Erstfeld - Kleinhünigen Hafen

Hat es nun geklingelt? Ich bin mir nicht sicher, aber dafür mittlerweile wach. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon bald Mittag ist. Letzte Nacht kam ich mit meinem Zug aus Chiasso mit Verspätung an. Nicht viel aber immerhin fast eine ganze Stunde.

Die Wartezeit vor dem Stellwerk hätte ich wohl besser zum schlafen genutzt, als den ablaufenden Wagen zuzusehen. Nun, jetzt kann ich nicht viel ändern. Müde bin ich immer noch. Obwohl, eigentlich stimmt es von der Zeit her. Um drei ging es ins Bett und jetzt ist gerade 11 Uhr durch. Den Schlaf immer noch in den Augen versuche ich mich aus dem Schlafzimmer zu bewegen.

Letztlich erreiche ich die Küche. Ein Griff und die Kaffeemaschine nimmt die Arbeit auf. Im Bad hoffe ich, dass ein kühler Lappen das nachholt, was eigentlich schon sein sollte. Mit Schrecken stelle ich fest, dass er das kann, ich bin wach. Hellwach, denn das Wasser war wirklich recht kalt.

Ein paar wenige Kleider, die ich bisher angezogen habe, müssen reichen um zum Briefkasten zu gehen. Draussen vor der Türe wütet immer noch der Föhn und die Wirbel um die Hausecke zerzausen mein Haar. Gut, dass ich noch nicht gekämmt bin. Als ich die Post aus dem Briefkasten nehme, stelle ich fest, es war so, der Briefträger hat geklingelt. Jetzt muss ich vor der Arbeit noch schnell zur Post gehen, um das Paket, das er nicht loswurde, abzuholen.

Gemütlich lese ich die Zeitung und bin somit wieder auf dem Laufenden. Die Welt ist immer noch nicht friedlicher geworden. Krieg von Seite 1 bis 4. Die sind schnell gelesen, mich interessiert auch mehr, was in der Region so passiert ist. Wieder wurde ein Raser auf der Autobahn erwischt. Einige News aus dem Kanton habe ich schon durch, als das Telefon klingelt.

Es ist das Depot! Kaum wach und schon will die SBB etwas. Es ist der Einteiler, der sich erkundigt, ob ich eventuell am nächsten Samstag zusätzlich arbeiten könne. Da ich ein längeres Wochenende habe, stimme ich seinem Wunsch zu. Das war es auch schon, ich kann wieder zu meiner Zeitung zurück.

Da ich erst am späteren Nachmittag zur Arbeit muss, kann ich die Zeit davor noch für anstehende Arbeiten nutzen. Die Rechnungen müssen schliesslich auch bezahlt sein, obwohl mir der Einzahlungsschein für die Steuern alles andere als Freude bereitet. Ja, der Staat will immer mehr und die Arbeitgeber wollen den Lohn kürzen. Wenn das so weiter geht, können sich immer weniger Familien über Wasser halten. Da scheint der vorher gelesene Artikel, dass in der Schweiz viele Leute an der Armutsgrenze leben, nur passend.

Die Zeit verrinnt schnell, wenn man beschäftigt ist. Bevor ich zur Arbeit gehe, muss ich noch das Videogerät programmieren. Den Film von heute Abend kann ich nicht schauen. Gut hat mal jemand das Videogerät erfunden. Jetzt heisst es aber raus in den Wind.

Der Weg zur Arbeit ist mühsam, da die kräftigen Windböen einen immer wieder fast umwerfen. Ich brauchte lange, bis ich mich an den Föhn gewöhnt habe, aber im Lauf der Jahre weiss ich damit zu leben. Leicht ist es nicht, aber irgendetwas ist ja immer.

Endlich, ich bin mit dem auf der Post abgeholten Paket im Depot angekommen. Im Kasten finde ich einige Blätter, die mir nach kurzen überfliegen zu verstehen geben, dass einige Strecken umgebaut wurden und jetzt andere Geschwindigkeiten gelten. Da aber die Einführung noch ein paar Tage dauert, stecke ich das Bündel in meine Mappe. Das Paket stelle ich anstelle der Mappe in den Schrank. Jetzt folgt wieder das tägliche Ritual vor der Arbeit. Warnweste anziehen und los geht es.

 

Erstfeld – Basel

Da meine Tour auf dem Reserveblatt verzeichnet ist, gehe ich zur Leitstelle. Ich begrüsse den dortigen Mitarbeiter, der mir auch gleich mitteilt, dass bei meiner Tour alles normal verlaufe. Normal heisst diesmal, ist muss auf dem ersten Teil nicht arbeiten. Dienstfahrt steht auf dem Programm.

Ich sehe, dass der Schnellzug nach Zürich soeben in Gurtnellen durchgefahren ist. Für mich ist das das Zeichen um zum Bahnhof zu gehen. Dazu nehme ich den Weg über die Geleise. Auf dem Bahnsteig ziehe ich die Warnweste wieder aus. Die Reisenden haben sich im Wartsaal vor dem Wind in Deckung gebracht. Da der Zug aber schon in der Nähe ist, suche ich nur eine windgeschützte Stelle.

Die Lautsprecher teilen die Ankunft des Zuges mit, nur versteht man die Durchsage im Wind nur sehr schlecht. Die Leute stehen auf und treten ins Freie. Die Re 460 rollt mit dem Zug am Haken an mir vorbei. Der Zug hat angehalten und ich gehe zielstrebig auf den Wagen zu, der noch den bekannten gelben Streifen für die 1. Wagenklasse am Dachrand trägt.

Im Wagen suche ich mir einen freien Platz. Ich werde fündig und setze mich hin. Die Reisenden im gegenüberliegenden Viererabteil mustern mich, als ob ich ein Ausserirdischer wäre. Doch schon bald geben sie sich wieder ihrer ursprünglichen Tätigkeit hin.

Wie ich schnell an den aufgeregten Handlungen erkennen kann sind es Eisenbahnfreunde. Die DB BR 185 entlockt ihnen überraschende Laute. Die Kamera wird gezückt und versucht noch schnell ein Bild zu schiessen. Resigniert muss aber festgestellt werden, dass der Zug schon zu schnell unterwegs ist.

Langsam beginne ich an meiner Platzwahl zu zweifeln. Na gut, so lange sie keine Ahnung haben, was ich beruflich mache, habe ich meine Ruhe. Ich greife zu einer Zeitschrift, die ich im meiner Mappe habe und beginne zu lesen.

Die Baustelle für das Nordportal des Basistunnels der NEAT lässt mich, aber nicht die vier Herren im Abteil nebenan, kalt. Erregt hüpfen sie auf die andere Seite des Wagens.

Nein, die Tunnelbohrmaschine sehen sie nicht, obwohl sie diese schon erwartet haben. Schliesslich haben ja erst die Vorarbeiten begonnen. Der Zug fährt gerade mit 140 km/h gegen Altdorf, als die Türe des Abteils geöffnet wird. Der Zugchef, wie die Zugführer neu heissen, betritt das Abteil. Eine Respektsperson für die vier von nebenan. Nicht jedoch für mich. Statt meinen Ausweis zu kontrollieren beginnt er das Gespräch mit mir. Es ist ein Erstfelder Zugführer und da kommt man nicht um ein Gespräch herum.

Er hat den Wagen noch nicht verlassen ist es passiert. Im Abteil nebenan interessiert sich niemand mehr für die schöne Gebirgslandschaft und den Bahnhof Altdorf. Viel mehr werde ich wohl durch den mutigsten der Gruppe angesprochen. Meine Zeitschrift kann ich jetzt wohl vergessen. Jetzt haben auch die anderen Drei ihren Mut wieder gefunden. Ein Profi, das war das, was sie wohl benötigt haben.

In Flüelen hält der Zug wieder an. Jetzt steigen Leute ein die mit dem Schiff aus Luzern gekommen sind. Keine angenehme Reise bei diesem Föhnsturm, das erkannte schon Willhelm Tell. Da wird das Schiff kräftig durchgeschüttelt. Es scheint fast, als dass die ältere Dame froh ist, endlich im windstillen zu sitzen. Meine Nachbarn löchern mich immer wieder mit Fragen. So wird die Strecke dem Urnersee entlang recht kurzweilig. Ja ich merke kaum, dass der Zug in Brunnen zu stehen gekommen ist. Die Fahrt nach Schwyz ist recht kurz und die letzten Reisenden haben sich erst richtig im Abteil eingerichtet, kommen schon die Nächsten zur Türe rein.

Kurz vor Arth-Goldau erfolgt die Durchsage, dass beim nächsten Halt in Arth-Goldau Richtung Basel umgestiegen werden kann. An den Aufräumarbeiten nebenan, bemerke ich, dass die vier auch umsteigen müssen. Der Zug steht schon bald, als ich meine Jacke und die Mappe ergreife. Auf dem Bahnsteig werde ich durch die Vierergruppe begleitet. Es ist ein rechtes Stück Fussmarsch, wenn die 1. Klasse beim Zürcher Zug an der Spitze ist, der IC nach Basel dieselbigen jedoch am Schluss hat.

Schon oft und auch jetzt werde ich wieder gefragt, warum das denn nicht klappt, dass die Wagen entweder immer an der Spitze oder am Schluss sind. Ich erkläre dann, dass dies mit den Bahnhöfen Zürich und Mailand zusammenhänge. In beiden Bahnhöfen sollten die Wagen der ersten Klasse am Schluss auf der Seite des Prellbocks sein. So kommt es dann, dass der IC aus Mailand in Richtung Luzern – Basel die Wagen wegen Mailand am Schluss hat. Der Schnellzug ab Chiasso jedoch die Wagen an der Spitze, damit es in Zürich passt.

Es versteht sich von selbst, dass die Reisenden, die in Arth-Goldau ihre schweren Koffer über mehrere hundert Meter schleppen müssen, mit dieser Erklärung nicht viel anfangen können. Und obwohl viele Leute auf den Perrons herumspurten, als würden sie an einer Olympiade teilnehmen, besteht hier in Arth-Goldau kein Grund zur Hektik. Rein schon aus technischen Gründen kommt der IC erst 2 Minuten nach dem Schnellzug an.

Eher, nein, eher kann er nicht kommen. Hier in Arth-Goldau merkt man den Föhn nicht mehr, es sei denn, man spürt den Druck im Kopf. Es dauert ewig, bis der Intercity kommt, er hat noch ein paar Minuten zusätzliche Verspätung. Die Wagen der 1. Klasse am Schluss bestehen aus zwei Sitz- und einem Panoramawagen.

Da ich das Panorama dieser Strecke schon des Öfteren bewundern konnte, steuere ich eine Türe zu einem normalen Sitzwagen an. Es Überrascht nicht, dass ich die Vierergruppe immer noch hinter mir habe. Ich finde schnell ein Zweierabteil für mich. Pech habe ich nur, dass sich der Reisende im Viererabteil daneben noch im letzten Moment entschliesst auszusteigen. So kommt es wie es kommen musste, die Vier setzen sich neben mich.

Wir haben uns kaum gesetzt, als sich der Zug in Bewegung setzt. Die Fahrt dem Zugersee entlang beschäftigt die Gruppe, da sie ja über längere Zeit den Schnellzug beobachten können. Erst, als sich der Schnellzug in den Häusern von Walchwil verliert, werde ich wieder zum Mittelpunkt. Das Frage und Antwortspiel geht in eine neue Runde. In Immensee wundern sich die Vier, warum der Zug nicht über Meggen verkehrt, das sei früher ja so gewesen. Jetzt wundere ich mich, dass die doch angeblich so gut Bescheid wissenden Herren keine Ahnung haben, dass dem schon seit Jahren nicht mehr so ist.

Geduldig erkläre ich, dass die Strecke nicht mehr regelmässig von den Gotthardschnellzügen befahren werde. Der Zug wird jetzt unmerklich schneller und strebt direkt Rotkreuz zu. Hier verlässt er die Achse der Güterzüge und dreht in Richtung Luzern ab. Und schon kommt die nächste Frage. Auch hier weiss ich zum Glück die Antwort. Sie glauben nicht, wie schwer es selbst für mich sein kann, gewisse Fragen zu beantworten.

Nach dem Bahnhof kann mein Kollege an der Spitze wieder beschleunigen, was er auch macht, wie ich gut merke, da es mich durch die Beschleunigung leicht in den Sitz presst. Es dauert einige Zeit, bis die Landschaft wieder mit 140 km/h an uns vorbeiflitzt. Da die Wagen des Intercitys aber für weitaus höhere Geschwindigkeiten gebaut wurden, merkt man von der hohen Geschwindigkeit nichts.

Klar, dass das den Vierern nicht verborgen blieb und die Diskussionen beginnen, warum der Zug auf dieser geraden Strecke nicht schneller fährt. Da sie in ihrer Diskussion kein Ende sehen, komme ich wieder zum Zug. Verblüfft registrieren sie, dass der Zug mit 140 km/h fährt. Zumindest tat er das, denn jetzt beginnt eine andere Kraft auf mich zu wirken. Ich werde regelrecht aus dem Sitz gezogen. Aha, wieder einmal wurde es versäumt, dem Lokführer zu sagen, dass er langsamer fahren soll. So kommt es halt wie es kommen muss, er bremst kräftig ab. Nein, eine Notbremse ist das nicht, wie einer von Nebenan vermutet. Ich erkläre, dass dies eine normale, wenn auch recht kräftige Bremsung gewesen sei. Normalerweise versuchen wir solche Bremsungen zu vermeiden, wo es nur geht. Schliesslich wollen die Leute ja angenehm befördert werden.

Ein Blick aus dem Fenster verrät mir auch den Grund. Wir befinden uns schon neben dem Rootsee. Die Begrenzungen der vergangenen Bootsregatta werden gerade entfernt. Für mich ist jetzt klar, der Interregio nach Zürich ist noch im Einspurabschnitt. Ich habe noch nicht fertig gedacht, als der Zug vorbei rauscht. Gleichzeitig geht ein kleiner Ruck durch den Zug und die Fahrt geht weiter.

Die Zufahrtsstrecke zum Bahnhof Luzern besitzt nur zwei Geleise. Da geht es schon recht eng zu und her. Die Züge folgen sich hier im Blockabstand. Es überrascht auch eingesottene Eisenbahner, wie das immer wieder reibungslos funktioniert. Aber wenn Profis am Werk sind, klappt es gewöhnlich. Auch mein Kollege an der Front gehört zu ihnen, denn er fährt minutengenau in Luzern ein. Auf dem Perron warten schon die Leute auf den Zug.

Auch in den Abteilen kommt Leben auf. Koffer werden aus den Ablagen geholt und die Leute stehen auf und gehen zur Türe. Ich finde es eine ziemlich gewagte Sache, in einem Kopfbahnhof vor dem Halt aufzustehen. Geht etwas schief und vereinigt sich vorne die Lok mit dem Prellbock, fliegen hier hinten die Leute herum, als seien es Gummibälle. Aber keine Angst, die Lokführer verstehen ihr Handwerk und so kommt dies zum Glück äusserst selten vor.

Der Halt in Luzern dauert einige Minuten. Das ist auch notwendig, denn die neue Lok muss an den Zug fahren und die Bremsapparate müssen gefüllt und geprüft werden. Zeit, die viele Leute jedoch gut nutzen. So verabschiedet sich ein Paar und er steigt in den Wagen. Bei der Abfahrt wird ihm noch gewunken. Szenen, wie sie jeder Bahnhof kennt. Das Wetter hat in der Zwischenzeit ebenfalls geändert, denn die Tropfen an den Fenstern verraten, dass es mit regnen begonnen hat.

Da wir jetzt an der Spitze hinter der Zuglokomotive sind, merken wir jede Handlung, die der Lokführer macht. Kommt noch hinzu, dass seine Re 4/4 II mit dem schweren IC alles andere als sportlich ist. Der Regen macht es zudem noch rutschig, so dass die Lok immer wieder die Haftung verliert, was wir im ersten Wagen natürlich ungedämpft merken. Es dauert zwar länger, aber der Zug erreicht schliesslich die erlaubte Geschwindigkeit und die Fahrt wird angenehmer.

Irgendwo zwischen Rothenburg und Sempach kommt der Zugchef und will alle Billette sehen. Das ist für mich nicht überraschend, denn in Luzern wechselt nicht nur die Fahrtrichtung und die Lok, sondern auch das Personal auf dem Zug. Ein gewissenhafter Zugchef kontrolliert dann logischerweise sämtliche Billette, denn er weiss ja nicht, wer in Luzern eingestiegen ist und wer nicht.

Die einen zeigen brav ihr Billett, die anderen machen es schliesslich auch noch, aber nicht ohne einen mürrischen Kommentar. Ich gehöre zur ersten Gruppe und zeige meinen Ausweis. Er betrachtet ihn und begrüsst mich persönlich.

Die Frau in seinem Schlepp interessiert sich jedoch genauer um die Billette und Verbindungen. Sie erhebt die Frequenz um zu erfassen, ob der Zug mehr Reisende nach Basel oder Olten führt. Mit normalen Billetten, wie sie die Viererbande hat, ist das kein Problem. Nur, auf meinem Ausweis steht kein Ziel.

Etwas verwirrt fragt sie mich, ob ich privat oder beruflich unterwegs bin. Natürlich gebe ich ihr die Auskunft und gebe einen beruflichen Grund an. Jetzt ist sie zufrieden und geht ein Abteil weiter. Das Tempo des Zugchefs mag sie nur knapp einzuhalten. Jetzt fragen mich die Vier, warum das eine Rolle spiele, ob ich beruflich oder privat reise. Ganz einfach, beruflich werde ich nicht in der Statistik berücksichtigt, denn das würde ja die Aussage verfälschen.

Es kommt und ich wundere mich, warum das bis Sursee gedauert hat. Die Frage, warum ein Lokführer hinten im Zug sitzt und nicht vorne auf der Lok. Eine berechtigte Frage, die Sie sich vermutlich beim lesen dieser Zeilen auch schon gefragt haben. Wer würde sich darüber nicht wundern, denn ein Lokführer hinten im Zug rentiert nicht, auch wenn er noch so bereitwillig Auskunft gibt.

Der Grund liegt unter anderem beim Güterverkehr. Da die Züge in Richtung Süden meistens schwer sind, kann nachher mit den leeren Wagen von zwei Zügen ein einziger Zug gebildet werden. Daraus resultiert, dass zwei Lokführer in Richtung Süden benötigt werden, jedoch nur einer in Richtung Norden. Folglich fehlen irgendwann die Lokführer in Basel und müssen irgendwie dorthin kommen. Die einfachste Methode ist, dass man sie in einen Zug setzt und sie, als so genannte Dienstfahrt, nach Basel schickt.

Mit dieser einfachen und für die Vier logischen Erklärung, habe ich wieder ein zwei Minuten Ruhe gewonnen. Klar ist die Erklärung einfach, aber es liegt nicht im Sinne einer Auskunft, wenn man von fehlerhafter Planung spricht. Planung, die manchmal besser sein könnte, aber lassen wir das so ruhen.

Die Lautsprecher kündigen die baldige Ankunft in Olten an. Auch wird erwähnt, dass Reisende in Richtung Zürich, Biel und Bern gebeten werden umzusteigen. Es versteht sich von selbst, dass die Aussage auch in italienischer Sprache erfolgt. Ja Olten, Olten ist ein Knotenpunkt im Bahnverkehr. Hier kreuzen sich die Linie zwischen Bern und Zürich mit der Gotthardachse Basel – Tessin.

Im Abteil nebenan beginnt sich etwas zu bewegen, die Vier verlassen den Zug und steigen aus oder um. Sie verabschieden sich von mir und ziehen von dannen. So, jetzt kann ich endlich meine Zeitschrift lesen, die ich schon ab Erstfeld hätte lesen wollen. Ich will gerade das Heft ergreifen, als ich angesprochen werde. Nein, es ist kein Reisender, der sich nach einem freien Platz erkundigt. Vielmehr ist es ein Freund des Depots Olten, der hier zugestiegen ist.

Bis Basel wird nun über die Eisenbahn gesprochen. Die Landschaft des Juras zieht so am Zug vorbei, ohne dass wird das merken. Der Hauensteintunnel liegt schon weit hinter uns, als der Zugchef die Billette kontrolliert. Die Kollegin von ihm ist jetzt nicht mehr dabei. Sie hat wohl ihre Arbeit in Olten beendet. Ohne grossen Smalltalk zeigt mein Freund seinen Ausweis und steckt ihn wieder ein, während der Zugchef schon das nächste Abteil kontrolliert.

In Liestal strebt der Zug dem Aldertunnel zu. Wir sind nur noch ein paar Minuten von Basel entfernt. Beide müssen nach Ankunft noch ins Depot gehen. Rechts tauchen die Geleise des Rangierbahnhofs Basel auf und der Zug rast durch Muttenz. Zeit sich langsam zum Aussteigen vorzubereiten. Erneut erklingt die Stimme im Lautsprecher. Sie kündigt die Ankunft im Endbahnhof Basel an. Respektive in Bale und Basilea. Richtig, jetzt erfolgt die Durchsage auch auf Französisch. Der Grund liegt auf der Hand, wir befinden uns an der Französischen Grenze.

Die Lok der SNCF, die mit einem Güterzug Richtung Rangierbahnhof unterwegs ist, verdeutlicht das nur zu gut. Schliesslich sind der SBB und der SNCF Bahnhof an der gleichen Stelle und die Reisenden nach Frankreich müssen nicht weit gehen. Dennoch musste ich schon einer verzweifelten Reisenden helfen, die mich fragte, ob es eine Busverbindung nach Basel Französischer Bahnhof gebe. Nein, die gibt es nicht, da der Bahnhof gleich nebenan liegt. Auch wenn sie nicht gut zu Fuss sei, habe sie durchaus genug Zeit um in 30 Minuten zum SNCF Teil zu kommen.

Jetzt muss ich aber keine solchen Auskünfte erteilen und ich kann meine Jacke anziehen. Gut, dass ich eine regenfeste Jacke bei mir habe, denn hier hat auch der Regen eingesetzt. Im Strom der dem Ausgang zu eilenden Reisenden stören die beiden Eisenbahner, die es gemütlich nehmen. Obwohl ich in Basel bin, bin ich noch nicht am richtigen Ort. Ich muss ins Depot. Hier in Basel ist das aber nicht so schnell erledigt wie in Erstfeld oder Bellinzona, wo das Depot neben dem Bahnhof steht.

Der Fussmarsch durch das Gleisfeld dauert gut und gerne eine halbe Stunde. Zeit, die ich natürlich gut geschrieben bekomme. Eine Lösung gibt es, wir benutzen die Trams der BLT um in die Nähe des Depots zu gelangen. Schneller sind wir zwar nicht, aber sicherer unterwegs, dazu ist der Fussmarsch kürzer und auf den Strassen bequemer als im Gleisfeld. Um zu den Trams zu kommen müssen auch wir den Hauptbahnhof von Basel verlassen und zur Tramhaltestelle auf dem Vorplatz gehen.

Zwei Linien der BLT fahren hier durch, das sind die Linie 10 und 11. Die Trams der BLT sind in unserem Ausweis inbegriffen, diejenigen der Verkehrsbetriebe jedoch nicht. Probleme die beiden Trams zu unterscheiden haben wir jedoch nicht, denn die rot gelben der BLT fallen inmitten der grünen Trams auf. Moment, da steht ja ein silbriges Tram. Kurze Zeit bin auch ich etwas verwirrt, doch schnell erkenne ich, dass es eines der Trams ist, die aus Bern stammen. Diese Berner Trams helfen in der Stadt Basel aus, da die Verkehrsbetriebe mit ihren neuen modernen Trams grosse Probleme haben.

Der Zug der Linie 10 hat soeben die Haltestelle erreicht. Das ist für uns ein Grund einzusteigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Linie 10 oder 11 handelt, beide fahren bis zur Haltestelle Dreispitz den gleichen Weg. Die kurze Zeit, die wir im Tram sind, können wir stehen. Die Züge sind immer recht gut besetzt. Nach mehreren Zwischenhalten kommt die Haltestelle Dreispitz. Jetzt steigen wir aus und öffnen die Regenschirme. Noch ein paar Minuten dauert der Fussmarsch mit mittelschwerem Reisegepäck ins Depot.  

 

Pause

Nachdem wir schon gemeinsam hergekommen sind, ist es nur logisch, dass wir auch miteinander in die Pause gehen. Im Depot Basel ist das Personalrestaurant, die so genannte Milchküche, die hier Juraschlaufe heisst, im Depotgebäude integriert. Da sie sich jedoch im 5. Stock befindet ist es sinnvoll den Aufzug zu benützen.

Die Aussicht von hier oben über das Gleisfeld des Basler Güterbahnhofs Wolf ist nicht sonderlich überwältigend. Klar, auch das ist wieder Ansichtssache. Die andere Blickrichtung mit den Geschäftsbauten ist ebenfalls nicht das Gelbe vom Ei. Schön ist es aber, wenn man die Wolken und somit zum Teil auch den Regen schon von weit her kommen sieht.

Im Sommer bieten die klimatisierten Räume eine willkommene Abkühlung an. Doch Heute, nachdem ich schon die ganze Zeit in klimatisierten Wagen gesessen bin spielt es keine Rolle. Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich für ein etwas grosszügigeres Essen, denn ich habe noch einen langen Heimweg vor mir.

Während der Pause wechseln mein Freund und ich noch die letzten Worte, denn nach der Pause trennen sich unsere Wege wieder für längere Zeit. Nachdem ich gegessen habe, genehmige ich mir noch einen Kaffee.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es Zeit ist um aufzubrechen. Ja, die Zeit vergeht schnell, wenn man in ein Gespräch verwickelt ist. Ich räume noch schnell ab und greife zu meiner Tasche um diese zu öffnen. Die Warnweste benötige ich jetzt wieder. Zum Schluss verabschiede ich mich noch und gehe auf die Suche nach meiner Lok.

 

Basel Güterbahnhof  - Basel Kleinhünigen Hafen

Wo ist meine Lok? Die Suche hier in Basel ist etwas schwerer als in Erstfeld, wo uns der Schaltwärter immer den Standort bekannt gibt. Hier müssen wir uns mit einem unpersönlichen Computer zufrieden geben. Auf dem entsprechenden Bild gebe ich meine Zugnummer ein und drücke auf die Taste suchen.

Es dauert einige Zeit, bis mir der Computer die Meldung, die ich nicht erwartet habe, bringt. Die Lok befindet sich angeblich nicht im Depot. So, jetzt geht es halt wie in Erstfeld zum Schaltwärter, die hier zu zweit arbeiten und Depotwart heissen, aber die gleichen Arbeiten machen.

Es ist ein ganzes Stück Weg, bis ich vor dem Büro stehe. Ich gehe hinein, begrüsse die zwei Männer. Auf die Frage nach meinem Wunsch, nenne ich meine Zugnummer und frage, wo die Lok sei. Ich glaube es nicht, die steht doch tatsächlich im Depot. Nur der PC hat wieder mal nichts gewusst. Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass die Eingaben während meines Fussmarsches erfolgt sind. Das Radioprogramm mit dem Bericht vom Fussballspiel, das nur wenige Meter vom Depot entfernt stattfindet, fördert die schnelle Arbeit auch nicht.

Jetzt ist es nicht mehr so weit zum Standplatz meiner beiden Loks. Wie es sein muss, wenn es regnet, die Loks stehen natürlich im Freien. Die Re 10 ist noch das Einzige, was in dem Gleis steht, ich kann also nicht die falsche Lok nehmen. Bevor ich mich jedoch auf die Kontrolle der Lokomotiven mache, sorge ich dafür, dass ich nicht noch schwer tragen muss. Ich stelle meine Mappe in den Führerstand, den ich zur Zugfahrt besetzen werde.

Die Übernahme einer Re 10 dauert länger, denn schliesslich müssen zwei Loks kontrolliert werden. Kommt noch hinzu, dass es eine richtige Fitnessübung ist, die Leitern hoch und wieder hinunter. Letztlich kann ich die Lokomotiven einschalten. Bevor ich wegfahre, überprüfe ich die Bremsen. Gut, die funktionieren. Die erste Fahrt dauert nur wenige Meter. Am Ende des Gleises steht ein Zwergsignal und dieses zeigt Halt. Ich melde meine Fahrbereitschaft an einem speziellen Meldepunkt mit Tastendruck an. Nachdem ich die Taste gedrückt habe, leuchtet die Kontrolllampe auf. Diese erlischt, wenn der Arbeiter im Stellwerk meine Meldung bestätigt hat.

Schier endlos dauert die Zeit, bis endlich mein Zwergsignal Fahrt zeigt. Ich kann mit meinen Loks in das Abfahrgleis fahren. Über die vielen Weichenverbindungen muss man immer aufpassen, denn plötzlich kann eine Weiche nicht so stehen, wie man das erwartet und schon steht man vor einem Halt zeigenden Zwergsignal oder noch schlimmer vor einem Hindernis.

Als ich das Ausfahrgleis erreicht habe, halte ich an. Ich wechsle die Beleuchtung im jetzt besetzten Führerraum auf rot, denn ich fahre die ersten Kilometer als Lokzug. Zum Schluss schalte ich die Lokomotiven aus. Beim Standwechsel stelle ich fest, dass der Regen nachlässt. Ich betrete gerade den Führerstand, als das Signal vor mir auf Fahrt geht.

Hektik bekomme ich wegen dem schon lange nicht mehr, denn der Bahnhof hat ja das Signal auf Fahrt gestellt, ohne meine Fahrbereitschaft abzuwarten. Jetzt dauert es halt länger, bis der Zug fährt. Die Routinearbeiten, wie einschalten der Lok und die Kontrolle der Bremsen habe ich gerade gemacht, als mich das Stellwerk aufruft. So jetzt kommt die Frage warum ich noch nicht fahre. Nein, der Fahrdienstleiter teilt mir nur mit, dass im St. Jakob Park ein Fussballspiel stattfindet und sich daher im Gleisbereich Sicherheitskräfte aufhalten.

Ich bestätige diese Meldung und gebe die erforderlichen Daten für ZUB 121 am Funkgerät ein. So, die Lokomotive ist fahrbereit. Nur, bevor ich abfahren darf, muss ich die korrekte Beleuchtung kontrollieren. Vorne drei Weiss, gut, jetzt geht es nach hinten. Hier sehe ich, dass das rote Schlusslicht ebenfalls leuchtet.

Ich bin endlich Fahrbereit. Nur, muss ich noch auf die Lok. Schliesslich fahre ich los. Im Bereich des Fussball-Stadions erlauben die Signale eine Geschwindigkeit von 60 km/h. Ich beschleunige jedoch nur auf 40 km/h. Als ich die ersten Personen am Gleis sehe, denke ich Sicherheitskräfte ist gut. Die Polizeistreifen sind allesamt mit Hunden ausgerüstet. Jetzt fällt es mir wieder ein, es ist ja Heute ein Länderspiel auf dem Programm.

Als ich den Gefahrenbereich verlassen habe, kann ich nicht mehr beschleunigen, denn das nächste Signal fordert mich zum Halten auf. Ich mache das. Genau in dem Moment, als ich zum stehen komme, erlischt das Sperrsignal und die Zwergsignale gehen auf Fahrt. Ab jetzt ist die Fahrt als Zug vorbei und obwohl ich erst vor der Gleisgruppe stehe, bin ich im Basler Rangierbahnhof eingefahren. Die Rangierfahrt führt direkt vor eine rechte Anzahl Wagen.

Kurz vor den Wagen halte ich an. Nein, es ist kein Missgeschick passiert, die Wagen werden noch mit meiner Lok verbunden. Ich wechsle erneut den Führerstand. Ausser der LEA nehme ich nichts mit, denn später fahre ich auf der anderen Seite nach Hause. Den Schirm brauche ich auch nicht mehr, denn der Regen hat aufgehört und vereinzelt gibt es ein paar Lücken in der Wolkendecke.

Weit hinten sehe ich wie der Visiteur die Wagen kontrolliert. Es wird schon noch ein paar Minuten dauern, bis er bei den Lokomotiven angelangt ist. Zeit, die ich mit dem Ausfüllen des Leistungscouverts verbringe. Danach habe ich sogar noch Zeit um die Lokomotiven um mich herum zu betrachten.

Hier tummeln sich die unterschiedlichsten Lokomotiven. Neben den diversen Baureihen der Deutschen Bahn, sehen wir auch die Maschinen der BLS regelmässig. Aber mit den beiden Bahnen ist es noch nicht getan. Die riesige Diesellokomotive der Bauart Class 66 stört irgendwie das Bild von lauter elektrischen Lokomotiven. Die Lok hat noch einen langen Weg bis in die Niederlande vor sich. Interessant ist die Tatsache, dass sie das fast ausschliesslich unter Fahrdraht macht.

Vergessen, nein vergessen habe ich die Lokomotiven der SNCF nicht, wer kann das schon, denn sie unterscheiden sich von den restlichen. Die alten Maschinen, die nach wie vor ihre Güterzüge nach Basel schleppen, fallen mit ihrem hellgrauen Anstrich auf. Die neuen Maschinen, die die ehrwürdigen Lokomotiven ablösen, fallen schon durch ihre aussergewöhnliche Front auf.

Neben mit fährt gerade eine Re 482 der SBB ein, die an die RAG vermietet ist und zusammen mit der RM Güterzüge befördert. Den Kollegen auf der Lok kenne ich, es ist ein ehemaliger Erstfelder, der jetzt bei der RM arbeitet. Im Gegensatz zu uns verlässt er die Lok, nachdem ein Ablöser eingetroffen ist. SBB-Züge werden meistens abgehängt und die Lok fährt allein entweder ins Depot oder an ihren Standplatz.

Mehr Zeit habe ich nicht, denn mittlerweile hat der Visiteur den Weg nach vorne geschafft und gibt mir nun den Befehl an die Wagen zu fahren. Da ich meine Loks bewegen muss, bleibt es bei einem flüchtigen Gruss an den ehemaligen Depotkollegen.

Die Loks werden durchgeschüttelt, ich bin am Zug. Sogleich merke ich, wie die Hauptleitung abgesenkt wird, als der Visiteur die Hauptleitung kuppelt. Mein Bremsventil versucht sofort den Luftverlust zu ergänzen. Das klappt dann auch und sogar noch schneller, als ich den Hochdruckfüllstoss anwende.

Die Wagenbremsen werden langsam lose, der Visiteur beobachtet den Lösevorgang genau. Einige Augenblicke später gibt er mir das Zeichen zum bremsen. Ich drehe das Bremsventil in die normale Bremsstellung. Anhand des Luftgeräusches erkennt der Visiteur, dass ich die Bremsen angezogen habe. Er überprüft nun, ob die Bremsklötze des ersten Wagens fest anliegen. Erst wenn er sich davon überzeugt hat, gibt er mir das Zeichen zum lösen der Bremsen.

Ich verbringe das Ventil erneut in die Füllstellung und beobachte am Manometer, wie der Druck langsam steigt, 5, 6, 7, auf 7.5 bar bleibt der Zeiger einen kurzen Moment stehen. Es dauert nicht lange und der Zeiger senkt sich recht schnell auf einen vorgegebenen festen Leitungsdruck von 5.4 bar. Das bekomme ich nur noch am Rande mit, denn ich bin im Begriff, den Führerstand zu verlassen.

Ich habe gerade meinen Führerstand umrundet und strebe dem ersten Wagen entgegen, als hinter der Lok der Visiteur den gegenteiligen Weg einschlägt. Wir treffen uns genau mitten bei den Lokomotiven. Er meldet mir, dass die Bremsen gut seien und richtig funktionieren. Ich bedanke mich, und gehe zur Kuppelstelle. Ein kurzer Blick an die entscheidenden Punkte verrät mir, jawohl, der Zug ist richtig gekuppelt.

Eilig wieder an die Spitze zu kommen habe ich es nicht, denn noch kann ich nicht fahren, denn die Papiere fehlen noch. Es wird auch noch ein paar Minuten dauern, bis ich die notwendigen Schriften habe. Im Führerstand setze ich mich wieder auf meinen Stuhl. Jetzt, ja jetzt ist die Zeitschrift an der Reihe. Ich schlage die dritte Seite auf, die vorherigen beiden habe ich ja schon gelesen. Es steht ein interessanter Artikel über das Schlafverhalten von Schichtarbeitern drin.

Na ja, mein Schlafverhalten kann ich nicht überprüfen, denn mehr als eine halbe Seite konnte ich nicht lesen, denn die Papiere kommen schon und ich muss wieder arbeiten. Mit einem professionellen Blick überprüfe ich die wichtigsten Punkte auf der Belastungsanzeige. Für einen Aussenstehenden mag das eher so aussehen, als habe ich nur flüchtig einen Blick riskiert.

Was ich darauf entdecken konnte macht nicht nur Freude, denn der Zug ist knapp 500 Meter lang und hat fast kein Gewicht. Die leeren Wagen müssen zum Verlad geführt werden. Wenig Freude habe ich an der Höchstgeschwindigkeit. Der Zug fährt tatsächlich 120 km/h und hat mehr als 110 Achsen. Hier hat sich wieder mal ein Fehler eingeschlichen, denn ab 100 Achsen Anhängelast darf ein Zug nur noch mit 100 km/h fahren. Ärgern tue ich mich indes nicht, denn mit dem Zug werde ich nie schneller als 60 km/h fahren.

Ich melde dem Überbringer der Belastung meine Fahrbereitschaft und gebe die Daten für ZUB 121 ein. Mittlerweile hat der Bedienstete weiter hinten die Fahrbereitschaftstaste gedrückt und ist wieder bei mir. Ich verabschiede mich von ihm. Viel mehr Zeit habe ich auch nicht, denn das Signal vor mir geht auf Fahrt.

Langsam beginne ich den Zug zu strecken und schliesslich immer mehr zu beschleunigen. Zuerst ist nur 40 km/h zugelassen. Die ersten Signale sind noch nach Schweizer-Norm gebaut und währe ich nicht an einem kleinen Schildchen vorbei gefahren, würde niemand wissen, dass ich hier eine internationale Strecke befahre. Ja, die Verbindungsbahn nach Basel Kleinhünigen Hafen ist eine internationale Bahnlinie. Kurz vor dem Bahnhof Basel Badischer Bahnhof wechseln die Signale auf die andere Seite des Gleises und werden Deutsch.

Auch den Funk an der Lok muss ich umschalten, damit mich die Stationen mit ihren Funkgeräten erreichen können. Den Rhein überquere ich mit ausgeschalteten Lokomotiven, denn die Fahrleitungsschutzstrecke trennt das SBB- vom DB-Netz. Meine Lok bezieht nun Deutschen Strom. Der ICE, der mir begegnet wird in wenigen Augenblicken SBB-Strom erhalten. Einen kurzen Augenblick kann ich einen Blick auf den Rhein und ein Tankschiff, das den Hafen von Birsfelden anläuft, riskieren.

Die Fahrt durch den Bahnhof Basel Badisch, erfolgt wieder mit 40 km/h. Ich konnte nur kurz auf der Strecke schneller fahren. Die 40 km/h werde ich mit dem Zug nie mehr überschreiten. Auf dem Bahnsteig stehen drei Beamte des Bundesgrenzschutzes und schauen mich an. Ja, ich bin schon sehr nahe an der Deutschen Grenze. Kurz bevor ich das Hauptsignal erreiche, vor dem wir anhalten, wenn wir die Züge im Deutschen Rangierbahnhof holen, überquere ich kurz die Grenze. Ich bin jetzt im Ausland, fahre nach Deutschen Signalen und Deutschen Vorschriften.

Das normalerweise Halt zeigende Signal ist jetzt aber grün, denn ich fahre auf der Strecke weiter wieder in die Schweiz. Wo ich die Grenze genau passiere, weiss ich nicht, aber auf der linken Seite sehe ich wie die LKW-Fahrer mit ihren Lastern bereit stehen um auf meinen nächsten Zug zu fahren. Das Vorsignal zur Einfahrt in Basel Kleinhünigen Hafen zeigt freie Fahrt. Das heisst 30 km/h. Mehr noch, als die grünen Lichter, deutet die Bauform an, dass es sich um ein Schweizer-Signal handelt. Ja, jetzt bin ich wieder vor einem Schweizer Bahnhof und, sobald ich im Bahnhof bin, gelten auch die Schweizer Vorschriften.

Da die Strecke hier fällt, muss ich die Druckluftbremsen der Wagen nehmen um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Rechts vom Gleis sehe ich die aufgestellten Wagen der Rola. Die Wagen für meinen Zug sind noch leer. Na ja, es ist noch genug Zeit um sie zu beladen. Mehr Zeit kann ich mit meinem neuen Zug nicht verschwenden, denn zuerst muss ich ja noch den jetzigen Zug sicher an sein Ziel bringen.

Am Gleisende halte ich an. Ich drücke die Lok noch gegen den Zug, damit der Rangierarbeiter die Kupplung besser lösen kann. Danach stehe ich von meinem Sitz auf und gehe zur Türe des Führerstandes. Das Stellwerk liegt ein paar Meter hinter mir. Der Rangierarbeiter ruft mir, dass er den Zug abgehängt habe, ich danke ihm und blicke wieder zum Stellwerk. Der Arbeiter im Stellwerk winkt mir zum vorziehen.

Früher waren diese Befehle mit Lichtsignalen weitaus häufiger als Heute, wo alles mit Funk oder Zwergsignalen geht. Mit einem kurzen Pfiff mit der Lokpfeife bestätige ich das Signal. Eigentlich müsste ich das nicht machen, aber es ist für den anderen auch besser, wenn er weiss, dass ich den Befehl gesehen habe. Mit den leeren Loks fahre ich vom Zug weg. Hier muss ich vorsichtig fahren, denn die Fahrleitung hört schon ziemlich schnell auf.

Vor dem Senksignal halte ich an und verlasse den Führerstand, nachdem ich die Loks ausgeschaltet habe. Beim zurück gehen komme ich an einem Wechselsprecher vorbei. Dort kann ich mit dem Stellwerk Verbindung aufnehmen. Natürlich geht das auch umgekehrt. Das würde auch der Fall sein, wenn ich die Loks wieder eingeschaltet habe, nur bin ich dann gut 10 Meter davon entfernt.

Die andere Lösung ist, ich melde mich. Auf einen Druck auf die Sendetaste meldet sich das Stellwerk und gibt mir den Befehl um ins Gleis 1 zu fahren. Ich bestätige den Befehl mit den Worten, ich werde fahren sobald ich bereit bin. Endlich, ich habe wieder alles eingeschaltet und die Bremsen kontrolliert. Ich kann vorfahren. Das Gleis ist recht lang und liegt in einer Kurve. Ich halte am Ende des Gleises an.

 

Kurze Kaffeepause

Jetzt habe ich eine kurze Kaffeepause. Statt zu suchen, wo ich einen Kaffee trinken kann, entschliesse ich mich beim Verlad der Lastwagen zu zuschauen. Wo haben wir sonst die Möglichkeit dazu. Es ist ein kleiner Fussmarsch bis zur Verladestelle, aber die Bewegung erfrischt mich ein wenig. Die Dämmerung liegt schon hinter uns und die Lampen der Beleuchtung und der Lastwagen hüllen die ganze Szenerie in ein Spiel von Licht und Schatten.

Es dauert nicht lange, bis der erste Teil beladen ist. Die Arbeiter verschliessen den Wagen des ersten Teils und öffnen jenen des zweiten Teils. Und wieder fahren die Laster auf die Wagen. Viel Platz zum manövrieren haben die Lenker nicht mehr, wenn sie auf dem Zug sind. Darum steht der Zug beim Verlad gerade, da in so engen Platzverhältnissen kaum eine Kurve gefahren werden kann.

Die LkW-Fahrer und die Rangierarbeiter kennen sich, denn es sind ja immer etwa die gleichen Leute, die hier am Werk sind. Ein neues Gesicht fällt auf. Diesmal ist es mein Gesicht das auffällt. Ein Fahrer meint nur, dass er jetzt in den Begleitwagen zum schlafen gehe, schliesslich habe er ja die Präzisionsarbeit gemacht. Viel könne ja nicht mehr schief gehen. Viel erwidere ich nicht, aber mein Spruch „Wenn ich meine Arbeit nicht recht mache, könne er keine Minute schlafen“ macht anscheinend Eindruck. Zumindest beim Fahrer, die Rangierarbeiter lächeln nur verlegen.

Der letzte Laster steht an seinem Platz und der Wagen wird ebenfalls wieder verschlossen. Schliesslich fährt die Diesellok an den Wagen, wo vor kurzen noch eine Fahrbahn für Lastwagen war und wird gekuppelt. Jetzt kommt für mich die Zeit um zu schauen, wie gut mein Zug beladen ist. Die Lok zieht die Wagen aus dem Gleis und hält an, die Weiche wird gestellt und die Lok fährt an den anderen Teil des Zuges.

Der Befehl für den Lokführer der Rangierlok ist sogleich das Signal für mich wieder an meinen Arbeitsplatz zurück zu kehren. Die Wagen werden auch gleich vorgezogen. Beim überqueren der Strasse muss ich nicht auf den Verkehr achten, denn die Schranken sind geschlossen. Auf den Wagen ist kein einziger Standplatz leer. Der Zug 73947 ist wieder einmal ausgebucht.

 

Basel Kleinhünigen Hafen – Erstfeld

Es dauert ein paar Minuten, bis die Diesellokomotive mit den Wagen den Weg bis zu meiner Lok geschafft hat. Der kleine Ruck, der durch meine Lokomotiven ging, als die Puffer des ersten Wagens jene meiner Lok berührten, veranlasst mich dazu, die Lok auszuschalten und die Bügel zu senken. Jetzt kann der Rangierarbeiter die Zugsammelschiene kuppeln.

Die Hauptleitung wird wieder abgesenkt, als die Wagen gekuppelt werden und erneut übernimmt das Bremsventil seine Aufgabe und gleicht den Druckverlust allmählich aus. Der Kuppler klopft an der Lok, ich schaue hinaus und er erklärt mir, dass ich sowohl Lok als auch die Heizung, ein alter Begriff für die Zugsammelschiene, einschalten könne. Ich bestätige die Meldung und betätige den Schalter um den Stromabnehmer zu heben. Bevor ich die Lok einschalten kann, muss ich warten, bis die Stromabnehmer am Fahrdraht sind.

Nach ein paar Sekunden schalte ich die Lok mit dem Hauptschalter ein und der Kompressor beginnt damit den Druckluftvorrat zu ergänzen. Ich schalte jetzt die Zugsammelschiene ein, die Loks bleiben eingeschaltet. Das ist gut, es gibt keinen Kurzschluss auf der Leitung. Der Visiteur, der auch hier für die Kontrolle am Zug zuständig ist, meldet sich bei mir. Er bittet mich, die Bremsen anzuziehen, sobald diese bereit dazu sind. Durch drehen des Ventilgriffs in die Abschlussstellung überprüfe ich ob die Druckluft erhalten bleibt. Jetzt kann jede defekte Dichtung entdeckt werden.

Es gibt nicht viel zu entdecken, der Zeiger bleibt bei 5 bar stehen. Ich drehe in die Bremsstellung und melde dem Visiteur, der immer noch neben mir steht, dass ich die Bremsen angezogen habe. Er dankt mir und sagt, dass er am Schluss den Abschlusshahn der Hauptleitung öffnen werde. Sobald ich den Druckabfall bemerke, könne ich den Zug wieder lösen.

Es dauert lange, bis er am Schluss angelangt ist. Man muss jedoch auch bedenken, dass der Zug über 600 Meter lang ist und er zusätzlich bei jedem LKW kontrollieren muss, ob er auch richtig verladen und gesichert ist. Der Zeiger an meinem Manometer beginnt plötzlich leicht zu fallen. Das ist das Zeichen. Ich löse die Bremsen des Zuges wieder mit einem Hochdruckfüllstoss. Trotz diesem Füllstoss werden die Bremsen des Zuges lange brauchen, bis sie lösen, denn die Bremsen dieser Wagen sind auf die langsamer arbeitende Güterzugsbremse eingestellt.

Auch an der Lok schalte ich den Schalter um, um auch deren Bremse in die Güterzugsstellung zu verbringen. Danach verlasse ich den Führerstand wieder. Ich kontrolliere erneut, ob die Wagen richtig mit der Lok verbunden sind. Hier schaue ich jedoch zusätzlich noch, ob die Kupplung auch satt angezogen ist. Eine zu lose Kupplung würde während der Fahrt Schläge auf den 1. Wagen übertragen, was den darin schlafenden Fahrern nicht gefallen würde.

Zusätzlich schaue ich noch, ob die UIC-Leitung ebenfalls gekuppelt ist. Mit Hilfe dieser Leitung können im Notfall die Fahrer Verbindung mit dem Lokführer aufnehmen. Es scheint alles in bester Ordnung zu sein. Einige der Fahrer stehen noch im Seitengang des Wagens, trinken ein Bier und schauen aus dem Fenster. Die Einladung für einen Schluck Bier muss ich dankend ablehnen, denn es ist mir verboten während der Arbeit Alkohol zu trinken.

Auch sonst habe ich den Eindruck, dass die Stimmung im Wagen gut ist. Vom Stress, dem die Fahrer ausgesetzt sind und vom Konkurrenzkampf auf der Strasse merkt man hier nichts. Die Fahrer, die aus unterschiedlichen Ländern stammen und für verschieden Firmen tätig sind, sprechen miteinander und führen angeregte Diskussionen. Etwas, woran sich einige meiner Berufskollegen ein Vorbild nehmen könnten, denn nur weil der Chef meint, dass ein SBB-Lokführer nicht mit einem Kollegen der BLS reden darf, sollte man höflich sein. Wir alle sind schliesslich schon vor Jahren aus dem Kindergarten entlassen worden. Konkurrenz unter Unternehmen ja, aber innerhalb des Personals sehe ich nicht ein.

Ein Deutscher Fernfahrer, fragt mich nach ein paar Angaben zum Zug. So will er wissen, wie stark meine Loks sind. Meine Antwort überrascht ihn, denn mit 16'000 PS hat er wohl nicht gerechnet. Das ist einiges mehr, als alle Lastwagen auf dem Zug zusammen gerechnet. Ich erkläre ihm auch, dass der Zug über 600 Meter lang ist und wahrscheinlich fast 1'600 Tonnen schwer sei. Genauere Angaben könne ich nicht machen, da ich die Papiere noch nicht habe. Bei seiner letzten Frage will er noch wissen, wie weit ich fahren werde. Ich sage ihm, dass ich bis Erstfeld für den Zug verantwortlich sein werde, dann übernimmt ein Tessiner Kollege.

Die Fragerunde wird durch den Visiteur beendet, der mittlerweile wieder beim ersten Wagen angelangt ist. Ebenso bemerke ich, wie ein weiterer Mitarbeiter die Papiere zur Lok bringt und mich dort vermisst. Zusammen mit dem Visiteur gehe ich nach vorne. Die Belastungsanzeige ist klar und für einmal deutlich und gut leserlich geschrieben. Das Gewicht ist mit 1’443 Tonnen etwas leichter als meine Schätzung. Alles andere entspricht den Vorgaben und ist standardmässig.

Ich melde den beiden Rangierarbeitern meine Fahrbereitschaft und wünsche ihnen noch einen schönen Abend. Die Uhr am Funkgerät zeigt gerade 22.00 Uhr, als ich die Daten für ZUB 121 eintippe. Es dauert nicht lange, bis ich bemerke, dass vorne die Schranken geschlossen werden. Ein untrügliches Zeichen, dass gleich etwas Bewegung aufkommen wird. Am Ausfahrsignal leuchtet am Gleisnummernsignal die Ziffer 1 auf und kurz darauf geht das Signal auf Fahrt.

Mein Startsignal, dank der Ziffer 1 kann ich erkennen, dass das Signal für mich auf Fahrt gegangen ist. Mehr brauche ich nicht mehr, ich kann meinen Heimweg antreten. Die Lokomotiven beginnen mit der Arbeit, als ich den Fahrschalter in die entsprechende Stellung verbringe. Langsam beginnt sich der Zug zu bewegen. Ja, obwohl ich 16'000 PS habe, beschleunigt der Zug nur sehr schwer. Kommt noch hinzu, dass das Trassee schon bald nach dem Bahnhof zu steigen beginnt. Jetzt ist die volle Leistung gefragt.

Wieder nähere ich mich dem Bahnhof der Deutschen Bahn. Einzig das Signal ist ungewohnt, denn das Formvorsignal der DB und anschliessend das Flügelsignal sehen wir nur noch hier. Es sind für uns vom Depot Erstfeld die einzigen Signale dieser Bauart. Obwohl es altertümlich anmutende Signale sind, funktionieren sie im modernen Bahnbetrieb immer noch zuverlässig.

Die Durchfahrt durch den Deutschen Bahnhof ist für mich schon lange keine Spezialität mehr, dafür bin ich schon zu oft über diese Gleise gefahren. Auf dem Rhein schalte ich die Lok wieder aus um die Schutzstrecke zu passieren. Und als ob es geplant war, kommt mir wieder ein ICE entgegen. Alles gleich wie beim letzten Mal, nein, jetzt streben beide Züge wieder dem heimatlichen Stromnetz entgegen.

Gleich nach der letzten Weiche des Badischen Bahnhofes beginnen wieder die Schweizer Signale. Ab jetzt ist die Fahrt wieder ohne spezielle Kenntnisse möglich. Die Strecke der Verbindungsbahn lässt eine Geschwindigkeit von 60 km/h zu, doch ich darf erst beschleunigen, wenn auch der letzte Wagen die letzte Weiche befahren hat. Das dauert mit meinem Zug lange. Auch die Signale für den Rangierbahnhof Basel zeigen die erwünschten Signalbilder. Nur das letzte Signal des RB will nicht so recht, denn es zeigt immer noch Halt. Obwohl ich erst beim Vorsignal bin, kann ich das Hauptsignal in der Ferne schon erkennen.

Um die Geschwindigkeit von 60 km/h zu ermässigen, benutze ich hier die Druckluftbremsen der Wagen. So kann ich überprüfen wie diese wirken. Leicht ist das mit diesem Zug nicht, da die Wirkungsweise recht ungewohnt ist. Es dauert lange, bis die Bremsen ansprechen und haben sie das einmal getan, dauert es auch wieder lange, bis sie lose sind. Da muss man schon überlegen, was man macht. Exakt in dem Moment wo ich die Bremsung eingeleitet habe, wechselt das Signal auf Fahrt. Ich löse wieder. Die Bremsen der Wagen lösen allmählich wieder und ich muss noch etwas mit der elektrischen Bremse nachhelfen, damit ich die 40 km/h erreiche.

Ein kurzer Blick in den Fahrplan verrät mir, dass ich mit meinem Zug knapp 20 Minuten vorzeitig verkehre. Ich erwarte eigentlich eine ruhige Fahrt, denn viele Bahnhöfe gibt es nicht, auf denen ich Überholt werden kann. Die Fahrt führt von Pratteln aus Richtung Kaiseraugst. Bei der Durchfahrt in Kaiseraugst sehe ich, wie sich ein paar Sprayer an den Schrottfahrzeugen zu schaffen machen. Über Funk melde ich meine Beobachtung dem Bahnhof. Obwohl es sich um Schrottfahrzeuge handelt, werden sie gemeldet, denn es könnte ja sein, dass sie ihre angebliche Kunst auch auf anderen Bahnwagen anbringen.

Die Polizei wird sich um die Sprayer kümmern. Ich setze meine Fahrt fort. Bei der Annäherung auf Rheinfelden leuchtet schon von weit her sichtbar die Beleuchtung der dort ansässigen Brauerei. Ich kann mir keinen ausführlichen Blick darauf leisten, denn die Signale beanspruchen meine volle Konzentration. Bei der Durchfahrt durch den Bahnhof sehe ich, wie ein paar Reisende in Deckung gehen. Nein, es sind keine Verbrecher, sondern ganz normale Zugreisende, die sich so dem Luftzug entziehen, den meine Loks vor sich her schieben.

Nach der Station klappe ich die Rückspiegel der sich an der Spitze befindlichen Re 6/6 aus. Viel kann ich nicht erkennen, in den Abteilen der beiden Begleitwagen brennt zum Teil Licht. Sonst ist alles so, wie ich es erwartet habe einfach dunkel. Mittlerweile bin ich mit einer Geschwindigkeit von 95 km/h unterwegs und der Luftwiderstand zerrt recht kräftig an den Planen der Lastwagen. Die Strecke steigt hier zum Teil recht stark an.

Bei der Durchfahrt in Möhlin leuchtet plötzlich die gelbe Störungslampe des ZUB 121. Aha, ein Telegramm ist nicht auf die Lok übertragen worden, aber seit wann hat es hier eine ZUB-Überwachung. Da aber sonst nichts passiert, kann ich meine Fahrt unbehelligt fortsetzen. Einige hundert Meter später erlischt die Lampe wieder. Es war nur eine kurzfristige Störung. Ich muss mir nur einige Angaben, wie die Uhrzeit, merken, damit ich die notwendige Störungsanzeige an die Werkstatt schreiben kann.

Beim Spurwechsel Dossenboden befindet sich eine ZKE-Messanlage. Hier werden die stark beanspruchten Lager der Wagen und die Temperatur der Bremsen gemessen. Ich bin schon lange über die Anlage hinweg und die Station Stein-Säckingen hat sich noch nicht gemeldet. Das ist ein gutes Zeichen, dass die Lager in Ordnung sind. Auch eine fest sitzende Bremse gibt es nicht und ich kann meine Fahrt auch nach Stein-Säckingen unbehelligt fortsetzen.

Der Bahnhof Frick habe ich schon längst hinter mir, als mich Brugg am Funk aufruft. Der Fahrdienstleiter teilt mir mit, dass ein Gegenzug im Bahnhof Effingen eine verdächtige Person am Gleis gesehen habe. Ich könne die Geschwindigkeit drosseln, da ich vor dem Bahnhof zum stehen komme, denn der Bahnhof müsse zuerst von der Polizei kontrolliert werden, da es sich eventuell um einen Selbstmörder handeln könnte.

Ich schalte die Zugkraft ab, die Schwerkraft wird jetzt für die notwendige Bremsung sorgen. Wie angekündigt bleibt das Einfahrsignal von Effingen auf Halt. So komme ich mit meinem Zug zum stehen. Leicht wird es nicht, hier mit dem Zug wieder zu beschleunigen. Die Wartezeit nutze ich zum Ausfüllen des Störungsformulars für das ZUB 121. Nach etwa 10 Minuten geht das Signal auf Fahrt und gleichzeitig ruft mich erneut Brugg am Funk auf. Ich werde darüber verständigt, dass der Bahnhof durch die Polizei geräumt wurde und die Strecke wieder normal befahrbar sei.

Die Lokomotiven ziehen mit voller Zugkraft und der Zug beginnt sich langsam in Bewegung zu setzen. Ich habe etwa 30 km/h erreicht, als ich beim Bahnhofgebäude durchfahre. Ich sehe gerade noch, wie Polizisten eine Person in ihr Auto einsteigen lassen. Wieder mal Glück gehabt. Das im Bözbergtunnel beginnende Gefälle hilft mir bei der Beschleunigung. Mittlerweile habe ich die erlaubte Geschwindigkeit wieder erreicht. Bei der Durchfahrt auf der Verbindungslinie in Brugg stelle ich fest, dass ich immer noch 10 Minuten vor der fahrplanmässigen Zeit unterwegs bin.

Ein erneuter Blick in den Rückspiegel verrät mir, dass sich auch die letzten Fahrer hingelegt haben. Alle Abteile sind jetzt dunkel. Die Steigung vor Lupfig ist nicht hilfreich, die Loks haben wieder Mühe die höhere Geschwindigkeit zu erreichen.

Auch die Bahnhöfe Othmarsingen und Hendschiken kann ich mit der erlaubten Geschwindigkeit befahren. Nach Dottikon-Dintikon kommt eine erste Möglichkeit wo lange Gleise vorhanden sind und ich problemlos überholt werden kann. Die Signale dieser als Umspannanlage bezeichneten Gleisgruppe zeigen aber freie Fahrt.

Die Umspannanlage wurde eigentlich genau für solche Züge, wie ich einen am Haken habe gebaut. Hier sollten die beiden Flügelzüge aus Singen und Basel zu einem langen Zug vereinigt werden.

Von diesem Konzept wird aber bis Heute nicht gebrauch gemacht. Das einzige Zugpaar, mit einer überlangen Rola verkehrt zwischen Lugano Vedeggio und Basel Kleinhünigen Hafen. Den Zug in Richtung Süden habe ich am Haken.

Die neuen Signale im Bereich Wohlen – Muri zeigen an, dass es hier demnächst zu einem geänderten Betriebskonzept kommt. So wird die erwürdige Station Boswil-Bünzen zu einer Haltestelle und die ehemalige Haltestelle Waltenswil zu einem Bahnhof. Wichtigste Änderung ist aber die Einführung des Gleiswechselbetriebes. Die abgedeckten und als ungültig gekennzeichneten Signale beachten wir aber trotzdem. So können wir uns schon jetzt ein Bild davon machen, wo dereinst die Signale stehen werden.

Im Wald beginnt die Strecke zu fallen, jetzt geht es bis Sins nur noch hinunter. Eine willkommene Gelegenheit zu prüfen, ob die Bremsen am Zug noch funktionieren. Das machen sie und ich kann wieder lösen. Etwas gemütlicher als normal fahre ich das Gefälle hinunter, denn die Schwerkraft beschleunigt in dem etwas flacheren Abschnitt nicht so stark. Später muss ich dann mit der elektrischen Bremse den Zug zurückhalten, sonst fahre ich viel zu schnell durch den Bahnhof Sins.

Ein weiter Blick nach hinten zeigt mir, dass immer noch alle Fahrer schlafen und die Niederflurwagen mit den Lastwagen hinter mir her rollen. Ich nähere mich Rotkreuz, eine gute Gelegenheit zu schauen, wie ich zum Fahrplan stehe. Es sind im Moment wieder etwa 30 Minuten, die ich Vorsprung habe. Zum einen ist das eine schöne Sache, denn wer hätte nicht gerne eher Feierabend, doch mit meiner Länge passe ich kaum in den Bahnhof Erstfeld.

Soeben habe ich den Kilometer 0 der Gotthardbahn passiert und fahre in Richtung Arth-Goldau, als mich der Fahrdienst am Funk aufruft. Er teilt mir mit, dass ich in Brunnen warten werde, bis ich rechtzeitig bin, dass der Bahnhof Erstfeld keinen Platz habe. Wenig Freude an der Mitteilung habe ich schon, aber insgeheim habe ich dies auch erwartet.

Nach Arth-Goldau fällt die Strecke bis nach Schwyz stetig und ich muss keine Zugkraft aufbauen für die nächsten Kilometer. Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof schaue ich erneut meinen Zug an, die Lampen der Bahnhofsbeleuchtung lassen mich etwas mehr erkennen, als das in der dunklen Nacht der Fall ist. Vor der Einfahrt in Schwyz werde ich dann die andere Seite wieder anschauen, doch ein paar Kilometer wird das noch dauern.

Wie erwartet, kann ich auch in Schwyz keine Schäden feststellen und nachdem ich die Lokomotiven nach der Schutzstrecke wieder eingeschaltet habe, beginne ich die elektrische Bremse langsam aufzuschalten. Bis Brunnen ist es nicht mehr weit, und die Reduktion der Geschwindigkeit kann ich so zu einem grossen Teil ohne die Bremsbeläge der Wagen machen.

Wie erwartet, aber nicht erhofft, zeigt das Einfahrsignal von Brunnen eine reduzierte Geschwindigkeit an. Und trotz der Tatsache, dass ich schon länger elektrisch bremse, benötige ich zusätzlich noch die Druckluftbremse. Da ich aber jetzt etwas zu kräftig gebremst habe, fahre ich nur mit 40 statt 60 km/h über die Weichen. Na ja, die Chauffeure im Wagen werden so auch nicht so stark durchgeschüttelt. Zunehmend wird der Zug langsamer und ich muss zusehen, dass ich noch bis zum Signal komme.

Ah endlich, die Wagen haben soweit gelöst, dass der Zug nicht mehr verzögert. Mit 10 km/h fahre ich die letzten rund 100 Meter bis zum Signal. Schliesslich leite ich die Bremsung ein, die den Zug zum stehen bringen soll. Etwa eine Loklänge vor dem Signal komme ich zum stehen. Mit einem Blick in den Rückspiegel versuche ich zu erkennen, ob auch der letzte Wagen im Bahnhof ist.

Nun, da das Signal der Gegenrichtung Fahrt zeigt, muss dem so sein. 30 Minuten warten. Jetzt kann ich endlich meine Zeitschrift lesen. Ich beginne wieder mit dem lesen des Artikels. Ab und zu schnell ein Blick nach vorne um zu schauen, was das Signal zeigt und weiter geht es. Im Artikel über das Schlafverhalten von Schichtarbeitern kann ich zum Teil nur schwer die Überlegungen des Wissenschaftlers nachvollziehen. So schreibt er, dass es wichtig sei immer zu vordefinierten Zeiten ins Bett zu gehen. Schön, aber wie bewerkstellige ich das, wenn ich noch in Göschenen oder Flüelen stehe.

Der Rest des Heftes macht mich nicht an um gelesen zu werden. Ein Blick auf die Uhr und ich erkenne, dass die Fahrt in wenigen Minuten weitergehen sollte. Erstfeld hat wohl immer noch kein Platz, es sind schon 10 Minuten vergangen seit ich fahren sollte. Die Wartezeit in der Nacht ist immer gefährlich, plötzlich schlägt die Müdigkeit zu und man schläft in der herrschenden Ruhe ein.

Endlich, das Signal zeigt Fahrt und ich setze meine Fahrt mit einer Verspätung von 20 Minuten fort. Es dauert schier endlos lang, bis auch der letzte Wagen den Bahnhof verlassen hat. Die fast 700 Meter mit der Lok benötigen halt mehr Zeit als normale Güterzüge. Durch die Tunnel komme ich schliesslich nach Flüelen, wo die Signale freie Fahrt zeigen. Ich merke am erhöhten Fahrgeräusch, dass der Föhn immer noch kräftig bläst. Im Gegenwind fahre ich nun bis Erstfeld. Ja, die Lok wird durch den Wind kräftig geschüttelt. Die Kraft des Föhn ist enorm, wenn er mit einer 120 Tonnen schweren Lok so umgeht, als sei es ein Spielzeug.

Sogar das Einfahrsignal von Erstfeld zeigt Fahrt. Die Einfahrt erfolgt entweder in Gleis 1 oder 2, das kann ich anhand des Vorsignals noch nicht erkennen. Ich vermute aber, dass es in das Gleis 1 gehen wird. So oder so, eines der beiden Gleise muss ich mit meinem Zug benutzen, da alle anderen Gleise schlicht zu kurz sind. Jetzt, wo ich das Einfahrsignal erreicht habe, kann ich erkennen, dass es in Gleis 1 geht. Ja sogar das Gleisabschnittsignal auf der Ausfahrseite hat der Fahrdienstleiter geöffnet.

Mit Hilfe des Gefälles und der elektrischen Bremse der Lok gelingt es mir schon recht viel der Bewegungsenergie zu vernichten. Ich hoffe, nur wenig mit der Druckluftbremse zu bremsen. Am Gleisabschnittsignal, das den Fahrbegriff 6, kurze Fahrstrasse, zeigt, habe ich noch knapp 20 km/h. Es wird nicht lange dauern, bis ich informiert werde, dass mein Zugschlusssignal im Gleis ist. Ja, jetzt ruft mich die Station auf und teilt mir gleich mit, dass ich anhalten kann. Ich mache das, Antwort gebe ich keine am Funk.

Der Zug kommt schon fast beim Ausfahrsignal zum stehen. Ja, mit diesem Zug musste ich weit nach vorne Fahren. Ich räume meine Sachen zusammen und reinige mit einem Lappen die Griffstangen zum Führerstand. Mein Tessiner Kollege wird noch auf sich warten lassen, denn er hat mit Sicherheit nicht so weit südlich auf den Zug gewartet. Am Funk schalte ich den speziellen Kanal ein, der hier für die Schiebelokomotive bestimmt ist. Mit fast 1'500 Tonnen geht auch ein Zug der Rola nicht allein über den Gotthard. Ja, die Schiebelok bleibt sogar im Gefälle noch am Zug und läuft bis Lugano Vedeggio mit.

Endlich, der Kollege aus dem Tessin ist eingetroffen. Im selben Moment, als er die Lok besteigt, meldet sich die mittlerweile am Schluss angehängte Schiebelokomotive am Funk. Den Bremsbefehl quittiere ich noch und leite auch gleich die Bremsung ein, den Rest übernimmt dann mein Kollege aus dem Tessin. Ich verlasse die Lok mit den üblichen Worten zu Verabschiedung.

Der Weg zurück ins Depot ist lange, ich benötige dazu doch ein paar Minuten. Jetzt muss ich mich noch bei der Leitstelle melden und meine Verspätung angeben. Danach ist dann Feierabend, respektive Feiermorgen, denn Mitternacht liegt schon fast zwei Stunden hinter uns. Die letzte Tätigkeit ist das ausziehen der Warnweste. Ich verabschiede mich von den Kollegen und verstaue meine Mappe. Dank dem Föhn komme ich recht locker mit dem Paket in der Hand nach Hause. Wieder hatte ich verspätet Feierabend, aber was soll es, ich habe ja morgen frei. Nur die Eingabe der Störungsmeldung habe ich vergessen.

 

                       
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