Transitzahlen Gotthardbahn

Alle Bahnlinien dieser Welt haben ein Ziel. Sie möchten so viel Verkehr wie möglich haben und besser sein als die anderen. Die einen versuchen mit Reisezügen möglichst viele Reisende, die Anderen möglichst viel Güterverkehr, anzulocken. Die Gotthardbahn wollte und will von beidem möglichst viel.

Schon vor Eröffnung der Gotthardbahn im Jahre 1882 war die Route über den Gotthardpass zu einer der wichtigsten Nord - Süd Verbindungen geworden. Sei es im Güter- oder Reiseverkehr. Zwar waren die Wege damals alles andere als sicher. Die Postkutschen wurden nachts am Ceneri überfallen und die Güter mussten mit dem Schiff nach Flüelen gebracht werden. Im Winter war die Passquerung wegen der Lawinen gefährlich und mühsam. Diese Probleme schmälerten den Verkehr.

Bei der Planung der Strecke wurde von einer Auslastung von 270'000 Gütertonnen ausgegangen. Dieser Wert entsprach dem Wert aus der Postkutschenzeit. Den Politikern erschien diese Ahnnahme jedoch als zu pessimistisch. Sie sollten für einmal Recht haben. Denn letztlich wurden die Reisezeiten, durch den Verzicht auf die Schifffahrt und die Passquerung, massiv verkürzt. Um nach Italien zu reisen benötigte man nicht mehr mehrere Tage, sondern man war schon nach ein bis zwei Tagen in Mailand. Zum anderen war es mit der Bahn leichter Güter über die Landesgrenze hinaus zu befördern. Der internationale Charakter der Gotthardbahn war daher nie umstritten.

Geplant wurde die Strecke nach den damals geltenden Regeln für eine leistungsfähige Bahnstrecke. Somit war klar, dass die Strecke doppelspurig werden sollte. Da jedoch beim Bau des Haupttunnels enorme Kostenüberschreitungen auftraten, musste das Projekt gekürzt werden. Es wurde auf einen Ausbau auf Doppelspur verzichtet. Damit wurde bereits zu Beginn ein erstes Problem geschaffen, das die Gotthardachse beschäftigte, Kapazitätsprobleme.

Doch nun genug der einleitenden Worte. wollen wir uns mal die Verkehrszahlen vom Anfang widmen. Die Gotthardbahn beförderte 1883 dem ersten vollen Betriebsjahr:

 

Reisezüge

   

Güterzüge

1'056'000 Reisende

   

470'000 Bruttotonnen

   

 

Nach heutigen Massstäben ist das sicherlich eine bescheidene Leistung. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass die damalige Strecke nur einspurig war und der Verkehr mit Dampfloks bewältigt werden musste. Zudem war die neue Strecke noch nicht überall bekannt. Die Zugkraft einer der damals gigantischen Vierkuppler Dampfloks der Reihe D4T (D 4/4) betrug am Gotthard gerade mal 170 Tonnen. Die Geschwindigkeit lag bei 20 km/h. Die eleganteren B3 (Ec 3/4) schafften 130 Tonnen bei 20 - 25 km/h Sie wurden hauptsächlich für die Reisezüge eingesetzt.

Bei solchen Fahrzeugen erscheint die Last schon in einem anderen Licht. Um schwere Güterzüge den Berg hoch zu bringen musste schon zu Beginn in die Trickkiste gegriffen werden. So wurden die Züge mit zwei Loks an der Spitze und einer am Schluss bespannt. Somit konnten 510 Tonnen den Gotthard hoch befördert werden. Diese Leistung erbringt heute die Re 420, die schwächste aktuelle Streckenlok der SBB.

Doch was bedeuten diese Zahlen heute. Die 1'056'000 Reisende ergeben im Durchschnitt rund 2'900 Reisende pro Tag. Diese Leute würden in drei Doppelstock-Intercity der SBB Platz finden. Beim Güterverkehr ergibt sich eine tägliche Leistung von rund 1'287 Tonnen. Dieses Gewicht hat Heute ein durchschnittlicher Güterzug. Was mit heutigen Fahrzeugen eine tägliche Streckenbelastung von nur vier Zügen ergäbe.

Anders sahen jedoch die Zahlen aus, als die Gotthardbahn 1909 verstaatlicht wurde. Als letztes Betriebsjahr der Gotthardbahngesellschaft gilt 1908.Jetzt standen auf einigen Abschnitten bereits zwei Geleise zur Verfügung. Die durchgehende Doppelspur lag jedoch noch viele Jahre entfernt. Die Züge wurden nach wie vor, mit jetzt zwar um einiges grösseren, Dampfloks befördert. Mit diesen Fahrzeugen beförderte die Bahn 1908:

 

Reisezüge

   

Güterzüge

3'860'000 Reisende

   

1'615'000 Bruttotonnen

   
                       

In diesen 26 Betriebsjahren hat sich die Zahl der Reisenden fast vervierfacht. Beim Güterverkehr gab es einen nur unwesentlich schwächeren Zuwachs. Interessant dabei ist, dass sich das Personal nur verdoppelt hat. Die Grenze von 1 Mio Tonnen wurde im Jahre 1899 erstmals überschritten. Auch bei der Technik wurden weitere Fortschritte erzielt. Die Lokomotiven sind noch einmal grösser geworden. Die im Personenverkehr eingesetzten  A 3/5 "rasten" mit 150 Tonnen Anhängelast mit 40 km/h den Berg hoch. Da nahmen es die C 4/5 Maschinen mit den Güterzügen schon gemütlicher, sie schafften mit den 260 Tonnen schweren Zügen 28 km/h. Neben den A 3/5 und C 4/5 Maschinen sahen die immer noch unentbehrlichen Lokomotiven der ersten Generation klein aus.

Es ist klar, dass immer noch mit Schiebelokomotive und Doppelbespannungen gearbeitet werden musste.  Trotzdem, das Hauptproblem war immer noch der Platz für diese Züge. Ein mit drei C 4/5 bespannter Zug war somit bis zu 780 Tonnen schwer. Die heute eingesetzten Re 620 schaffen diese Last alleine und fahren dabei 80 km/h.

Was bedeuten denn diese Zahlen heute. Klar ist, dass unsere vier Züge vom Anfang nicht mehr ausreichen würden. Die rund 10'575 Reisenden pro Tag benötigen schon  9 moderne Doppelstockzüge. Anders sieht es bei den rund 4'424 Tonnen im Güterverkehr aus. Auch heutige Züge benötigen bei hohen Lasten Schiebelokomotiven. Die Gewichte solcher Züge belaufen sich auf bis zu 1'700 Tonnen. Jedoch erscheint die Zahl von drei Zügen immer noch schwach.

Nach der Verstaatlichung schaffte auch die SBB noch letzte Dampfloks für den Gotthard an. So entstand die grösste, je für eine schweizer Bahn gebaute, Dampflok, die C 5/6. Diese hauptsächlich im Güterverkehr eingesetzten Maschinen vermochten 320 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 26 km/h zu ziehen. Der erste Weltkrieg stürzte die junge SBB in die Not. Kohlen waren entweder enorm teuer geworden, oder fehlten schlicht. Dieser Umstand war natürlich auch am Gotthard zu spüren.

Da jedoch die elektrisch betriebene Lötschbergbahn keine Probleme bekundete, entschieden die Verantwortlichen der SBB, dass wichtige Strecken elektrifiziert werden. Somit auch die Gotthardbahn. Die legendären Krokodile Ce 6/8 II übernahmen den Betrieb am Gotthard. Was für eine Wohltat mussten diese Loks für die Bevölkerung sein.  Die Kilometerweit zu hörenden Auspuffschläge der Dampfloks verhallten ein letztes Mal in den Felswänden. Die Wäsche an der Leine blieb weiss und wurde nicht durch Russ und Asche geschwärzt. Die Züge rollten verhältnismässig leise den Berg hoch. Mit den ersten elektrischen Maschinen wurde nicht die Anhängelast, sondern die Geschwindigkeit erhöht. Somit schafften die SBB mehr Platz für zusätzliche Züge, da ein Blockabschnitt schneller geräumt wurde und sich die Züge dichter folgen konnten. Statt dem Schiebedienst wurde nun der Zwischendienst eingeführt.

Leider fehlen mir die Zahlen aus dieser Zeit, daher kann ich keine Auskünfte über den Anstieg des Verkehrs übermitteln.  Machen wir daher einen kleinen Zeitsprung. Der Verkehr erholte sich nach dem ersten Weltkrieg wieder, die Züge wurden schwerer und es verkehrten vor allem wieder mehr Züge. Nicht zuletzt, da der internationale Reisezugsverkehr wieder auflebte. Die Wirtschaftkrise der Dreissiger Jahre und der anschliessende zweite Weltkrieg veränderte den Verkehr am Gotthard erneut. Der Verkehr brach massiv ein. Als Beispiele der damaligen Zeit sollen die Zahlen von 1938 und 1945 dienen. Da ab 1938 die Reisezüge nicht mehr mit der Anzahl von Reisenden gerechnet wurden, beschränke ich mich hier auf die dadurch aussagekräftigeren Zahlen des Güterverkehrs.

 

Güterzüge 1938

   

Güterzüge 1945

5'918'400

Bruttotonnen    

2'617'500

Bruttotonnen
   

12'266

Züge    

8'230

Züge
   
                       

Deutlich ist die Verkehrseinbusse während dem Krieg zu erkennen. Es verkehrte nicht mal mehr die Hälfte des Verkehrs von 1938. Ja, die Differenz zwischen 1908 dem letzten Gotthardbahnjahr zu 1945 beträgt nur 1 Mio Tonnen. Was angesichts der Zunahme von über 1 Mio Tonnen innerhalb der ersten 26 Jahre wenig ist. Immerhin ist auch jetzt ein Zeitraum von 38 Jahren vergangen. Erst jetzt im direkten Vergleich erkennt man, dass die beiden Weltkriege beim Verkehrsaufkommen am Gotthard massive Einbussen brachten.

Nach dem Krieg erholte sich der Verkehr wieder sehr schnell. Die Linie wurde erneut ausgelastet. Daher führten die SBB die Arbeiten für die Doppelspur weiter. Der Verkehr erreichte im Jahre 1954 eine neue Höchstmarke:

 

 

Güterlasten am Gotthard 1954

 
 

10'493'500 Bruttotonnen

Anzahl Züge:

18'330

 
   
                       

Somit waren erstmals mehr als 10 Mio Tonnen am Gotthard unterwegs. Wenn man an die damals verwendeten Lokomotiven denkt, die zum grössten Teil noch aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg stammten, erstaunt diese Leistung. Die grossen und schweren Ae 8/14 vermochten Züge bis zu 770 Tonnen den Berg hoch zu befördern. Diese drei Doppelloks sollten die grössten Maschinen sein, die je am Gotthard verkehrten.

Die Ablieferung der ersten Ae 6/6 ermöglichte, dass 1963 erstmals die Marke von 20 Mio Tonnen gesprengt wurde. Mit der Ablieferung dieser leistungsfähigen Maschinen konnte der Verkehr erneut gesteigert werden. Somit betrugen die Zahlen 1966 bei Eröffnung der durchgehenden Doppelspur:

                       
  Güterlasten am Gotthard 1966  
  22'652'400 Bruttotonnen Anzahl Züge:

31'902

 
   
                       

Diese Zahl alleine zeigt noch nicht, wie wichtig die Vollendung der Doppelspur war. Die Gotthardbahn war an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gestossen. Ja, man glaubt es kaum, aber die Züge standen zeitweise in den Rampen im Stau. Ein geordneter Fahrplan konnte fast nicht mehr eingehalten werden. Was Räder hatte, war am Gotthard unterwegs, ja selbst die alten Stangenlokomotiven von 1919 wurden eingesetzt. Im Flachland verkehrten die letzten Dampfloks der ursprünglichen Gotthardbaureihen unter Fahrdraht um Elektrolokomotiven für den Gotthard freizustellen.

Angesichts solcher chaotischen Zustände, bei welchen die Lokführer einfach den nächsten Zug der kam zugeteilt bekamen, verwundert es nicht, wenn Stimmen laut wurden, die Gotthardstrecke erneut auszubauen. Die ersten Ideen für einen Gotthard Basistunnel auf Höhe Erstfeld kamen auf. Doch so recht glaubte niemand daran. Die Ae 6/6 und die ersten Re 420 Lokomotiven ermöglichten schliesslich einen schnelleren Betrieb. Zumal die alten Stangenlokomotiven aus den Anfängen des elektrischen Betriebs ausgemustert werden sollten. Da jedoch für den Autobahnbau grosse Mengen Kies und Zement benötigt wurden, mussten die betagten Lokomotiven nochmals ran. Krokodile vor Kieszügen gehörte zum Standardbild der damaligen Zeit. Einige Krokodile brachen buchstäblich unter ihrer Last zusammen und wurden zerrissen.

Um jedoch diese alten Lokomotiven doch noch zu ersetzen, mussten für den Gotthard und das Flachland weitere Hochleistungslokomotiven beschafft werden. Eine geeignete Lok fürs Flachland bestand mit der Re 420 bereits, jedoch erschien es nicht sinnvoll die Bergvariante, die Re 430 weiter zu bauen. Eine neue Lok musste entwickelt werden. Das war die Geburtsstunde der Re 620. Bei dieser Lok wurde eine enorme Zugkraft eingebaut. Die Leistung von über 10'000 PS übertraf nur noch eine Lok. Es war die Ae 8/14 11'852, die einzige SBB-Lok mit mehr Leistung als die Re 620.

Die Wirtschaftskrise von 1975 ermöglichte es letztlich doch noch zumindest die ältesten Stangenloks auszurangieren. Die Transportzahlen sanken auf folgende Werte.

 

Güterlasten am Gotthard 1975
19'906'000 Bruttotonnen Anzahl Züge: 29'957

Seit dem Jahre 1963 sank die beförderte Menge erstmals wieder unter 20 Mio Tonnen. Im folgenden Jahr 1976 erreichten die Zahlen fast wieder den Wert von 1974 und lagen wieder über 20 Mio Tonnen.  

Da sich die Mobilität der Bevölkerung vermehrt zum Auto wandte, wurden Stimmen laut, die Anstelle eines Eisenbahnbasistunnels eine Gotthardautobahn mit Autotunnel forderten.  Dieser Strassentunnel wurde im Jahre 1980 eröffnet. Die Zahlen der Gotthardbahn sahen wie folgt aus. 

 

  Güterlasten am Gotthard 1980  
  27'911'800 Bruttotonnen Anzahl Züge: 35'944  
   
                       

Bei der Eröffnung der neuen Autobahnverbindung erklärte der zuständige Verkehrsminister, dass diese Autobahn nicht für den Transitgüterverkehr gebaut wurde. Er sollte sich irren und zwar massiv. Ab der Eröffnung der Strassenverbindung verlor die Gotthardbahn seit ihrem Bestehen das Beinahemonopol. Jahr für Jahr wanderte mehr Verkehr von der Bahn auf die Strasse ab. Das Schlug sich auch in den Zahlen nieder.

Wer jetzt aber der Meinung ist, dass am Gotthard der grosse Einbruch erfolgte, irrt sich erneut. Zwar wurden immer mehr Güter auf der Strasse transportiert, jedoch nahm der Verkehr auf der Bahnlinie weiter zu. Jedoch nicht mehr in dem Mass wie vorher. Wann jedoch die Marke von 30 Mio Tonnen überschritten wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. In meinen Unterlagen fehlen mir die Zahlen von 1980 bis 1997.

Mittlerweile beklagt sich die betroffene Bevölkerung über die Abgase der Lastwagen auf der Strasse. Da auch die Landesregierung das Problem mit den Strassengüterverkehr erkannte, wurden flankierende Massnahmen getroffen. Freude daran hatten sicherlich nicht alle.

Doch was brachte das dem Gotthard. Neue Lokomotiven! Die Re 460 wurde abgeliefert, damit der mit der EU ausgehandelte Hupac-Korridor aufgebaut werden konnte. Da aber die Gotthardbahn erneut an ihre Grenzen stiess, musste erneut eine Entlastung gesucht werden. Dichtere Signalfolgen oder höhere Geschwindigkeiten waren auf der bestehenden Strecke nicht mehr zu verwirklichen. Somit muss eine neue Strecke gebaut werden, war der Tenor der damaligen Zeit. Der Doppelspurausbau der Lötschbergachse, brachte dem Gotthard nur eine leichte Entlastung.

Zwei weitere Geleise durch das Alpenmassiv bringen eine weitere Erhöhung der Kapazität. Sollte in Zukunft auf der Bergstrecke kein Verkehr mehr stattfinden, währe das eine Überraschung, denn die Gotthardbahn hätte dann erstmals seit bestehen eine Überkapazität.  Doch bevor wir uns mit der Zukunft befassen, noch einige Zahlen der aktuellen Situation.

 

 

Güterlasten am Gotthard im Jahr 2000

 
  38'671'200 Bruttotonnen  Absoluter Rekord am Gotthard  
   
  Tageshöchstleistung Do 19.10.2000 170'202 Brt  
                       

An diesem 19. Oktober 2000 gab neben dem Rekordwert eine weitere Neuheit am Gotthard. Erstmals seit bestehen der Strecke beförderte die Gotthardbahn mehr als 100'000 Tonnen in Richtung Süd. Auf der Nordrichtung herrschte immer weniger Verkehr.

In den Jahren 2001 bis 2004 gab es einen Einbruch im Güterverkehr. Dieser resultierte aus der schlechten Wirtschaftslage. Mittlerweile streiten sich sechs Bahngesellschaften um den Güterverkehr am Gotthard. Jedoch ist es bisher den Anbietern noch nicht gelungen gemeinsam die Werte von 2000 zu schlagen.

                       

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