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Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB überraschten schliesslich mit der Meldung, dass keines der Angebote den Anforderungen genüge. Wer hier vermutet, dass man sich auf Kosten der Hersteller aus der Affäre verabschieden wollte, liegt vermutlich nicht mal so daneben, wie man meinen könnte. Niemand glaubte wirklich an die Tatsache, dass nun noch neue Züge beschafft werden sollten. Man hatte neue ETR 610 und an anderer Stelle ein Chaos.

Besonders die bei Bombardier bestellten Triebzüge zeigten, dass die Lieferfristen von der Firma nicht gehalten werden konnten. Diese Züge waren ebenso dringend, wie die neuen Züge für den Verkehr nach Süden. Wenn jemand jedoch bei einer Bestellung mit grossen Problemen zu kämpfen hat, schaut nicht lange nach neuen Problemen, die man sich aufhalsen kann. Wer will noch mehr am Hals haben, wenn ihm das Wasser schon am Kopf steht?

Schliesslich hatte man nagelneue ETR 610 und die konnten problemlos nach Italien eingesetzt werden. Deutschland war auch kein unlösbares Problem mehr und auch sonst passten diese Züge eigentlich recht gut zum Verkehr mit Italien.

Ein kleines Problem gab es nur noch bei der Zulassung für den Basistunnel am Gotthard, aber auch dort hatte man mit den Neigezügen keine grösseren Probleme. Warum sollte daher ein neuer Zug beschafft werden?

Wären da nicht das Gleichstellungsgesetz und damit die Forderung, dass ein ebenerdiger Einstieg nötig sein muss, wäre die Welt in Ordnung.

Neigezüge können nur schon auf Grund ihrer Bauweise diese Bedingungen kaum einhalten und müssten daher als Sonderfall angesehen werden.

Solche Sonderfälle waren jedoch selbst in der Schweiz kaum mehr zur Zulassung zu bringen. Man wollte eben-erdige Einstiege bei möglichst allen Zügen.

Die Bestellung der neuen Züge schien sich zu einem Desaster zu entwickeln. Um die neuen Triebzüge wurde es verdächtig ruhig.

Es drangen kaum Informationen nach aussen und wenn, dann eigentlich nur die, die besagte, dass wohl Stadler aus Bussnang das Rennen machen werde. Wie gut diese Infos waren, wusste niemand. Der Besteller, also die Schweizerischen Bundesbahnen SBB, blieb sehr ruhig, was natürlich die Gerüchteküche zusätzlich anheizte.

Als letztlich die Nachricht kam, dass die schweizerischen Bundesbahnen SBB im April 2014 einen Entscheid über die Beschaffung der neuen Züge für den Verkehr am Gotthard fällen werden, kam neues Leben in die Geschichte, an die niemand mehr glaubte. Der Triebzug war scheinbar doch nicht den neuen ETR 610 geopfert worden und noch immer lief die Auswahl des Lieferanten. Wer das sein sollte, wurde sehnsüchtig erwartet und so verging auch der April ohne Neuigkeiten.

Schliesslich wurde am 09. Mai 2014 in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass die 29 neuen Züge von der Firma Stadler Rail im schweizerischen Bussnang geliefert werden sollten. Scheinbar war dem Schweizer Hersteller das beste, oder vertretbarste Angebot gelungen. Volkswirtschaftlich war der Entscheid sogar sehr gut, konnten so Arbeitsplätze im Land gesichert werden. Doch noch konnten die anderen Anbieter gegen den Entscheid Beschwerde einlegen.

Es war eigentlich nicht zu erwarten, dass von diesem Recht auf Beschwerde gebrauch gemacht werden würde. Für die meisten Hersteller waren die Kriterien schlicht nicht zu halten und hätten spezielle Modelle ergeben, die man im Produktekatalog mit Standartfahrzeugen eigentlich gar nicht mehr wollte. Daher konnte man relativ beruhigt die Einsprachefrist abwarten. Es sprach mehr oder weniger alles für die Firma aus der Schweiz.

Nur, so einfach war die Vergabe auch wieder nicht. In der Zeit, wo dieser Zug bestellt wurde, war sich jeder sicher, dass nur er das optimale Produkt hat und dass ihm natürlich klar durch den anderen Hersteller übel mitgespielt wurde und dass man auf sein Recht bestand. So kam es, wie es kommen musste, sowohl Talgo in Spanien, als auch Alstom in Frankreich machten gegen die Vergabe der Züge Einsprache.

Wer nun vermutet, dass es kaum um die Vorteile des eigenen Produktes ging, als mehr um den entgangenen Auftrag, liegt nicht einmal so falsch. Für einen Auftrag in diesem Umfang lohnt es sich schnell zu kämpfen. Gerade in Gebieten, wo gerade wenig neue Fahrzeuge beschafft würden. Der klassische Verkehr mit Zügen für hohe Geschwindigkeiten war damals gerade in einem Umbruch. Da wäre der Auftrag der Schweizerischen Bundesbahnen SBB ein guter Einstieg.

Letztlich hatten solche Einsprachen bisher kaum Erfolg gehabt. Die Bahnen suchten das nach ihren Gesichtspunkten optimalste Produkt aus und bestellen dieses schliesslich. Wenn jedoch ein Hersteller aus der Schweiz, der so oder so keine Chance hat, den Auftrag einer Schweizer Bahn bekommt, kann das doch nur mit schlechten Tricks erfolgt sein. Im Ausland war man besser und davon war man überzeugt.

Der Kunde entscheidet letztlich, was er für ein Produkt haben will und welcher Händler das liefert und nicht der Händler. Die Ideen, dass man einem Kunden ein Produkt aufschwatzen könnte, kannte man eigentlich nur bei telefonischen Angeboten. Im Supermarkt klappt es und selbst bei einem Auto machen Sie es doch auch so? Sie besuchen das Geschäft Ihrer Wahl und kaufen dort Ihre Milch, oder den neuen kleinen roten Boliden.

Was wäre, wenn nun der Händler mit dem Stern auf der anderen Seite der Strasse dagegen Beschwerde einlegen würde? Klar bei einem Liter Milch ist das eher unwahrscheinlich, aber beim kleinen roten Flitzer ist das schon eher möglich.

Nur Sie wollen einen roten Flitzer und nicht die knallgrüne Giftschlage des klagenden Konkurrenten. So funktioniert die Marktwirtschaft, wie wir sie kennen. Sie suchen sich das beste Produkt und fertig.

Sie als Kunde sind letztlich das Opfer, denn die dringend benötigte Milch fehlt. Das war hier genau so, die Züge wurden dringender als dringend benötigt und der Kunde hat sich für ein Produkt entschieden.

Jetzt musste aber eine Kommission entscheiden, ob seine Wahl auch wirklich richtig war. Die Ver-zögerungen werden wir als Kunde vollumfänglich zu spüren bekommen, denn die neuen Züge lassen noch länger auf sich warten.

In Frankreich sah man schliesslich ein, dass man vermutlich mit der Beschwerde wenig Erfolg haben würde. Der angebotene Zug war nur schwer nach den Gesetzen der Schweiz zu bauen. Daher entschloss man sich, die Beschwerde gegen die Vergabe der neuen Züge zurückzuziehen. Damit waren nur noch zwei Hersteller übriggeblieben und Talgo in Spanien hielt an der Beschwerde fest und erwartete den Entscheid.

Als am 30. Oktober 2014 schliesslich das Ergebnis der Beschwerde bekannt wurde, war es nahezu klar, der neue Triebzug für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB kommt aus dem Hause Stadler Rail in Bussnang. Die Beschwerde wurde mit dem Hinweis, dass nicht genügend Argumente vorgelegt wurden, zurückgewiesen. Man prüfte daher nur oberflächlich und Talgo hatte zu wenig Munition für den Kampf gegen die Vergabe.

Die Idee, dass der andere Hersteller die vorgegebenen Lieferzeiten nicht einhalten könnte, ist als Argument in dem Moment vorbei, wenn man selber die Termine nicht einhält. Jedoch war man bei Talgo davon überzeugt, dass man als einziger Hersteller niederflurige Züge bauen kann. Als Argument zählt das jedoch wenig, denn andere Hersteller drängten ebenfalls in diesen Markt. Die Konkurrenz hatte aufgerüstet.

Doch noch konnte der spanische Hersteller mit seiner Beschwerde vor das Bundesgericht in Lausanne gelangen. Dann hätten die Bundesrichter über eine Vergabe von Triebzügen für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB entscheiden müssen. Doch diese Aktion hätte, kaum zu einem anderen Ergebnis geführt und für Talgo wären hohe Kosten entstanden, die nur einen geringen Erfolg versprachen. Die Vergabe an Stadler Rail war somit perfekt.

Die Firma Stadler Rail aus Bussnang war bisher in der Schweiz dafür bekannt gewesen, dass die angebotenen Züge schnell und ohne grössere Probleme in Betrieb genommen werden konnten.

Besonders die RABe 523 mit ihren Ablegern und die neu entwickelten Trieb-züge der Baureihe RABe 511 waren gute Beispiele, die sogar bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB verkehrten und dort kaum Anlass zu Klagen boten.

Daher erwarteten viele Fachleute einen guten Verlauf bei diesen Triebzügen. Nur, gebaut war auch der noch nicht. Ein Punkt beim Angebot von Stadler war, dass er in Aussicht gestellt hatte, dass der erste Zug schon ein Jahr vor dem vereinbarten Termin bereitstehen könnte.

Diese fiel keinem der anderen Hersteller ein, denn man wollte liefern, wenn es sein musste und nicht vorher. Die Züge wurden jedoch dringend benötigt.

Wie weit diese Aussage der Firma Stadler wegen der Einsprache und wegen der damit verbundenen Verzögerung noch zu halten war, wusste niemand. Böse Zungen behaupteten, dass dies genau der Punkt war, an dem sich Talgo gestört hätte. Nur, beweisen kann das bekanntlich niemand. Besonders dann nicht, wenn man keinen direkten Vergleich hatte. Der Besteller musste einfach dem Angebot des Herstellers vertrauen.

In Bussnang hatte man bisher schlicht noch keinen so schnellen Zug gebaut. Zwar fuhren die Produkte der Firma im Ausland mit 200 km/h und bereiteten kaum Probleme, aber 250 km/h erreichte ein Triebzug aus dem Hause Stadler noch nicht. Ein neuer Triebzug für eine neue Geschwindigkeit war keine leichte Aufgabe, denn da gab es neue Probleme und andere Schwierigkeiten, die gelöst werden mussten. Zudem musste das Produkt in mehreren Ländern verkehren können.

Während man bei Stadler in Bussnang beim neuen Triebzug für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB vom EC 250 sprach, verwendete man bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB den etwas holprigen Ausdruck BeNe-Triebzug. Nur war die definitive Typenbezeichnung des Zuges nicht bekannt geworden und so arbeitete man je nach Position mit einer anderen Bezeichnung. Das führte natürlich auch wieder zu Verwechslungen.

Von den neuen Triebzügen wurden durch die Schweizerischen Bundesbahnen SBB in der ersten Bestellung 29 Exemplare bestellt. Ob die in der Ausschreibung noch erwähnte Aufteilung in zwei Konfigurationen umgesetzt wurde, war nicht erwähnt worden. Man konnte jedoch davon ausgehen, dass diese umgesetzt wurden, denn die Schweizerischen Bundesbahnen SBB kannten das Problem mit den zwei Speisewagen von den ICN her.

Der Preis für diese 29 Triebzüge belief sich auf 980 Millionen Schweizer Franken. Geliefert werden sollten diese Triebzüge ab 2019 und somit auf die Eröffnung des Basistunnels am Ceneri hin. Spannend war, dass man bei der Ausschreibung noch von 2020 gesprochen hatte. Man erwartete 2019 sogar, dass eine schrittweise Inbetriebnahme der Triebzüge möglich sein sollte. Damit war eine kurze Lieferfrist vorgehen, die zudem noch verkürzt wurde.

Bei der Vergabe war auch die Bezeichnung der Züge noch immer nicht festgelegt worden. Auch über einen besonderen Namen, den die Firma Stadler ihren Zügen immer wieder gab, war noch nichts bekannt geworden. Man konnte aber darauf vertrauen, dass die etwas holprige Bezeichnung BeNe-Züge nicht lange Bestand haben würde. Auch der Arbeitstitel EC 250 war nicht besonders einprägsam. Doch noch war das letzte Wort nicht gesprochen.

Es waren schliesslich die Schweizerischen Bundesbahnen SBB, die das lange Schweigen beendeten. Die Bestellung der neuen Züge wurde angepasst und so kam es, dass die zehn Triebzüge ohne Speisewagen zu Gunsten von 29 einheitlichen Zügen geopfert wurden. Sämtliche Züge sollten nun mit Speisewagen ausgerüstet und daher nur nach einem Muster gebaut werden. Ob das auch Auswirkungen auf die Optionen haben sollte, wusste man jedoch nicht.

Ob und wie eine Option über zusätzliche Züge eingelöst wird, hängt von den Erfahrungen mit einem neuen Fahrzeug ab. Solche Optionen werden eigentlich auch nur in einen Auftrag eingebaut, dass ein nachträglicher Ausbau des Einsatzes mit den Zügen ohne langwierige Ausschreibung erfolgen kann. Damit konnten sich die Bahnen vor vielen klein zerstückelten Baureihen bewahren, denn 100 einheitliche Züge sind einfacher im Unterhalt, als 4x25 unterschiedliche Modelle.

Schliesslich überraschten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB im Frühling 2015 damit, dass auch sie die holprige Bezeichnung aufgegeben würden. Die neuen Züge für den Verkehr am Gotthard wurden bei der Staatsbahn nun als „Giruno“ bezeichnet. Der Begriff wurde vom rätoromanischen girùn abgeleitet und stand für Bussard. Jedoch war das nicht die technische Bezeichnung der neuen Triebzüge gewesen.

Die Nummern und die Bezeichnung des Zuges waren lange Zeit nicht bekannt gegeben worden. Jedoch war klar, dass diese Züge an den gelten TSI-Normen bezeichnet werden sollten. Das hatte zur Folge, dass es eine Nummer für den Zug und für jeden sich im Zug befindlichen Wagen geben würde. Die Aufschlüsselung der Wagen wird hier noch nicht vorgenommen. Daher lauteten die Nummern der Triebzüge „Giruno“ vollständig ausgeschrieben 93 85 0 501 001-8 CH-SBB bis 93 85 0 501 029-9 CH-SBB.

 

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