RBL-Tour 1: RBL – Ziegelbrücke – Kloten – RBL

Eigentlich bin ich seit letzter Zeit intensiv damit beschäftigt, die neuen Strecken meines Arbeitsortes kennen zu lernen. Das Ziel ist klar definiert, denn bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2016 soll der östliche Teil des Netzes und damit der grösste Teil, abgedeckt sein. Strecken in den Westen würden erst im Januar folgen. Wobei dort geht es nicht weit, weil sich Römer und Gallier seit Asterix bekanntlich nicht verstehen.

Persönlich konnte ich es eigentlich nicht verstehen. Um möglichst optimal eingesetzt werden zu können, hätte ich erwartet, dass möglichst schnell alle Strecken erfolgen würden. Die Zeit auf der Reserve ist kurz. Die flexible Einteilung wäre ideal um die Streckenkunde zu erledigen. Später muss ich dann von der Einteilung mühsam aus dem Kalender gedreht werden, um nur eine Strecke anzusehen. Zeit in der ich dann fehle.

Mein neuer Arbeitsort hat eine viel grössere Vielfalt bei den Strecken, als das in Erstfeld mit dem be-schränkten Rayon der Fall war. Gerade östlich vom RBL werden sehr viele Strecken befahren.

Dort kam man von Erstfeld aus nie hin. Die Karte mit den befahrenen Strecken weisst daher noch viele rote Bereiche auf. Natürlich sind die bereits bekannten Linien farblich markiert worden und in den vergang-enen Tagen kamen erste neue Strecken dazu.

Die Regelung des BAV sind bei der Streckenkunde klar vorgegeben. Jede Strecke muss viermal in jeder Richtung befahren werden. Eine Fahrt sollte dabei nach Möglichkeit in der Nacht erfolgen.

Ich mag mich noch an jene Zeiten erinnern, wo es einem Lokführer gelang die Strecke mit drei Fahrten kennen zu lernen. Damals noch ohne Nacht und auch ohne Unterschriften. Vermutlich waren früher die Lokführer doch besser als heute.

 Dank den kurzen Tagen im Herbst werden die Tage nicht ganz so spät, wie das in anderen Jahreszeiten der Fall gewesen wäre. Im Hochsommer, wäre es bei gewissen Strecken schlicht unmöglich gewesen. Dennoch ist es schwer, auch wirklich eine optimale Nacht einzuplanen. So war es bei gewissen Touren nicht immer optimal gelaufen. Jedoch gab es auch Fahrten im dichten Nebel und gegen die tief stehende Sonne.

Nach all den Jahren als Lokführer weiss ich, auf welche Punkte ich bei einer Strecke achten muss. Das erleichtert auch die Erlangung neuer Kenntnisse. Natürlich ist es auch hilfreich, wenn man in der Schule bei der Geografie etwas aufgepasst hatte und sich so ein gutes Bild von der Schweiz machen kann. Trotzdem die Gegenden sind fremd und entlang davon muss man sich Orientierungspunkte suchen. Das ermüdet bei langen Fahrten zusätzlich.

Notizen machte ich dabei auch. Besonders bei den Stellen, die etwas knifflig zu befahren sind. Bahnhöfe mit abgestuften Geschwindigkeiten sind immer etwas komplizierter. Kommen noch unterschiedlich Regelung für Reise- und Güterzüge hinzu, hilft die Streckenkunde wenig, denn dann muss man die Unterlagen durchforsten und sich so ein Bild machen. Mit Vorteil sollte das vor der Fahrt erfolgen. Weitere Zeit, die privat fehlte.

So war es auch gestern, als ich mich der Strecke über Kloten angenommen hatte. Es fehlte wirklich nur noch ein kurzer Teil um alle möglichen Strecken in Richtung Winterthur abzudecken.

Mit dem Abschnitt nach Kloten begann ich auch mit der Strecke entlang der Goldküste hoch bis Rapperswil. Wobei hoch nicht ganz richtig ist, denn schliesslich liegt die Stadt am oberen Ende des gleichen Sees. Doch Details lassen wir weg.

Kaum auf der ersten Fahrt des Tages klingelte das Telefon. Nicht optimal, wenn man auf solchen Fahrten gestört wird. Private Anrufe werden schlicht blockiert, jedoch ist es ein beruflicher Anruf. Es war die Einteilung, die mit einem grossen Problem kämpfte. Es fehlte für Heute ein Lokführer und ich sei die einzige Hoffnung, die er noch habe. Wobei ich aus Erfahrung davon ausgehe, dass es nicht einer ist, sondern das mehrere fehlen. Auch das ist leider keine Seltenheit.

Jedoch müsse er noch wissen, wie es mit meiner Kundigkeit nach Kloten aussehe, denn die habe auf meiner Liste vom Freitag gefehlt. Scheinbar geht es nun auf andere Strecken als bisher, denn die Fahrten nach Erstfeld haben den Reiz verloren. Gerade dorthin, wo ich bis vor wenigen Wochen noch gearbeitet habe. In der Pause darf ich mich dann den ehemaligen Kollegen aus dem dortigen Depot erklären. Abtrünniger und Landesverräter habe ich dabei gehört.

Da ich diese Strecke gerade abhaken wollte, konnte ich mich auf die Tour melden und so eine gewünschte Entlastung bringen. So kam es zur ersten Tour für meinen neuen Standort. Eigentlich stimmt das nicht ganz, denn ich fuhr schon mehrere Touren. Jedoch denke ich, dass nach den Jahren im Depot Erstfeld niemand lesen will, wie ich gerade diesen Standort als erste Tour des neuen Arbeitsortes angefahren habe. Etwas ungewohnt, aber die Strecken blieben gleich.

Vielmehr sollten neue Strecken kommen und so andere Ansichten für die Leser entstehen. Auf das freuten sich die Besucher der Webseite und so ist diese Tour die erste eigentliche Tour des neuen Standortes. Eine Fahrt auf neuen Strecken, die lediglich zum Teil schon früher einmal befahren wurden. Eben ein Neueinstieg in die Geschichte mit den Touren des Lokführers vom Gotthard, der nun der «Neue» im Flachland ist.

Anderer Arbeitsweg

Im Gegensatz zu Erstfeld, wo ich zu Fuss zur Arbeit gehen konnte, fahre ich hier mit dem Auto zur Arbeit. Der Rangierbahnhof im Limmattal ist nicht mitten im Dorf, sondern in einer offenen Gegend. Egal, wo man wohnt, man muss ein Fahrzeug benutzen, oder einen langen Fussweg in Kauf nehmen. Bei der Suche nach meinem neuen Wohnort galt die Regel, dass der Weg nicht länger, als von Erstfeld nach Arth-Goldau ist.

Somit ergab sich für das Auto eine maximale Fahrzeit von 25 Minuten. Da im Güterverkehr die meisten Leistungen beginnen oder enden, wenn der öffentliche Verkehr nicht verfügbar ist, kam er nicht für die Bestimmung der Distanz in Frage.

Nicht leicht machte diese Beschränkung jedoch die Suche nach einer geeigneten Wohnung. Entweder war sie zu weit weg, oder schlicht für einen Lokführer mit seinem Gehalt nicht bezahlbar.

Zwar gebe es vom einem Wohnort Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr, aber dann benötige ich für den gleichen Weg über eine Stunde oder dreimal länger.

In der Zeit, in der ich mit dem Bus Brugg, die nahe Stadt erreiche, fahre ich mit dem Auto über die Autobahn vor das Depot.

Beim Feierabend muss ich zudem nicht auf die nächste Verbindung nach Hause warten. So gesehen, ist der öffentliche Verkehr keine optimale Alternative.

Schlimm, wenn ein Eisenbahner so denken muss, aber die kurzen Übergänge, bei denen es oft nur zum Schlafen reicht, beschränken gewisse Vorbehalte. Daher ist der moderne Eisenbahner auf sein Auto angewiesen und nutzt es oft, wie jeder andere Einwohner. Zumindest dann, wenn er Schicht arbeitet und nicht zu den Bürozeiten zur Arbeit fährt. Genau dann, wenn so oder so die meisten Pendler in der Schweiz unterwegs sind.

Da ich auf der Spätgruppe eingeteilt werden soll, ergeben sich so oder so kaum Möglichkeiten für den Zug. Bei einem Feierabend von 2.00 Uhr in der Früh, fährt kein Reisezug mehr. Dann bleibt nur noch das Auto als Möglichkeit ins eigene Bett zu kommen. Das wird vermutlich noch ein paar Verhandlungen mit der Steuerbehörde bedeuten, denn in diesen Zeiten kann ich mein FVP auch wenn ich noch wollte, schlicht nicht nutzen.

So verlasse ich mit meinem Wagen die Tiefgarage meiner neuen Wohngegend und anschliessend das kleine Dorf im Aargau mit Ziel Dietikon. Der Weg über die Landstrassen ist kurz und der morgendliche Verkehr ist ebenfalls bereits vorbei. Ich bin etwas später auf dem Weg zur Arbeit, als die meisten Leute im Land. Ein Vorteil, den die Schichtarbeit bietet. Natürlich gibt es auch Nachteile, aber das muss jeder für sich herausfinden.

Nach kurzer Zeit kann ich dann über die gut ausgebaute Autobahn in Richtung Zürich fahren. Keine Axenstrasse mit engen Kurven und Touristen, die den Verkehrsweg als private Panoramastrasse missbrauchen. Die Autobahn ist jedoch dichter befahren, als die A2 im zentralen Hochgebirge. Daher auch der gute Ausbau dieser Strasse. Ehrlich gesagt, den Weg um die Kurven der Axenstrecke vermisse ich im Augenblick schlicht nicht.

Noch ist der Weg über diese Strassen für mich neu. Damit ich bei der ersten Fahrt nicht lange suchen musste, nutzte ich vorgängig Karten und programmierte bei meinem Wagen das Naviga-tionssystem.

Mittlerweile kenne ich den Weg natürlich, denn auch hier habe ich meine Streckenkunde mittlerweile erlangt. Ich bin auch auf dem Weg zur Arbeit streckenkundig. Eine Vorschrift besteht hier natürlich nicht, aber der Beruf färbt natürlich ab.

Am Schluss der Fahrt geht es durch die Gewerbezone und vorbei an vielen LKW in Richtung RBL. Hier konnten die Karten nicht gross helfen, aber ich kenne den Weg von den Dienstfahrten mit dem RBL Shuttle, einem Bus für das Personal in den Rangier-bahnhof.

Nach der Gewerbezone und nach ein paar zusätzlichen Kurven um ein paar LKW befinde ich mich vor dem Rangierbahnhof.

Den abschreckend wirken sollende Hinweis, dass man sich nun auf dem Bahngelände befinde, ignoriere ich. Ich will schliesslich auf dieses Gelände, denn dort befindet sich mein Arbeitsplatz.

Die für mich wichtigen Bauten, mit meinem Kasten und den Informationsräumen sehe ich bereits. Auch den Parkplatz kann ich nun ansteuern und ein freies Parkfeld suchen. Neben Kleinwagen und bekannten Sportwagen kann ich parkieren.

Es ist ein typischer Parkplatz von modernen Eisenbahner. Modelle, die von billig, der Schrottpresse entzogen, bis zu Nobelkarossen umfassen. Der Unterschied zum ehemaligen Depot in Erstfeld sind eigentlich nur die Nummern an den Fahrzeugen, denn diese stammen aus anderen Kantonen und jene von Zürich und dem Aargau sind gut vertreten. Auch mein Auto trägt nun ein solches Schild und der Stier am Wagen ist verschwunden.

Ich kann meinen Rucksack aus dem Wagen nehmen und diesen verschliessen ich bin nun im RBL angekommen. Dazu habe ich etwas weniger Zeit, als eingeplant, benötigt. Ich kann die vorgesehene Reservezeit jedoch noch für einen Kaffee und ein paar Abklärungen mit den Vorgesetzten nutzen. Schliesslich sollten auch jene mich kennen lernen, die mich noch nicht gesehen haben. Danach geht es jedoch los und die Arbeit ruft.

Lokzug nach Ziegelbrücke

Nachdem ich mich bei der Leitstelle nach meiner Lokomotive erkundigt habe, gehe ich an die Arbeit. Hier ist es in der Regel nicht sehr weit zu den Lokomotiven, denn diese stehen unmittelbar vor dem Gebäude und das Gleis, das mir angegeben wurde ist eines davon. Dort sollte die Lokomotive für meine heutige Tour stehen. Eine grosse Auswahl habe ich nicht, denn es ist schlicht die einzige Maschine, die in dem Gleis steht.

Bevor ich in die wegen den aktuell umgesetzten Wintermassnahmen ein-geschaltete Lokomotive gehe, kontrolliere ich die Bandagen. Sind die angebrachten Markierungen verschoben? Wie steht es um die Abnützung der Bremsklötze?

Neuerdings müssen nicht mehr alle Kontrollen von früher gemacht werden. So bleiben effektiv nur noch die erwähnten Kontrollen. Schäden sollte von meinem Vorgänger erfasst worden sein und ich sollte keine Lokomotive mit Schaden bekommen.

Die Bremsklötze sind zwar stark abgenützt, aber einige Kilometer halten sie schon noch durch, denn in der Regel bremst die Lokomotive mit der elektrischen Bremse.

Eine Eigenart des Lokführers vom Gotthard, denn der verzichtet, wenn es nur irgendwie geht, auf die Anwendung der Klotzbremse. Die langen und starken Gefälle des Gotthard prägten mich nach all den Jahren. So hat die elektrische Bremse absolute Priorität.

Damit ist an der Re 420 aussen alles soweit in Ordnung. Daher kann ich mich in die Lokomotive und damit in den für die Fahrt richtigen Führer-stand begeben.

Anhand des gehobenen Stromabnehmers wähle ich den Führerstand in meiner Fahrrichtung. Wobei eigentlich kann die Maschine nur hier eingeschaltet sein, denn auf der anderen Seite leuchtete bereits das Zugschlusssignal. Mein Kollege wurde anschliessend über den Lokomotivzug Informiert.

Ich habe Glück, ich befinde mich auf der richtigen Seite. Hier hat der Kollege die Maschine eingeschaltet. Das auf dem Korpus auf Heizerseite aufgeschlagene Buch mit den Reparaturhinweisen fällt mir sofort auf. In der Regel ist das ein Zeichen, dass ein Schaden zu beachten ist. Früher konnten wir es auf dem Halter für den Fahrplan aufspannen, aber diesen gibt es bekanntlich nicht mehr. Daher diese Lösung.

Ein kurzer Blick in das Heft lässt mich unverzüglich genauer hinsehen. Ein Hinweis zur elektrischen Bremse ist notiert worden. Diese lässt sich angeblich nur selten aktivieren und steht daher nicht zur Verfügung. Festgestellt wurde der Schaden beim Führerstand eins. Gut, dass ich heute keine starken Gefälle befahre, denn dann hätte ich ein ernstes Problem. Wobei glücklich bin ich deswegen nicht, denn das belastet die Bremsklötze zusätzlich.

Zudem fällt mir auf, dass es sich bereits um die zweite Meldung zu diesem Problem handelt. Es passt wieder, da wird immer mehr darauf geachtet, dass möglichst viel mit der elektrischen Bremse gearbeitet wird und dann führt man eine Lokomotive ohne eine solche Bremse nicht umgehend dem Unterhalt zu. Der Sinn von ADL und der Schulungen in energiesparender Fahrweise wird damit mit vernachlässigtem Unterhalt zunichtegemacht.

Ich schalte die Lokomotive aus und gehe durch den Maschinenraum in den hinteren Führerstand. Schliesslich darf ich den Maschinenraum bei eingeschalteter Maschine nicht betreten. Dort erfolgen nur ein paar wenige Kontrollen. In erster Linie geht es um den Streifen für die Registrierung. In letzter Zeit waren solche Lokomotiven dank ETCS Level 2 am Gotthard ausgesprochen selten geworden. Hier sind diese jedoch noch oft anzutreffen.

Bevor ich wieder einschalte, kontrolliere ich die Funktion der elektrischen Bremse. Schalten die Wendeschalter korrekt um, schliessen die Trennhüpfer und es können Stufen zugeschaltet werden? Auf dem Führerstand zwei scheint die Bremse korrekt zu funktionieren, denn alle Handlungen verliefen bisher erfolgreich. Damit habe ich scheinbar mit dem Lokomotivzug eine elektrische Bremse zur Verfügung. Ein Vorteil, denn damit kann etwas wirtschaftlicher gebremst werden.

Es wird Zeit, dass ich die Beleuchtung kontrolliere und meine Fahrbereitschaft melde. Bevor ich jedoch die Maschine verlasse, schalte ich diese wieder ein. Anschliessend wird das Licht kontrolliert und als gut befunden. In dem Gleis, wo ich stehe, meldet man sich mit dem Handy oder dem Zugfunk bereit. Das erfolgt beim Depot, da diese Geleise von dort verwaltet werden. Nach kurzem klingeln ist auch das erledigt und ich kann warten, bis das Zwergsignal seine Meinung ändert.

Auch das ist schnell erfolgt und ich kann die Fahrt bis zum Hauptsignal beginnen. Unmittelbar nach der Abfahrt kontrolliere ich, ob die Lokomotive rollt. Das tut sie und ich kann weiter zuschalten. Anschliessend erfolgt die Bremsprobe auf Wirkung. Auch diese funktioniert gut. Zwar nicht vorgesehen, kontrolliere ich auch noch die Funktion der elektrischen Bremse. Diese schaltet korrekt und es ist eine Verzögerung zu bemerken.

Auch das Hauptsignal öffnet sich sehr schnell und ich kann sogar ein paar Minuten zu früh losfahren. Die Reise beginnt und führt zuerst über bekannte Strecken nach dem Vorbahnhof von Zürich. Ab dort sieht die Fahrordnung des Lokomotivzuges eine Fahrt durch den Zimmerbergtunnel vor. Dort kann ich sogar auf die maximale Geschwindigkeit der Lokomotive beschleunigen. Doch zuerst kommt noch eine Schutzstrecke, die ausgeschaltet befahren werden muss.

Die Fahrt im Tunnel ist nicht besonders spannend. Es ist dunkel und nur die Signale leuchten. Immerhin mehr als im Basistunnel am Gotthard, wo selbst die Lichtsignale fehlen. Kurz vor Thalwil passiere ich beim Spurwechsel Nidelbad den Abzweiger. Hier sollte der Tunnel in den Raum Zug weitergehen. Daher wurde der Abzweiger mit der noch nicht vorhandenen Weiche bereits als Spurwechsel aufgeführt. Nidelbad ist daher noch nicht ausgebaut worden.

Nur, ob ich den weiteren Bau des Tunnels als aktiver Lokführer noch erleben werde, ist immer unwahrscheinlicher. Die knappen finanziellen Mittel für Ausbauten werden für dringendere Projekte an anderen Orten in der Schweiz benötigt und so muss der Tunnel warten. Sinnvoll wird es eigentlich auch erst mit der voll ausgebauten NEAT. Doch auch die werde ich keinesfalls befahren, denn alleine die Bauzeit wäre dazu schlicht zu lange.

Es ist soweit, mit der Durchfahrt in Thalwil beginnt die neue Strecke. Statt, wie bisher mit 80 km/h den Weg nach Horgen Oberdorf und Zug einzuschlagen, geht es nun mit der Stationsgeschwindigkeit von 95 km/h in Richtung Pfäffikon SZ und Ziegelbrücke weiter. Zudem sinkt die Strecke nun gegen den See ab. Die Perspektive auf die Goldküste auf der anderen Seite ist daher auch anders. Eigentlich hätte ich heute dort meine Kenntnisse erlangen wollen.

Ein Gefälle bringt mich allmählich auf die Höhe des Sees. Da ich den Bahnhof von Thalwil verlassen habe, kann ich auf 100 km/h beschleunigen. Nach der Haltestelle Oberrieden sind dann fünf km/h mehr zugelassen. So kann ich mittlerweile unwesentlich höher, als der See, gegen Ziegelbrücke fahren. Die grossen langen Steigungen bleiben hier aus und auch sonst ist die Strecke mit einer Lokomotive nicht sehr schwer zu befahren.

Ich erkenne, dass ich mich im Bahnhof von Horgen befinde. Die Angaben dazu finde ich in der LEA und die Stationen werden hier beschriftet. Zusätzlich zu den üblichen Hilfsmitteln habe ich hier die Fähre, die sich gerade daranmacht, den Zürichsee zu überqueren. Damit wird der lange Weg um den See eingespart. Ein paar Autos nutzen dieses Angebot. Ich muss jedoch weiter dem See entlangfahren, denn ich folge den Schienen.

Beim Bahnhof Au sinkt die erlaubte Geschwindigkeit etwas und auf der rechten Seite kann ich die Wagen des MECH erkennen. Der Verein unterhält darin eine Modellbahn. Schon öfters war ich hier zu Besuch. Meistens in offizieller Mission als Präsident eines anderen Vereins. Diese Zeiten sind nun vorbei, jetzt fahre ich vor dem Lokal durch und strebe weiter dem See folgend dem Bahnhof von Wädenswil entgegen. Mittlerweile unmittelbar neben dem See fahrend.

Meine Modellbahn bekommt nun auch eine Strecke und die Einfahrt hier könnte ein Thema werden. Schliesslich soll es darauf nicht nur über den Gotthard gehen.

Die neuen Strecken helfen mir für die Suche nach passenden Ideen. Weichenstrassen, die umgesetzt werden könnten.

Gebäude, die so nahe an der Strecke stehen, dass der Lokführer fast in die Küche greifen könnte. Ein Sammelsurium von Ideen. Umgesetzt werden jedoch Ideen vom Gotthard.

Wädenswil hat etwas tiefere Geschwindigkeiten, als die Strecke. Das kümmert mich jedoch nicht, weil ich am Vorsignal zur Einfahrt den Fahrbegriff drei angekündigt bekomme.

Die Zugsicherung spricht mit Warnung an und die elektrische Bremse verzögert die Lokomotive wunschgemäss.

Alles gewohnte Abläufe, die hier routiniert ausgeführt wurden und nicht viel gedankliche Arbeit bedeuten. Die jahrelange Erfahrung hilft sicherlich bei der Berechnung der Bremsung.

Wirklich neu ist die Strecke und daher bin ich mir nicht sicher, wo das Signal steht. Nach vier Fahrten, ist man sich noch nicht so sicher, wie wenn man Jahrzehnte auf einer Strecke fuhr. Meinen Kollegen im RBL würde es am Gotthard vermutlich ähnlich ergehen. Dort, wo ich nach 25 Jahren jeden Stein kenne und die Signale auf den Meter genau finde. Jetzt ist jedoch volle Konzentration gefragt und die Verzögerung fällt etwas stärker aus, als das üblich gewesen wäre.

Das Ausfahrsignal blieb letztlich rot und ich kam mit meiner Lokomotive davor zum Stehen. So wie es Aussieht, wird es eine Überholung geben. Andere Gründe sehe ich nicht. Ein Blick über die Anlage lässt mich die Einfahrt der SOB erkennen. Das waren noch Zeiten, als ich mit dem FLIRT aus dem 50‰ Gefälle um die Ecke kam. Genauso, wie jetzt gerade ein Kollege der SOB, der so Wädenswil auch erreicht. Diesmal ohne Fahrrad auf dem Übergang.

Nach drei Minuten greife ich zum Funk und drücke auf dem Gerät die zwei. Eigentlich weiss ich ja, warum ich stehe. Besser ich glaube es zu wissen, aber nach drei Minuten müssen wir uns auch im Güterverkehr melden. Oft wird sogar gefordert, dass wir uns noch schneller melden. Da ich jedoch leicht vorzeitig bin, ist keine Eile angesagt und so nutze ich die Wartezeit um mich umzusehen. Gedanklich befahre ich die nun folgende Strecke.

Am Funk habe ich erfahren, dass ich in ein paar Minuten eine Überholung abwarten müsse. Danach könne ich aber bis Ziegelbrücke ungehindert zufahren und käme so nicht mehr zum Stillstand. Informationen, die wir im Tessin vergebens erwartet haben. Dort hiess es schlicht Überholung. Dann wartete man über 30 Minuten, damit die S-Bahn vorfahren konnte. S-Bahnen gibt es auch hier und ich denke mein Zeitfenster ist sehr beengt.

Überholt wurde ich vom Intercity. Danach konnte ich meine Fahrt wieder fortsetzen. Auf den ersten Kilometern noch etwas gemütlich, denn auch hier benötigt der schnelle Zug etwas Zeit um die Abschnitte frei zu legen. Fast unbemerkt erreiche ich letztlich aber wieder die zugelassene Geschwindigkeit und kann so ungehindert in Richtung Pfäffikon fahren. Es ist jene Gemeinde im Kanton Schwyz, die im Kanton Zürich steht neu auch auf dem Streckenplan.

Pfäffikon bremste mich kurz ein, denn das Signal zur Einfahrt öffnete sich knapp. Gerade hier ist es immer wieder ein Problem, denn die Züge der SOB müssen sämtliche Geleise queren, wenn sie von oder nach Rapperswil fahren wollen. Die Lokomotive, die dann durch den Bahnhof fahren will, kam so etwas aus dem Schwung. Im letzten Augenblick konnte ich das offene Vorsignal erkennen. Die Fahrt kann daher ungehindert fortgesetzt werden.

Die Aussage des Fahrdienstleiters scheint zu stimmen, denn bisher habe ich kaum Signale erkennen können, die geöffnet wurden. Ich kann normal zufahren und mich entlang des Obersees der Ebene der Linth nähern. Hier steigen die Geschwindigkeiten deutlich an und zeitweise bin ich mit bis zu 125 km/h unterwegs. Die Ebene macht sich durch geringe Steigungen und gerade Strecken bemerkbar. Hier müssen keine Hügel und Felswände umfahren werden.

Vor den Bahnhöfen steigt es an, danach kommt wieder ein kurzes Gefälle. So kann man das Gelände leicht erkennen. Hier waren früher vermutlich Sümpfe zu finden und erst die Kanalisierung der Linth trocknete die Gegend aus. Viel Landwirtschaft wird hier betrieben, denn die Böden sind eben und fruchtbar. Die Fahrt dauert auch nicht lange, denn am Schluss dieses Abschnittes ist mein Ziel und ich habe soeben Bilten passiert.

Die Einfahrt in Ziegelbrücke ist im Fahrplan abgestuft dargestellt. Ich muss daher das Tempo reduzieren. Wo die genauen Punkte sind, muss ich immer noch suchen, aber die Signale nehmen mir die Aufgabe dieses mal ab. Mir wird eine Geschwindigkeit von 40 km/h angekündigt und diese liegt weit unter der Stationsgeschwindigkeit. Am Abschnittsignal kann ich letztlich den Grund erkennen, denn es erfolgt eine besetzte Einfahrt.

Pause weit ab

Geendet hatte die Zugfahrt unmittelbar von den Baumaschinen, die ich abführen muss. Ich kann den Führerstand wechseln und mich anschliessend in die Pause begeben. Da ich keine lange Pause habe, kann ich keine lange Erkundung der Gegend anstreben. Das wäre jedoch nötig um meine mangelhaften Ortskenntnisse auf Vormann zu bringen.  Zumindest hätte ich der Dame, die nach dem Weg fragte, helfen können.

Der Bahnhof scheint nicht unmittelbar im Dorf zu sein. Dafür zeugen die vielen Parkplätze für Fahrräder, sowie Autos und die fehlenden Gebäude. Zudem wird der Laden im Bahnhof gerade umgebaut. Auf der anderen Seite des Flusses scheint es jedoch ein paar Gebäude zu haben. Die Zeit, diese nach einer Verpflegung abzusuchen, habe ich schlicht nicht, denn dazu benötigt man in der Regel viel Zeit. Ich muss etwas beim Bahnhof finden.

Nicht gerade die Vorstellung, die ich hatte. Aber ich muss nehmen, was ich finde und das ist, wie in so manchem Bahnhof der Kiosk. Die Alternative schmeckt mir noch weniger, denn dann ist wirklich nur noch der Automat vorhanden. Dort kann ich die Verpflegung zwischen Zigaretten und dem sterilen Drogenbesteck suchen. Ach ja, die beliebten Helfer bei der zwischenmenschlichen Beziehung sind auch vorhanden. Selbst der Test, wenn alle Vorsichtsmassnahmen misslangen.

So unscheinbar der Kiosk ist, dort finde ich frische Brötchen und dazu etwas Süsses. Nicht ideal, aber eine grosse Auswahl habe ich nicht. Es muss etwas rein, das für den Rest der Tour reicht, denn auf den Abend ist nasskaltes Wetter angekündigt worden und dann ist man froh, wenn genügend Nährstoffe vorhanden sind. Eigentlich dumm ist nur, dass ich bisher auf eine warme Mahlzeit verzichten musste. Die Pause ist dazu schlicht zu kurz.

Da ich schon als Kind gerne Bahnhöfe besuchte, mache ich dies auch heute in solchen Pausen immer wieder. Jetzt führe ich eine Kamera mit und kann so immer wieder ein paar spannende Eindrücke festhalten. Ideen für kleine Anlagen und Lösungen für Probleme. Zudem kann ich so auch den Bahnhof für meine beruflichen Aufgaben besser kennen lernen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Erkenntnis, dass ich im Gleis zwei vor meiner Lokomotive stehe.

Ich beobachte auch den Verkehr der Reisezüge. Hier bin ich neu und es ist mir wichtig, dass ich weiss, wann die Züge des Nahverkehrs losfahren. So präge ich mir den Fahrplan etwas ein, auch wenn natürlich nicht jeder Zug ein Problem ist.

Neben den unterschiedlichen Fahrzeugen von SBB Personenverkehr gibt es hier auch Züge der SOB und sogar ein Zug der ÖBB fuhr durch den Bahnhof. Selbst der ICE machte seine Aufwartung.

Das Notessen ist schnell eingenommen. Die Aktivitäten in diesem Bahnhof sind nicht mit jenen der wichtigsten Nord-Süd-Achse zu vergleichen. Nach den Reisezügen folgen sich hier kaum Güterzüge.

Am Gotthard würde jeder Reisezug, der nicht gerade ohne Halt unterwegs ist, einen Güterzug im Schlepp haben. Hier folgt die Lücke. Einspurige Abschnitte wirken einfach sehr stark einschränkend und die Schweiz wird einfach, wenn man Zürich verlässt.

Langsam neigt sich die Pause dem Ende zu, das Wetter ist immer noch schön und Regen ist nicht in Sicht. Ich bin vorzeitig angekommen und konnte so meine Pause etwas vorverlegen.

Ich mache in solchen Fällen nicht eine längere Pause, sondern versuche, wenn ich sehe, dass es möglich ist, den Vorsprung beizubehalten. Schnell bin ich dann froh um diesen Vorsprung. Letztlich will ich, wie jeder Arbeiter, rechtzeitig Feierabend machen.

Am Gotthard war das schlicht unmöglich. Schaffte man es noch pünktlich vor den Bahnhof von Erstfeld, war garantiert der Halt vor dem Einfahrsignal ein Grund für den zu späten Feierabend. Wie sagte es einst ein pensionierter Lokführer. Gefahren sei er nur 35 Jahre, die restlichen fünf Jahre hätte er vor dem Einfahrsignal von Erstfeld gewartet. So berechnet habe ich es nicht, aber womöglich könnte er noch recht gehabt haben.

Der lange Weg nach Kloten

Es dauerte nicht lange und ich konnte mit der Lokomotive anfahren. Ein Mitarbeiter des RCP-Teams hat kurz die Handschuhe angezogen und die Lokomotive angehängt. In der Anordnung kann ich erkennen, dass hier noch die Abgangskontrolle gemacht werden muss. Das bedeutet, es kommt jemand für die Bremsprobe. Doch bis diese Person hier ist, kann ich selber kontrollieren, ob die beiden Maschinen richtig formiert sind.

Normalerweise mache ich das natürlich nicht, aber ich konnte erkennen, dass ich in Zürich Vorbahnhof eine davon abhängen muss. Um mich dort nicht zu sehr zu blamieren, suche ich jetzt die sichtige Stelle. Dann kann ich zielstrebig zur richtigen Stelle gehen und in Zürich beeindrucken. Schliesslich bin ich der «Neue» und muss noch um die Gunst der Arbeiter kämpfen. Bisher lief das recht gut, aber jede Hilfe ist gut.

Es ist so, wie erwartet, die Bremsprobe wird bei der Kontrolle durchgeführt und letztlich kommt die Meldung, die nicht mehr so einfach ist, wie auch schon. So wird mir korrekt gemeldet, dass die technische Zugvorbereitung und die Bremsprobe erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Ein Blick auf meine LEA lässt mich erkennen, die elektronische Belastung ist ebenfalls gekommen. Ein paar Handlungen und ich bin fahrbereit.

Die Meldung der Fahrbereitschaft führe ich durch. Dazu benutze ich meinen Funk. Dort drücke ich auf die Taste mit der zwei darauf.

So sollte sich der richtige Fahrdienst-leiter melden. So ist es angedacht, aber bei meiner letzten Fahrt für das Depot Erstfeld meldete sich unterhalb von Göschenen im Raum Wassen der Fahrdienstleiter von Murten.

Nicht gerade die gleiche Gegend. Auch jetzt bekomme ich Kloten und nicht Ziegelbrücke zu hören.

Oft melden sich die Fahrdienstleiter, oder wie sich gerne selber sehen, die Zugverkehrsleiter mit dem Standort der Fernsteuerung.

Auch die Region wird oft genannt. Hier kann ich diese schlecht zuordnen. Selbst ich erlebte schon, dass der Fahrdienstleiter Zug nicht gleichbedeutend war mit dem Bahnhof Zug. Oft denke ich, dass ich zur Antwort bekomme, dass er für mich nicht zuständig sei. Doch diesmal klappte es.

Die Fernsteuerung der Ostschweiz sitzt in Kloten. Nicht beim Bahnhof, wo ich hinfahren will, aber in der gleichen Gemeinde. Jene Gemeinde der Schweiz, die durch den nationalen Flughafen bekannt geworden ist. Wer mit dem Flugzeug von weither im Flughafen von Zürich landet, befindet sich in Kloten. Gerade in diesem Flughafen ist die Fernsteuerung angesiedelt worden. Flieger erkennen sie, aber die Züge sind nur noch bunte Striche auf dem Bildschirm.

Wie erklärte mir das der Fahrdienstleiter von Offenburg, als ich ihn nach dem Wetter im fernen Bahnhof fragte, dass ich ganz genau wisse, dass er in Karlsruhe in einem fensterlosen Raum sitze. Zumindest in der Schweiz weiss ich, dass die meisten Gebäude der Fernsteuerung noch Fenster haben. Damit haben es die Leute noch gut getroffen. Es sei denn, sie wurden in den Keller, wo sich normalerweise der Hauswart einrichtet, verbannt worden.

Kaum habe ich die Meldung abgeschlossen, wechselt vor mir das Signal die Farbe und ich kann die Fahrt beginnen. Ein Blick auf die Uhr lässt mich erkennen, dass ich etwas vorzeitig losfahren konnte. Der Vorsprung beträgt aktuell 30 Minuten. Da ich jetzt davon ausgehe, dass die elektrische Bremse nicht mehr funktioniert, ist der Vorsprung sicherlich nicht so falsch. Ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, werde ich gleich wissen.

Unmittelbar nach dem Bahnhof führe ich die Bremsprobe auf Wirkung aus. Dabei Prüfe ich die Wirkung der Bremsen des kurzen Zuges. Die ungebremste Lokomotive macht mit den Baumaschinen jedoch, was sie will und so ist keine besonders gute Wirkung zu bemerken. Das entspricht meinen Erwartungen und so kann ich die Fahrt fortsetzen. Nicht vorgeschrieben, aber aus Neugierde, prüfe ich auch die elektrische Bremse. Nichts geht!!

Kaum habe ich meine Geschwindigkeit erhöht, kommt die Meldung von ADL. Schön, ich muss jetzt gemäss Anweisung den Zug mit der elektrischen Bremse innerhalb einer gewissen Zeit auf diese Geschwindigkeit verzögern. Da die Differenz zur aktuellen Geschwindigkeit nicht gross ist, schalte ich die Zugkraft ab und lasse den Zug rollen. Der Rollwiderstand und die kurzen Steigungen helfen mit. Eine grosse Wahl habe ich nicht.

Dank ADL und den Steigungen und Gefällen konnte ich die Fahrt durch die Ebene der Linth und auch entlang dem Zürichsee ohne die Bremse der Lokomotive absolvieren. Ein Vergleich mit meiner Fahrzeit lässt mich erkennen, dass ich meinen Vorsprung beibehalten konnte. In den wenigen Fällen, wo ich abbremsen musste, konnte ich zweimal die elektrische Bremse benutzen, denn mit etwas Geduld, oder besser mit sehr viel Geduld, schaltete es und die Bremse funktionierte.

Keine Hilfe bei abgespannter Fahrt, aber jetzt, wo ich kaum schneller als 70 gefahren bin, ist das kein so grosses Problem. Erst kurz vor Thalwil wurde die Meldung von ADL beendet. Da ich durch den Zimmerbergtunnel fahre, ist es wichtig, dass ich dort, wo sich die Züge dicht folgen, schneller fahre. Mehr als 100 km/h liegt einfach nicht mehr drin. Das Gefälle am Anfang nutzte ich so, dass ich ohne Bremsung auskommen konnte.

Am Ende des Tunnels hilft mir eine Steigung. Die Signale reduzieren zudem die Geschwindigkeit, die Fahrt führt nun in den Vorbahnhof von Zürich. Der Anordnung nicht entnehmen konnte ich, wo die Baumaschine genau abgehängt wird. Dazu habe ich ja einen Funk, aber zuerst muss ich abbremsen, denn ich nähere mich einem roten Signal. Nun bremst auch die Lokomotive, aber das ist kein Problem, denn wegen der Geschwindigkeit hätte ich so oder so auf diese Weise gebremst.

Vor dem roten Signal komme ich zum Stehen. Hier wird sicherlich nicht abgehängt werden. Am Funk frage ich jedoch sicherheitshalber nach.

Meine Vermutung war richtig, denn ich erfahre, wo ich die Baumaschine abhängen muss. Danach wird auch das Signal grün.

Dank dem System N ist es zwar nur Orange, aber ich kann weiterfahren. Scheinbar war dieser Halt genau aus diesem Grund erfolgt. Schön, wenn man miteinander spricht.

Bei der Einfahrt erhalte ich am Funk einen offenen Ruf. Irgendjemand schwafelt da etwas von nicht abhängen, er mache das. Nur wen geht das an?

Es ist ruhig und beim zweiten Anlauf, kann ich sogar die Zugnummer hören. Der gesuchte Teilnehmer bin ich, denn es ist meine Nummer. Ich bestätige die Meldung. Scheinbar waren meine Vorbereitungen umsonst, denn ich muss nicht abhängen und sichern. Doch nun muss ich anhalten.

Da mir abgehängt wurde und ich nicht nach der Handbremse suchen musste, geht die Arbeit schnell. Die Diesellokomotive neben mir, wird die Baumaschine wegstellen, daher bittet der Lokführer mich um eine schnelle Abfahrt. Das liegt nicht bei mir, denn mehr als fahrbereit melden kann ich nicht. Selbst diese Aufgabe wird mir abgenommen und wegen der offenen Türe höre ich, dass mit Nachdruck auf eine schnelle Abfahrt hingewiesen wurde.

Es ist auch so, denn vor mir öffnet sich das Signal und ich kann meine Fahrt fortsetzen. Das nächste Ziel ist somit Kloten. Jedoch kann ich mich von hier nur davon entfernen. Es gibt keinen kurzen Weg. Daher wird mein Zug über das Limmattal in den RBL geführt, um von dort über die Verbindung nach Würenlos und durch das Furttal nach Kloten zu gelangen. Ein Umweg, der aber wegen der Arbeitsrichtung der Maschine gewählt wurde.

Ab Kloten werde ich dann diese Baumaschine in den RBL stellen. Damit wurde sie abgedreht und steht für die spätere Baustelle richtig. So folgen jetzt wieder bekannte Strecken, die ich von Erstfeld her schon oft befahren habe. Einzig die Verbindung vom RBL nach Würenlos gehörte nicht in unser Programm. Da hier keine Reisezüge verkehren, konnte ich hier die Kundigkeit nicht erlangen. Die Fahrt soll daher diesem Zweck dienen.

Ab Dietikon muss ich über den Rangierbahnhof fahren. Nur auf diesem Weg gelange ich in die Verbindung. Von der Stammlinie her ist dies schlicht unmöglich. Die Fahrt durch den Bahnhof, der eigentlich den Feierabend bedeutet, ist immer etwas speziell. Das war in Erstfeld schon so und eigentlich habe ich ja den längsten Teil meiner Tour hinter mir. Jetzt folgt einfach noch die Zusatzschlaufe und dann ist das Ziel erreicht.

Es war eine einfache Fahrt und auch im Rangierbahnhof kann ich zufahren. Der Weg führt mich vorbei an den Räumlichkeiten des Lokomotivpersonals. Hier befindet sich die Haltestelle RBL Ost. Eine Erinnerung an die Zeiten, wo der Transport des Personals mit uralten Triebwagen erledigt wurde. Folgen werden auch noch die Haltestellen RBL West und RBL Tivoli. Letztere ist dann schon fast am Ende des ausgedehnten Gleisfeldes.

Um in die Verbindung zu kommen, muss ich die Zufahrt zur Einfahrgruppe benutzen. Am Ende dieser Zufahrt erkenne ich die neue Brücke entlang der Limmat. Diese ist noch im Bau und soll den Güterzügen eine ungehinderte Einfahrt in den Rangierbahnhof ermöglichen. Ich jedoch muss nun nach rechts abbiegen um in den Bahnhof von Würenlos zu kommen. Dabei überquere ich als erstes die Limmat, die hier friedlich dahinfliesst.

Anschliessend folgt die Brücke über die Autobahn. Unmittelbar daneben befindet sich die Raststätte. Die komische Bauweise der Anlage brachte ihr vor Jahren den Namen «Fressbalken» ein. Lange kann ich mich an der Situation nicht erfreuen, denn das Vorsignal zur Einfahrt zeigt Warnung und das dazu gehörige Hauptsignal muss im angrenzenden Tunnel gesucht werden. Im Tunnel ist die Orientierung immer schwerer.

Letztlich komme ich vor dem Einfahrsignal zum Stehen. Die Steigung half dabei. Für das Flachland ist diese recht hoch, aber einen ehemaligen Lokführer vom Gotthard beeindruckt diese jedoch nicht. Zudem mit einer Baumaschine am Haken ist die Sache auch nicht besonders schwer. Die Wartezeit nutze ich für ein paar Gedanken, es lief bisher gut und ich bin mittlerweile nahezu eine Stunde vor dem Fahrplan unterwegs.

Endlich, das Einfahrsignal geht auf Fahrt. Ich kann in Würenlos einfahren. Bei der Vorbeifahrt am Signal bleibt die Zugsicherung ruhig. Eigentlich hätte sie ansprechen müssen, denn das Vorsignal zeigte noch Warnung. Ist nun die Ausfahrt offen? Gedanken, die ich nicht weiterverfolgen darf, daher ist das Ausfahrsignal immer noch rot. Als ich es kurz darauf erkenne, bestätigt sich diese Theorie. Vorne ist wirklich alles rot.

Nein nicht mehr. Ich greife zum Funk und beschleunige den Zug langsam. Als sich der Fahrdienstleiter meldet, informiere ich ihn über die fehlerhafte Zugsicherung. Damit kann die Reparatur beauftragt werden. Eine Handlung, die eigentlich schriftlich mit Meldung an den Vorgesetzten erfolgen sollte. Dann geht es durch alle Mühlen und geflickt wird nichts. So ist die Information direkt erfolgt und der Auftrag wird schneller erledigt.

Auch das Furttal ist keine neue Strecke mehr und ohne grosse Schwierigkeiten und ohne umfangreiche Bremsungen kann ich auch die einspurigen Abschnitte passieren. Da die elektrische Bremse immer noch zickt, bin ich darüber gar nicht unglücklich. So kann ich die Bremsklötze etwas schonen. Natürlich half es auch, dass ich etwas vorausschauend gefahren bin. Letztlich soll auch mit dem Defekt so wirtschaftlich wie möglich gefahren werden.

Mittlerweile hat leichter Regen eingesetzt und es ist dunkler geworden. Die Nächte im November sind lange und so setzt die Dämmerung früh ein. Die Einfahrt von Zürich Seebach ist auch lange, besonders dann, wenn man früh abschaltet und die Einfahrt nur mit geringer Geschwindigkeit möglich ist. Hier komme ich zum Stillstand. Scheinbar passe ich nicht in den dichten Verkehr auf der Strecke von Opfikon nach Kloten. Noch habe ich Zeit, denn mein Vorsprung beträgt 70 Minuten.

Lange musste ich nicht warten und ich konnte die Fahrt fortsetzen. Dabei geht es auf dem bekannten Weg aus dem Bahnhof, um dann bei Opfikon Süd die Strecke zu wechseln. Dieser Wechsel erfolgt unmittelbar bei der Schutzstrecke zur Fahrleitung. Fährt man hier in Richtung Glattbrugg passiert man diese nicht. Da ich jedoch in Richtung Kloten fahren, muss ich die Lokomotive ausschalten. Durch das Gefälle gewinnt der Zug an Geschwindigkeit.

Die Haltestelle Opfikon liegt in einer Senke. Dadurch beginnt unmittelbar danach die Steigung. Es ist eine kräftige Steigung an deren Ende sich das Signal zum Spurwechsel befindet. Mit schweren Zügen kann es hier sehr mühsam werden. Besonders dann, wenn das Wetter so ist, wie es aktuell ist. Es ist auf den Schienen sehr rutschig geworden. Leichter Nieselregen und Laub, bereiten den Lokführern immer wieder Albträume.

Für mich ist es jedoch kein Problem, denn mein Zug ist leicht und die Signale sind mir gnädig. Selbst das Einfahrsignal von Kloten zeigt einen reduzierenden Fahrbegriff. Diesen habe ich erwartet, denn mein Zug endet hier und gemäss der Anordnung muss ich hier die Lokomotive abhängen und die Last umfahren. Dank den Zwergsignalen sollte das kein zu grosses Problem sein. Als Lokführer im Cargo ist man sich solche Sachen längst gewöhnt.

Kloten und das Manöver

Längst ist es Routine und ich habe die Last schnell abgehängt. Mit der Handbremse sichere ich die Baumaschine und begebe mich wieder zur Lokomotive. Anschliessend melde ich mich am Funk bei der Fernsteuerung und erkläre mein anstehendes Manöver. Dieses kann gleich ausgeführt werden und so kann ich anhand der Zwergsignale losfahren. In manchen Anlagen reicht es, wenn man hinter den Gegenzwerg fährt.

Da ich nicht weiss, wie es hier aufgebaut ist, halte ich nicht auf den Weichen und fahre die Fahrstrasse ab. Das ist so vorgesehen, auch wenn die oben erwähnte Lösung angeblich schneller ist. Auf jeden Fall finde ich den geschlossenen Zwerg und kann den Führerstand wechseln. Nach dem Wechsel fahre ich an der Last vorbei auf die andere Seite, wo ich den Führerstand erneut wechseln kann. Auch das ist längst keine besondere Sache mehr.

Als ich an der Last vorbeifahre, hält auf der nahen Rampe ein weisses Auto. Solche gibt es in der Schweiz viele und selbst die sauberen orangen Kleider die aussteigen sind keine Seltenheit. Zumindest habe ich in all den Jahren gelernt, dass man nicht gleich nervös werden soll, wenn man Orange sieht. Warum sollte das BAV ausgerechnet hier in Kloten eine unangemeldete Kontrolle machen. So in der Hoffnung, dass vielleicht ein Zug hier seine Richtung ändert.

Nach einem erneuten Wechsel der Fahrrichtung kann ich mich der Baumaschine nähern. Jetzt sind die orangen Kleider von vorher plötzlich etwas interessanter geworden, denn die stehen neben der Maschine. Da in meinen Anweisungen nichts von Hilfe steht, beachte ich die Person nicht gross und fahre an der Baumaschine an. Anschliessend anhängen und Bremsprobe, dann kann ich wieder in Richtung Heimat losfahren.

Die Person aus dem weissen Auto spricht mich an. Er sei eigentlich im Büro in Zürich tätig und die letzte Hoffnung, wenn es schieflaufe. Es gäbe eine Änderung in meinem Plan, denn ich müsse ab Kloten noch eine weitere Baumaschine abführen. In der Eile habe er jedoch den Helm im Büro vergessen. Daher bittet er mich um das auf der Lokomotive deponierte Modell. Genau jenes Modell, dass vor wenigen Augenblicken noch auf meinem Kopf war.

Anschliessend erkläre ich ihm, dass an der Baumaschine noch die Handbremse angezogen sei. Er bedankt sich, drückt mir ein Funkgerät in die Finger und erklärt das anstehende Manöver. Die Gleisbezeichnungen, die mir an den Kopf geworfen werden, sind vermutlich richtig, aber so extrem viel damit kann ich nicht anfangen. Die Anlagen fernab der Hauptgeleise sind mir noch nicht so bekannt. Eigentlich weiss ich nur, wo diese sein müssen.

Ob dies auch der Wirklichkeit entspricht, weiss ich nicht. Auf jeden Fall wird die Funktion des Funkes geprüft und anschliessend kommt der Befehl um rückwärts zu fahren. Nach einer Stufe lasse ich die Fahrzeuge kurz rollen. Es scheint, als sei die Handbremse gelöst worden. Wobei zu kräftig wirken diese bei Baumaschinen auch wieder nicht und meine Lokomotive ist erst noch doppelt so schwer, wie die Maschine, die ich nun rückwärtsfahrend schiebe.

Das Manöver entpuppt sich als umfangreicher, als gedacht. Die Baumaschine ist natürlich hinter Wagen versteckt abgestellt worden. Daher müssen diese zuerst weg und auf den feuchten Schienen, die nur selten benutzt werden, ist die Adhäsion nicht gerade optimal.

Auf jeden Fall muss ich aufpassen, dass mir die Lokomotive nicht ins Rutschen kommt. Da jedoch seit einigen Jahren die Bremsen der Wagen gekuppelt werden, ist die Gefahr nicht so gross.

Nach ein paar Fahrten, ist der neue Zug formiert und es geht wieder zurück in den Bahnhof, wo ich den Zug vorerst abstelle und die hier vorgesehene Pause mache.

Diese Pause ist nicht sehr lange und in der näheren Umgebung des Bahnhofes gibt es am Abend nicht so viele Attraktionen. Zwar kann ich mir einen kleinen Snack im Laden besorgen, aber damit hat es sich auch schon.

Das nasskalte Wetter ist auch nicht für einen langen Aufenthalt im Freien gedacht. Ich mache es mir auf der geheizten Lokomotive gemütlich und verspeise meinen Snack.

Die Szenen auf dem Bahnsteig lassen mich immer wieder verwundern. Gerade die Jugend von heute scheint liebend gern auf dem Bahnhof herumzuhängen. Wie das endet, weiss ich aus eigener Erfahrung. Plötzlich kommt einer und steckt dich in eine Kiste. Es endet im Job als Schichtarbeiter. Zumindest glaubten mir das die pöbelnden Kids vor ein paar Jahren.

Ich muss nun noch die Daten für den neuen Zug in der LEA eintippen, dann sollte es losgehen können. Nachdem die Fahrordnung geladen wurde, erscheint auch die Belastung des Zuges. Zugreihe A 95%, die Geschwindigkeit beträgt 100 km/h und an der Lokomotive hängt ein Gewicht von 170 Tonnen. Die ganze Last scheint in den RBL zu gehen. Warum habe ich dann in der Fahrordnung den eingeplanten Halt in Zürich Altstätten?

Damit habe ich die Daten für die Zugsicherung und ich kann diese für ZUB eingeben. Mit der Lieferung der Daten und der erfolgreichen Bremsprobe ist die Vorbereitung des Zuges abgeschlossen und ich kann dem Fahrdienstleiter meine Fahrbereitschaft melden. Die Antwort gefällt mir nicht, denn es geht planmässig los. Andererseits ist es mir auch klar, denn ein Blick auf die Uhr verrät mir wirklich viel, denn es 17.30 Uhr und damit läuft im Raum Zürich die Rushhour.

Jetzt mit einem Güterzug durch das chronische Chaos in Oerlikon zu fahren, ist schlicht unmöglich. Den alternativen Weg über das Furttal in den RBL kann ich nicht nehmen, denn dann wäre die ganze Übung mit der Spitzkehre in Kloten für die Katz gewesen. So bleibt mir nichts anders übrig, als auf mein Trassee zu warten und mich dann durch Oerlikon zu quetschen. Es sind noch knapp 20 Minuten bis dahin. Der leichte Regen hält weiterhin an.

Der letzte Zug

Es ist soweit, die Zeit ist gekommen und ich kann mit meinem Zug losfahren. Bei der Rollprobe scheint alles in Ordnung zu sein. Ich kann weiter beschleunigen und mich dem einspurigen Abschnitt bis nach Kloten Balsberg nähern. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass der Zug schwer an der Lokomotive hängt. Es sind lediglich 170 Tonnen und es ist mir nicht bekannt, dass es hier steil ansteigen würde. So richtig in Schwung kommen will die Fahrt einfach nicht.

Ein Blick nach hinten lässt nichts Verdächtiges erkennen. Es ist alles dunkel, ich kann auch nichts Verdächtiges hören und im Bereich der Achsen ist kein Funkenflug zu erkennen. Am Zug scheint alles in Ordnung zu sein. Dieses Gefühl hatte ich am Gotthard auch schon mal. Dort zerbrach ich mir den Kopf und letztlich merkte ich in der Steigung, dass die Anzeige nicht stimmte. Mit einer Re 420 einen 300 Tonnen Zug mit 2 600 Ampère ist schlicht nicht möglich.

Ist die Handbremse nicht gelöst worden? Nein, das hätte ich bei den Rangierfahrten bemerkt und auch die Bremsprobe nach dem Ankuppeln hätte nicht geklappt.

Oft kann sich ein Gefühl auch irren, aber ich denke, die Sache ist doch etwas schwerer, als angegeben wurde. Zudem bei Baumaschinen sind nicht immer die normalen Laufeigenschaften vorhanden. Ge-wisse rollen im Gleis wirklich nicht optimal. Meistens gerade die, die dieses richten.

Im Gefälle werde ich es wissen. Jetzt muss die Geschwindigkeit zunehmen. Das erfolgt auch, daher ist vermutlich schon alles in Ordnung. Ich kann meine Fahrt fortsetzen. Der Weg führt jetzt direkt in Richtung Oerlikon. Dort ist das Signal geschlossen und so komme ich vor dem Knoten, der vermutlich dafür verantwortlich ist, dass solche Stellen Knoten genannt werden, zum Stehen. Vor mir ein Lichtermeer aus roten Lampen.

Jetzt habe ich auch die Gewissheit, dass die Handbremse gelöst ist. Nach dieser Fahrt mit der hohen Geschwindigkeit müssten die Bremsklötze sich mit einer intensiven Rauchentwicklung bemerkbar machen. Trotz der Dunkelheit habe ich hier genug Licht um das zu erkennen. Selbst der beissende Geruch würde in die Nase steigen. Ein Unverkennbares Zeichen, dass eine Bremse nicht gelöst wurde. Es ist jedoch alles friedlich.

Lange bleibe ich nicht stehen und so kann ich doch noch Oerlikon passieren. Als ich dem Bahnsteig entlangfahre, werden die Taschen freudig gehoben. Dann blicken sie mich an und die schweren Taschen werden enttäuscht abgestellt. Scheinbar hatte man eine S-Bahn erwartet und nicht einen Güterzug, der den Bahnhof einfach nur passiert und seinem weit entfernten Ziel entgegeneilt. Na gut, so weit entfernt ist es auch wieder nicht.

Dabei verkehre ich ja gar nicht in der einer Fahrordnung für eine S-Bahn. Ich bin pünktlich durchgefahren und belege daher das mir zugestandene Trassee. Vermutlich wird diese Aktion bei jedem Zug vorgenommen. Der nächste Zug wird halten, das ist in zwei Minuten die S-Bahn. Es geht hier wirklich sehr eng zu und her, denn üblicherweise gelten drei Minuten als minimale Zugfolgezeit. In Zürich ist das noch tiefer angesetzt worden.

Es ging überraschend elegant durch den Bahnhof Oerlikon und der Weg scheint in Richtung Hard zu gehen. So richtig weiss man das hier nicht, denn mit der neuen Durchmesserlinie gibt es so viele Leitungswege in diesem Bahnhof, dass man schnell die Orientierung verliert. Erst, wenn es zu spät ist, weiss man, dass der Zug fehlgeleitet wurde. Immer wieder wird ein neuer Weg eingeschlagen um das gleiche Ziel zu erreichen.

Bei mir stimmt jedoch der Weg und ich kann ungehindert weiterfahren. Früher hätten mich Fehlleitungen hier schnell an den Anschlag gebracht. Das bei Lokführern grosse Thema Durchmesserlinie, wurde in Erstfeld nur am Rand notiert. Mittlerweile kenne auch ich den Weg über diese Strecke, die wegen den Steigungen sehr bekannt wurde. Diese haben durchaus Werte, die auch einen Lokführer vom Gotthard beeindrucken können.

Im Bahnhof von Zürich Altstätten zeigen alle Signale an meinem Laufweg grün. Das ist selten genug der Fall. In meiner Fahrordnung ist jedoch ein Halt verzeichnet. Das bedeutet unweigerlich, dass ich nun anhalten muss. Anschliessend kann ich gleich wieder losfahren. In der so intensiv geschulten Energiebilanz ist das natürlich Blödsinn. Zumindest kann ich ab diesem Führerstand die elektrische Bremse der Lokomotive benutzen. So ist es nicht ganz so schlimm.

Die weitere Fahrt bis Dietikon verlief ohne Probleme. Das ist einfach, wenn alle Signale grün zeigen. Nun ändert sich das und gerade das Signal in den Rangierbahnhof Limmattal ist rot. Ich komme davor zum Stehen. Es schmerzt, wenn man so knapp vor dem Feierabend zurückgehalten wird. Scheinbar ist es hier genau wie in Erstfeld. Wurden die Fahrdienstleiter womöglich auch hierher versetzt. Es ist nicht zu hoffen, denn dann wird es mühsam.

Kaum als ich angehalten habe, meldet sich der Fahrdienstleiter am Funk. Er meint, dass auf vielseitigen Wunsch hin eine Fahrt als Rangierbewegung gewünscht wurde. Ich könne daher ab dem Signal als Rangierfahrt verkehren. Scheinbar ist er damit nicht glücklich und vermutlich hätte er den Zug elegant passieren lassen wollen, denn auch hier sorgen die S-Bahnen für einen gut ausgelasteten Bahnhof. Gerade jene, die hier endet, hat ein kleines Problem.

Von einem Bahnhof zum anderen in Rangierfahrt? Dies ist lediglich in zwei Fällen möglich. Beim ersten sind die Bahnhöfe im RADN in einer Klammer zusammengefasst.

Hier jedoch ist das nicht der Fall, denn hier gilt die Regel von zwei unmittelbar aneinander gebauten Bahnhöfen.

Im Limmattal bietet sich sogar die Besonderheit, dass man über den RBL in Rangierfahrt von Dietikon nach Killwangen-Spreitenbach fahren könne. Eine beliebte Frage unseres OLF.

Für mich ist die Angelegenheit im Moment noch etwas unübersichtlich. Jedoch weiss ich, dass in grossen Rangieranlagen nicht in alle Geleise Fahrstrassen für Züge eingestellt werden können.

Der Aufwand für den Nutzen wäre zu hoch. Ins-besondere bei einer Ausfahrgruppe, bei der die Züge eigentlich nur starten, macht dies wenig Sinn.

Ähnliche Situationen gibt es jedoch auch in Basel, wo gewisse Geleise nur von einer Seite her mit Signalen befahren werden können.

Es ist so, ich fahre direkt in die Ausfahrgruppe. Da ich nur Baumaschinen habe, kann ich die Einfahrgruppe nicht benutzen. Der Grund ist simpel, denn Baumaschinen dürfen den Ablaufberg nicht befahren. Diese müssen daher immer am Berg vorbei in die Ausfahrgruppe überstellt werden. Dort werden sie auf die nächsten Züge verteilt. Schon oft muss ich diese mit in den Osten nehmen. Jetzt fahre ich direkt dort ein, auch wenn das nur als Rangierfahrt geht.

Das Ziel ist erreicht und schon nähert sich das Bodenpersonal. Dieses wird die Lokomotive abhängen, danach kann ich mit ihr zum Standplatz fahren. Wo der ist, weiss ich nicht, denn lediglich bei Fahrten in die Abstellbereiche nehmen wir Kontakt im dem Depot auf. Es kann aber auch sein, dass die Maschine direkt an einen anderen Zug gelassen wird. Letztlich fährt man jedoch nur den Zwergsignalen nach und sieht dann, wo man landet.

Mit zwei Standwechseln bin ich jedoch dort angelangt, wo ich mich beim Depot melden muss. Am Telefon erfahre ich, wo die Lokomotive abgestellt wird. Ich kann nun den letzten Zwergsignalen folgen und ins Depot fahren. Dort sind die Abstellplätze klar gekennzeichnet, so weiss ich, wo ich anhalten muss. Die Fahrt mit der angeschlagenen Lokomotive ist zu Ende gegangen. Obwohl der Schaden seit mehreren Tagen gemeldet wurde.

Der Unterhalt muss warten. Der Lokführer muss mit seiner Kundigkeit warten, weil es an Leuten und Material fehlt. Überall fehlt es an Ressourcen und die Chefetage behauptet immer noch, dass es rechnerisch zu viele Lokführer gibt. 80 sollen bei SBB Cargo an den Personenverkehr abgeschoben werden. Um einen Zug zu führen benötigt man exakt einen Lokführer, wenn man nur 0.8 Lokführer hat, bleibt der Zug stehen. Ist doch gar nicht so schwer.

Abrüsten, aufräumen und nach Hause

Kaum habe ich mit der Lokomotive in dem Gleis, wo ich zu Beginn meiner Tour losgefahren bin, am Standplatz angehalten, erkenne ich den beim Hilfsberg gehobenen Stromabnehmer. Er ist das untrügliche Zeichen, dass die Lokomotiven eingeschaltet abgestellt werden. Da meine Lokomotive mit der neuen Parkstellung ausgerüstet ist, kann sie so bis zu vier Tage ohne Kontrolle abgestellt werden. Sonst erfolgen die Kontrollen nach acht Stunden.

Es klopft an der Türe zum Führerstand. Ein Kollege vom RBL kommt und meint, er nehme die Lokomotive gleich wieder. Dadurch können viele Arbeiten bei der Remisierung weggelassen werden. Die Übergabe kann direkt erfolgen und so Hinweise erteilt werden. In der Regel beschränken sich diese auf «Alles in Ordnung». Damit ist die Sache erledigt. Nur diesmal ist das schlicht nicht möglich und ich muss dem Kollegen ein paar Infos geben.

Ich meine nur, dass es eine gute und eine schlechte Nachricht gebe. Die Gute sei, dass auf diesem Stand die elektrische Bremse einwandfrei funktioniert. Sein Gesichtsausdruck verfinstert sich augenblicklich. «Das heisst wohl, dass sie auf der anderen Seite nicht geht!» So ist es, ich kann es nicht ändern und hätte es erneut gemeldet. Es sei wegen dieser Störung schon die vierte oder fünfte Meldung, die gemacht worden sei.

Leider hat die Lokomotive kein ETCS. Sonst würden wir sie an den Gotthard schicken. Dort, wo die Bremse vorgeschrieben ist, würde schliesslich der Ärger entstehen, der zur lange ersehnten Reparatur führt. Wobei ich denke hier wäre nicht einmal eine Reparatur nötig, denn mit viel zureden kommt sie doch noch und arbeitet dann zuverlässig. Das ist keine grosse Sache, nur die Auswirkungen sind sehr gross und verursachen Ärger.

Ich denke, die Probleme wären mit einem Putzlappen und etwas Kontakt-reiniger schnell zu beheben. Die Art der Störung lässt vermuten, dass nur die Kontakte im Fahrschalter verschmutzt sind.

Bei einer Spannung auf der Steuerung von 36 Volt braucht es dazu nicht einmal viel Schmutz. Die zusätzliche Abnützung der Bremssohlen kostet vermutlich mehr, als die kurze Reparatur. Beklemmendes Lächeln überkommt uns und jeder denkt vermutlich das gleiche.

Irgendwann sind die Bremsklötze abgenutzt und dann steht die Lokomotive etwas länger. Auf jeden Fall meint mein Kollege, dass er Aktien bei der Industrie für Bremsklötze gekauft hätte.

Die liefen recht gut, und seien zudem vermutlich auch krisensicher, denn bei solchen Lokomotiven würden sich seine Aktien blendend entwickeln. Ins-besondere hier noch die alten Gussklötze verwendet werden und die seien nicht billig.

Ich packe noch meine sieben Sachen zusammen und verschliesse den Ruck-sack. Noch einmal eine Kontrolle, ob ich auch wirklich alles eingepackt habe. Es wäre dumm, wenn wichtige Sachen auf eine zusätzliche Reise gehen würden.

Jedoch hat die Kontrolle ergeben, dass ich nichts vergessen habe. Daher kann ich absteigen und in Richtung Feierabend gehen. Dabei verabschiede ich mich vom Kollegen und wünsche ihm eine schöne Fahrt.

Scheinbar muss er mit der Lokomotive nach Buchs SG, dann meinte er etwas von Landquart und wieder hierher. Wie schön, die elektrische Bremse kann er ausgerechnet bei den Zügen nicht nutzen. Jedoch kann er getrost ADL ignorieren, denn Energie kann so nicht genutzt werden. Vielmehr wird die Energie in Wärme umgewandelt. Es geht gegen den Winter zu, daher muss man natürlich die Umwelt heizen.

Die ganze Schulung brachte jedoch so viel, dass die leichten Gefälle ausgenutzt werden und wirklich so gefahren wird, dass die Maschine geschont wird. Jedoch sind damals auch Hinweise zur bevorzugten Benutzung der elektrischen Bremse gemacht worden. Einzig bei Diesellokomotiven wird mit den mechanischen Bremsen gebremst, denn diese sind immer noch billiger, als der beim Bremsen benötigte Treibstoff. Ich weiss das von meinem Wagen.

Es wird Zeit und ich setze mich nach einem kurzen Fussmarsch ins Auto. Es geht wieder nach Hause. Der Tag ist geschafft und letztlich war es trotz dem Defekt kein Problem die Züge zu führen. Zumindest bei meinem Wagen ist der Unterhalt korrekt ausgeführt worden. Schliesslich ist es so, der Arbeitgeber hat keine Freude, wenn ich regelmässig zu spät komme. Nur, weil ich es nicht für nötig finde, den kleinen Schaden zu beheben.

 

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