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Als am 1. Juni 1882 die
Bahnlinie
über den Gotthard eröffnet worden ist, ahnte niemand, was diese Strecke
genau für Auswirkungen auf einen ganzen Kontinent und auf dessen
Verkehrsentwicklung haben würde. Der Bau verschlang viel Geld und man
musste beim Projekt massiv zurück stecken. Besonders bei den
Zufahrtslinien
und bei deren Ausbau wurde gespart. So verlegte man vorerst nur ein
Gleis
und ganze Streckenteile wurden weggelassen. Der erwartete Verkehr sollte auf einer
einspurigen Strecke abgewickelt werden. So sahen es zumindest jene, die
nicht mit der Wirtschaft gerechnet haben und die sich nicht mit dem
Verkehr am Gotthard auskannten. Die neue
Bahnlinie
sollte die Erwartungen übertreffen und selbst die optimistischen Prognosen
in den Schatten stellen. Wenn man damals von einer Goldgrube sprechen
konnte, fand man sie am Gotthard und bei dessen Eisenbahn. Regional ahnte man davon sicher etwas. Seit
der Pass mit Kutschen befahren werden konnte, stiegen die Transporte über
den Pass gewaltig an. Man musste in den Kantonen Uri und Ticino immer mehr
Säumer und Postillione anstellen und am Gotthard einsetzen. Es kam auf der
Passstrasse regelrecht zu Staus und so musste diese immer weiter ausgebaut
werden, was natürlich wieder neuen Verkehr anzog. Es begann ein
Teufelskreis. Doch die neue Eisenbahn sollte den Säumern
und Postillionen die Arbeit abnehmen. Unweigerlich führte das dazu, dass
die Leute in den betroffenen Kantonen ihre Arbeit und damit ihre
gesicherte Zukunft verlieren würden. Wo hätten sie auch Arbeit finden
können, wenn alles mit der neuen Eisenbahn transportiert wurde. Die
Kutschen und Säumer waren einfach zu langsam, auch wenn sie vermutlich
billiger waren, als die teure Eisenbahn. Das führte sicher zu Unstimmigkeiten und Querelen in der Region um den Gotthard. Im fernen Bern waren aber diese Klagen nicht mehr zu hören, denn man freute sich über die neu eröffnete Eisenbahn. In Deutschland und Italien feierte man natürlich mit. Man hatte beim Bau die finanziellen Mittel
gebracht und nun konnte man endlich die Lorbeeren dafür ernten. Damit war
klar, die
Gotthardbahn wurde Wirklichkeit und damit wurde ein Mythos
geboren, den man damals sicherlich noch nicht ahnte. Die paar Urner und Tessiner hatten keine
grosse Lobby. Es kam in der Folge zu wilden Diskussionen und bösen
Drohungen. Ja, man drohte offen mit Mord und Todschlag, denn die Angst in
der Bevölkerung war riesengross. Nur Gehör verschaffen konnten sie sich
nicht. Das restliche Land feierte und freute sich. An solchen Tagen will
man nicht mit Arbeitsplatzabbau und Armut in einer Randregion konfrontiert
werden. Der schlimmste Feind, den man hatte, bohrte
seit Jahren in Göschenen und Airolo ein Loch in den Berg. Man hatte bis
zum Schluss gehofft, dass es mit dem Loch nicht klappen würde und man so
die Arbeit behalten könnte. Man wurde aber bitter enttäuscht und der
Tunnel
wurde eröffnet. Was regional befürchtet und angeprangert wurde, kam dann
auch. Die Säumer hatten kaum mehr Arbeit und verloren den Mut. Resignation machte sich in den Kantonen Uri
und Ticino breit, denn wie sollten die Leute beschäftigt werden, wenn man
durch den Berg fahren kann? Wer nimmt dann schon die beschwerliche
Passquerung auf sich? Man war sich einig, das Teufelswerk Eisenbahn konnte
nicht gut sein. Insgeheim hoffte man auf ein schweres Unglück im
Tunnel
und dass der Teufel wieder mit einem Stein kommen würde. Doch der war
schon lange nicht mehr erschienen. Schliesslich kam dann der Postillion, der
meinte, er sei der letzte Postillion vom St. Gotthard. Dramatischer
ausdrücken kann man die Stimmung von damals nicht mehr. Sein Lied wurde
Jahre später von einem weiteren letzten Postillion vom St. Gotthard
gesungen. Doch 1882 war das Schauspiel bitterer Ernst. Verarmung und Elend
erwartete man in den Kantonen rund um den Gotthard. Die Leute hatten ihre Arbeit verloren und
sahen kaum eine Zukunft. Die arbeitslosen Säumer fanden aber bei der neuen
Eisenbahn neue Jobs und so führte die neue Eisenbahn einfach zu neuer und
zum Teil sogar besserer Arbeit. Die Folgen für die Regionen am Gotthard
konnten so sicherlich abgefedert werden. Statt in Andermatt, wohnen die
Leute nun in Erstfeld oder Göschenen. Die Welt war wieder in Ordnung. Es
sei denn, man wohnte in Andermatt, wo die Arbeit weggefallen war. Wobei, alle kamen bei der Bahn natürlich
nicht unter und mussten sich um die Zukunft fürchten. Da es aber nun
weniger Säumer gab, hatten die übrig gebliebenen Säumer plötzlich genug
Arbeit. Schliesslich mussten ja Andermatt und Realp mit den benötigten
Gütern versorgt werden und da gab es noch keine Eisenbahn. Das konnte man
mit der neuen Eisenbahn schlicht nicht machen, denn die fuhr dort gar
nicht. Der Verkehr auf dieser neuen Strecke nahm
in der Folge ständig zu und so musste die
Bahnlinie
immer wieder ausgebaut werden. Was eigentlich erst erweitert wurde, wurde
erneut erweitert. Umbauten waren kaum abgeschlossen, wurde erneut
umgebaut. Die Strecke war somit immer am Limit der Kapazität und wurde
immer mehr erweitert. Ein richtiger Wettlauf begann zwischen Erweiterung
und Verkehrszunahme. Einen Sieger sollte es hier jedoch nie geben. Je mehr die Strecke ausgebaut wurde, desto mehr bemerkte man die Mängel der Linienführung. Viele enge Kurven waren für die Züge ebenso hinderlich, wie die Bahnübergänge der stark befahrenen Passstrasse. So begann man damit, diese
Bahnübergänge
zu eliminieren und die
Kurven
nach Möglichkeit zu strecken. So konnten die langsameren
Streckenabschnitte eliminiert werden. Die Strecke gewann dank
gleichbleibenden Geschwindigkeiten auf der ganzen Länge, erneut an
Kapazität, was natürlich gleich ausgenutzt wurde. Schneller konnte man nun jedoch mit der vorhanden Technik nicht mehr werden. Die attraktiven, aber Zeit kostenden, Kehrtunnel und die grossen Steigungen beschränkte jetzt die Geschwindigkeit der Züge. Die Züge mussten im Vergleich mit den flachen Bahnen im Mittelland langsam fahren und konnten nur geringere Lasten ziehen. Als letztlich die ersten Züge mit 80 km/h
über den Berg fuhren, wusste man, schneller werden war nicht mehr möglich.
Man brauchte nun grossen Aufwand bei den Fahrzeugen. Schlimmer waren die Beschränkungen der
Strecke in Bezug auf die
Anhängelast.
Die
Lokomotiven
wurden immer stärker und die Belastung für die
Kupplungen
der Wagen war immer wieder zu hoch. Die Folge waren
Zugstrennungen
und die damit verbundenen Unterbrüche der Strecke. Daher wurden die
Beschränkungen immer nur sehr zögerlich erhöht, man wollte nicht zu viele
Zugtrennungen provozieren. So kam es, dass der etwas steilere Lötschberg
die gleichen Lasten hatte, wie der Gotthard. Damit man trotzdem schwere Züge über den
Gotthard führen konnte, musste man zu aufwendigen Bespannungsformen
greifen. Die Eisenbahner griffen also in die Trickkiste. Die
Schiebelokomotive
übernahm nun einen Teil der Last und so konnten schwere Züge über den Berg
befördert werden. Später kam dann die
Zwischenlokomotive, die besser
ausgelastet werden konnte, dazu. Beide Bespannungsformen benötigten aber
zusätzliches Personal und man verlor Zeit. Letztlich war der Punkt erreicht, wo das
alles nicht mehr ausreichend war. Die Strecke war dem Verkehr nicht mehr
gewachsen. Die Züge standen oft im Stau. Die klugen Köpfe wurden
beauftragt eine Lösung für das Problem zu suchen. Das Problem sollte
endgültig gelöst werden. Es dauerte, aber letztlich kam die Idee zur
Aussprache, dass ein neuer tiefer liegender
Tunnel
die Lösung war. So konnte ein Teil der Züge diesen benutzen und die
Bergstrecke
wäre entlastet worden. Die Planung ging nun also in die erste
Phase. Daraus wurde ein Projekt, das man nun als GBT bezeichnete. GBT
stand dabei für Gotthard
Basistunnel.
Die Planung sah dabei einen
Tunnel
vor, der zwischen Erstfeld und Amsteg beginnen sollte und dessen Ende sich
im Raum Bodio befinden würde. Die Idee schien gute Chancen zu haben. Es
wurde somit ein Projekt erarbeitet, dass den GBT genauer definieren
sollte. Der nächste Ausbau war der Basistunnel. Wie weit man damals mit der Planung war,
zeigt nur schon die Tatsache, dass die Schweizerischen Bundesbahnen SBB,
als Betreiberin der Strecke, anfangs der 70er Jahre eine passende
Lokomotive
bestellte. Dort war im
Pflichtenheft
klar definiert worden, dass die Lokomotive mit einem 800 Tonnen schweren
Zug mit 140 km/h durch den GBT fahren muss. Diese
Re 6/6 kam
dann, nur mit dem
Tunnel
liess man sich Zeit, sehr viel Zeit… Hauptproblem für den neuen Tunnel waren die gigantischen Kosten für das Projekt. Das Land als Bauherr der neuen Strecke, hätte sich vermutlich mit einer Volksabstimmung herumschlagen müssen. Nur, wie gewinnt man jemanden im Raum Lausanne, der von dem Projekt eigentlich nichts bemerkt, für die Abstimmung? Die Folgen waren dramatisch, die Pläne
versanken, auch dank der einsetzenden Krise in der Wirtschaft, in den
Schubladen. Das Projekt GBT war endgültig gestorben. Vom Projekt GBT blieben somit nur eine einzige Lokomotivgeneration und ein paar Erinnerungen jener, die sich damit befassten, übrig. Gebaut wurde der Tunnel nie, denn die Wirtschaftskrise, die sogar Autobahnen leerte, zeigte klar, am Gotthard hat man Kapazitäten frei. Niemand wollte damals einen rund 45
Kilometer langen
Tunnel
bauen. Das war das endgültige Aus für den GBT und die Flachbahn durch die
Alpen. Es blieb bei den engen
Kurven,
bei den Steigungen und 89
Lokomotiven. Auch ich wusste eigentlich nichts Genaueres
von diesem GBT. Erst mit der Seite über die
Lokomotive
Re 6/6 fiel
mir die Forderung im
Pflichtenheft
auf. Unmöglich konnte die Lokomotive schon vor dreissig Jahren für ein
Projekt gebaut werden, das man damals gar noch nicht kannte. Die
Nachforschungen brachten es dann an den Tag, die Idee mit dem GBT ist
schon sehr alt, nur wurde diese abgeblockt und die Idee verschwand in den
Schubladen und verstaubte. Die Krise verging und am Gotthard konnten
sich die Züge erneut kaum noch folgen, um nicht zu sagen, sie standen sich
gegenseitig im Weg. Erneut baute man die Strecke aus und sorgte dafür,
dass sich die Züge noch näher folgen konnten. So wollte man die Lösung der
Probleme erreichen. Es sollte dann kommen wie immer. Als die Ausbauten
fertig waren, standen die Züge im Stau, weil der Verkehr erneut zunahm. Besonders im Gotthardtunnel war es eng, denn dort fuhren neben den normalen Zügen auch noch die Autozüge. Das ergab zusätzlichen Verkehr. Die Signalanlagen erlaubten pro Richtung maximal drei Züge. Das reichte bei einer Länge von 15 Kilometer einfach nicht mehr aus. Man begann damit, die Abstände der Signale
etwas zu verkürzen. Damit passten mehr Züge in den
Tunnel,
was die Kapazität wiederum etwas steigerte. Doch auch hier zeichnete sich eine Lösung ab. Die Schweiz begann damit, am Gotthard ein neues Loch zu bohren. Diesmal nicht im Tal unten und nicht für die Eisenbahn, sondern erneut zwischen Göschenen und Airolo und diesmal für die Autos. Die Folge war der 17 Kilometer lange
Strassentunnel. Damals der längste Strassentunnel der Welt. Als Erinnerung
am Rande, 1882 hatte dieses Prädikat der
Tunnel
der Eisenbahn erhalten. Bei der Eröffnung kamen die Politiker aus
der halben Welt und hielten Reden. Die neue Autobahn, die den Kanton
Tessin noch näher an die Schweiz binden werde, diene nicht dem
internationalen Schwerverkehr. Damals glaubte man Politikern wohl noch,
denn viele Leute wirkten überrascht, als die Zahl der LKW stetig zunahm.
Die Bahn hatte das Nachsehen und verlor immer mehr Marktanteile. Ausbauten
waren nun vollständig vom Tisch. Die Kapazität reichte aus und ein
Basistunnel
schien unmöglich zu werden. Die
Bahnstrecke
hatte nun freie Kapazitäten und niemand hätte im Traum daran gedacht, dass
die
Bahnlinie
ausgebaut werden sollte. Es wurde wieder ruhig um die grossen Projekte
durch den Gotthard. Vom
Basistunnel
sprachen nur noch jene, die davon geträumt hatten. Aktuell war so was
schlicht nicht nötig. So blieben dann am Gotthard vorerst die Bauarbeiten
aus. Es lohnte sich einfach nicht mehr. Die Bahnlinie schien sogar
verloren zu haben, denn sie verlor Marktanteile an die Strasse.
Die
Transportmengen schienen den einzelnen Verkehrsmitteln zugeteilt worden zu
sein. Wobei immer mehr Anteile auf die Strasse wechselten. Die
kilometerlangen Staus am Gotthard waren immer mehr mit LKW durchsetzt
worden. Kein Mensch sah den Sinn einer Bahn. Die Strasse hatte den Vorteil
für sich genutzt und setzte diesen nun ohne Rücksicht um. Der Sieg
zwischen den Ausbauten und dem Verkehr hatte man auf der Strasse nun
auszufechten. Nur, was der Wirtschaft gefiel, war den
Politikern ein Dorn im Auge. Und auch die Bevölkerung hatte sich gegen die
schweren LKW verschrieben. Einerseits beklagte man die schlechte Luft und
man sah dabei die LKW, die sich den Gotthard hoch quälten. Diese dicken
Dinger waren schuld, vor allem jene aus dem Ausland. Man hatte den
Sündenbock gefunden. Zudem war es ja auch schön, wenn die LKW
verschwinden. Es gäbe so wieder Platz auf der Autobahn und man könnte
wieder frei zufahren. Die Politiker nahmen diese Idee nur zu
gerne auf, denn ihre Geltungssucht konnte mit einem grossen Projekt sicher
befriedigt werden. Wer in Bern gegen die LKW wetterte, hatte gute Chancen
bei der nächsten Wahl wieder gewählt zu werden. So bildete sich eine
Lobby, die für die Bahn und gegen die LKW arbeitete. Jeder Bundesrat
begann damit, sich ein Denkmal zu bauen. Dazu waren die Bahnen gerade
recht und scheinbar sinnlose
Tunnel
wurden in den Alpen gebaut. Anders sah das nach 1990 für den neuen
Verkehrsminister aus. Der hatte sein Büro aufgeräumt und dabei alte Pläne
gefunden. Ein neues Projekt wurde schnell erfunden. Genannt wurde es
schlicht nur NEAT. Ein Begriff, der in den folgenden Jahren immer wieder
für rote Köpfe sorgen sollte. Dabei stand dieses NEAT einfach nur für Neue
Eisenbahn Alpen Transversale. Wo und wie gebaut werden sollte, wusste man
gar noch nicht. Die Ideen sahen einfach eine neue
Bahnlinie
durch die Alpen vor. Die Züge sollten dabei auf einer Flachbahn mit mehr
als 200 km/h durch die Alpen fahren und der
Güterverkehr
sollte nicht mehr die steilen Steigungen erklimmen müssen. Damit das auch
klappte, wollte man die Wirtschaft dazu zwingen, die Züge zu benutzen. So
sollten die Züge wieder schneller werden und die LKW von der Strasse
verschwinden. Damit sind wir nun an jener Stelle
angelangt, wo die Idee NEAT zu einem konkreten Projekt mit Varianten und
Abstimmungen werden sollte. Denn es gab drei mögliche Lösungen für diese
NEAT. Es war also noch nicht einmal klar, wie und wo gebaut werden soll.
Diese drei Möglichkeiten wollen wir uns nun kurz ansehen, denn sie waren
das Startsignal für jenes Projekt, das hier beschrieben wird. Beginnen wir
also mit der Suche nach einer Strecke für die NEAT. |
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