Betriebseinsatz Teil 1

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Ab dem Fahrplanwechsel am 29. September 1996 fuhren die Neigezüge der Reihe ETR 470 im planmässigen Verkehr. Auf der Strecke von Mailand über den Gotthard nach Zürich ersetzten die «Cisalpino» die bisherigen Intercity. Bezeichnet wurden die Züge neu als Eurocity. Dank den höheren Geschwindigkeiten konnten die neuen Fahrzeiten deutlich kürzer geplant werden. Die Neigetechnik sollte in den Alpen Vorteile bringen.

Von Beginn an sollten die Neigezüge auf dieser Strecke gut ausgelastet sein. Dank den schnellen Verbindungen wurde für Geschäftsreisen auf das teure Flugzeug verzichtet. Der Vorteil war, dass im Zug gearbeitet werden konnte.

Jedoch kamen auch immer mehr Touristen auf den Zug. Das oft auch, weil andere Verbindungen nicht mehr vorhanden waren. Gefallen hatte das der Firma Cisalpino AG, die anhand der Fahrgäste vergütet wurde.

Die neuen Neigezüge bedienten auch die Achsen zwischen Mailand und Genf, sowie über den Lötsch-berg nach Basel. Damit waren die wichtigen Städte im Mittelland und in der Westschweiz mit der Metropole im Norden von Italien gut verbunden worden.

Ein erstes Problem ergab sich jedoch bereits bei der Planung auf dieser Achse, denn die Züge mussten bis Brig getrennt geführt werden, da es keine Vielfachsteuerung gab. Dazu waren die Züge schlicht zu lang geworden.

Der Umlauf war so geplant worden, dass sich die einzelnen Nummern auf den befahrenen Strecken abwechselten. Schnittpunkt war Mailand und damit auch jener Ort, wo der Unterhalt ausgeführt werden sollte.

Von den neun vorhandenen Einheiten wurden deren acht für die Abdeckung des Verkehrs benötigt. Es gab daher nur ein Ersatz und der befand sich erst noch im Unterhalt. Für ein kaum erprobtes Fahrzeug mutig.

Das neue Angebot mit den schnellen Verbindungen durch die Alpen wurde mit sehr viel Medienaufwand beworben. So gesehen, erhoffte man sich für diese neuen Neigezüge einen guten Start. Insbesondere, weil sie technisch durchaus als modern angesehen werden konnten, denn noch immer fehlten alternative Mehrsystemzüge nach Italien. Seit der Baureihe RAe TEE II wurde in diesem Punkt keine Entwicklung mehr vorgenommen.

Die Hoffnungen der Planer sollten jedoch nicht erfüllt werden. Die neuen und kaum erprobten Triebzüge konnten nicht überzeugen und fielen durch viele Störungen auf. Noch sprachen die Fachleute von Kinderkrankheiten und führten oft auch die mangelnde Erfahrung des Personals ins Feld. Worte, die bei einem neuen Fahrzeug schnell ausgesprochen wurden. Auf jeden Fall hofften die Leute bei der Cisalpino AG noch auf eine Besserung.

Viele Fachleute, die nicht direkt mit dem Angebot zu tun hatten, meinten, dass man die Neigezüge viel zu schnell in den Betrieb ge-nommen hätte.

Insbesondere wurde immer wieder erwähnt, dass auf den Bergstrecken kaum Versuche erfolgten und das sich das noch rächen sollte. Zwei Meinungen, die es zu ergründen gibt, denn so unrecht hatte niemand in dieser Diskussion. Bestraft wurden dabei nur die Leute, die damit reisten.

Das Argument mit den fehlenden Fahrten auf den Gebirgsstrecken wurde durch die Störungen unterstützt. Insbesondere auf der Verbindung über den Gotthard kam es zu vielen Störungen mit der Neigetechnik. Die Lötschbergstrecke war davon nicht so stark betroffen. Erstmals erkannten auch weniger gut informierte Leute, dass die Gotthardstrecke eine deutlich höhere Anzahl von Kurven hatte, die sich erst noch strenger abwechselten.

Für einen Neigezug war die Gotthardstrecke eine Herausforderung. Sie müssen bedenken, dass sich der vordere Teil nach links neigen musste, während die hinteren Wagen noch nach rechts geneigt waren. Dazwischen waren nur ein paar Meter um den Kasten aufzurichten und erneut zu neigen. Die Zylinder waren damit dauernd an der Arbeit, was das Hydrostatiköl arg ins schwitzen bringen konnte. Die Leventina war zudem noch sehr lang.

Die Züge konnten meisten nach der Behebung der Störung weiterfahren. Nur, wenn die Neigetechnik ausge-schaltet werden musste, war das nicht mehr so schnell.

Der Fahrplan konnte in diesem Fall nicht mehr gehalten werden, was na-türlich den Fahrgästen nicht gefiel. Gerade in diesem Punkt, waren die Reisenden in der Schweiz pingelig.

Nur wenige Minuten waren im engen Takt ein Problem und das auch für die Betriebsführung.

Ergänzt wurden diese Probleme noch mit der mangelhaften Pünktlichkeit der von Italien eintreffenden Züge. Deren verspätete Ankunft konnte in Domodossola mit den Aufenthalt nur schlecht aufgefangen werden.

In Chiasso übertrugen sich diese di-rekt, da der Triebzug den Grenz-bahnhof ohne Halt passierte und erst in Lugano einen kurzen Stopp ein-legte.

Die dortige Zeit reichte gerade um ZUB 121 in Betrieb zu nehmen.

Zusammen mit den Störungen verlor der Zug schnell an Ansehen und die Fahrgäste mieden immer wieder den Neigezug, weil es ihnen bei der Reise damit schlecht wurde. Dabei spielte diesen das Innenohr einen Streich und so komisch es klingen mag, die Leute wurden Seekrank. Wer daran litt, hatte sicherlich keine Freude, weil im Triebzug schlicht die Kotztüten fehlten und das WC dann defekt war, oder noch besetzt.

In der Folge begann man in der Schweiz die neuen Neigezüge neu als Cisalpino zu bezeichnen. Sie verloren daher den Status eines Eurocity. Im Punkt des Komforts, gab es jedoch keine Abstriche, denn ein Cisalpino erfüllte sämtliche Bedingungen, die ein Eurocity zu erfüllen hatte. Die Kennzeichnung CIS hatte jedoch auch zur Folge, dass man den verspäteten Zug besser identifizieren konnte. Es war der CIS zu spät.

Damit konnten die Leute mit den gesundheitlichen Problemen, die Züge jedoch meiden und alternative Reisewege suchen. Besonders schlimm war, dass die Züge dabei im Takt fuhren und es oft nicht leicht war, den Cisalpino ohne zeitliche Ver-zögerungen zu meiden.

Nur, viele mieden den Triebzug aber auch wegen den Störungen und Verspätungen. Nicht selten, fiel der Zug total aus und musste abgeschleppt werden.

Man kann sich jetzt natürlich die Frage stellen, wa-rum ein Zug nicht mehr fahren konnte, wenn die Redundanz so sorgfältig aufgebaut wurde.

Diese berechtigte Frage kann man leider nicht mit einem globalen Satz beantworten, denn die Stör-ungen traten an unterschiedlichen Stellen auf.

Ging eine Traktionseinheit verloren, reichte bei gut besetztem Zug die Zugkraft nicht mehr für die Bergfahrt und dann half nur die Hilfslokomotive.

Schlimmer war da die Neigetechnik. Bei aller Plan-ung, diese konnte nicht mit einer Redundanz ver-sehen werden. So brauchte es nur einen undichten Zylinder und die Einrichtung fiel aus.

Die Fahrt konnten dann oft nicht mehr erfolgen, weil sich der Kasten wegen dem zweiten Zylinder nicht mehr aufrichten liess. Man musste diesen manuell entleeren. Fahren konnte der Zug mit dem instabilen Kasten jedoch nur ohne Leute.

Fiel der Zug jedoch vollständig aus, musste er mit einer anderen Lokomotive mit mehr oder weniger Aufwand abgeschleppt werden. Diese Schleppfahrt konnte mit den vorhandenen Zug- und Stossvorrichtungen einfach eingerichtet werden. Wobei auch hier eine Vielzahl von Problemen entstehen konnte. Fehlte ein Bolzen zur Sicherung, konnte keine gesicherte Fahrt erfolgen. Die Hilfslokomotive musste dann umgesetzt werden.

In der Schweiz kam noch hinzu, dass nicht einfach eine beliebige Lokomotive genommen werden konn-te. Die Baureihe Re 460 war nicht für die Schlepp-fahrt zugelassen.

Deren Kasten war so aufgebaut worden, dass der Platz zwischen der Lokomotive und der Front nicht mehr ausreichte. Zudem konnten deswegen auch kaum gekuppelt werden. So blieben für diesen Ein-satz nur noch die älteren Baureihen übrig.

Mit der Hilfslokomotive ging es dann nur noch schleppend voran und oft mussten die Reisenden dann im nächsten Bahnhof auf einen anderen Zug umsteigen.

Im defekten Triebzug ging weder die Lüftung, noch konnte geheizt werden. Das Ziel hiess dann Mailand, wo der Defekt behoben werden musste.

Oftmals konnte unter Gleichstrom wieder mit ei-gener Kraft gefahren werden, was aber ein schwacher Trost war.

Schlimmer als der defekte Zug war, dass dieser nicht ersetzt werden konnte. Es gab nur eine Einheit in Mailand und nicht in Zürich, oder Basel, wo sie eigentlich benötigt wurde. Der knappe Bestand begann sich nun zu rächen und die Ursache für das Problem war auch noch nicht gefunden. Besonders, wenn es die Neigetechnik betraf, denn diese ging in Mailand oft wieder und so wurde der Zug ohne Befund auf die nächste Reise geschickt.

Eine erste Analyse der häufigen Pannen ergab, dass oft die Neigetechnik mit den vielen Kurven am Gotthard und weniger am Lötschberg überfordert war. Ein Problem, das erkannt worden wäre, hätte man am Gotthard die notwendigen Versuchsfahrten absolviert. Jetzt betraf es im Betrieb stehende Einheiten und das kam bei den Kunden nicht gut an. Als «Pannolino» bezeichnet, war der Ruf endgültig dahin.

Das Problem bei der Neigetechnik war, dass diese in den vielen Kurven ständig an der Arbeit war. Dadurch wurde das Hydrostatiköl erwärmt und konnte seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen.

Eine Besserung war daher nur zu erreichen, wenn das Öl ausreichend abgekühlt werden konnte. Auf Strecken mit weniger Kurven reichte dazu die lange Gerade da-zwischen. Diese musste nun mit anderen Massnahmen ergänzt werden.

Es stand eine erste Sanierung der Neigetechnik auf dem Programm. Mit der extrem knappen Anzahl von Zügen ging das nicht so schnell. Hatte man einen verbessert, ging es ausschliesslich an den Gotthard.

So wurde am lebenden Objekt gleich geprüft, ob die Massnahmen ausreichend waren. Die Kunden, die aus Versehen noch eingestiegen sind, hofften dabei in-ständig, dass es nicht die eigene Fahrt ist, die im Nir-gendwo liegen bleibt.

Der Neigezug verlor daher zunehmend an Ansehen und immer öfters wurde die Bezeichnung Cisalpino durch «Pannolino», oder gar «Kotzolino» ersetzt. Der letzte Punkt, war das Problem mit den Fahrgästen.

Wer sich auf der Fahrt einen Fixpunkt suchte, sah er zu Stirnwand. Dort sah man dann, wie die Neigetechnik am arbeiten war und dass die einzelnen Wagen wie bei einem Ozeanriesen leicht am Schaukeln waren. Dann half nur noch die Kotztüte.

Um es schöner auszudrücken, der Neigezug hatte einen denkbar schlechten Start hingelegt. Dabei waren viele Probleme vorhanden, die bei ausgedehnten Versuchen aufgefallen wären.

Nur wer mehrere Jahre auf die Auslieferung warten muss, der will fahren, sobald die erste Einheit da ist. Man ging davon aus, dass die Neigezüge solide gebaut wurden. Das stimmte in gewissen Bereichen, aber nicht bei wichtigen Schnittstellen.

Die leidtragenden Personen dieser Aktion waren schliesslich die Fahrgäste, die mit dem Zug reisten. Und für die sollte es zu neuem Ungemach kommen, denn der Zoll fuhr in Chiasso über die Grenze mit. Das ging seit Jahren so und hatte schon bei den Modellen RABe EC funktioniert. Nun aber bemängelten die italienischen Beamten, dass sie sich die Preise in der Schweiz nicht leisten konnte. Das war so, da der Staat die entsprechenden Zulagen kürzte.

So kam es, dass mit den Neigezügen in Chiasso angehalten werden musste. Dieser nicht öffentliche Halt nutzte das Lokomotivpersonal auch um ZUB 121 einzuschalten und zu prüfen. Ein Aufenthalt, der im Fahrplan nicht berücksichtigt wurde und das wirkte sich negativ auf die Pünktlichkeit aus. Kaum ein Cisalpino war deshalb noch pünktlich unterwegs. Selbst dann, wenn er es mit einem geringen Rückstand nach Zürich schaffte.

Dort sollte der Zug auf die nächste Leistung übergehen. Ein Wechsel in gut zehn Minuten war im Fahrplan vorgesehen. Kam der Zug an, musste es schneller gehen. Zumal im neu besetzten Führerstand ZUB 121 eingeschaltet und geprüft werden musste.

So verzögerte sich die Abfahrt und der Neigezug passte nicht mehr in den Fahrplan. Die Folgen waren schnell klar, denn der Rückstand vergrösserte sich und er konnte nicht eingeholt werden.

Trotz all den Problemen mit den Neigezügen und deren Pan-nen waren diese Verbindungen sehr begehrt und die Nach-frage äusserst erfreulich. Besonders zwischen Zürich HB und Milano erfreuten sich die schnellen Züge einer grossen Nach-frage.

Oftmals war der Zug so gut ausgebucht, dass beim Halt in Arth-Goldau keine weiteren Fahrgäste aufgenommen werden konnten. Alternative war der Interregio, der dann 30 Minuten später im Tessin war.

Um den anfälligen Betrieb zu verbessern, beschloss die Firma Cisalpino AG erste Veränderungen. Neu sollten auch die Destinationen Venedig im Süden und Stuttgart im Norden angefahren werden. Gerade die Fahrten nach dem kulturell bekannten Venedig erachtete die Firma als gute Quelle um Einnahmen zu erhalten. Besonders dann, wenn man ab Stuttgart ohne umsteigen zu müssen an die berühmte Lagune in Italien fahren konnte.

Damit wurden die anfälligen Triebzüge nicht entlastet. Im Gegenteil, die acht am Tag verplanten Einheiten wurden um die bisherigen Stilllager gebracht. Diese wurden vom Betrieb geschätzt, da so der Fahrplan wieder eingehalten werden konnte. Bei der betreibenden Firma sah man jedoch nur die Geldscheine, die in die Kassen fliessen sollten. Reserven kosten Geld und sind bei diesem guten Neigezug nicht erforderlich.

So leicht, wie man sich das in den Büros vorstellte, war die Sache gar nicht. Auf der Strecke nach Venedig passte der Neigezug schlicht nicht in den Fahrplan. Mit aller Mühe hatte man aber die notwendigen Trassee gefunden. Abfahrt war damit rund fünf Minuten vor dem Regionalzug, der in der gleichen Richtung verkehrte und das gleiche Ziel hatte. Eine Neigetechnik wurde jedoch nicht benötigt und die Reisezeit wurde unattraktiv.

Schlimmer war jedoch die Erweiterung nach Norden. Die Neigezüge waren von wenigen Jahren nicht dafür ausgelegt worden. Wir erinnern uns, dass der Zug zwischen der Schweiz und Italien eingesetzt werden sollte. Nun kam Deutschland mit den breiten Stromabnehmer dazu. Dabei sollte die neue Strecke auch noch bogenschnell befahren werden. Es stand ein grösserer Umbau der Einheiten auf dem Programm.

Die Arbeiten sollten während dem ordentlichen Unterhalt ausgeführt werden. So konnte der Betrieb aufrecht erhalten werden. Wir erinnern uns acht Einheiten waren verplant, die neunte im Umbau. Auch wenn man nun den Unterhalt in die Nacht verschob, besser wurde die Situation damit nicht. Besonders dann, als der erste umgebaute Triebzug für die anstehenden Versuchsfahrten nach Deutschland geschickt wurde.

Mit einer betrieblichen Reserve, die nun bei null lag, musste der Verkehr aufrecht erhalten werden. Die Freude beim Personal und bei der Kundschaft hielt sich in Grenzen. Immer noch waren die Züge an der Grenze zu spät und Italien sah das einfach nicht ein. 15 Minuten seien bekanntlich die Toleranz und die halte man ja meistens ein. Dumm, wenn es dann ab der Grenze nur noch drei Minuten sind und der Zug zu spät kam.

Der Triebzug passte nicht mehr in den Fahrplan. Mit viel Geschick wurde versucht den Neigezug um die anderen Kompositionen zu lotsen. Besonders der im Tessin heilige Regionalverkehr sah das gar nicht gern. Noch schlimmer war die Sache aber weiter im Norden. Mit der Verspätung passte der Neigezug nicht mehr auf den Abschnitt zwischen Arth-Goldau und Zug. In der Folge kam die Umleitung über Wohlen und die Verspätung nahm zu.

Wenn es in den letzten Abschnitten kaum Hinweise zu den Verbindungen nach der Calvinstadt Genf gab, dann deshalb, weil dort die geringsten Probleme vorhanden waren. Der Neigezug verkehrte auf der eher schwach ausgelasteten Strecke einfach mit etwas Verspätung. Die hier vorhandenen Reserven reichten oft, dass das Ziel sogar pünktlich erreicht werden konnte. Doch nun stand eine neue Zeit an, denn es sollte nach Stuttgart gehen.

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