Die Ausschreibung |
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In der Folge der Probleme hatten die
Schweizerischen Bundesbahnen SBB am 16. April 2012 international die
Beschaffung neuer
Triebzüge
für den internationalen Verkehr ausgeschrieben. Auch ohne dass man einen
Blick in den Anforderungskatalog, der für eine Gebühr von 50 000 Schweizer
Franken bestellt werden konnte, warf, war klar, dass damit Züge gemeint
waren, die in erster Linie nach Italien eingesetzt werden sollten. Nach Frankreich arbeitete man mit den
TGV
gut mit den SNCF zusammen und daran sollte sich vorderhand nicht viel
ändern. Für den Einsatz nach Deutschland und Österreich waren bereits auch
die national verwendeten doppelstöckigen
Triebzüge
aus dem Hause Bombardier bestellt worden. Schwachstellen gab es daher nur
nach Süden und somit nach Italien, wo die Ablösung der
ETR 470 gross angekündigt anstehen
würde. Der Anforderungskatalog enthielt die
Bedingungen, die der neue
Triebzug
erfüllen sollte. Im Gegensatz zu einem
Pflichtenheft,
das klar umschriebene Bedingungen kennt, war hier vieles sehr allgemein
umschrieben und die interessierten Hersteller konnten einige Punkte frei
gestalten. Trotzdem lohnt es sich, wenn wir einen Blick in diesen
Anforderungskatalog werfen. Zumindest in den öffentlichen Teil davon, denn
dieser fand sich in der Fachpresse wieder und wurde breit diskutiert. Die neuen Triebzüge, deren Bezeich-nung noch nicht benannt wurde, soll-ten auf dem Netz der Schweizerischen Bundesbahnen SBB, sowie in Italien, Österreich und Deutschland eingesetzt werden. Spannend war hier, dass man eine Ausrüstung für drei Spannungen vor-sah, obwohl die meisten Hersteller be-reits alle üblichen Spannungen an-boten. Auch war aus dieser Formulierung
herauszulesen, dass der
Basistunnel
und die
Bergstrecke
am Lötschberg nicht befahren werden sollten. Gefordert war zudem, dass die ein-stöckigen Triebzüge über die Zulass-ung in den erwähnten Ländern verfüg-en mussten. Auf den Einbau einer Neigetechnik verzichtete man mittler-weile. Zumindest wurde sie von den Schweiz-erischen Bundesbahnen SBB nicht mehr gefordert. Das war eine deut-liche Abkehr von der
ersten Idee mit rasend schnellen
Neigezügen.
Scheinbar sah man ein, dass diese nicht realisierbar gewesen wären. In diesem Zusammenhang kann klar gesagt
werden, dass diese teure
Neigetechnik
mit der Inbetriebnahme des
Basistunnels
am Gotthard und am Monte Ceneri nicht mehr ausreichend benötigt würde, da
die kurvenreichen
Bergstrecken
entfallen würden. Man benötigte daher schnelle Züge für gerade gebaute
Tunnel.
Die
Kurven
waren da nicht mehr wichtig. Somit sollte es sich auch um den ersten Zug
für den Basistunnel Gotthard handeln. Die
Höchstgeschwindigkeit
der
Triebzüge
war von der
Spannung
der
Fahrleitung
abhängig. So sollte der Zug unter 3 000
Volt
Gleichstrom
160 km/h erreichen. Unter den Spannungen von 15 000 Volt / 16.7
Hertz
und 25 000 Volt / 50 Hertz sollten mindestens 249 km/h erreicht werden.
Die Spannung von 25 000 Volt wurde in Italien auf
Neubaustrecken verwendet und war daher nicht wegen einem
geplanten Einsatz nach Frankreich erwähnt worden. Speziell erwähnt werden muss die
Höchstgeschwindigkeit
von 249 km/h. So komisch diese erscheinen mag, so sinnvoll war sie bei der
Zulassung
der Fahrzeuge. Der Grund ist simpel, denn ab 250 km/h sind zusätzliche
Bedingungen zu erfüllen, die bei einem Zug, der diese nur leicht ankratzt,
nicht zu vertreten sind. Bei 250 km/h, hätte man den Zug anhand der
geforderten Normen auch gleich mit 350 km/h einsetzen können. Bei der
Zugkraft
des
Triebzuges,
erwartete man hohe Werte für die Beschleunigung und für das Bremsvermögen.
Gerade in der Schweiz waren das wichtige Punkte, die der Stabilität des
Fahrplans
nutzen konnten. Jedoch war so zu erwarten, dass eine hohe installierte
Leistung
zur Verfügung stehen musste, denn bisher wurden die hohen
Geschwindigkeiten mit entsprechenden
Getrieben
erreicht. Dadurch verlor man bei tieferen Geschwindigkeiten aber Zugkraft. Die Züge sollten über eine Länge von 200
Metern verfügen. Das ergab mit zwei Zügen die maximale Länge der
Bahnsteige
in der Schweiz. Dazu sollten die Züge schnell vereinigt oder getrennt
werden. Man sah vermutlich eine
automatische Kupplung
mit integrierter
Vielfachsteuerung
für zwei Züge vor. Die Toleranz bei der Länge betrug +1%. Deutlicher
konnte man nicht erwähnen, wie genau die Länge auf die Bahnsteige von 400
Meter Länge abgestimmt wurde. Man sah zwei unterschiedliche
Konfigurationen der Züge vor. So sollten einerseits Züge vom Typ 1 mit
Speisewagen
angeboten werden. Die Züge des Typs 2 wurden anstelle des Speisewagens mit
einem Wagen zweiter
Wagenklasse
versehen. Daraus liess sich erkennen, dass die Züge möglicherweise an der
Grenze geschwächt oder verstärkt werden sollten. Auch war im
internationalen Verkehr mit Zügen ohne Speisewagen zu rechnen. Die schweizerischen Bundesbahnen SBB
erwarteten eine grosse Sitzplatz- und Gepäckkapazität. Daher waren
Triebköpfe,
wie sie zum Beispiel beim
TGV
oder beim
ICE
1 verwendet wurden, ausgeschlossen und die Technik musste nach Möglichkeit
unter dem Wagenboden, oder auf dem Dach untergebracht werden. Hier waren
die Züge hauptsächlich auf den Verkehr in der Schweiz ausgelegt worden,
denn hier waren die grossen Fahrgastzahlen zu erwarten. Bei der Gestaltung des Komforts, erwartete
man Standardwerte. Das bedeutete, dass die Züge klimatisiert sein mussten.
Man kann davon ausgehen, dass diese
Klimaanlagen
auch für den
Basistunnel
am Gotthard ausgelegt werden mussten. Die Sitze der ersten
Wagenklasse
sollten sich deutlich von jenen der zweiten Wagenklasse unterscheiden. Was
hingegen eher besonders war, kam es national doch immer öfters zu einer
Angleichung. Auch dem Gleichstellungsgesetz sollten die
Züge gerecht werden. Gerade hier sah man die grössten Probleme, denn das
bedeutete
Niederflureinstiege
in einem internationalen Hochgeschwindigkeitszug. Auch 2012 hatte man es
in Europa noch nicht geschafft, einheitlich
Bahnsteighöhen
zu schaffen. Die Schweiz kannte 550 mm, während man in anderen Ländern
leicht höhere Bahnsteige kannte. Damit hätte man bei dieser Türe im
Ausland eine Stufe auf den
Bahnsteig
hoch. Vorgesehen war die Beschaffung von 29
Zügen. Davon sollten 19 Züge nach dem Typ 1 gebaut werden und über einen
Speisewagen
verfügen. Abgeliefert werden sollten diese Züge bis Ende des ersten
Quartals 2020. Somit sollten diese Züge erst nach Eröffnung des
Basistunnels
am Monte Ceneri in Betrieb genommen werden. Damit entfiel jedoch die
Begründung für die
Neigetechnik,
so dass endgültig darauf verzichtet werden konnte. Dazu wurden zwei
Optionen
in Aussicht gestellt. In einer ersten Option sollten zwölf weitere
Triebzüge
beschafft werden. Wobei hier nicht näher auf den Typ eingegangen wurde.
Mit der zweiten Option war die Flotte um weitere 80 Triebzüge erweitert
worden, wobei man hier 60 Züge vom Typ 1 erwartete. Obwohl über 100 Züge
in Aussicht gestellt wurden, musste erwartet werden, dass diese Optionen
nicht in diesem Umfang eingelöst werden würden. Soweit zum Anforderungskatalog. Viele
Punkte, die darin enthalten waren, sind hier nicht so wichtig, oder
entsprachen den üblichen Normen und Vorgaben. Sie wurden daher absichtlich
nicht erwähnt. Angaben über
Schienen
und Profile sind klar. Sie müssen jedoch genannt werden, damit der
Hersteller nicht behaupten kann, er hätte davon keine Kenntnis gehabt. Das
obwohl jeder über die Bahnen genau informiert ist. Wichtig war, dass es auf dem Markt eigentlich keinen passenden Zug gab. Gerade der niedere Fussboden war die grösste Knacknuss, aber am Gesetz in der Schweiz konnte nicht gerüttelt werden. Teure Neuentwicklungen für eine geringe
Stückzahl liessen erwarten, dass der Preis für diese Züge entsprechend
kalkuliert werden musste. Auch war nicht davon auszugehen, dass sich viele
Hersteller um den Auftrag bemühen würden. Letztlich meldeten sich auf die Ausschreibung hin, vier Hersteller mit einem Angebot für die neuen Züge der Schweizerischen Bundesbahnen SBB. Diese vier Angebote wollen wir uns kurz ansehen, denn sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Damit ich hier keinen Hersteller
bevorteile, oder der definitiven Entscheidung der Schweizerischen
Bundesbahnen SBB vorgreife, nenne ich die An-bieter in alphabethischer
Reihenfolge ihrer Firmen-namen. Alstom machte ein Angebot, das auf dem bereits vorhandenen ETR 610 basierte. Jedoch konnte der Zug nicht direkt übernommen werden. So war klar auf eine Neigetechnik verzichtet worden. Hinzu kam, dass die Schweizer Gesetze den
Behinderten einen ebenen Einstieg zugestanden haben. Daher hätte man am
bestehenden Zug durchaus Anpassungen vornehmen müssen. Für den Zug sprach,
dass man schon auf Erfahrungen in der Schweiz und Italien aufbauen konnte. Siemens bot einen
Triebzug
an, der sich aus dem neu entwickelten ICx ableitete. Die Züge der
Schweizerischen Bundesbahnen SBB bedingten jedoch neue Wagenkasten und
Anpassungen im elektrischen Teil, die mit dem Verkehr in Italien begründet
waren. Zudem passten die Wagenböden nicht zu den in der Schweiz
verwendeten
Bahnsteigen
von 55 cm. So gesehen, hätte es vermutlich eine neue Konstruktion für die
Züge gegeben. Einfach gesagt, der Zug existierte eigentlich nur in den
Köpfen der Anbieter. Stadler Rail und somit der Hersteller aus
der Schweiz profitierte hier von dem Verzicht auf die
Neigetechnik.
Daher konnte man sich ohne lange Suche nach einem Partner mit einem
Angebot ins Rennen schicken. Stadler in Bussnang bot dabei einen Zug an,
der sich auf den NSB-Flirt aufbaute. Die niederflurigen Einstiege dieser
Züge entsprachen dabei am besten dem Gleichstellungsgesetz, so dass der
Firma aus der Schweiz schnell gute Chancen eingeräumt wurden. Schliesslich bleibt noch Talgo. Die
spanische Firma Patentes Talgo hatte ebenfalls keinen passenden Zug im
Programm. So musste man sich hier darum bemühen einen
Triebzug
zu entwickeln. Hinzu kam, dass man einen Unterlieferanten für den
elektrischen Teil benötigte. Daher unterbreitete Talgo ein Angebot, das
sowohl Bombardier, als auch ABB als Elektriker für den neuen Triebzug der
Schweizerischen Bundesbahnen SBB vorsah. Weitere komplette Angebote waren nicht
eingegangen. Die vier Anbieter hatten sicherlich unterschiedliche
Ausgangslagen und versuchten sich die Arbeit so leicht, wie nur möglich zu
machen. Wenn man den tiefen Fussboden des Zuges berücksichtigt, sticht nur
das Angebot der Firma Stadler heraus, denn der Boden des NSB-Flirt galt
als sehr anpassungsfähig. Daher wurde Stadler schon früh von Insidern als
Favorit gehandelt. Mit den vier eingegangenen Angeboten hatte
man bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB eine kleine Auswahl erhalten.
Zwar erhielt man vermutlich nicht das, was man genau erwartete, oder was
man zu erwarten hoffte. Mit anderen Worten, die Entscheidungsträger waren
alles andere als glücklich über die Angebote der einzelnen Hersteller. Die
Entscheidungsfindung zögerte sich daher hinaus und der neue
Triebzug
ging fast vergessen. Als schliesslich die Schweizerischen Bundesbahnen SBB ankündigten, dass man zusätzliche ETR 610 beschafft, meinten viele, es handle sich um diese neuen Züge. Vielmehr waren diese nun als RABe 503 bezeichneten Züge aber für den Ersatz der ETR 470 vorgesehen. Intern sollten diese
Triebzüge
auf die Strecke nach München ausweichen, wenn die neuen Züge in Betrieb
kamen. Doch noch fehlte die
Fahrleitung
auf einem gros-sen Teil der Strecke nach München. Gerade die Lösung mit den ETR 610 und die Tatsache, dass damit später auf einer Linie gefahren werden sollte, wo es vermutlich noch längere Zeit keine Fahrleitung geben würde, gossen Öl ins Feuer der Skeptiker. Letztlich aber sollten die
Neigezüge
mit dem
Basistunnel
so oder so überflüssig werden, denn auf geraden Strecken braucht man
bekanntlich keine
Neigetechnik.
Längers je mehr war somit klar, eigentlich sollte man, aber man kann
nicht. Wollte man womöglich gar nicht? Die Ruhe aus Bern wurde oft auch als Argument gesehen, dass man bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB einen Rückzieher gemacht hatte. Keine neuen
Triebzüge
beschaffen, dafür den vorhandenen Schrott weiter einsetzen, war oft zu
hören. Nur, musste man sich auch fragen, warum nicht offen gesagt wurde,
dass man sich die Sache anders überlegt hatte. So war eigentlich nichts
sicher. Wenn man auf die Ausschreibung der neuen
Doppelstockzüge für den Inlandverkehr sah, befürchtete man böse
Überraschungen. Die bei einem grossen weltweit arbeitenden Konzern
bestellten
Triebzüge
würden nicht rechtzeitig bereitstehen und ob da alle Anforderungen
eingehalten werden konnten, war auch nicht klar. Die finanziellen
Forderungen und Gegenforderungen waren für das Vertrauen der neuen Züge
für den Gotthard, als andere als zuträglich.
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