anschliessend von Bern nach Erst-feld versetzt.

Mangels Fahrleitung mussten die neuwer-tigen Lokomotiven auf dieser Reise von den alten Dampflokomotiven geschleppt werden. Neu ab Werk abgelieferte Lokomotiven, wie die 14 263 bis 14 268 kamen jedoch nicht nach Erstfeld sondern wurden nach Bern überstellt. Dort hatte man bereits Erfahrungen mit den Lokomotiven und führte daher die Inbetriebsetzung durch.

Noch verkehrten die Züge am Gotthard mitgemischten Bespannungen und die neuen elektrischen Lokomotiven hatten nur im Gotthardtunnel das Privileg die Züge zu führen. Dort hatten die Dampflokomotiven seit Jahren massive Probleme verursacht, denn der Rauch und Dampf zog im langen Tunnel schlecht ab. Die neuen Modelle hatten dieses Problem nicht mehr. Die langen Tunnel der Schweiz wurden grundsätzlich elektrisch befahren.

Der Kampf am Gotthard um die Herrschaft vor den Zügen war jedoch entbrannt. Die Dampflokomotiven waren zwar in der Leistung unterlegen, trotzdem gaben sie nicht kampflos auf. Sie verrussten die Isolatoren so sehr, dass vorübergehend die Spannung der Fahrleitung auf 7 500 Volt reduziert werden musste. Da das aber bekannt war, rüsteten die Lokomotiven nach und fuhren so auch problemlos mit 7 500 Volt den Gotthard hoch.

Die Dampflokomotiven konnten sich wehren so gut es ging, gegen die Ce 6/8 II hatten sie keine Chance. Die neue Lokomotive wurde vom Personal mit einem tierischen Namen versehen. Das kannte man bereits von den Elefanten her. Die gelenkige Lokomotive, die um die Kurven schlich, wurde so zum Krokodil. Ein Begriff, der sich in Zukunft in die Köpfe einprägen sollte. Wer kein Krokodil hatte, versuchte sich eines zu basteln.

Auf der ganzen Linie hatten die Dampflokomotiven verloren. In der Folge verschwanden sie sehr schnell vom Gotthard und überliessen das Feld endgültig den elektrischen Lokomotiven. Ein triumphaler Erfolg für die elektrischen Lokomotiven. Sie konnten nun den Verkehr übernehmen und dank der Spannung von 15 000 Volt in der Fahrleitung endlich zeigen, was wirklich in ihnen Steckte. Da konnte eine Dampflokomotive schlicht nicht mitthalten.

Schliesslich konnte am 12. Dezember 1920 die Fahrleitung auf dem Abschnitt Ambri-Piotta – Biasca in Betrieb genommen werden. Die ganze Bergstrecke war in der Folge elektrisch befahrbar. Doch noch immer führte man mit den Lokomotiven Versuche durch, denn es musste schliesslich auch die neu erstellte Fahrleitung geprüft werden. Betrieblich galt es zudem noch weitere Probleme zu lösen. Der Mischbetrieb blieb daher bestehen.

Ab der Nummer 14 272 wurden die restlichen Lokomotiven direkt vom Hersteller an den Gotthard überstellt. Ziel war das Depot in Erstfeld, das die Maschinen nun in Betrieb setzen sollte. Anschliessend sollten die Krokodile dort auch stationiert werden. Mit dem Ende der Versuche im Frühling 1922 waren von den bestellten 33 Lokomotiven 29 ausgeliefert worden. Damit musste der Betrieb am Gotthard letztlich aufgenommen werden.

Die Versuche und Erprobungen endeten schliesslich am 28. Mai 1922. Die Fahrleitungen überspannten nun den Bereich zwischen Luzern und Chiasso. Auch die internationalen Schnellzüge konnten nun auf die neuen Lokomotiven umgestellt werden. Die Dampflokomotiven am Gotthard hatten dem Kampf endgültig verloren. In Zukunft sollte die Strecke den elektrischen Lokomotiven gehören.

 

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