Goldau – Offenburg (D) - Goldau

Nachdem ich 15 Wochen lang in der Ausbildung steckte, genoss ich meinen zweiwöchigen Urlaub umso mehr. Genug der Stunden, die mit lernen auf eine Prüfung verbracht wurden. Es folgt nun wieder eine Zeit, in der ich das machen kann, was ich gerne mache, Lokführer sein.

Schon oft genoss ich meinen Urlaub und ging danach zur Arbeit. Das kennen Sie ja sicherlich auch. Doch diesmal ist vieles anders, ja sogar ganz anders. Grund genug, dass ich mit dieser Tour ein paar Stunden eher beginne, und zwar am letzten Urlaubstag, der eigentlich keiner mehr ist, sondern ein normaler Freitag.

Gut ich muss gestehen, ich hätte es so oder so gemacht. Ein Lokführer kann nach dem Urlaub nicht einfach die ersten Arbeitsstunden mit dem ordnen der Unterlagen verbringen. Das müsste ich unmittelbar vor der Arbeit tun. Da ich aber Frühdienst habe, mache ich das jetzt. Denn ich stehe nicht gerne so früh auf, dass ich solche Arbeiten vor einem Frühdienst erledige.

Aber was ist denn anders? Ich mache immer noch meine Arbeit, arbeite in der gleichen Firma und im gleichen Beruf. Nur, ich arbeite an einem anderen Arbeitsplatz. Dieser liegt nun halt etwas weiter von meinem Wohnort entfernt, so dass ich mit dem Auto anreisen muss. Klar es gibt auch Tage, an denen ich mit dem Zug zur Arbeit kann, aber bei Leistungen, die nur knapp vor dem letzten Zug enden, geht das nicht mehr, schnell ist etwas passiert und man erkennt nur noch die Schlusslichter des letzten Zuges.

Ich wurde zu einem der vielen Pendler in der Schweiz. Die 15 Wochen Ausbildung vor meinem Urlaub dienten nur dazu, dass ich an meinem neuen Arbeitsort die Arbeit aufnehmen kann. Zwar ist dabei noch nicht alles erledigt, aber das Wichtigste ist gemacht, ich darf auch in Deutschland fahren und das nahezu ohne Einschränkungen.

Gut, das machte ich früher schon. Ab Erstfeld befuhr ich die Strecken nach dem badischen Bahnhof in Basel und eine Zeit lang auch jene nach Singen. Wobei jene nach Singen verschwunden war und eigentlich am jetzigen Arbeitsplatz gefahren würde. Nur den Zug gibt es nicht mehr. Begeistert war ich damals nicht, denn wer verliert schon gerne einen Teil seiner Arbeit.

Die Angst, dass man wegen seiner vorhandenen Spezialkenntnisse noch als Lückenbüsser verwendet wird, bringt einen dazu, Aussagen zu machen, die mittlerweile wieder überholt wurden. Singen ist wieder ein Thema, das gebe ich offen zu, denn selbst bei James Bond lernt man, dass man niemals nie sagt. Aber es ist fraglich, ob es den Zug jemals wieder geben wird, dann bleibt es dabei, die letzte Fahrt nach Singen fand schon vor vielen Jahren statt.

Mein Weg führt in mein ehemaliges Depot, also in jenes von Erstfeld. Ein paar Erinnerungen an die vergangenen 18 Jahre werden geweckt. Das Krokodil auf dem Sockel hat mich dabei immer begrüsst, aber auch es hat schon bessere Zeiten gesehen. Den traurigen Eindruck, den es hinterlässt, symbolisiert die Vergänglichkeit von allem, und sei es noch so berühmt, irgendwann ist man vergessen.

So kommen sie wieder hoch, die Tage, an denen ich voller Elan zur Arbeit ging und die letztlich im Chaos endeten. Aber auch jene Tage, an denen ich mit gemischten Gefühlen ging und die mich nachdenklich machten. Schliesslich hiess es damals, das Depot Erstfeld werde geschlossen. Noch war ich der Überzeugung, das Depot geht mit mir unter. Nun muss ich gestehen, ich kehrte dem Depot den Rücken, bevor es geschlossen wurde.

Leid tut es mir schon, denn 18 Jahre steckt man nicht so schnell weg. Man hat den Arbeitsplatz schätzen gelernt und nun plötzlich, ist man weg.

Ich tat es aus freien Stücken und manche meiner Kollegen werden mich nun als eine Art Landesverräter betrachten und mich nicht mehr grüssen. Aber, letztlich waren genau sie es, die mich dazu bewegten.

Die Stimmung war hier vergiftet, und so konnte ich einfach nicht mehr weiter arbeiten. Wer wird schon gerne mit dem Vorwurf konfrontiert, dass man seinen Gesprächspartner umbringen will, oder dass man für die Krise in seiner Ehe verantwortlich sei.

Ich musste eine befriedigende Lösung finden. Lösungen gab es viele, ich entschied mich für den Standort Arth-Goldau. Ob es eine gute Idee war, werden erst die kommenden Jahre zeigen.

Noch muss ich nicht zur Arbeit, da aber meine LEA schon seit Monaten keine neuen Daten empfangen hat, muss ich die Datenbank mit dem Fahrplan neu laden und das braucht nun mal mehr Zeit als ein normales Update. Bei so vielen Daten, wäre das normale Update überfordert und das Programm würde fehlerhaft beendet, was dann unweigerlich dazu führt, dass die Datenbank neu geladen werden muss. So mache ich das halt gleich, ich kann so Zeit sparen.

Auch die LEA hat schon viele Jahre lang ihren Dienst erbracht. Grosse Probleme gab es bisher nicht, so dass das Gerät einwandfrei funktionierte und ein grosser Erfolg wurde. Missen möchte man dieses Hilfsmittel nicht mehr. Bereits wurde ein Aushang angeschlagen, der vom Nachfolgemodell berichtet. Sie ist im kommen, die LEA II. Vorerst aber nur für die Kollegen des Personenverkehrs.

SBB Cargo ist sich der Sache anscheinend nicht mehr so sicher, man munkelt bereits, dass man zu den alten Papierfahrplänen zurück möchte. Ob das wirklich so kommt ist fraglich, der Systemunterhalt für die LEA II wird wegen den Geräten für SBB Cargo nicht mehr so viel teurer, da er ja schon für die Geräte vom Personenverkehr aufgebaut wurde. Andererseits, die Papierfahrpläne sind ja auch nicht gratis und das Lokomotivpersonal benötigt sehr viel Zeit um diese nachführen zu können. Zeit, die der Arbeitgeber bezahlen muss und während der der Lokführer nicht fährt.

Noch habe ich meinen Kasten hier in Erstfeld, den ich auch wieder besuchen muss. Auch hier schlagen meine Worte zurück, denn mein Kastennachbar, der wie ich ab jetzt, zu 50% noch hier in Erstfeld arbeitet, hatte immer wieder viel Papier auf dem Kasten. So viel, dass es kaum Platz gab für meine Unterlagen. Jetzt sind beide so, das heisst, ich muss ab und zu etwas abräumen, sonst kommen die Kommentare dann schon.

Viel Papier hat sich in den vergangenen Wochen angesammelt, ich muss zuerst etwas Ordnung in die Papierflut bringen. Neu hinzugekommen sind auch die Unterlagen für Deutschland. Auch dort erlässt das Unternehmen immer wieder neue Regelungen und Weisungen, die eingehalten werden müssen. Viele davon haben wir während der Ausbildung erhalten, jetzt kommen nur noch die Ergänzungen.

Zeit habe ich ja, denn meine LEA wird gut 30 Minuten am Daten laden sein. In dieser Zeit wird das wichtigste Material gelesen, unwichtiges weggeworfen und wieder anderes weggelegt. Auch einen Blick ins Piper, dem Einteilungsprogramm, kann ich in dieser Zeit machen. Im ganzen Stapel fällt mir ein dicker Bund Papier auf. Oh, nach mehreren Jahren bekommen wir wieder ein neues RADN. Ganz schön, so muss ich die neuen Strecken nicht mühsam nachführen, sondern habe gleich aktuelle Blätter, die ich benutzen kann.

Ich erkenne im Programm mit der Einteilung, dass ich in den nächsten Wochen zu einem grossen Teil die neu kennen gelernten Strecken befahren werde. Das gehört dazu, denn nach einer Schulung sollen die Erfahrungen alleine gesammelt werden. Man kennt zwar alles, hat die erforderlichen Prüfungen hinter sich gebracht, aber alleine gefahren ist man noch nie.

Es ist so ähnlich, wie bei Ihnen nach der Autoprüfung. Sie durften zwar einen Wagen bedienen, jetzt mussten Sie aber erlernen damit umzugehen. Wenn Sie das nie lernten, klebten Sie vermutlich schon mal an einem Baum und der Richter meinte nicht beherrschen des Fahrzeugs. Ein Lokführer muss das mit neuen Strecken auch so machen. Dazu bleibt ihm ein halbes Jahr Zeit. Ähnliches gilt natürlich für die neuen Vorschriften, die jetzt umgesetzt werden müssen.

Im Hinterkopf fuhr immer der Gedanke mit, dass ja noch einer da ist, der zusieht und auch helfend eingreifen kann. Zudem waren wir zu zweit unterwegs, ein Kollege, der wie ich die Ausbildung machte und nun mein Wechselpartner ist. Jetzt aber trage ich vollumfänglich die Verantwortung. Niemand mehr, der hilft, ich muss jede Entscheidung alleine fällen.

In der Ausbildung konnte man so viel besprechen. Einmal fuhr er, dann wieder ich und so lernte jeder vom anderen immer wieder etwas dazu. Probleme bekundeten wir immer wieder mit der PZB. Zumindest dann, wenn nicht nach der LZB gefahren wurde. Waren wir uns von der Schweiz gewohnt, dass eine Warnung ertönt, bleibt die PZB ruhig und plötzlich kommt die Bremsung. Nur weil man gewartet hat, bis die Warnung kommt, die aber in Deutschland fehlt.

Auch mit den Bremskurven kämpfte man immer wieder, aber so lange man vor den roten Signalen anhalten konnte, war das kein allzu grosses Problem. Gut, der Stolz litt etwas darunter, aber das war es auch schon. Nicht, dass Bremskurven für uns absolutes Neuland waren, denn die kennen wir in der Schweiz auch, nur wie sich diese genau aufbauen, interessiert in der Schweiz nun keinen Lokführer. In Deutschland ist das leicht anders. Dafür reichen dort die Bremskurven nicht bis zum Halt, was für uns auch wieder neu war.

Die Daten sind geladen, ich kann meine Sachen wieder packen und nach Hause gehen. Dort müssen dann noch die letzten Änderungen in den Unterlagen nachgeführt werden, damit ich morgen startbereit bin. Startbereit für die Fahrt in eine ungewisse Zukunft mit zwei Bahnsystemen im Kopf, die in vielen Punkten unterschiedlicher nicht sein können. Doch zuvor werden noch ein paar Stunden Schlaf nötig sein.

 

Die erste Tour

Es waren drei Tage Schlaf, ohne dass ich mein neu erlerntes Wissen anwenden konnte. Doch mit dem nun klingelnden Wecker ist alles anders. Ich erwache und blicke auf die Uhr. Es ist gerade Mitternacht durch. Genau steht auf der digitalen Anzeige 00:50. Mühsam entsteige ich dem Bett, denn ich war noch im Tiefschlaf. Im Gegensatz zu früher habe ich Heute nicht so viel Zeit um wach zu werden, denn schon in einer Viertelstunde sitze ich im Auto.

15 Minuten reichen jedoch für einen Kaffee. Daran hat sich nichts geändert, am frühen Morgen geht bei mir ohne Kaffee nicht sehr viel. Ein kühler Lappen vertreibt noch die letzten Reste von Schlaftrunkenheit. Frisch eingekleidet lasse ich meinen Kaffee in die Tasse fliessen. Danach wird es dann schon bald hektisch, denn die Zeit um noch schnell im Internet zu stöbern fehlt. Das ist die Schattenseite des neuen Standortes, ich habe einen längeren Arbeitsweg. Klar, ich könnte früher aus dem Bett steigen, aber wer steht schon freiwillig früher als nötig auf?

Bevor ich das Haus verlasse, kontrolliere ich, ob ich auch alles eingepackt habe. Führerscheine, Agenda, Telefon, Brieftasche und die Autoschlüssel sind da. Nur die Taschenlampe fehlt noch. Diese ist schnell eingesteckt und es kann losgehen. Beim verlassen der Haustüre bemerke ich, dass die Nächte im Mai noch empfindlich kühl sein können. Da aber ein schöner Tag angekündigt wurde, habe ich auf eine Jacke verzichtet.

Vor dem Wechsel hätte ich mir das anders überlegt. Da mein Weg jetzt nur bis zur Garage führt, kann ich auf eine Jacke verzichten. Ich muss heute seit mehr als 18 Jahren wieder zum ersten Mal mit dem Auto zur Arbeit fahren. Um diese Zeit fährt kein Reisezug und so bleibt mir nichts anderes übrig. Klar, ich hätte ja in Arth-Goldau übernachten können, aber im eigenen Bett schläft man immer noch am besten.

Die Fahrt mit dem Auto über die leeren dunklen Strassen ist ungewohnt, aber um diese Zeit keine Überraschung. Ab und zu begegnet mir ein Wagen und einer davon ist von der Polizei, auch die fahren jetzt mit dem Auto durch die Dörfer, sehen nach dem rechten, während die Leute in Ruhe schlafen. In Ruhe schlafen können Sie, weil sie wissen, dass es Personen gibt, die in der Nacht für sie Wache halten.

Es dauerte schon knapp 30 Minuten bis ich in Arth-Goldau angekommen bin. Nun, eigentlich stimmt das so nicht, denn ich bin in Goldau angekommen, Arth-Goldau heisst nur der Bahnhof. Da ich aber dort angekommen bin, bin ich in Arth-Goldau. Einen Parkplatz finde ich schnell, denn um diese Zeit sind noch nicht viele Autos hier und wir haben unsere Dienstparkplätze, die nur mit spezieller Parkkarte benutzt werden dürfen.

Bevor ich den Wagen verschliesse, entnehme ich dem Kofferraum noch meine Arbeitsmappe. Das ist einer der Nachteile an meiner Abmachung mit dem Unternehmen, ich muss die Mappe immer von Arth-Goldau mit nach Hause nehmen, denn es könnte ja sein, dass ich kurzfristig am folgenden Tag in Erstfeld beginnen muss. Diesmal spielt es keine grosse Rolle, denn im Auto ist die Mappe ja fast gratis mitgefahren.

Noch habe ich etwa 15 Minuten bis ich beginnen muss, denn man kann ja nicht zu genau anreisen, schliesslich passiert auf den Strassen immer wieder etwas. Gerade zwischen Erstfeld und Goldau ist das zudem schnell ein Problem, denn wenn die Strasse dem Axen entlang gesperrt ist, reicht die Zeit über Luzern kaum um rechtzeitig anzukommen. Gut, ich gehe nun mal davon aus, dass sich das Unternehmen dieser Tatsache bewusst war, als es beschloss das Personal von Erstfeld nach Arth-Goldau zu verschieben. Es gibt nun mal einfach nur eine einzige direkte Strasse.

Früher war das undenkbar, da forderte man von den SBB-Beamten, dass sie so nahe wie möglich beim Arbeitsort wohnten. So nah wie möglich hiess in Erstfeld auch Erstfeld. Wer in Schattdorf wohnen wollte, benötigte schon eine spezielle Bewilligung. Am liebsten hätten sie es gehabt, wenn man gleich direkt im Depot gewohnt hätte, denn dann hätte man den Mitarbeiter zu jeder Tages und Nachtzeit in den Dienst rufen können. Heute ist das anders, denn die Firma schliesst Standorte und baut neue Arbeitsorte auf. Müssten die Mitarbeiter das mitmachen, müsste immer umgezogen werden.

Eigene Häuser müssten sich Bahnangestellte dann nicht mehr kaufen, denn man weiss ja nie, ob man nicht in zwei Jahren an einem anderen Teil des Landes eingesetzt würde. So sind dem Unternehmen wenigstens durch die Grundrechte noch ein wenig die Schranken gesetzt. Wobei ich befürchte, dass es bei den SBB Leute gibt, die das nicht sonderlich interessiert. Wie hiess es noch vor Jahren: „Wir haben Krieg, und unser strategischer Entscheid hat zur Verlegung nach Arth-Goldau geführt.“ Nein, in der Armee und im Krieg war ich damals nicht, aber so kam ich mir vor.

 

Vor dem Start

Mit dem Automatenkaffee in der Hand schaue ich mal nach, wo mein zugeteilter Zug gerade fährt. Ich sehe, dass er gut 20 Minuten angeschlagen ist. 20 Minuten, die könnten Heute bereits zum Problem werden, denn meine Tour ist lange, sehr lange und nur kleine Verspätungen können vieles, was geplant war, zu nichte machen. Gut, in der Fahrzeit sind immer ein paar Reserven eingebaut, aber wenn dann gebaut wird, ist das schon etwas anderes.

So kommt man dann schnell in den Zwiespalt. Denn was will man machen, das Gesetz schreibt einem vor, dass man nach 10 Stunden Arbeit aufhören muss, aber der Chef verlangt, dass man den Zug ans Ziel bringt. Irgendwann passt das dann nicht mehr und der Mitarbeiter sieht sich dann plötzlich zwischen Gesetz und Chef. Beide drohen mit Sanktionen, wenn man den Anweisungen nicht Folge leistet und letztlich will man ja nur gesund nach Hause kommen.

Am besten erkundige ich mich mal bei der Leitstelle. Zwar arbeite ich wieder am gleichen Ort, wie die Leitstelle, aber den direkten Blickkontakt gibt es nicht mehr. Da auch die Räumlichkeiten oft leer sind, trifft man hier kaum eine Person. Das Telefon wird abgenommen, ich melde mich mit meinem Namen, dem Depot und der Tour. Beinahe wäre mir Erstfeld herausgerutscht, aber 18 Jahre war es so, und jetzt muss man umdenken und das auch nicht jeden Tag.

Ich habe mir angewöhnt, in Zukunft nicht mehr meinen Standort zu melden, sondern ich sage, welche Tour von welchem Depot ich habe. Das klappt recht gut und so ruft nun halt der Bruno, der die Tour 518 von Goldau fährt, an. So ist auch dem Mitarbeiter auf der Leitstelle geholfen, denn dort sind die Unterlagen nach Tour und Depot geordnet und nicht nach Mitarbeiter.

Bis jetzt sei die Tour noch normal erfahre ich am Telefon. Na ja, wir werden es ja sehen, bei einem so langen Tag kann vieles schief laufen. Klar, auch ich weiss, dass eine knappe halbe Stunde in der Nacht schnell aufgeholt werden kann. Aber seit der Schnee verschwunden ist, die Tage wieder länger sind, kommen sie aus dem Boden. Nicht die Pilze, sondern die Baustellen an den Strecken. Ein oder zwei Einspurabschnitte und schon ist aus einer halben Stunde eine Stunde oder mehr geworden.

Die Wartezeit überbrücke ich nicht mit einem Kaffee, denn der Kollege, der mir die Lok an den Zug stellen sollte, steht mittlerweile neben mir. Er hat in wenigen Minuten Feierabend. Nur, damit ich noch einen Kaffee trinken kann, braucht er nicht länger zu arbeiten. Von mir aus könne er nach Hause ins Bett gehen, ich nehme die Lokomotive selber im Abstellgeleise.

Er habe es schon abgeklärt, ich solle die letzte Re 482, die hier steht übernehmen. Die Nummer habe er schon gemeldet und die Lok stehe fahrbereit im Abstellgeleise, soweit habe er alles schon vorbereitet. Ich könne nur noch aufsteigen und losfahren. Ich bedanke mich beim Kollegen schnappe mir im Kasten noch eine aktuelle LA, die ich beinahe vergessen hätte, und dann geht es los.

 

Die Lok ohne Zug

Mustergültig hat mein Kollege alle Arbeiten an der Lokomotive erledigt. Selbst den Test der PZB/LZB hat er bereits durchgeführt. Um diesen Test zu machen, muss die Lok im DB-Modus in Betrieb genommen werden. Dabei geht natürlich der breitere Stromabnehmer hoch. Fahren darf man damit hier in Arth-Goldau nicht, aber überall im Stillstand den Bügel an die Fahrleitung anlegen. So können die Deutschen Sicherheitseinrichtungen auch hier mitten in der Schweiz geprüft werden.

Ich melde am Funk meine Bereitschaft. Weit vorne zeigt das Zwergsignal bereits Fahrt, ich kann meine Lok in Bewegung setzen. Zwischen den beiden Rampen hindurch nähere ich mich dem Zwergsignal und setze die Fahrt sofort fort. Gegen den Berg wird es gehen. So nennt man hier das Ausziehgleis, obwohl es hier keinen Ablaufberg gegeben hat.

Da ich mich nun am südlichen Ende des Bahnhofes befinde, muss ich die Fahrrichtung wechseln. Als ich die andere Seite der Lok erreiche, bemerke ich, dass das Zwergsignal vor mir bereits Fahrt zeigt.

Ich kann, sobald ich bereit bin, mit der Lok ans andere Ende des Bahnhofes fahren. Nach ein paar Routinekontrollen beginne ich meine Fahrt zum anderen Ende.

Mein Weg führt unter dem Hochperron der Arth-Rigi-Bahn hindurch zu einem Gleis, wo ich dann auf die Ankunft des Zuges warte. Ach ja, wie oft hatten wir bei der Ausbildung gemeint, dass wir wohl besser zur Rigibahn wechseln sollten.

Vor allem dann, wenn wir etwas nicht kapieren wollten und es uns der Lehrer zum dritten Mal erklärt hatte. Jetzt, nachdem die Prüfungen bestanden wurden, kann man darüber nur noch lachen, aber reizvoll wäre die Bahn schon. Zumindest als Abwechslung an einem Sonntag einen Dienst für die Rigibahn, warum nicht?

Nur kurz muss ich warten, bis ich die drei weissen Lichter in der Ferne sehe. Aha, er kommt, der Zug, den ich nun übernehmen werde.

Nach dem Halt des Zuges sehe ich im fahlen Licht, wie der Kollege absteigt, die Papiere in der Hand hält und wie er abhängen geht.

Danach kommt er ohne die Papiere zurück, setzt sich wieder in die Lok und fährt in meine Richtung. Genauer fährt er in das Gleis neben mir.

Nun ist es bei mir, an den Zug zu fahren. Die Lok setzt sich nachdem ich ihr das Kommando dazu gegeben habe in Bewegung. Vor dem Zug bremse ich ab, denn anfahren sollte ich nur mit kleinen Geschwindigkeiten.

Schon bei 5 km/h können Schäden an der Lok entstehen, dass will ich natürlich vermeiden. Im Gegensatz zu früheren Jahren, fahren wir heute direkt an den Wagen an. Das kommt davon, dass wir immer öfters selber kuppeln müssen, so auch hier in Arth-Goldau.

Ich packe alle Utensilien, die ich dazu benötige. Helm, Handschuhe und Überkleid gehören dazu. Die Kupplung ist nicht leicht, aber mit etwas Schwung fällt sie in den Haken der Lokomotive. Wir hängen normalerweise immer die Kupplung des ersten Wagens ein, damit bei einer Zugtrennung die Kupplung der Lok noch ganz bleibt. Ein Wagen weniger ist nicht so schlimm, als wenn die Lok ausfällt, denn dann bleibt der ganze Zug stehen.

Beim Weg zu meinem Arbeitsplatz kontrolliere ich die Papiere. Den Bund mit den Schriften lasse ich dabei unbeachtet, vielmehr geht es um den Bremszettel. Was früher Beilage 9 oder Meldung an den Lokführer genannt wurde, heisst nun internationaler Bremszettel oder kurz IBZ. Dieser IBZ ist insofern wichtig, dass ich jetzt schon die Zugdaten für Deutschland kenne und so in Basel nicht noch den Papieren für Deutschland hinterher rennen muss.

Es ist alles dort, wo es sein sollte. Ich fülle die Bremsleitung des Zuges. Neben meiner Lok hält der Kollege, der den Zug gebracht hat. Er meint, dass alles in Ordnung gewesen sei. Damit ich schneller wegkomme, werde er mir bei der Bremsprobe schnell helfen. Ich bedanke mich, denn das ist nicht selbstverständlich, sein Feierabend verzögert sich so, aber ich komme dadurch gut 2 – 3 Minuten früher aus dem Bahnhof. Die Stimmung beim Personal ist hier wirklich viel besser.

 

Arth-Goldau – Basel Rangierbahnhof Gruppe G

Die ersten Abschnitte der Strecke kenne ich nach all den Jahren auswendig. Da bräuchte ich nicht mal mehr Fahrplanunterlagen. Da ich mein Zug wegen der Zugreihe D nur auf 80 km/h beschleunigen darf, kann ich ohne Probleme die Punkte aufzählen, wo ich langsamer sein werde. Mehr interessiere ich mich für die aktuelle Verspätung. Dabei hilft mir die LEA. Es sind noch 15 Minuten. Bis Basel hole ich wohl kaum etwas auf, dazu ist die Geschwindigkeit zu tief.

Kurz nach dem Bahnhof Arth-Goldau überprüfe ich die Funktion der Bremse. Die Bremsprobe hatten wir zwar korrekt erledigt, aber wie der Zug genau bremst, weiss ich erst, wenn ich eine Bremsung einleite. Die Erfahrung hilft mir dabei zu erkennen, ob er nun gut oder schlecht reagiert. Da ich fast den Kopf an der Scheibe anstosse, weiss ich, der Zug bremst gut, ja sogar sehr gut. Es hätte auch anders sein können und dann wäre ich nicht mehr so zu frieden gewesen.

Die Strecke der Rigi entlang ist mit vielen Kurven versehen, deshalb erreiche ich die Höchstgeschwindigkeit meines Zuges noch nicht. Jetzt mitten in der Nacht ist kaum etwas von der Landschaft zu erkennen. Die Scheinwerfer meiner Lok sorgen dafür, dass ich gute Sicht auf die Schienen habe. Man hofft insgeheim, dass im Lichtkegel nichts auftaucht und man seine Fahrt ohne Kollision fortführen kann.

Nun, ich habe Immensee gerade verlassen, als ich im Lichtkegel einen Gegenstand erkenne. Es ist nichts Grosses, trotzdem etwas Komisches liegt im Gleis. In der kurzen Zeit, die ich zum reagieren hatte, erkenne ich, dass es ein Ball ist. Scheinbar ist er den Kindern des nahen Bauernhofes entwischt und auf dem Gleis gelandet. Gut von den Kindern, dass sie ihn nicht versuchten zu holen, schnell hätte das tödlich enden können.

Ich kann meine Fahrt ungehindert fortsetzen, denn mit einem Fussball wird eine 84 Tonnen schwere Lok noch fertig werden. Es rumpelt nicht einmal, als der Ball unter meiner Lok verschwindet. Meine Aufmerksamkeit gilt aber sofort wieder dem Tachograph, zeigt dieser doch 80 km/h an. Schneller darf der Zug nicht werden, die Strecke fällt und ich bin noch nicht am bremsen. Ich hätte mich ohrfeigen können, der Ball lenkte mich so stark ab, dass ich doch den Blick auf den Tacho vergass.

Mit der elektrischen Bremse gelingt es mir den Zug abzufangen. Die Geschwindigkeit stieg kurz auf 82 km/h. Eine kurze Ablenkung und schon passiert einem so ein Missgeschick. Gut, gefährlich wurde es noch nicht, denn die Strecke hier erlaubt 90 km/h und die Wagen dürften so oder so mit 100 km/h verkehren. Einzig die Vorschriften habe ich verletzt. Nun habe ich den Zug jedoch wieder im Griff und die Geschwindigkeit stimmt auch wieder.

Um es gleich zu sagen, die Fahrt über Rotkreuz und Muri nach Hendschiken verlief friedlich. Keine Gegenstände im Gleis und keine Halt zeigenden Signale hinderten mich an der Fahrt. Eine normale Fahrt in der Nacht. Es wird Zeit, dass ich nach dem Fahrplan sehe. Wie liege ich in der Zeit. Ein paar Minuten konnte ich einholen, es sind noch etwas mehr als 10 Minuten übrig geblieben.

So lange die Signale grün leuchten, kann man immer ein paar Minuten einholen. Wenn es dann jedoch andere Farben sind, kann es schon wieder anders aussehen. Zum Glück änderten sich die Farben bis Frick nicht.

Aber hier ist die Einfahrt geschlossen, ich muss abbremsen. Auf der Talfahrt benötigt man etwas stärkere Brems-kraft um zu verzögern. Gerade so viel, dass sicher vor dem roten Signal angehalten werden kann und die Räder nicht blockieren. Nur, dazu sollte es ja rot sein, das ist es jedoch nicht mehr, denn es erlaubt die Fahrt mit 60 km/h. 

Da mir soeben ein Zug entgegen kam, vermute ich, dass ich eine Kreuzung hatte. Das kann ich so vermuten, da mein Zug mit 80 km/h in der Nacht so ziemlich der langsamste sein wird.

Die Weichen geben dann die Bestätigung, ich wechsle auf das rechte Gleis. Es wird hier an der Strecke gebaut. So gut passt man selten rein und die Verzögerung hat nur 1 oder 2 Minuten gekostet.

Die aufgestellten Scheinwerfer blenden mich. Gerade solche Situationen sind bei den Lokführern unbeliebt. Wir können kaum erkennen, ob ein Arbeiter gefährlich nahe am Gleis ist, oder ob eine Baumaschine mein Profil verletzt. Klar, die Arbeiter brauchen Licht, aber wir sehen das mit unseren an die Dunkelheit gewöhnten Augen natürlich ganz anders.

Mittlerweile habe ich wieder das linke Gleis unter meinen Rädern. Vor wenigen Augenblicken hatte ich die dazu notwendigen Weichen passiert. Dank den schlanken Weichen musste ich nicht einmal abbremsen. Die Fahrt führt durch Stein-Säckingen. Zeit, mich auf die Fahrt durch Deutschland vorzubereiten. Hier ist ein guter Zeitpunkt um sich die notwendigen Fahrplandaten zu laden. Funktioniert hat es in der Ausbildung jedoch nie, aber die erfahrenen Kollegen versicherten mir, dass es klappt.

Ich starte Ebula, die Deutsche Version der LEA. Kurz nach dem Start gebe ich in der erschienen Eingabemaske die Zugnummer ein. Natürlich darf ich dabei den Blick auf die Strecke nicht vergessen, da die Signale aber grün sind und bleiben, geht das. Ein Druck auf die Taste E, die für Enter steht und schon beginnt der Download.

Die Kollegen hatten Recht, die notwendigen Daten werden geladen und nach kurzer Zeit kann ich die Fahrplandaten erkennen. Ich habe die letzten noch fehlenden Unterlagen für Deutschland erhalten. Ich denke mir, dass das ja schon sehr gut beginnt, denn bisher klappte es ja nie so richtig. Jetzt aber, wo ich alleine bin, ist alles so wie es berichtet wurde.

Auch die Signale erlauben mir eine ungehinderte Fahrt nach Basel. Im dortigen Rangierbahnhof komme ich in der Gruppe G zu stehen. Das Signal vor mir zeigt Halt. Es wird Zeit, sich von den Schweizer Vorschriften teilweise zu verabschieden. Die Lok auf jeden Fall wird nun Deutsch. Die Zeit, die dazu benötigt wird, ist im Fahrplan eingebaut. Abfahren muss ich erst in 10 Minuten.

 

Systemwechsel der Re 482

Der Systemwechsel ist nicht so einfach, wie es sich die Konstrukteure der Lok vorgestellt hatten. Zwar klappt es auf der Lok sehr schnell. Hauptschalter ausschalten, Stromabnehmer senken und dann auf dem Bildschirm den DB-Modus wählen. Die Lok kann nun eingeschaltet werden. Bevor ich das aber tue, begebe ich mich in den Maschinenraum. Dort stelle ich den Stromabnehmer um. In Deutschland muss ich den vorderen Stromabnehmer wählen, da hinter der Lok ein Wagen mit einem Tankcontainer folgt.

Im hinteren Führerstand schliesse ich die Türen ab und lösche das Rücklicht. Dieses wird nur in der Schweiz benötigt und muss deshalb jetzt gelöscht werden. Wieder zurück im Maschinenraum schalte ich, indem ich den dazu gehörenden Störschalter betätige, ZUB 121 aus. Anscheinend stört das schweizerische ZUB 121 in Deutschland einige Anlagen, deshalb müssen wir es ausschalten.

Vorne im Führerstand kann ich die Lok wieder einschalten. Die Störmeldung wegen dem ZUB 121 bestätige ich noch. Danach gebe ich die Daten für die PZB und für die LZB ein.

Die notwendigen Angaben muss ich im Menü noch aussuchen, denn ich kenne die Einstellwerte noch nicht auswendig.  Die Bremsen des Zuges erlauben es mir nach der mittleren Zugart zu fahren. In Gedanken rufe ich mir die dazu gehörende Bremskurve auf.

Auf unter 70 innerhalb von 29 Sekunden, dann folgen 50 beim Magneten mit 500 Hertz Frequenz. Nur kurze Zeit später muss ich dann 35 km/h erreicht haben.

Gut, dass man diese Werte kennt, wenn man aber auf ein rotes Signal abbremsen muss, sollten diese Werte nicht zum Problem werden. Denn mit einem Güterzug mit 35 km/h knapp 100 Meter vor dem Signal abbremsen reicht nicht mehr zum Halt vor dem Signal.

Alle Daten sind eingegeben und geprüft, es steht eigentlich einer Abfahrt nichts mehr im Weg. Ich verlasse die Lok und begebe mich an einen orangen Kasten. Dort öffne ich den Deckel und drücke die Taste „Zug Fahrbereit“. Ich gehe wieder in die Lok, denn jetzt kann das Signal jederzeit wieder auf Fahrt wechseln. Ein Blick in die LEA genügt und ich erkenne, dass ich pünktlich fahren kann. Die LEA benötige ich noch bis in den Bahnhof Basel Badisch, genauer bis zur Rheinbrücke.

 

Die Fahrt im Modus DB

Das Signal vor mir geht auf Fahrt, ich kann meine Fahrt pünktlich fortsetzen. So vertraut die Signale noch sind, so neu ist das blinken der Leuchtmelder. Ja, bei uns in der Schweiz nennt man sie einfach Meldelampen, aber in Deutschland ist alles ein wenig anders und so sind es nun Leuchtmelder. Das blinken signalisiert, dass das Startprogramm wirksam ist. Weiter ist das nicht tragisch, da ja das Signal vor mir Fahrt zeigt und ich die mit dem Startprogramm verbundene Beschränkung nie erreiche.

Beim nächsten Signal ist noch der Fahrbegriff 6 zu sehen. Hier beginnt er nun, der grosse Unterschied. Während ich im Schweizer Modus auf das ertönen der Zugsicherung gewartet hätte, ziehe ich die Bestätigung hier, obwohl ich noch nicht sicher weiss, ob die PZB anspricht oder nicht. Eine Handlung, die vom Chef in der Schweiz gar nicht gern gesehen wird, in Deutschland aber wichtig ist, sonst komme ich nicht weit.

Zum stehen kam ich nicht, aber die Fahrt verlangsamte es schon. Die hier sanierte Brücke besitzt nur ein Gleis, ein Engpass im sonst schon gefürchteten Flaschenhals. Wie vorhin ziehe ich die PZB beim Vorsignal für die Langsamfahrstelle, das könnte ansprechen. Gut in Deutschland spricht es an, aber hier bei den SBB-Signalen ist das nicht immer sicher. Vorsorge ist aber die Mutter der Porzelankiste, und so wird gezogen einfach mal zur Sicherheit.

Die Brücke über der Rhein ist der Zeitpunkt, wo das Funksystem auf Deutschland umgeschaltet wird. Eine gute Zeit, denn hier kann ich als Lokführer nicht viel machen, der Zug rollt und es gibt kein Signal. Doch, ein Signal gibt es, das Signal für die Fahrleitungsschutzstrecke, es ist das letzte SBB-Signal für längere Zeit. Ab nun ist alles auf Deutschland umgestellt, die Lok, der Funk und nicht zuletzt der Lokführer, der nun ein Triebfahrzeugführer ist.

Die Durchfahrt durch Basel Badischer Bahnhof verläuft ohne Probleme, die Tafel mit der Aufschrift LZB habe ich auch schon passiert, jetzt sind die Signale grün und auch die PZB benötigt keine Handlung. Bevor ich aber beschleunigen darf, muss ich mich um den anschliessenden Weichenbereich kümmern. Der Weichenbereich ist die Deutsche Antwort auf unsere Geschwindigkeitsschwellen. Wobei letztere viel feiner abgestuft werden und schon manchen Lokführer in Ausbildung an den Rand der Verzweiflung gebracht haben.

So verschwindet auch einmal die Begrenzung auf 60 km/h. Eine Geschwindigkeit, die vor einem Jahr hier noch normal war und jetzt plötzlich Langsamfahrt heisst. Ich nähere mich den Stahlfachwerkbrücke und den Vorsignalen zur Einfahrt von Weil am Rhein. Auf dem Display meiner Lok erkenne ich aber, dass das Vorsignal soeben nicht mehr existiert, denn ich wurde in die LZB aufgenommen.

Mit der LZB geht vieles einfacher, ich muss mich nicht mehr um die Bremskurven der PZB kümmern und zudem keine Tasten mehr bedienen, es sei denn es tritt eine Störung auf. Die Anzeigen der LZB werden Führungsgrössen genannt und zeigen mir an, welche Geschwindigkeit erlaubt ist, welche ich zu erwarten habe und in welcher Distanz diese zu erwarten ist.

Klar, man verwendet andere Begriffe, aber letztlich bedeutet es genau das. Daran wird sich in den nächsten Minuten hoffentlich nicht mehr viel ändern. Stationen oder Hauptsignale gibt es nicht mehr. Ja es geht sogar so weit, dass es kein Einfahr- und kein Ausfahrsignal mehr gibt, sondern alles sind einfach LZB-Blöcke. Erlaubt sind für meinen Zug 100 km/h und das noch für die nächsten 4 Kilometer.

Da es nach dem Bahnhof Efringen-Kirchen einige engere Kurven hat, ist dort die Geschwindigkeit beschränkt. So ändert diese immer wieder und sinkt letztlich im Bahnhof Rheinweiler auf 70 km/h. Auch die letzten Tunnel meiner Fahrt mit dieser Lok habe ich in diesen Abschnitten passiert, nach dem Bahnhof Rheinweiler wird es für einen Schweizer regelrecht langweilig, gerade bei diesem Zug.

Die LZB ändert die V-Soll auf 100 km/h, ich kann den Zug wieder beschleunigen und erreiche auch irgendwann die 100 km/h. Da mein Ebula etwas nachhinkt, hat es diesen Punkt noch nicht passiert. Ich sehe somit darauf noch nicht den nächsten Wechsel der Geschwindigkeit. Doch, soeben erkenne ich ihn. Im Kilometer 148.8 darf ich dann nur noch 80 km/h fahren. Das wird in knapp 70 Minuten der Fall sein.

Vorderhand kann ich mit 100 km/h durch die diversen Bahnhöfe fahren. Die Signale der Stationen sind entweder grün oder dunkel. Da sie aber bei Führung durch die LZB keine Gültigkeit haben, ist das nur nebensächlich. Letztlich würde es sogar möglich sein, dass mit der LZB an einem roten Signal vorbei gefahren wird. Dass das nicht sinnvoll ist, wissen wir durch den Lehrer. Klar gilt dann ein Halt als geboten und sei es nur um abzuklären, was passiert ist.

In den meisten Fällen ist aber das Signal grün und ab und zu auch dunkel, Pannen gibt es keine. Ich nähere mich deshalb der Abzweigung Leutersberg. Da bei der Fahrt mit LZB die Stationen nicht mehr so wichtig sind, weiss ich das nur anhand der grossen Tafeln mit den Kilometerangaben. Ohne diese hätte ich die Orientierung längst verloren.

Würde ich nun eine Geschwindigkeit von 90 km/h angezeigt bekommen, stimmte etwas nicht, denn mein Zug fährt über den Personenbahnhof und nicht über den Güterbahnhof. Eine einfache Umleitung, wie das in der Schweiz der Fall sein könnte gibt es hier nicht. Unvorstellbar, dass der Lokführer einfach zufährt und plötzlich auf einem anderen als dem normalen Gleis ist. In der Schweiz an der Tagesordnung, hier in Deutschland jedoch nicht.

Entweder stehen in Deutschland die Personen viel früher als in der Schweiz auf, aber kurz vor 5 Uhr morgens hat es in Freiburg bereits Leute auf den Bahnsteigen und die ersten Züge verkehren. In der Schweiz herrscht jetzt in den meisten Fällen noch Ruhe, aber hier sind die Distanzen viel grösser als in der Schweiz. Deshalb können es sich die Schweizer erlauben etwas länger zu schlafen.

Da nun langsam die Dämmerung einsetzt, kann ich auch mehr erkennen. Bis jetzt war es einfach dunkel. Nun können aber erste Umrisse erkannt werden. Es gelingt mir auch vermehrt die Namen der Stationen zu erkennen. Ein Kontrollblick auf die Daten der LZB verraten mir, in 4000 Meter sind 100 zu erwarten. Freie Bahn nennt sich das. Ein Zeitvergleich im Ebula und ich erkenne, dass ich pünktlich bin.

Die Stationen kommen und verschwinden, meine Fahrt behindert das keineswegs. Nun kommt aber plötzlich ein grosser Parkplatz ins Blickfeld. Aha, ich habe Lahr erreicht. Die Autos die hier stehen, gehören nicht den Leuten, die im nahe gelegenen Restaurant frühstücken, sondern sie sind neu und warten auf einen Käufer. Das Areal ist riesig und wir sehen nur einen kleinen Teil davon. Für mich ist das ein guter Orientierungspunkt.

Nachdem ich den Bahnhof verlassen habe, drücke ich auf dem digitalen Funk auf die Taste [2]. Antwort bekomme ich vom Fahrdienstleiter Offenburg. Ich teile ihm mit, dass ich in Offenburg Personalwechsel habe. Diese Info hilft ihm, den Zug so zu lenken, dass er ihm nicht längere Zeit im Weg steht. Die Antwort überrascht, mich. Er meint, ich werde im Personenbahnhof abgelöst. Danke, es dauert aber noch ein paar Minuten bis ich dort bin.

Ein Signal der LZB ertönt. Aha, die Zielgeschwindigkeit hat sich verändert. Sie lässt nur noch 80 km/h zu. Ich habe wohl den Kilometer 148.8 bald erreicht. Das sind die Kurven vor dem Bahnhof Offenburg. Mit Hilfe der LZB ist die Einfahrt auch kein grosses Problem. So dass ich letztlich im Gleis 3 zum stehen komme. Genau neben dem Kollegen, der den Zug weiter führt. Ich habe mein Ziel erreicht, eine kurze Übergabe und ich kann den Zug verlassen.

 

Pause in Offenburg

Mögen Sie sich noch daran erinnern, wie schwer die Pausen in Singen Hohentwiel waren? Es gab keinen Platz um die Arbeitsmappe abzustellen oder um sich die Hände zu waschen. Seine Notdurft musste man in einem Restaurant verrichten, weil man kein stilles Örtchen hatte. Hier in Offenburg ist es wirklich ganz anders, denn hier finden wir alles benötigte vor.

Der Weg vom Bahnhof zur Meldestelle ist sehr kurz, nur ein paar Meter über zwei Strassen und schon ist man dort. Den Schlüssel um die Räumlichkeiten zu betreten, habe ich in der Ausbildung bereits erhalten. Jetzt benötige ich ihn, denn auch hier ist die Türe morgens vor 6 Uhr noch abgeschlossen. Wenn man aber den Schlüssel hat, ist das kein Problem. Der Weg zu den Personalräumen wird dann frei.

Diese Personalräume sind grosszügig aufgebaut worden. Wir finden wirklich das vor, was wir benötigen. Ein WC, eine Möglichkeit die Mappe zu deponieren und Aufenthaltsräume. Zudem gibt es spezielle Ruheräume, die vor allem im Frühdienst gerne gesehen sind. In der Pause kann man sich kurz hinlegen, damit man den Heimweg einfacher schafft.

Automaten für Kaffee, Getränke und kleine Snacks gibt es hier auch. Würden die Automaten nicht Euro schlucken, könnte man den Raum kaum von einem in der Schweiz unterscheiden. Selbst die Andockstellen für die LEA gibt es hier. Auf dem Computer sind die Seiten der SBB aufgeschaltet und erlauben so auch einen Blick ins Einteilungsprogramm. Alles in allem entspricht der Personalraum einem in der Schweiz.

Einen grossen Unterschied gibt es aber, denn hier bin ich ganz klar der Ausländer. Die Kollegen meiner Firma stammen aus Deutschland. Auch wenn wir unser Bild über die Deutschen nach dem Vorbild eines in der Schweiz ungeliebten Politikers formen, die Kollegen hier sind freundlich und hilfsbereit. Keine angebliche Arroganz ist zu erkennen, man arbeitet an einem Ziel und das zusammen mit den Schweizern.

Ein Problem, das wir in der Schweiz auch immer mehr kennen, gibt es hier auch, denn um diese Zeit gibt es kaum einen Laden, der uns mit feinem Kaffee, Brot und Butter bedient. Nach der langen Fahrt habe ich einen leichten Hunger. Da aber die Kollegen hilfsbereit sind, erklären sie mir, wo ich um diese Zeit hingehen kann. Ein Laden, der jetzt schon offen hat, gibt es gleich beim Bahnhof. Mehr ein Imbiss, als eine Bäckerei, aber wenn man ein frisches Brötchen und ein bisschen Kaffee erhält ist man schon zu frieden.

Ein Kollege aus Basel ist soeben eingetroffen. Er meint, dass er auch gleich komme, ich solle auf ihn warten. So gehen wir gemeinsam in die Pause. Es ist schön, wenn man in der Pause mit jemandem sprechen kann. Die ganze Zeit sind wir alleine und kämpfen gegen Schlaf und Ablenkung. Klar, diesen Kampf führten wir schon immer, aber nun wird er plötzlich zum Thema bei der Ausbildung. Beruhigend ist es schon, wenn man erfährt, dass man mit diesen Problemen nicht alleine dasteht.

Wir essen nur kurz. Obwohl ich mehr als eine Stunde Pause habe, gehe ich zurück in die Aufenthaltsräume. Ich will mich noch ein paar Minuten hinlegen, etwas ruhen, bevor der lange Heimweg beginnt. Viel soll es nicht sein, aber so schnell 20 – 30 Minuten wirken Wunder. Zur Sicherheit richte ich den Wecker am Natel. Dieser beendet dann meine Ruhephase rechtzeitig.

Auf dem Computer schaue ich nach meiner Rückleistung. Diese nähert sich schon und ist pünktlich unterwegs. Ich erkenne, dass der Zug schon in Baden Baden durchgefahren ist. Das hier verwendete Programm lässt nicht so feine Abstufungen zu, wie das in der Schweiz verwendete Programm ProSurf. Dort ist nahezu jedes Signal zu erkennen. Zur Ortung des Zuges reicht die Deutsche Version aber auch.

Ich greife zum Telefon und rufe den Fahrdienstleiter des Bahnhofes Offenburg an. Ich melde mich und teile dem Mitarbeiter mit, dass ich in der Meldestelle bereit sei. Er bedankt sich und meint, er werde zurückrufen, wenn der Zug in die Nähe kommt. In der Schweiz ist das leider nicht so einfach möglich, da muss man schon selber schauen, wo jetzt nun der Zug einfährt.

Jetzt kann ich beruhigt warten und muss nicht immer im Computer nach meinem Zug sehen. Der Fahrdienstleiter von Offenburg erkennt nur anhand der mitgeteilten Infos, was passiert. Er sitzt in einem dunklen Raum in Karlsruhe und stellt dort die Fahrstrassen im Bahnhof Offenburg. Dieser Bahnhof ist mit dem Güterbahnhof riesig gross, wir aus Arth-Goldau benutzen davon nur einen kleinen Teil. Zeitlich liegt einfach nicht mehr drin und so fahren wir nicht noch weiter nach Norden.

Das Telefon neben mir klingelt. Ich hebe ab und werde darüber informiert, dass mein Zug in rund 10 Minuten auf Gleis 1 eintreffen wird. Ich bedanke mich und lege auf. Die im Internet besuchte Webseite schliesse ich, so dass ich den Computer wieder so verlasse, wie ich ihn angetroffen habe. Meine Pause ist nun beendet. Genau zur richtigen Zeit, denn auch die Einteilung hat nun das Ende der Pause vorgesehen.

 

Offenburg – Basel

Weit ist er nicht, der Weg zum Gleis 1. In der Schweiz ist das ja immer der Hausbahnsteig, also das Gleis unmittelbar beim Bahnhofsgebäude. Hier in Offenburg ist das auch so, zum Gleis eins gelangt man aber über den Zwischenperron. Sehr ungewohnt, aber nach der Ausbildung weiss ich auch das. So dass ich zielsicher zum Gleis 1 komme. Viele Leute hat es jetzt, die auf den Zug spurten, genau so wie in der Schweiz.

Noch steht im Gleis 1 ein Zug der SNCF. Das mit einem Dieselmotor ausgerüstete Fahrzeug wird Offenburg in wenigen Minuten in Richtung Strasbourg verlassen. Das wird vermutlich nur wenige Minuten dauern, denn wir sind hier nahe an der Grenze zu Frankreich. Beim Anblick dieses Zuges erinnere ich mich wieder an die Kurse in Saarbrücken. Wir reisten ab Basel immer über Frankreich an und ab Strasbourg hatten wir auch so einen Triebwagen. Gemacht hatten wir das, weil so die Reise nahezu eine Stunde kürzer war und wir so nicht so früh zu Hause los mussten.

Das veränderte brummen der Dieselmotoren lässt mich erkennen, dass der Zug seine Fahrt beginnt und das Gleis räumt. Gemächlich fährt er los und fährt meinem Zug entgegen. Irgendwo wird dann eine Weiche dafür besorgt sein, dass es keine Kollision gibt. Wo das sein wird, weiss ich hingegen nicht, denn nördlich von Offenburg kenne ich die Strecke nicht mehr.

Mein Zug wird dann als nächstes in dieses Gleis kommen. Auf der Abfahrtsanzeige wird jedoch bereits der ICE nach Interlaken angekündigt. Der folgt aber erst in 15 Minuten, vorher fährt ein Güterzug ein. Die Re 482 nähert sich dem Bahnsteig. Ein Blick in Fahrrichtung lässt mich erkennen, dass das Signal dunkel geworden ist. Aha, der Zug hat die „ELKE“ bei sich denke ich. Er kommt LZB-geführt und einige Begriffe der Deutschen Kollegen haben wir auch schon aufgeschnappt.

Einige Leute auf dem Bahnsteig hatten wohl bereits den ICE vermutet und griffen freudig zu den Koffern. Auch dieser Zug fährt in die Schweiz, nur ist er sehr knapp mit Sitzplätzen und in der Nähe eines Bahnsteiges wird er, sofern nichts passiert, nicht mehr zum stehen kommen. Die Koffer werden wieder abgestellt, als der Zug besser zu erkennen ist. Container folgen der Lok und keine Reisezugwagen, das wird wohl nicht der erhoffte Zug sein. Ich sehe das natürlich etwas anders, denn die SBB-Lok zeigt klar, es ist mein zugeteilter Zug.

Der Kollege hält in meiner Nähe. Die Übergabe erfolgt genau so, wie in der Schweiz, das heisst, der ankommende Kollege reinigt mir die Griffstangen. Wichtige Hinweise werden übermittelt und ein paar Worte Smalltalk sind auch dabei. Er wünscht mir eine gute Reise. Ich wünsche ihm im gegenzug einen angenehmen Feierabend. Wir verabschieden uns, der Kollege steigt aus und schliesst die Türe zum Führerraum.

Der Kollege weiss, dass ich mit dem Zug noch nach Arth-Goldau reisen muss und dass das, eine lange Fahrt sein wird. Er hat nun seinen verdienten Feierabend. Ich denke mir dabei, dass die Kollegen hier härtere Nachtdienste fahren müssen als wir in der Schweiz. Gut, mein Frühdienst ist auch nicht kurz, denn ich habe um 1.50 Uhr begonnen und Feierabend habe ich erst um die Mittagszeit. Nur in der Nacht kommen wir vor 6 Uhr nach Hause und nicht erst um 7 Uhr oder noch später.

Bis zu meinem Feierabend dauert es noch lange und ich kann, nachdem ich meine Personaldaten im System eingegeben habe, losfahren. Auch dieser Zug ist nicht sehr schwer. Knapp 900 Tonnen sind im Güterverkehr kein Gewicht. Normalerweise sind diese Züge bis zu 1600 Tonnen schwer, aber die schlechte Wirtschaftslage bemerkt man halt auch hier. Klar, für die Beschleunigung ist das gut, aber viel verdienen kann man mit so einem Zug nicht mehr.

Die Geschwindigkeit ist vorderhand noch auf 80 km/h beschränkt. Dies ist durch die nun folgenden Kurven bedingt. Nachdem ich diese auch mit dem letzten Wagen meines über 500 Meter langen Zuges passiert habe, kann ich auf 100 km/h beschleunigen. Die dazu notwendige Erlaubnis erhalte ich von der LZB direkt in die Lokomotive übermittelt.

Ein Blick in die Ebula lässt mich erkennen, dass der nächste Halt in Riegel sein soll. Ich bin hinter dem Regioexpress nach Basel gestartet, der wird mich dann irgendwann mit seinen Halten einbremsen. Hinten drückt aber der ICE mächtig auf die Tube, so dass er schnell aufholt. Irgendwann fehlt dann der Platz für meinen Güterzug. Ein ICE ist einfach zu schnell.

Es ist soweit, die LZB lässt mir nur noch 2000 Meter Fahrt zu. Ziel ist 0 Km/h. Ich habe den Regioexpress eingeholt. Und kann nun den Abstand immer so auf 1500 – 2000 Meter halten. Komme ich zu nahe, muss ich abbremsen, so kann ich aber wunderbar rollen. Klar, das Tempo ist massiv kleiner als vorher, aber ich kann unnötiges bremsen vermeiden. Wirtschaftliches Fahrverhalten ist mit den steigenden Energiepreisen wieder wichtiger geworden.

Zumindest bis Riegel klappt das ganz gut. Kann ich nun zufahren oder muss ich in die Überholung? Die LZB gibt mir eine reduzierte Geschwindigkeit vor, das kann eigentlich nur eines bedeuten. Der Fahrweg steht ins Überholgleis, der geplante Halt wird somit vollzogen. Das habe ich vermutet, denn bis in die Verzweigung Gundelfingen wäre die Luft zwischen den beiden Reisezügen wohl sehr knapp geworden. Zu knapp, wie die BZ in Karlsruhe beschlossen hat.

Jetzt unterscheidet sich die Einfahrt. Mit einem LZB-geführten Zug fährt man anders ein, als das mit einem Signalgeführten passiert. Zwar zeigt das Signal vor mir Halt, aber mein Ziel ist der Halt in der LZB und der ist ein paar Meter vor dem Signal. Daher wird anders eingefahren, denn gefürchtet ist der Moment, wenn der LZB-Halt durch das System gegen die Lok verschoben wird, schnell ist dann der Bremsweg zu kurz.

Als auch der letzte Wagen im Gleis ist, leite ich die Haltebremsung ein und komme so etwa 100 Meter vor dem Signal zum stehen. Das sehe ich, weil die LZB mir noch diesen Weg zugesteht. Den letzten Wagen habe ich dank der Kamera gesehen. Daneben wird das Signal auf Fahrt gestellt und in wenigen Sekunden rauscht der ICE durch Riegel. Mein LZB-Halt hat sich jedoch nicht verschoben, so dass ich immer noch die gleichen Führungsgrössen besitze. Ja, der ICE ist einiges schneller als ich, aber das war ja so geplant und eigentlich sollte ich jeden Augenblick wieder losfahren können.

Es ist schon ungewohnt. Vor mir wird das Signal dunkel und meine Anzeigen in der Lok verändern sich. Ich kann losfahren, der ICE ist noch nicht einmal eine Minute entfernt. Dank den kurzen LZB-Blöcken kann ich näher nachfahren. Das erlaubt es, meinen Zug zwischen den ICE und den weiterhin hinter mir verkehrenden EC einzufädeln. Bis ich meinen Zug beschleunigt habe, werden die Anzeigen noch ein paar Mal ändern.

Das war auch so und ich konnte ohne Unterbrechung beschleunigen. Mittlerweile fahre ich wieder mit 100 km/h und vor mir kommt der Bahnhof Denzlingen ins Blickfeld. Ein Blick in den Fahrplan lässt mich erkennen, ich fahre über den Güterbahnhof Freiburg. Am Signal vor mir erkenne ich den eingestellten Weg an der Geschwindigkeitsanzeige. Gültigkeit hat das aber nicht, es hilft mir bloss bei der Orientierung, für mich massgebend ist weiterhin die LZB. Es läuft so wie geplant, ich werde nicht durch den Personenbahnhof fahren.

In Gedanken bereite ich mich nun auf den nächsten Abschnitt vor. Die Strecke über den Güterbahnhof hat keine LZB. So wird vermutlich in wenigen Augenblicken meine Lok eine Handlung von mir verlangen. Kaum als ich die Gedanken zu ende gedacht habe, passiert es. Ein Signal ertönt und der Leuchtmelder „Ende“ beginnt zu blinken. Innerhalb von 10 Sekunden muss ich eine Bestätigung abgeben, sonst kommt es zur automatischen Bremsung.

Mit dem Schalter „Frei“ habe ich das Endeverfahren bestätigt und dem System mitgeteilt, dass ich nun die Aussensignale wieder ansehen werde. Noch bin ich durch die LZB geführt, aber bereits das nächste Signal kann Halt ankündigen und dann muss ich bremsen und die PZB bedienen, denn die LZB ist soeben Vergangenheit geworden. Keine Spur von Halt, auch die Durchfahrt durch Freiburg Güterbahnhof erfolgt ohne jegliche Behinderung.

Neben mir steht eine Rola, die gerade beladen wird. Hier ist der nördliche Terminal der Ralpin-Züge nach Italien. Diese für 4 Meter hohe Lastwagen freigegebene Rola wird bis Basel durch eine Re 421 von SBB Cargo gezogen werden. Dann übernimmt die BLS den Zug durch die Schweiz. Zumindest ist es jetzt noch so, denn die Züge werden neu ausgeschrieben, vielleicht fährt dann ein anderes Bahnunternehmen den Zug ab hier oder durch die Schweiz.

Ich lasse meinen Zug wieder ausrollen. In wenigen Augenblicken komme ich nach Leutersberg. Dort werden die Strecken vom Güterbahnhof und vom Personenbahnhof wieder vereinigt. Da der Weg, den ich genommen habe, kürzer ist, habe ich den ICE, der zudem in Freiburg gehalten hat, wieder eingeholt. Wenn ich zu schnell komme muss ich noch vor dem Signal anhalten können, weil der ICE den Weg versperrt. Somit gibt es keinen Grund mich zu beeilen. Vor allem darum, weil ich auf der anderen Strecke gerade den ICE entdecke.

Es ist soweit, die LZB hat mich wieder aufgenommen und in 750 Metern muss ich anhalten, weil das virtuelle Signal Halt zeigt. Dachte ich zumindest, denn die Anzeigen ändern sich und ich kann meine Fahrt ungehindert fortsetzen. Ich habe wieder denselben Abstand wie in Riegel. Die Beschleunigung ist wieder langsam genug, so dass ich ohne Probleme gleich auf die Höchstgeschwindigkeit der Zuges beschleunigen darf.

Die Fahrt führt wie bisher durch ländliche Gegenden. Viel Landwirtschaft und ein paar Dörfer gibt es hier. Interessant ist die Strecke für den Lokführer nicht, es geht meist gerade aus und die Kurven verlaufen in weiten Bögen. So stehen keine Geschwindigkeitswechsel an. Aber, letztlich ist es ja nur Arbeit und wenn ich an die 57 km lange Betonröhre denke, fahre ich noch gerne durch diese Felder und Wiesen.

So nähere ich mich dem Bahnhof Schliengen, denn Müllheim und Auggen habe ich bereits passiert. Hier wir kräftig gebaut. Die Bauarbeiten für eine neue Strecke nach Basel sind bereits angelaufen. Nach dem Bahnhof werde ich dann das nördliche Portal des neuen Katzenbergtunnels erkennen können. Diese im Berg verlaufende Strecke umfährt den spannendsten Abschnitt der ganzen Fahrt.

Diese neue Strecke soll im Endausbau bereits in Offenburg beginnen. Es ist ein Ausbau der Strecke, der im Hinblick auf die NEAT erfolgt. Vier Geleise sollten dann bis nach Basel führen, dass es danach nur noch deren zwei sind, lässt mich vermuten, dass es in Zukunft nach Basel sehr eng werden wird. So sorgt eine 57 km lange Betonröhre mitten in der Schweiz dazu, dass auch hier in Deutschland längere Tunnel gebaut werden müssen.

Meine Lok hat mit dem Zug nicht schwer zu arbeiten und so nähere ich mich ohne Probleme Rheinweiler. Den ersten Hinweis dazu liefert mir die LZB, denn mit einem Signalton unterstützt ändert sich die Zielgeschwindigkeit. In 4000 Meter sind nur noch 70 km/h erlaubt. Die Kurve im Bahnhof von Rheinweiler ist das. So langsam wird es in der Schweiz nicht mehr werden. Klar, die Verbindung in Basel ist noch langsamer, aber das lasse ich mal so stehen. Dank der elektrischen Bremse benötige ich zur Verzögerung nicht einmal die Luftbremsen der Wagen.

Hier soll man den Rhein ein erstes Mal sehen können. Das haben uns die Kollegen immer wieder gesagt. So richtig gesehen habe ich ihn nie, ich musste mich noch zu stark auf die Strecke konzentrieren.

Ach ja, noch etwas haben sie uns mitgeteilt, hier habe das Natel oft das Netz von Frankreich drauf, was dann den Chef dazu bewegt zu fragen, welchen Freund man denn in Frankreich angerufen habe. Da mein Telefon aber schweigt ist das diesmal kein Problem.

Es dauert ein wenig, bis ich die Kurve mit dem ganzen Zug befahren habe. Die Strecke lässt nun kurz 100 km/h zu. Nur, die LZB kündigt schon wieder 90 km/h an. Kein Grund um schneller zu fahren.

Ich belasse die Geschwindigkeit gleich bei 80 km/h, denn nur in wenigen Kilometern sind dann nur noch 80 erlaubt. Im Güterverkehr kann man sich das erlauben. Wobei in der Ausbildung haben wir Lokführer von DB-Regio getroffen, die mit der Regionalbahn genauso verfahren sind.

Jetzt kommen sie, die Isteiner Kehrtunnel. Ein paar Tunnel mit engen Kurven. Zwar habe ich auf meiner Lok den breiten Stromabnehmer gehoben, aber scheinbar sind die Tunnel recht eng, denn die Rola darf hier nur 50 km/h fahren. Dies, damit die LKW nicht an der Wand anschlagen. Mein Zug ist davon nicht betroffen und so kann ich die durch die Strecke erlaubten 80 km/h fahren.

Die Geräusche im Gleis lassen erkennen, dass die Kräfte mächtig am Material arbeiten. Wir haben so oder so schon den Verdacht, dass die vergleichbaren Kurven in der Schweiz langsamer befahren werden. Nur, Beweise haben wir keine, denn die Radien kennen wir ja nicht. Im nahe gelegenen Steinbruch wird wohl alles Material mit dem LKW abgeführt, denn die hier stehende Rangierlok hat auch schon bessere Zeiten gesehen.

Der letzte Tunnel verschlingt mich, ich erreiche in wenigen Augenblicken Efringen-Kirchen. Ab hier kann ich wieder schneller fahren. Aber im Ebula erkenne ich, dass bereits in Haltingen der nächste Halt erfolgen wird. Der zweite Fernverkehrszug hat mich eingeholt und in Basel fehlt der Platz. Trotzdem beschleunige ich auf 100 km/h. Könnte ja sein, dass es einmal klappt.

Nein, es ist nichts zu wollen, in Haltingen werde ich ins Überholgleis einfahren. Erkennen kann ich das an den Anzeigen der LZB. Der zweite Fernverkehrszug wird mich überholen. Hoppla, die Ausfahrt ist ja auch schon offen. Gerade als ich das festgestellt habe, kommt das Endeverfahren der LZB. Ich bestätige die entsprechende Meldung. Ich erhalte die Entlassungsgeschwindigkeit, die bei 100 km/h liegt. Nur, wo geht das denn jetzt durch?

Basel Badischer Rangierbahnhof ruft mich am Funk auf und erkundigt sich, ob ich weiter fahre. Ja, ist meine etwas überraschte Antwort. Meine Verwirrung lasse ich in meiner Stimme nicht anmerken. Warum nur will das denn Basel Badischer Rangierbahnhof wissen, ich sollte eigentlich über Weil am Rhein verkehren, da hätte mich wohl eher Weil fragen müssen.

Hoppla, der Fahrweg führt ja gar nicht zurück auf die Stammlinie, sondern ich nehme einen alternativen Fahrweg durch den Rangierbahnhof. Jetzt ist die Frage wiederum logisch. Schnell überlege ich mir, da war doch was, ach ja, die Kurve mit 30 km/h, die nicht ganz so schnell befahren werden sollte, da sonst die PZB keine Freude hätte. In der Ausbildung fuhren wir nur einmal hier durch. Aber Halt, das betrifft ja nur die untere Zugart und ich verkehre in der mittleren Zugart.

Ich habe es geschafft, die PZB war mit meiner Fahrweise zu frieden und ich habe den Weg in den Rangierbahnhof auch gefunden. Ich stehe nun an diesem Ort, wo wir noch vor ein paar Jahren die Züge abgeholt hatten. Der nördlichste Punkt der letzten 18 Jahre. Basel habe ich nun erreicht, aber noch nicht den richtigen Bahnhof. Nur kurz dauert der Halt und ich kann meine Fahrt wieder fortsetzen. Jetzt geht es auch wieder auf den normalen Weg.

Normalerweise kommt hier das Endeverfahren der LZB, ich fahre aber nach PZB und muss deshalb aufpassen, dass ich kein Signal beim quittieren vergesse. Die Fahrt führt nun gerade durch den Bahnhof Basel Badisch. Die Ausfahrt erlaubt 60 km/h, die habe ich aber noch nicht erreicht, ich beschleunige deshalb nicht mehr viel höher. Ich komme also ohne weiteren Halt über den Rhein, wenn ich nur daran denke, dass ich jetzt für die PZB ziehen muss. Es hat geklappt, die PZB hat meine Bestätigung erhalten.

Als ich das Ausfahrsignal passiere, beginne ich mit dem Wechsel des Kanals für den Funk. Bisher war der digitale GSM-R-Funk Deutschland aktiv und der endet hier.

Die Daten muss ich zuerst abmelden, da sonst der Kollege, der die Lok übernimmt Probleme haben könnte. Danach kann ich das Funksystem wechseln.

Schade, dass die Lok in der Schweiz noch nicht mit dem GSM-R-Funk verkehren darf, denn dann hätte ich den Wechsel viel schneller und einfacher erledigt gehabt.

Es dauert ein wenig bis es soweit ist, deshalb lasse ich den Funk in Ruhe.

Ich muss nun die Lok ausschalten, denn die ersten SBB-Signale sind die Signale der Fahrleitungsschutzstrecke und diese muss ich ausgeschaltet befahren.

Da der Zug nun rollt, kann ich den Funk endgültig umstellen. Wenige Augenblicke später habe ich wieder den Schweizer Funk eingeschaltet.

Nun kommt es, das gefährlichste Signal der ganzen Fahrt. Zumindest meinten dies meine Freunde, denn es ist ein Vorsignal nach Bauart SBB. Nur ich habe nicht die SBB-Zugsicherung, sondern immer noch die PZB. Die Gefahr dabei ist, dass man SBB mit SBB kombiniert und die PZB dann zur Zwangsbremsung greift. Hinzu kommt, das Signal steht wieder links. Eine Falle, man sieht sich gerettet und dann knallt es.

Auch die letzten Meter durch den Einspurabschnitt habe ich nun geschafft. Ich habe mit dem Zug in Basel SBB Rangierbahnhof in der Gruppe A im Gleis 16 angehalten. Einige Signale hatten bei der PZB angegeben, andere wieder nicht. Gezogen habe ich immer, nur wenn dann nichts passierte kam die Panik und es wurde noch einmal gezogen. Erfolgte dann keine Zwangsbremsung war schnell wieder Ruhe angesagt. Das Abenteuer DB und meine Premiere sind nun beendet. Jetzt erfolgt der Wechsel des Systems und dann ist alles wieder wie gewohnt nach Schweizer Vorschriften.

 

Erneuter Wechsel

Dieser Wechsel ist schon lange zur Routine geworden, denn auch als Erstfelder Lokführer hatten wir hier immer wieder einen Zug abgelöst. Der Systemwechsel musste dann gemacht werden. Aber gerade, da er zur Routine wurde, muss man aufpassen, dass man nichts falsch macht, weil man sonst auf der weiteren Fahrt mit Störungen zu kämpfen hat.

Im Fahrplan sind dazu 5 Minuten eingeplant. Eine kurze Zeit, die wohl kaum reichen wird. Die benötigt man, vor allem dann, wenn noch die Zugsicherung der SBB geprüft werden muss. Wie die Kollegen aus Erstfeld, wissen viele Kollegen aus Deutschland nicht, wie die Zugsicherung des anderen Landes funktioniert und so können sie die erforderlichen täglichen Prüfungen nicht durchführen.

Es ist meine Aufgabe dies jetzt nachzuholen. Im Gegensatz zum Prüfprogramm der DB, kann der Zug nun gekuppelt bleiben, denn unsere Schweizerischen Prüfprogramme enden immer mit der eingeleiteten Schnellbremsung und müssen zurückgestellt werden. Auch diese Prüfungen sind kein Problem, ich führe sie ja schon seit mehreren Jahren durch. Alles verlief nach Programm, ich kann das im speziellen Buch mit meiner Unterschrift bestätigen.

Jetzt sind noch die Daten für ZUB 121 einzugeben. Noch werden die Daten nicht automatisch übernommen, deshalb müssen wir halt die Daten an der Grenze neu eingeben. Auf dem internationalen Bremszettel finde ich auch die Angaben für die Schweiz. Zugreihe A mit Bremsreihe 95 und einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h steht da. Diese Angaben gebe ich, ergänzt mit Länge und Gewicht, im Display ein. Ich bin mit dem Zug wieder startklar.

Eine letzte Handlung ist die Kontrolle der Beleuchtung. War in Deutschland nur vorne Licht vorhanden, muss jetzt auch am hinteren Ende der Lok eine weisse Lampe leuchten. Das tut sie auch und die Beleuchtung ist somit korrekt eingestellt. Ich kann meine Fahrbereitschaft melden. Da ich neben der Lok stehe, benutze ich dazu das Signaltelefon. Damit erreiche ich direkt den Bediener dieses Signals. Am Funk müsste die Meldung noch weiter vermittelt werden.

 

Basel – Arth-Goldau oder eine kleine Weltreise

Weit fahren konnte ich nicht, denn nur schon das letzte Signal des Rangierbahnhofes zeigt Halt. Ich komme zum stehen. In der LEA erkenne ich, dass ich erst in 50 Minuten weiterfahren sollte. Ich erkundige mich, wann ich denn fahren könne. Eine genervte Antwort erklärt mir, dass das der Fall ist, wenn das Signal grün wird. Vielen Dank für die Antwort, ich werde zum Stier in Spanien und starre nun 50 Minuten ein rotes Licht an. Gesagt habe ich das nicht, aber die Gedanken sind ja nicht strafbar.

Letztlich habe ich mich dann dazu entschlossen doch noch die Augen für ein paar Minuten zu schliessen. Diese Idee stammt auch von der kürzlich erfolgten Schulung. Ein wenig Ruhe sollte schon sein, denn Feierabend habe ich ja erst in 3 Stunden. Wenn das Signal vor mir lange genug grün ist, schreit er dann schon laut genug. Aber 50 Minuten lang rotes Licht, nicht mit mir. So vergeht auch die Wartezeit schneller.

Sie ahnen es vielleicht schon, aber das Signal wurde genau in dem Moment grün, als die Uhr meine Abfahrzeit anzeigte. Ich musste die vollen 50 Minuten warten. Nun verlasse ich Basel in Richtung Schweiz. In der Kamera erkenne ich, dass die Wagen willig folgen. Das ist gut so, einer ungehinderten Weiterfahrt steht nichts mehr im Weg.

Bereits in Rheinfelden habe ich die S-Bahn eingeholt, da diese aber nur bis Stein-Säckingen im Weg ist, kann ich ab Möhlin wieder zufahren, denn einholen sollte ich den Zug jetzt nicht mehr. Das ist auch so und ich befahre die Schutzstrecke von Stein mit ausgeschalteter Lok. Da die Re 482 sehr eigensinnig sein kann, kommt eine Fehlermeldung und ich kann lange warten, bis ich wieder Zugkraft aufbauen kann.

Die weitere Fahrt über den Bözberg stellte keine grossen Probleme dar. Die Signale waren grün und ich konnte den Zug im Gefälle problemlos mit der elektrischen Bremse auf Geschwindigkeit halten. Das trockene Wetter half dabei auch noch. Seit ich nach Deutschland fahre, bediene ich diese Lok auch in der Schweiz viel entspannter. Sie wurde vertrauter und so auch leichter zu handhaben.

Ebenso vertraut sind die Signale, die plötzlich „Warnung“ zeigen können. Diesmal ist es die Einfahrt in den Bahnhof Lupfig. Ich bremse den Zug ab. Zum stehen komme ich nicht, denn die Signale gehen auf Fahrt, erlauben jedoch nur 60 km/h. Ich muss hier um ein paar, in meinem Weg stehende, Wagen fahren. Danach kann ich wieder beschleunigen. In Lupfig ist das öfters der Fall, weil die Geleise einfach zu knapp bemessen wurden.

Auch die Bahnhöfe Othmarsingen und Hendschiken waren kein Problem, aber bereits in Dottikon-Dintikon darf ich nur mit 40 km/h einfahren. Etwas scheint auch hier im Weg zu sein. Nur, warum muss ich die ablenkenden Weichen befahren? Durch das Perrondach kann ich das Ausfahrsignal, das hier eigentlich nur ein Abschnittsignal ist, erst sehr spät erkennen. Es erlaubt aber mittlerweile die Fahrt mit 60 km/h.

In der Umspannanlage erkenne ich sie dann, die Fahrzeuge des Baudienstes, die mir im Weg waren. Jetzt kann ich wieder zufahren, denn alle Signale sind wieder grün geworden. Meine Blase meldet sich nun auch, eigentlich wäre es schön gewesen, wenn ich zum stehen gekommen wäre, es hätte mich sehr erleichtert. Nur befürchte ich nun einfach eines, die Signale werden grün bleiben.

Je länger es ging, desto mehr drückte meine Blase, aber die Signale haben es tatsächlich geschafft, sie waren grüner als grün und so kam ich ohne Halt nach Rotkreuz. Natürlich wurde die Fahrt von Minute zu Minute unangenehmer, aber was sollte ich machen. Gut, einfach anhalten und schnell hinter den nächsten Baum rennen, aber das macht sich so kurz vor dem Endbahnhof nicht gut.

Auch in Immensee waren die Signale grün. Am Funk höre ich, wie ein Zug vor mir darüber informiert wird, dass er beim Spurwechsel Brunmatt eine Kreuzung abwarten müsse. Da für mich keine Info erfolgte, fahre ich normal zu. Natürlich würde ich normalerweise in einer solchen Situation den Zug ausrollen lassen, da ich aber einen mächtigen Druck auf meiner Blase verspüre, sorge ich dafür, dass ich vor dem roten Signal zum stehen komme.

Ach, wie viel besser fühlt man sich, wenn man die Blase entleeren konnte. Dass das Signal vor mir zwar schon fast eine Minute „Warnung“ zeigte, liess mich ehrlich gesagt kalt. Jetzt, wo ich wieder bereit bin ist auch die grüne Lampe erschienen, ich kann sofort normal beschleunigen.

Die weitere Fahrt bis Arth-Goldau verlief dann normal und so komme ich pünktlich im Bahnhof zum stehen. Das Ziel der Reise ist erreicht. Jetzt muss ich nur noch die Lok parkieren und dann ist endgültig Feierabend.

 

Anhängen, wegstellen und remisieren

Die Frachtpapiere packe ich zusammen. Ich kontrolliere, ob auch der internationale Bremszettel für die weitere Fahrt vorhanden ist. Es sind Routinekontrollen, die helfen Verspätungen zu verhindern. Hinter der Lok lege ich das Paket auf dem Stossbalken des ersten Wagens ab. Damit ein allfälliger Windstoss nicht zu grosse Unordnung anrichtet, beschwere ich den Papierstapel mit ein paar Steinen aus dem Schotterbett.

Ich hänge die Lok ab und lasse an den Wagen zusätzlich noch etwas Luft aus der Hauptleitung entweichen. So steht der Zug sicher, bis die abgehende Lok, die bereits bereit steht, angefahren ist. Dazu habe ich natürlich wieder die volle Montur mit Überkleid, Handschuhe und Helm angezogen. Letzteren musste ich zuerst noch im Maschinenraum suchen.

Jetzt kann ich mit der Lok vom Zug wegfahren. Das Zwergsignal vor mir zeigt bereits Fahrt. Die Abläufe sind bekannt und so muss ich dem Fahrdienstleiter nicht alles lang und breit erklären. Ich kann wieder gegen den Berg fahren, der eigentlich keiner ist. Die abgehende Zuglokomotive steht auch dort. Am roten Signal vorbei komme ich mit der Hilfe der Manövertaste.

Ein wenig weiter nach hinten fahren hätte der Kollege auf der anderen Lok schon können, ich hätte dann besser hinter dem Zwergsignal platz gefunden. Er hat es bemerkt und setzt ein paar Meter zurück, so finde ich auch mit meiner Lok noch den notwendigen Platz hinter dem kleinen am Boden stehenden Signal, das ich leicht hätte übersehen können, wäre ich zu nahe davor gestanden.

Ein letzter Standwechsel und ich kann zum Abstellplatz fahren. Vor der Rampe halte ich an, betätige kurz die Sander der beiden Fahrrichtungen und verlasse die Lok. Dabei kontrolliere ich die Lok von aussen. Das ist hier die letzte Möglichkeit, wo das noch geht, danach habe ich keine Möglichkeit mehr, denn wegen der Rampe sehe ich nicht unter die Lok.

Ich kontrolliere, ob die Sander funktionierten, ob der Sandvorrat noch in Ordnung ist und ob auch sonst alle Teile dort sind wo sie sein sollten. Gerade die Sander und der Sandvorrat sind für die Fahrten nach Deutschland sehr wichtig. Dazu sind hier in einem Güterwagen Sandsäcke deponiert. Es ist schon eine mühsame Angelegenheit, die 25 kg schweren Säcke zu schleppen und dann noch die Öffnung des Trichters zu treffen. Die Sandberge neben dem Gleis lassen erkennen, dass das nicht immer problemlos klappt.

Bei meiner Lok ist das jedoch nicht nötig, denn alle Sandbehälter sind noch voll. Bei trockenen Schienen wird halt wenig Sand benötigt. Hätte es geregnet, hätte vermutlich ich über den Bözberg am meisten Sand auf die Schienen geworfen. Auch sonst ist an der Lok alles ganz. Ich kann die letzten Meter noch fahren und die Lok auch elektrisch abstellen.

Nachdem ich die letzten Arbeiten im Maschinenraum abgeschlossen habe, verräume ich noch die Handschuhe und das Überkleid in meiner Mappe. Die liegen gebliebenen Leistungscouverts packe ich auch noch ein. Ich kann sie dann gleich an der richtigen Stelle deponieren. Nun kann ich die Lok endgültig verlassen und zum Feierabend schreiten. Dass das ohne die Griffstangen erfolgen kann, verdanke ich der Rampe, die gerade bis zur Unterkante der Türe reicht.

Einen guten Blick auf das Dach und die Stromabnehmer hat man so. Ich kontrolliere als letzte Handlung an der Lok noch die Lage der Stromabnehmer, den Zustand der Schleifleisten und ob nicht noch ein verirrter und gerösteter Vogel irgendwo eingeklemmt wurde. Auch auf dem Dach ist alles in Ordnung, ich entferne mich endgültig von der Lokomotive, die seit fast fünf Stunden mein Arbeitsplatz war.

 

Der Heimweg

Ein Blick auf die Uhr. Ich habe pünktlich Feierabend. Da es bei meiner Tour keine Abweichungen gab, melde ich mich nicht bei der Leitstelle. Dort findet nun gerade der Schichtwechsel statt, dann muss ich ja nicht noch unnötig stören. Als letzte Handlung in den Aufenthaltsräumen, wasche ich mir noch die Hände und verlasse die Räumlichkeiten für heute.

Der Weg zum Auto war nur kurz und wenige Minuten nach dem verlassen des Gebäudes kann ich losfahren. Es ist schon ungewohnt, bisher konnte ich nach solchen Diensten immer zu Fuss nach Hause gehen und den Tag Revue passieren lassen. Nun muss ich das Auto nehmen und mich nochmals konzentrieren. Klar, jetzt verkehren auch die Reisezüge und ich könnte ja den Zug nehmen, nur was mache ich morgen, denn morgen muss ich auch wieder um 1.50 hier beginnen.

Da zuerst die Autobahn benutzt werden kann, komme ich flüssig voran, der Verkehr könnte stärker sein, aber mir gefällt das so. Im Autoradio ertönen gerade die Nachrichten vom Mittag und so bin ich auch gleich über die neusten Entwicklungen auf der Welt informiert. So kommt man schnell voran und schon kommt das Ende der Autobahn.

Während ich am frühen Morgen noch sehr alleine auf der Axenstrasse unterwegs war, säumen nun die Touristen den Weg. Klar, auch ich weiss, dass hier die Landschaft überwältigend sein kann, ist das aber ein Grund um mit 40 km/h zu tuckern. So eng sind die Kurven auch nicht mehr. Eigentlich habe ich ja nur ein Ziel, mein Zuhause. So kommt es, dass der Heimweg 10 Minuten länger war, als der Hinweg. Aber letztlich habe ich mein Auto doch noch in der Garage abstellen können.

Nach dem Essen werde ich noch ein paar Arbeiten erledigen und dann wird die Müdigkeit von selbst kommen. Viel vom Tag werde ich nicht mehr haben, denn irgendwann lege ich mich ins Bett und suche den wohlverdienten Schlaf. Es sind halt lange Touren nach Offenburg und so schwindet die Freizeit dazwischen schnell auf das gesetzliche Minimum. Besonders im Frühdienst, wo man früh aus dem Bett muss und erst am Mittag zu Hause ankommt, bemerkt man das gut. Aber in Erstfeld war das ja auch nicht viel anders, nur dass dort oft noch eine Pause in Erstfeld eingeteilt war, weil die Tour zwei Teile hatte und man kurz vor Schluss noch schnell nach Göschenen musste.

 

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