Der Vertrag mit Favre

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Wie bei Projekten mit einem solchen Umfang üblich, wurde ein Vertrag aufgesetzt und unterzeichnet. Dieser Werkvertrag umfasste alle für den Bau notwendigen Informationen. Es lohnt sich daher, wenn wir ein paar Blicke ins das Vertragswerk werfen. So erfahren wir, was zwischen der Gotthardbahn und der Unternehmung Favre darin vereinbart wurde. Ein grosses Problem ist dabei die handschriftliche Ausführung desselben.

Ob es aus diesem Grund ein kurz gehaltener Vertrag gab, kann bezweifelt werden. Total umfasste der Vertrag ohne die Anhänge lediglich drei Seiten. Zum Vergleich, der Werkvertrag für den Basistunnel am Gotthard füllte einen ganzen Raum mit Dokumenten. Selbst die Referenz dieser Seite war länger. Nur schon durch die Kürze ist es Zeit, sich mit dem Vertrag auseinander zu setzen. Dabei ist jedoch in so wenigen Seiten kaum etwas zu finden, das wirklich bemerkenswert ist.

In lediglich 14 Artikeln wurden die Bedingungen zum Bau des Tunnels im Vertrag geregelt. Dabei waren darunter in erster Linie die finanziellen Regelungen zwischen der Gotthardbahn und der Unternehmung Favre vorhanden. Diese alleine stellten wirklich den grössten Teil des Vertrages dar. Dabei interessieren wir uns natürlich im die Vertrag festgelegten Baukosten und den Termin für die Fertigstellung des Bauwerkes.

Der Vertrag regelte die Belange zwischen der Gotthardbahngesellschaft vertreten durch Herrn Nationalrat und Direktor der Gotthardbahn Alfred Escher und der Unternehmung Enterprise du Grand Tunnel du Gothard L. Favre & Cie in Genève. Dabei wurde die Unternehmung vom Patron Louis Favre selbst vertreten. Damit waren im ersten Artikel lediglich die Namen der beteiligten Unternehmen aufgeführt worden.

Favre veranschlagte bei einer Bauzeit von acht Jahren Kosten von 42 Millionen Schweizer Franken. Damit unterbot die Unternehmung Favre die Konkurrenz um rund zehn Millionen Schweizer Franken. Es kann daher gesagt werden, dass dieser Betrag auch damals eher gering ausgefallen war und heute ein solches Angebot kaum Chancen hätte. Nur so konnte Favre den Auftrag bekommen, den er für sich haben wollte.

Diese Kosten umfassten den grössten Anteil beim Aktienkapital der Gesellschaft, das alleine für den Bau des Tunnels 56 Millionen vorgesehen hatte. Damit unterbot Louis Favre die Angebote der anderen seriösen Anbieter und konnte so den Zuschlag für den Bau des Gotthardtunnels bekommen. Dabei müssen wir wissen, dass Favre den Tunnel als sein Lebenswerk betrachtete und das sollte es letztlich auch werden, wenn auch nicht nach dem Wunsch Favres.

Vereinbart wurde eine Kaution von acht Millionen. Bei Baubeginn wurde diese zu den Kosten zugeschlagen. Diese sollte, sofern der Bau nicht begonnen wurde, nach neun Jahren wieder verfallen. Die Gotthardbahn, aber auch Favre, wollten sich damit absichern, dass die Arbeiten wirklich aufgenommen wurden. Solche Kautionen sind auch heute bei grösseren Aufträgen durchaus üblich und binden die Vertragspartner finanziell.

Mit Favre wurde auch ein Bonus/Malus System vereinbart. Dieses sah bei Abweichung vom vertraglich festgelegten Bauabschluss zusätzliche Zahlungen vor. War Favre zu früh fertig, konnte er höhere Einnahmen geltend machen, ansonsten wurde für die Gotthardbahn das Bauwerk billiger. Dabei wurden für die ersten sechs Monate 5 000 Schweizer Franken vereinbart. Nach dieser Zeit sollte der Betrag auf 10 000 Franken täglich erhöht werden.

Die Zahlen dieses Systems beindrucken. Sie müssen jedoch wissen, dass die Gotthardbahn einen Gewinn erzielen konnte, auch wenn es Favre gelingen sollte den 15 Kilometer langen Tunnel in einer Bauzeit von sechs Jahren fertigzustellen. Auch heute sind solche Systeme durchaus üblich und sorgten bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB in der neusten Zeit schon dafür, dass nicht bestellte Züge geliefert wurden.

Nicht enthalten waren Bedingungen bei unvorhergesehenen Ereignissen. Diese Ereignisse konnten bei einem Tunnelbau schnell passieren. Dazu gehörten unbekannte Gesteinsformationen, aber auch Unfälle und Unwetter. Es lohnt sich, wenn wir hier einen genaueren Blick darauf werfen. So als Ergänzung, die im Vertrag nicht vorhanden war und letztlich dazu führte, dass Favre alles beim Bau des Tunnels verlieren sollte.

Ein geologisches Gutachten über die Felsen und Gesteine auf der Tunnelachse, wurde bei Unter-zeichnung des Vertrages nicht präsentiert. Man wusste daher schlicht nicht, was beim Bau zu erwarten war.

Die bekannten Gesteine, konnten jedoch im Berg selber ganz anders gelagert sein, als an der Oberfläche. Trotzdem waren durchaus schwere Störzonen zu erwarten. Wassereinbrüche und Stein-schlag waren bei solchen Bauwerken durchaus möglich.

Gerade Steinschlag im, aber auch ausserhalb des Tunnels waren immer wieder zu erwarten. Die Sprengungen im Tunnel erschütterten die Felsen und so konnten sich Steine lösen. Diese Gefahr konnte man mit Abstützungen bannen.

Jedoch konnten durchaus auch Unfälle entstehen, die den Bau verzögerten. Die Kosten für diese Verzögerung trug alleine die Unternehmung Favre. Diese Klausel fehlte, obwohl diese Risiken vom Mont Cenis her bekannt waren.

Unwetter können in den Alpen immer wieder entstehen. Diese müssen dabei nicht einmal die Baustelle direkt treffen. Dabei können Lawinen im Winter die Versorgungswege unterbrechen, hochgehende Flüsse im Sommer wichtige Brücken wegreissen. Alles Punkte, die im alpinen Bereich durchaus üblich sind und die dazu führen konnten, dass die Arbeiten im Gotthardtunnel mangels Material eingestellt werden mussten.

Die Verpflichtungen der Unternehmung Favre endeten jedoch nicht mit der Übergabe des Bauwerks an die Gotthardbahn. Diese bedingte sich eine Verpflichtung Favres von zwei weiteren Jahren heraus. Damit wollte sich die Gotthardbahn gegenüber von Baumängeln absichern. Man kann daher von einer zweijährigen Garantie durch die Firma Favre sprechen. Durchaus üblich war auch damals bei solchen Projekten ein Jahr.

Somit lag das gesamte finanzielle Risiko bei der Unternehmung Favre. Nur schon der Verzicht auf die oben erwähnten Klauseln, machte das Unterfangen schlicht unmöglich. Man konnte wirklich behaupten, dass sich Favre hier auf eine Mission ohne Wiederkehr begab. Louis Favre konnte bei diesem Vertrag alleine schon deswegen kaum erfolgreich sein. Zumal hier natürlich sämtliche Rechte bei der Gotthardbahn geblieben sind.

So forderte die Gotthardbahn von der Unternehm-ung Favre, dass die Maschinen vom Mont Cenis Tunnel zu einem Betrag von zwei Millionen Schweizer Franken übernommen werden mussten.

Louis Favre musste danach zusehen, was er davon brauchen konnte und was nur noch Schrott war. Eine vorherige Besichtigung der Maschinen wurde verweigert. Jedoch wurden am Gotthard ähnliche Verhältnisse erwartet.

Hier war klar der Druck von Italien, das Geld im Projekt hatte, vorhanden. So konnte man die gebrauchten und verschlissenen Maschinen elegant abschieben und bekam dafür erst noch ein kleines Entgelt.

Man kann daher klar davon ausgehen, dass man hier für den eigenen Vorteil bemüht war. Letztlich kann jedoch gesagt werden, dass damals die Übernahme von Maschinen keine Seltenheit war, diese jedoch zuvor begutachtet wurden.

Auch die sozialen Pflichten lagen bei der Unternehmung Favre. Dazu musste die Firma neben den Unterkünften, auch Spitäler erstellen. Sie müssen bedenken, dass der Bau in einer Gegend ausgeführt wurde, wo diese Infrastruktur schlicht nicht vorhanden war. Transporte von Verletzten Arbeitern erfolgten nicht mit modernen Fahrzeugen, sondern sie wurden auf den Armen getragen und auf einfachen Bahren aus dem Tunnel transportiert.

Unterzeichnet wurde dieser Bauvertrag zwischen den beiden Partien am 07. August 1874. Mit Unterschrift unterzeichnet von Favre und Escher, war der Vertrag mit dem amtlichen Siegel für gültig und damit rechtskräftig erklärt worden. Daher wurde das Vertragswerk weder von der Gotthardbahn, noch von der Unternehmung Favre einem externen Gutachten unterzogen. Wobei hier die Gotthardbahn natürlich kein Interesse hatte.

Abschliessend kann gesagt werden, dass solche Verträge in der heutigen Zeit in der Schweiz durch Gesetze verboten sind und sich kaum jemand ohne unzählige Gutachten darauf einlassen würde. Viele der fehlenden Bedingungen sind mittlerweile grundsätzlich durch den Staat geregelt und werden teilweise auch vom Staat übernommen. Dazu gehört zu einem grossen Teil die medizinische Versorgung von Verwundeten in den Spitälern.

 

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