Arth-Goldau – Luzern – Sursee

Oh, der aus Sicherheit gerichtete Wecker hat mich aus dem Schlaf gerissen. Ja, die Ruheschicht, also die Zeit zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn war kürzer als üblich und betrug nur etwas mehr als 11 Stunden. Ich kam erst heute Morgen so gegen drei Uhr ins Bett und so zur Ruhe. Jetzt nach ein paar Stunden Schlaf klingelt der Wecker. Habe wohl gut geschlafen, das ist bei den ewigen Wechseln nicht immer der Fall und so freut man sich über eine ruhige und erholsame Nacht.

Mit dem Alter merke auch ich, dass es nicht einfach ist, den steten Rhythmuswechseln der Schichtung zu folgen. Da gibt es dann Tage, wo man kaum erholsamen Schlaf findet und wieder Wochen, wo alles bestens klappt. Einfach ist das nicht, denn man gibt nicht gerne zu, dass man ab und zu mit dem Schlaf Probleme hat. Lokführer haben keine Probleme auch nicht wenn es heisst, bei 30°C im Schatten um vier Uhr Nachmittags ins Bett zu gehen und genug Schlaf für eine lange Tour im Frühdienst zu finden.

Die kurzen Übergänge sind in Goldau etwas schlimmer geworden, denn jetzt kommt noch der Arbeitsweg von insgesamt 50 Minuten dazu. So bleibt einem dann halt wirklich nur noch knapp Zeit um zu schlafen. Zum Glück sind sie selten und eigentlich sollte der fehlende Teil nachgeholt werden können. Nur, das ist leider nicht immer der Fall. Wenn das dann noch mit langen Touren erfolgt, ist es hart. Heute habe ich zwar nur eine kurze Tour. Das hilft doch ein wenig über den fehlenden Schlaf hinweg.

Ein Tag wie heute hatte es zudem schon lange nicht mehr gegeben. Die Sonne scheint wieder einmal und es heiss. Ein Sommer, wie ihn sich viele Leute wünschen. Meine Gefühle sind etwas anders. Gut, seit es auf den Lokomotiven Klimaanlagen gibt, ist es angenehmer bei solchem Wetter zu arbeiten. Lange waren die Gefühle der Lokführer etwas anders, aber auch wir können uns an zeitgemässen Arbeitsplätzen erfreuen. Vorbei sind die Tage mit 50 - 60°C in der Lokomotive aber noch nicht. Gerade dann, wenn die Klimaanlage wegen einer Störung ausfällt.

Ich bin gerade erst aufgestanden. Gestern, nein heute hatte ich um ein Uhr Feierabend und musste dann noch mit dem Wagen nach Hause fahren. Zwar hatte es wenig Verkehr, aber die Strasse war nicht leicht zu befahren. Immer wieder musste ich warten, weil ein Spezialtransport entgegen kam. Aber auch so erreichte ich einmal Erstfeld und somit mein Schlafzimmer. Dieses musste jedoch zuerst noch abgekühlt werden.

Danach war es eine angenehme Nacht und der Schlaf erholsam. Jetzt kurz vor Mittag an diesem Freitag entsteige ich dem Bett, ziehe die Freizeitkleidung an und begebe mich zum Briefkasten. Viel gab es nicht und ausser ein paar Rechnungen gab es kaum etwas Vernünftiges darin. Die Tageszeitung lege ich auf den Mittagstisch. Danach gehe ich ins Büro und lege die Rechnungen auf das Pult. Die behandle ich dann nach Feierabend.

Während dem Essen lese ich, wie sich die Wirtschaft wieder von der Krise erholt und wie es langsam besser werden soll. Danach kommt der Artikel über meinen Arbeitgeber. Die Zeitung ist voll des Lobes und bewundert den Entscheid. Meine Gefühle sind etwas anders, denn das was uns gesagt wurde, macht nachdenklich und weckt Ängste. Gut, noch kann man uns nicht so einfach auf die Strasse stellen, aber als Nomaden behandeln ginge.

Der Standort in Offenburg soll geschlossen werden, dafür plant man nun einen neuen Standort in Mannheim. Alles scheint für uns auf den ersten Blick keine Auswirkungen zu haben, doch letztlich wird das bedeuten, dass es in der Zentralschweiz bei SBB Cargo keine Lokführer Cargo mehr geben wird. Warum soll das Depot Goldau, das wegen Offenburg aufgebaut wurde, noch weiter verfolgt werden, wenn es Offenburg nicht mehr gibt?

Vor etwas mehr als einem Jahr versprach man mir die Zukunft, wenn ich mich auf die Ausbildung für Deutschland einlasse. Alle meine Zweifel zerstreute man mit lobenden Worten über das Konzept für die Zukunft, das auch nach der NEAT bestanden haben soll. Es war eine kurze Zukunft, denn nur kurze Zeit später teilt mir der gleiche Arbeitgeber mit, dass ich diese Ausbildung vergebens gemacht habe. Deutschland soll aus unseren Plänen gestrichen werden. Wann werden wir endgültig gestrichen?

Dass sich so ein Unternehmen, das nun das Vertrauen des Personal vollständig verloren hat, lange behaupten kann, ist ungewiss. Wie würden die Kunden reagieren, wenn man sie einfach so hintergehen würde? Kaum hat man ihnen den Auftrag versprochen und nur kurze zeit später, sagt man, ich will nicht mehr. Genau, der Kunde sucht sich einen anderen Auftragnehmer. Der Arbeiter sucht sich bei einem anderen Arbeitgeber eine andere Stelle.

So ist es und weil heute Freitag ist, lese ich den Stellenanzeiger etwas genauer. Da ist eine Stelle, die mich eventuell begeistern könnte und da sucht ein Arbeitgeber einen Elektromechaniker. Die werden selten gesucht, denn eigentlich gibt es den Beruf nicht mehr. Das habe ich aber gelernt und so könnte ich ja wieder zu meinen Wurzeln zurückkehren. Ja, es ist Arbeit da und nur weil ich meinen Beruf liebe, habe ich nicht angerufen und nach Details gefragt. Etwas Freude im Leben sollte schon noch bleiben.

Die Zeit vergeht und ich muss noch schnell unter die Dusche und mich ein wenig erfrischen. Heute bleibt das Auto in der Garage, denn ich kann mit dem Zug zur Arbeit fahren. Diese Tage sind ausgesprochen selten und oft genug muss mit dem Wagen gefahren werden, weil man nie sicher sein kann, ob es auf den letzten Zug reicht oder nicht. Diese Sorge habe ich heute nicht, denn bei Reisezügen kann man mehr oder weniger sicher sein, denn die sind pünktlich. Zumindest fast immer.

Die Dusche hat erfrischt, die neuen Kleider sind trocken und auch sonst fühle ich mich wieder fit. Lange wird das bei dieser Hitze nicht andauern, denn der Körper kann sich nur mit schwitzen kühlen. Die Wetterpropheten haben von 33°C gesprochen und wollen ausser Sonne keine Abkühlung sehen. Meine freie Zeit neigt sich zudem dem Ende entgegen und ich muss die Mappe satteln und das Haus verlassen.

 

Auf dem Weg zur Arbeit

Kaum habe ich die Türe nach draussen geöffnet bemerke ich, dass ein leichter Wind die Angelegenheit etwas angenehmer macht. Es ist ein angenehmer Tag' und so macht auch die Arbeit spass, denn wer arbeitet nicht gerne bei schönem Wetter. Klar, ich kann Sie verstehen, Ihre Gefühle im Büro sind anders, Sie würden gerne an den See liegen und sich sonnen. Wenn man aber ab und zu draussen arbeitet, ist das schon so, denn niemand rennt gerne durch den Regen.

Der Weg durch das Dorf von Erstfeld ist selten geworden und kaum einmal begehe ich ihn, weil ich zur Arbeit muss. Ich wohne hier und nur noch selten arbeite ich auch hier. Der Anteil in Goldau wurde erhöht und die Tage im alten Depot folgen nur noch alle 12 Wochen. Die Versetzung wird sich so schleichend immer mehr erhöhen und letztlich ist für mich Erstfeld nur noch ein Depot, das mit Erinnerungen verbunden ist, mehr aber nicht. Eigentlich schon schade, aber eben, andere haben sich diese Idee ausgedacht und das Personal fügt sich. Nur, wie lange das noch sein wird, weiss ich selber noch nicht.

Die Autos, die nebenan vor dem Hotel abgestellt sind tragen Nummern aus Belgien, den Niederlanden und aus Deutschland. Es ist Urlaubszeit und die Touristen machen neuerdings auch in Erstfeld halt. Die Gemeinde beginnt sich auf ein neues Zielpublikum einzurichten. Die Stellen der Bahn, die das Dorf wachsen liessen, sind weg, nun muss man andere Lösungen suchen. Tourismus ist sicher ein schweres Geschäft, aber man hat Attraktion, die muss man nur verkaufen.

Der Weg durch die Strassen lässt einem keinen Zweifel mehr aufkommen. Man hört allerlei Sprachen und die Kleidung der Leute ist auf Urlaub getrimmt. Die Touristen bewundern das Dorf und dessen Geschichte. Ob sie sich der Tragweite der modernen Baustelle, die den Dorfeingang seit Jahren ziert, bewusst sind? Wenn die Maschinen abgezogen sind, verschwinden dort die Züge im Berg und kommen erst in 57 km wieder an den Tag. So eine lange Strecke fahre ich bei meiner heutigen Tour nicht einmal am Stück.

Vorbei geht es an leer stehenden Geschäften. Wieder musste eines schliessen und die fehlenden Angebote vermisst niemand. Die Zeiten sind vorbei und man braucht schon gute Ideen um hier etwas aufziehen zu können. Jetzt bleibt es oft beim geschlossenen Laden und den Tragödien, die dahinter stehen. Verblieben im Dorf sind nur noch wichtige Versorger, aber damit hat es sich. Die Grossverteiler beherrschen den Markt hier klar. Sie bieten auch immer mehr Leistungen neben ihrem Kerngeschäft an, das lockt Kunden, auch von ausserhalb.

Der Weg führt mich ja nur zum Bahnhof und ist daher etwas kürzer, als wenn ich ins Depot müsste. Mein Zug fährt gemäss Fahrplan auf dem Gleis zwei. Ich benutze um dorthin zu gelangen die Unterführung und stelle mich auf dem Bahnsteig hin. Dabei blicke ich in Richtung Depot. Die Lokomotiven verbergen sich hinter den Lärmschutzwänden und stehen vor dem Depot, wie zu alten Zeiten. Der Turm, mit dem sich Erstfeld in die Gedanken der Leute prägen will, hat neue Planen erhalten.

Die alten waren vor wenigen Wochen einem Föhnsturm erlegen. Die kräftigen Winde setzten dem Stoff zu und wenn er einmal einen kleinen Riss hat, kann man zusehen, wie schnell es geht. Auch Häuser hatten Probleme, denn es war wieder mal ein Sturm der kräftigeren Sorte. Nach den Jahren habe ich mich an diese Wetterphasen gewöhnt und nervös werde ich nicht mehr. Die Tage mit Föhn sind auch häufiger als früher. Ein Zeichen der globalen Erwärmung?

Nun heute ist es ein angenehmer Wind und wenn ich so herüber blicke, denke ich an die Zeiten, die ich hier damit erlebte, die Loks an die Züge zu stellen und als alles begann. Jung und voller Tatdrang war ich damals. Nach 20 Jahren kann man auf viele Erlebnisse zurückblicken und einige davon habe ich auch in meinen Touren niedergeschrieben. Das wird sicherlich einmal enden und dann, ja dann wird die Zukunft beginnen. Wie die aussehen wird, weiss ich nicht, denn noch ist alles möglich.

Die Ansage in den Lautsprechern beginnt zu laufen. Der Zug nach Arth-Goldau, Luzern und Basel wird angekündigt und die Reihung der Wagen angegeben. Auch hier ist es der Computer, der alles automatisch steuert. Die Texte wurden von speziell geschulten Damen gesprochen. Für jede Sprache war es eine andere Dame. So sind alle Texte in vier Sprachen hinterlegt und können abgespielt werden, wie ein Tonband. Hier in Erstfeld begnügt man sich mit Deutsch, das obwohl das Tessin so nahe ist.

Die Leute begeben sich aus dem Schatten an die Sonne. Sie wissen, wo die Wagen mit Klimaanlage eingereiht wurden. Ich kann mich hier im etwas kühleren Schatten halten, denn mein gewünschter Wagen wird hier zum stehen kommen. Die Zeiten, als auch ich einen freien Platz in der zweiten Wagenklasse suchen musste, sind vorbei. Dieses Privileg konnte man erst nach ein paar Jahren und der entsprechenden Beförderung geniessen. Ich hatte mir dieses Recht also zu erarbeiten. Heute geht das einfacher.

Ich steige ein und nehme in einem freien Abteil platz. Jetzt darf ich das Privileg geniessen und kann mich am bequemen Sitz erfreuen. Nur kurz wird die Fahrt sein, denn in Arth-Goldau muss ich noch weiter nach vorne, wo der Sitz nicht mehr so bequem sind wird. Nur, bis es soweit ist, ruhe ich mich ein wenig im kühlen Wagen aus. Das geht im klimatisierten Wagen sehr gut und ein paar Rätsel sind noch zu lösen. So dauert der Weg nicht lange. Zumindest fühlt man so.

Die Fahrt als Reisender ist kurzweilig, auch wenn ich nicht mehr aus dem Fenster sehen muss, ich kenne die Gegend und auch die einzelnen Gebäude entlang der Strecke überraschen mich nicht. Verändern tun sich nur die Schotterhügel der Baustelle und alles was damit gebaut wird. Die Portale des Tunnels, neue Brücken und so weiter. Nur, was ich weiss, gilt nicht für alle Leute im Zug, denn auch hier hat es Touristen. Sie reisten aus dem fernen Osten an, das Aussehen ihrer Gesichter unterscheidet sich halt, was aber nicht schlimm sein darf.

Immer wieder wird freudig über entdeckte Bereiche berichtet. Die Kirche von Flüelen, oder das Schiff, das gerade losgefahren ist sind besonders beliebt. Der See, der immer mehr zum Paradies für Surfer wurde, erweckt immer wieder neue freudige Kommentare. Die Tellsplatte, an der dieser Zug soeben vorbei fuhr, bemerkt man jedoch im Abteil nebenan nicht. Auch das Rütli, die Geburtswiese der Schweiz blieb auf der anderen Seite des Sees unbemerkt. Der Unterschied zum Schweizer gibt es doch, denn der sollte diese Stätte der Geschichte kennen.

So erreicht der Zug Brunnen und das Ende der Seenlandschaft. Hier in der Talebene von Schwyz hat die Zukunft bei der Bahn noch nicht begonnen. Geht es nach den Politikern im Kanton Uri, soll der Basistunnel hier beginnen.

Natürlich würde er dann etwa länger. Nach den Wünschen der Schwyzer Regierung sollte er aber vor der Rigi und somit auch vor Arth-Goldau beginnen. Die U-Bahn nimmt immer grössere Ausmasse an. Nur, das Geld für solche Megaprojekte fehlt im Land schlicht.

Arth-Goldau wird nun angekündigt. Nun heisst es für mich zur Arbeit gehen. Die schwere Mappe wird wieder in die Hand genommen. Nein, ich stehe noch nicht auf, aber den Fahrplan für die anstehende Fahrt kann ich in der LEA aufrufen und mir so etwas Stress bei der Übergabe ersparen.

Auch das Handy, das ich gestern übernommen habe, kann ich nun einschalten, denn ich benötige es jetzt vielleicht. So bereitet man sich auf die Arbeit vor. Ich mache halt das, was ich schon erledigen kann jetzt, dann muss ich es nicht mehr auf der Lok machen.

Nun kommen die ersten Weichenn des Bahnhofes, der angekündigt wurde und ich begebe mich zur Türe. Eine Türe, die schon von einem eiligen Reisenden belagert wird. Hätte sie sich schon öffnen lassen, hätte er diese wohl schon vor dem Bahnhof geöffnet. Die technischen Einrichtungen, die diese verhindern, funktionieren und so muss auch dieser Herr warten, bis der Zug steht. Zudem so eilig wird es wohl nicht sein. Gut, ich wüsste ihm zu helfen, denn auch diese Sperre kann mutwillig umgangen werden.

Der Zug kommt nun zum stehen und die Türe wird geöffnet. Nein, der Herr rennt nicht, wie vom Teufel gejagt davon, sondern stellt sich gemütlich neben den Wagen und zündet sich eine Zigarette an. Ein Raucher, der das Rauchverbot sicherlich nicht begrüsste und der scheinbar auf den Zugfahrten leidet. Das nenne ich wirklich Entzug, schon schlimm solche Suchten, die man nicht mehr im Griff hat. Ich wende mich ab und gehe nach vorne zur Lokomotive, die Arbeit ruft.

 

Schnellzug Arth-Goldau - Luzern

Die Übergabe ist kurz und routiniert verlaufen. Der Kollege teilte mir mit, dass bis auf die Klimaanlage alles normal funktioniere. Ich frage ihn, was denn an der Klimaanlage nicht in Ordnung sei? Er meint, er wisse es auch nicht, aber das Teil funktioniere, wie es solle. Da hat er recht, das kann sich nur um einen Störung handeln, denn normalerweise ist immer ein Fehler auf der Anlage und wir können zu den bewährten Mitteln zur Kühlung greifen.

So erwartet mich aber nun ein angenehm wirkender Arbeitsplatz. Die Regelung lässt die Temperatur immer noch auf weit über 20°C aber sie liegt unter den Werten von früher und das ist schon ein gewaltiger Fortschritt. Meine Mappe stelle ich an den üblichen Platz. Der sollte nicht störend wirken und trotzdem sollte ich leichten Zugriff haben. Danach entnehme ich die vorbereitete LEA. Platz im entsprechenden Halter habe ich wirklich genug, denn die Lokomotive gehört dem Personenverkehr.

Die Geräte meiner Kollegen beim Personenverkehr sind grösser und viel schwerer als mein Leichtgewicht, das zwar auf einem hohen Alter ist, aber immer noch funktioniert.

Die neuen Geräte sollten sich anscheinend im Test befinden, aber noch müssen die bisherigen Geräte den harten Alltag bei der Eisenbahn durchhalten.

Der Blendschutz unserer Lokomotiven fehlt, das kann bei der starken Sonneneinstrahlung durchaus noch zu Problemen mit der Sichtbarkeit führen. 

Egal, bis Luzern wird es schon gehen. Zudem ist mein Akku voll geladen. Die alten Ladegeräte, die uns die Arbeit erleichtert haben, sind entfernt worden.

Im Verdacht haben wir unsere Kollegen, die es gar nicht gerne sehen, dass wir auf Reisezügen eingesetzt werden. So weit sind wir, dass sich Lokführer die Arbeit neidisch sind.

Eigentlich könnten wir uns einige Ladegerät borgen, nur das muss auch noch mitgeschleppt werden, was auch wieder schlecht ist, denn die Mappe ist schwer genug. Meine Akkus sind aber voll und so sollte es für diese Tour reichen. An zwei Tagen geht das nicht mehr und ich muss das Gerät zu Hause aufladen.

Da ich den Zug schon vorher aufgerufen habe, kann ich das Gerät nur öffnen und habe alle Daten bereit. Abfahrt ist in ein paar Minuten. Noch habe ich Zeit, meine privaten Daten in der Agenda zu erfassen. Ich habe es mir angewöhnt einige Eckdaten zu den Zügen zu notieren. Die Nummer der Lok gehört klar dazu. Es ist die 11229. Aha, dass ist doch die mit den LED als Lampen. Warum fiel mir das nicht eher auf?

Stimmt, ich habe mich ja in Erstfeld nicht geachtet und hier bei der Übernahme ging ich direkt zum Kollegen. Gesehen habe ich die Lok schon öfters, aber damit gefahren bin ich noch nie. Nun, die Bedienung ist gleich, da brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Die neuen Lampen werde ich dann in den Tunnels vor Luzern testen. Das ist ja auch die Idee dieser Lokomotive. Ob diese Beleuchtung eingeführt wird, weiss noch niemand. Die ersten Reaktionen sind verschieden und reichen von schlecht bis überraschend gut.

Die Zeit für die Abfahrt ist gekommen. Nun kann ich mich auf die Fahrt konzentrieren. Das Signal zeigt Fahrt, die Daten des ZUB 121 sind in Ordnung, die Abfahrerlaubnis ist erteilt und weitere wichtige Punkte, die ich hier nicht aufführe, sind im Géstes Metier enthalten. Wir sollen uns daran halten, nur merken kann man sich diese Listen nicht, dazu sind sie zu lang geraten. Der Lokführer wird zum Roboter, der nur noch ein vorgekautes Programm abspult. Denkende Mitarbeiter sind in Zukunft wohl nicht mehr vorgesehen.

Egal, das Signal zeigt Fahrt, die Türen sind geschlossen und keine Sicherheitseinrichtung hindert mich an der Fahrt. Es kann losgehen, ob das in einer Liste so steht oder nicht, ist mir egal, es stimmt alles und so soll es sein. Nächster Halt ist gemäss meiner LEA Luzern. Eigentlich müssten wir uns das laut sagen. Die Fahrgäste hören es zum Glück je nicht, denn sonst hielten sie uns für blöd, oder was auch immer. In Luzern ist noch kein Zug durchgefahren. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Grund auch hier das fehlende Geld.

Im Rückspiegel sehe ich, dass sich ein Gast an der Türe versucht. Ja, jetzt ist es zu spät, denn der Zug rollt und anhalten werde ich nicht mehr. Brächte auch nichts, denn die Türen würden blockiert bleiben. So aber kann ich zufahren und die ablenkenden Weichen passieren. Die Wagen folgen willig. Es ist ein normaler Zug, ohne Zusatzwagen und ohne weitere Besonderheiten. Das gilt auch für die Bremsen und deren Wirkung.

Der Fahrt entlang der Rigi steht nichts im Weg. Die Re 4/4 II hat mit den Wagen auch dank dem Gefälle kein Problem. Als die Geschwindigkeit langsam gegen 80 km/h ansteigt, beginne ich mit dem bremsen. Dazu benutze ich jetzt die Luftbremse, denn ich muss mich von der Funktion überzeugen. Ich kann die Bremse wieder lösen. Nein, das lasse ich wohl besser, denn vor mit tauchen zwei orange Lichter auf. Ich ergänze noch mit der elektrischen Bremse.

Vor dem Spurwechsel Brunmatt komme ich zum stehen. Das Signal lies sich nicht erweichen und blieb rot. Ein Güterzug kommt entgegen. Erst danach kann ich weiter fahren, denn es wird gebaut und so gibt es nur ein Gleis. Das ist so und ich kann wieder beschleunigen. Die Kreuzung hat mich ein paar Minuten gekostet. So muss ich nun Schnellfahrt machen. Nein, auch wenn das viele meinen, schneller als erlaubt fahre ich dabei nicht.

Das heisst für die Station Immensee, dass ich nur mit 80 km/h fahre. In der Gegenrichtung sind 95 km/h erlaubt. Letztlich bedeutet das, dass die Weichen problemlos auch in dieser Richtung mehr erlauben würden.

Doch Vorschrift ist Vorschrift und daher belasse ich es bei der tieferen Geschwindigkeit, Ich muss andere Lösungen suchen um die Verspätung die trotz der Kreuzung nur knapp zwei Minuten beträgt, einzuholen.

Klar der Fahrplan hilft mir dabei auch. Zudem sind Reserven eingebaut, die ich nun nutzen werde. Dazu gehört jetzt auch die Beschleunigung auf der Talfahrt. Normalerweise könnte man hier den Zug einfach rollen lassen.

Nur, dank der Beschleunigung gewinne ich ein paar Sekunden. Oft ist es halt ein Kampf um Sekunden. Mehr liegt wirklich nicht mehr drin, zu eng sind die Toleranzen geworden.

Wenig später, wenn ich auf die Kurve vor Rotkreuz bremsen muss, mache ich es dann umgekehrt. Statt dass ich die Steigung nutze, ziehe ich und bremse dann stark auf die Kurve. Zwar schwindet so der Rückstand, aber auch der Komfort leidet.

Letztlich sind hier die Geschicke des Lokführers gefragt, er muss diese Gratwanderung bestehen und so komfortabel und pünktlich fahren. Der gute unterscheidet sich nun vom schlechten Lokführer.

Nun ich machte meine Arbeit gut, denn dank den Reserven passiere ich Rotkreuz wieder pünktlich. Die Weichen auf der Ausfahrt erlauben 90 km/h, danach kann ich bis zur maximalen Geschwindigkeit dieser Lokomotive beschleunigen. Mit 140 km/h geht es dann in Richtung Luzern. Die Weichen sind vorbei und ich kann beschleunigen. Das mache ich mit hohen Strömen. Genau in dem Moment, wo ich die 140 km/h erreiche, fahre ich durch Gisikon-Root. Schneller ging es wirklich nicht mehr.

Ich schalte nun ab und lasse den Zug auf den nächsten Kilometern rollen. Richtig, ich mache auf fauler Lokführer und lasse den Zug rollen. Ich bin ja pünktlich und muss nicht rasen. Die Geschwindigkeit beginnt langsam zu sinken. Das ist gewollt, denn auf dem nächsten Bahnhof sind nur 125 km/h erlaubt. Diese werde ich dann wohl nicht mehr haben. Aber ich bin immer noch schnell genug, denn dem Rootsee entlang darf nur mit 90 km/ h gefahren werden.

So weit bin ich noch nicht. Die lange gerade Strecke hat erst begonnen. In der Gegenrichtung hat gerade eine S-Bahn der Gegenrichtung in Root D4 angehalten. Das sind immer wieder gefährliche Situationen. Immer wieder versuchen lebensmüde Leute über die Geleise abzukürzen und nicht die vorgegebenen Wege zu benutzen. Ich komme mit 135 km/h daher gefahren, wenn dann die Leute hinter dem Gegenzug auftauchen, reicht dann der Weg zum bremsen nicht mehr. Gut, dass heute die Leute vernünftig sind. Ich kann beruhigt weiter fahren und den Zug rollen lassen.

Die verlangten 90 km/h erreichte ich etwas früher, ich fing den Zug ab und begann wieder leicht mit dem Aufbau der Zugkraft. So geht die Geschwindigkeit elegant auf und ich muss nicht wieder beschleunigen, weil ich zu spät gebremst habe. Die Zeit stimmt auch und so hatte ich die letzten Kilometer kaum Energie verbraucht. Jetzt muss ich etwas Zugkraft aufbauen und die Geschwindigkeit zu halten.

Nun gelten zudem andere Gesetzte, denn dieser einspurige Abschnitt sollte so kurz wie möglich belegt sein. Das heisst, dass ich maximale Geschwindigkeit fahre. Die Strecke hier ist sehr dicht befahren und nur ein paar Minuten Verspätung von mir, haben Auswirkungen auf die anderen Züge, die diesen Abschnitt befahren wollen. Daher muss man hier auf möglichst schnelle Fahrt achten, denn nur so kann der andere Zug diesen Abschnitt auch pünktlich befahren.

Die Dienststation Gütsch kommt und die Ausfahrt ist noch geschlossen, ich bremse den Zug ab. So habe ich gleich zwei Vorschriften erfüllt. Erstens muss ich auf ein rotes Signal hin bremsen und andererseits vor dem Bahnhof Luzern die Funktion der Bremsen prüfen. Gerade diese Prüfung geht immer wieder vergessen, nur das darf nicht sein, daher nutze ich diese Gelegenheit und lasse die elektrische Bremse für einmal in Ruhe. In Luzern geht es auf einen Prellbock und mit dem will ich mich nicht anlegen.

Die Signale haben nachgeschaltet, ich kann langsam weiter fahren noch habe ich eine Überwachung, die mich auf 40 km/h beschränkt. Würde ich meiner Euphorie freien Lauf lassen, würde ich wieder gebremst. So muss ich halt warten, bis die Beschränkung aufgehoben ist. Das war dank der ZUB-Schleife vor dem Signal der Fall und ich kann beschleunigen. Auch gegen Luzern muss voll gefahren werden, denn diese Strecke ist auch dicht belegt, den im Bahnhof Gütsch treffen vier Strecken zusammen, da kommen die Züge und müssen sich nun einreihen.

Es dauert nicht lange, und das Vorsignal zur Einfahrt Luzern taucht vor mir auf. Ich muss auf 40 km/h abbremsen. Schneller darf nicht gefahren werden. Später sind dann nur noch 30 km/h erlaubt. So wird es immer langsamer, bis der Zug vor dem Prellbock steht. Ich fahre zudem mit meinem Zug auf dem Gleis 7 ein. Dort ist ein weiterer Versuch eingebaut worden. Der soll verhindern, dass wir nicht halten und in den Prellbock fahren. Mal sehen, ob ich es bis zum normalen Halteort schaffe, denn viel vertrauen in diesen Versuche habe ich nicht. Ein Halteort, der so nahe am besagten Prellbock sein soll, wie nur möglich, geht nicht immer mit der Überwachung auf.

Die Bremsung hat geklappt, der Zug kommt etwa drei bis vier Meter vor dem Prellbock sanft zum stehen. Die Überwachung blieb ruhig, man kann also immer noch normal einfahren. Ich drücke mit der Lokomotive gegen den Zug und schalte die Lok aus und senke den Stromabnehmer. Meine Arbeit ist fast getan, noch muss ich die Griffstangen für den Kollegen reinigen und dann dem Kollegen die Informationen geben, aber das ist längst Routine geworden.

 

Bahnhof Luzern und ein Lokführer

Ein Blick in meine Notizen, die ich in meiner Agenda abgelegt habe, zeigt mir, ich habe nun knapp eine Stunde Zeit, bis ich mich wieder um den nächsten Auftrag kümmern muss. Eine Stunde, in der ich allerlei erledigen kann, wozu ich sonst die Freizeit hätte opfern müssen. Kaum noch haben wird solche Möglichkeiten. Es hat doch noch Vorteile, wenn man beruflich in die grösseren Städte kommt. Seit die Firma in mehrere Bereiche aufgeteilt wurde, sind solche Leistungen für uns von SBB Cargo selten geworden und wir finden uns in den Rangierbahnhöfen wieder.

Bevor ich meine Angelegenheiten erledigen kann, sollte ich mich von meiner Mappe verabschieden. Die Räumlichkeiten für das Lokomotivpersonal befinden sich hier hinter verschlossenen Türen. Leider sind diese Türen immer mehr auch für uns vom Cargo geschlossen. Auch die Kollegen von früher scheinen sich heute gegen die Lokführer vom Cargo zu wehren. Dabei wollen wir ja nur unser Werkzeug sicher bewahrt wissen. Aussätzige sind wir ja nicht, denn wir machen ja auch nur unsere Arbeit.

An einer gewerkschaftlichen Veranstaltung habe ich das einmal bemängelt. Da war natürlich klar die Idee, es ist nicht so. Mittlerweile sollte auch für uns das Schloss auf einfache Art zu überwinden sein. Klar, den Türcode könnte ich auch benutzen, aber das Passwort habe ich vergessen und in der LEA nach den Hinweisen suchen mag ich vor dem Publikum auch nicht. Dumm, dass Luzern nicht Zürich ist, denn unser Schlüssel, der in Zürich viele Türen öffnet, geht hier logischerweise nicht.

Bleiben mir nur noch zwei Möglichkeiten. Einerseits ich hoffe einen Kollegen zu treffen, der mir hilft, oder aber ich versuche mein Glück mit dem Batch, den wir an den Automaten nutzen um ohne Bargeld Getränke zu beziehen. Dieser ist bei den Kollegen vom Personenverkehr auch als Türschlüssel zu gebrauchen. Unser sollten eigentlich frei geschaltet sein. Es blieb beim sollten, aber zum Glück kennen mich viele Kollegen auch hier in Luzern.

Die Mappe hat einen Platz gefunden und ein paar jüngere Kollegen bewundern mich, wie wenn ich von einem anderen Stern wäre. Für die bin ich mit meiner alten LEA wohl ein Relikt aus vergangenen Tagen. Ein Oldie, der ins Museum gehört. Doch immer wieder findet sich einer der älteren, der fragt, wie geht es Euch im Cargo und was machst Du hier in Luzern? Es geht, die Arbeit in der Nacht ist nicht leicht und ab und zu haben wir noch Reisezüge, damit wir auch die Sonne wieder einmal sehen können.

So ist es, seit wir die Teilung haben, freuen wir uns an mehr freien Sonntagen, dafür haben die Kollegen beim Personenverkehr weniger und auch leichterer Nachtdienste. Alles in allem für beide unbefriedigend, aber was soll ich ändern, da gibt es andere, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wenn ich dann die jungen Lokführerinnen sehe, die elegant gekleidet herum laufen, denke ich mir, wie sie sich mit einer schweren Kupplung bemühen.

Ja, das sind neue Zeiten und eigentlich wollte ich ja in die Stadt. In der LEA, die hier, wo das schwere und teure Nachfolgemodell verwendet wird, schon fast antik wirkt, schaue ich den Türcode nach. Bin halt doch schon etwas nostalgisch angehaucht. Nein, wir bekommen die neue Maschine nicht, sie ist für Cargo nicht zu finanzieren. So bleibt uns halt nichts anderes übrig und die alte Kiste hegen und pflegen. Meinen Türcode habe ich, ich kann in die Stadt und komme danach wieder zu meiner Mappe.

Meine geplanten Einkäufe halten sich in Grenzen, die kann ich nicht alle tätigen, denn ich habe ja keinen Platz mehr in meiner Mappe. Die Informationen, die ich aber wollte, habe ich bekommen und kann mir noch meine Gedanken machen. Einkaufen kann ich das Gerät oder das Teil noch später, aber die Infos mussten eingeholt werden. Ich blicke auf die Uhr und erkenne, dass ich langsam zurück zum Bahnhof muss, denn ich bin ja nicht am Stadtbummel, sondern bei der Arbeit.

Der Weg durch die Stadt ist nicht weit, aber trotzdem wirke ich unter all den Touristen wie ein Exot. Der Mann mit den langen Hosen, den schweren Schuhen wirkt zwischen all den Leuten mit kurzen Hosen, Slipper und ohne Socken wie ein Relikt aus der alten Zeit. Auf jeden Fall, denn Japanern scheint es zu gefallen. Besonders jenen auf der Seebrücke. Dort ist aber bald etwas anderes, was die Leute beeindruckt.

Ein Dampfschiff nimmt Anlauf auf die Seebrücke. Ein tägliches Landemanöver beginnt und das heute unter den wachsamen Augen einer Reisegruppe aus dem fernen Osten. Auch ich schaue mir das Manöver an. Es wirkt schon beeindruckend. Vor allem dann, wenn man nicht weiss, was passiert. Daher kann ich es ruhig angehen lassen. Zudem die Reisegruppe wird gleich einen grossen Schock erleben und diesen Spass werde ich mir nicht entgehen lassen.

Der Dampfer scheint keine Anstalten zu machen, die Fahrt zu verlangsamen. Mit vollem Tempo nimmt er Anlauf auf die Brücke mit den Leuten darauf. Während die Touristen zunehmend nervös werden, passieren die Einheimischen den Punkt ohne einen Blick auf das riesige Schiff zu werfen, dass demnächst die Brücke rammen wird. Immer blasser werden die Touristen und einige suchen bereits das sichere Widerlager auf. Scheinbar trauen sie der Sache doch nicht.

Nahezu unbemerkt von den Zaungästen erkenne ich, wie die Ruder stehen bleiben. Das Schiff kommt bald zum stehen. Nur kurze später drehen die Ruder wieder in vollem Tempo, nur diesmal Rückwärts. Das Schiff wird so gebremst und bäumt sich vor der Brücke auf, als wollte es seine Grösse noch mehr zur Geltung bringen. Dann steht alles still, die Touristen, die Ruder und das Schiff. Landemanöver geklappt!

Ja, eine Schifffahrt wäre auch wieder etwas, nur seit man beschlossen hat, die Dampfschiffe nicht mehr regelmässig nach Flüelen fahren zu lassen, lohnt es sich nicht mehr. Ich bleibe also weiter bei den Zügen. Die sind schneller und umsteigen muss ich da zwar auch, aber nicht immer. So bleibt es halt beim Wunsch und ich glaube, dass ich nicht alleine so denke. Denn man hört im Kanton nicht viel Gutes von Fahrplan der Schiffe auf dem Vierwaldstättersee. Vor allen dann, wenn man in den Urnersee fahren will und das nicht ab Brunnen.

Zum Bahnhof ist es ja nicht weit und ich gehe gleich zu meiner nächsten Arbeit. Dazu benötige ich die Mappe nicht, denn ich verlasse den Bahnhof mit dem Zug noch nicht. Eine Ablösung mit anschliessender Vorbereitung stehen trocken gesehen auf dem Programm. Etwas, was schon lange vertraut ist, nur der Bahnhof ist etwas speziell, denn in Luzern machen wir das nicht mehr so oft wie früher. Aber das kennen Sie ja bereits. Ich kenne den Bahnhof so gut, dass ich auch weiss, wo ich hin muss.

 

Luzern - Luzern aber ohne Halt

Zuerst fährt ein Zug der BLS im Gleis ein. Der RBDe 565 ist zwar immer noch rot, wie früher bei der RM, aber mittlerweile ist er halt BLS angeschrieben. Geändert hat sich in all den Jahren also nur der Name. Die Züge blieben die gleichen, der Weg, den die Züge nehmen und das Personal änderte man auch nicht. Die Grussbereitschaft der Kollegen dieser Züge scheint sich nicht verbessert zu haben. Der Kollege verlässt seinen Zug, läuft an mir vorbei und sagt kein Wort. Aber eben das kennen wir, wir von der SBB sind halt nicht würdig, mit einem ehrbaren Herrn der Privatbahn zu sprechen.

In wenigen Augenblicken wird dann ein FLIRT einfahren und den übernehme ich dann. Doch bis es so weit ist, sind da einige Leute, die gerne Informationen einholen würden. Mangels Stationspersonal fragen sie jene Person, die sie bei der Bahn vermuten, den Lokführer, der gerade zur hand ist. Wer durch die Schweiz fährt kennt sich aus. So bin auch ich wieder einmal das Opfer. Was sie denn gerne wissen möchten?

Ach so, bei der Fahrplantafel steht, dass auf diesem Gleis die S-Bahn in Richtung Entlebuch stehe, aber der gewöhnliche Zug sei ja mit bitte nicht einsteigen angeschrieben. In der Halle sei es heiss und sie möchten in den kühlen Zug sitzen. Ein Blick zum Zug verrät mir, sie haben recht nur, mit dem kühlen Zug habe ich meine Zweifel, denn ich glaube kaum, dass dort schon eine Klimaanlage eingebaut wurde.

Die Auskunft kann ich wirklich nicht geben, denn den gesamten Fahrplan im Kopf kann ich nicht haben. Da müssten sie schon in der heissen Halle warten. Zudem, ich müsse weiter, denn meine Arbeit komme nun. So ist es, denn der FLIRT hat sich unbemerkt an uns heran geschlichen und hält schon bald neben mir. Ich erkundige mich beim Kollegen ob alles in Ordnung sei. Wir machen also die übliche Übergabe.

Er steigt aus und ich verriegle die Türen. So steigt niemand ein, denn auf die Worte bitte nicht einsteigen reagiert schon lange niemand mehr. Danach beginne ich mit der Kontrolle im Zug. Die vielen Zeitungen, die einfach auf den Sitzen liegen gelassen wurde, nehmen einen rechten Stapel auf meinem Arm an.

Weit tragen muss ich sie ja nicht, denn es gibt keine spezielle Ablage dafür und so lege ich sie auf die Hutablage. Warum die Leute, die sich mit diesen Gratiszeitungen eindeckten, die nicht dort ablegen können, entzieht sich meiner Kenntnis. So sammeln wir halt ein, was andere liegen lassen.

Eine kleine Gruppe hat sich in der zweiten Wagenklasse gemütlich eingerichtet. Die scheinen ein kleines Fest zu veranstalten. Ich erkundige mich, ob sie nicht aussteigen wollen. Nö, Sie fahren mit dem Zug gleich weiter.

Aha, das geht aber nicht, da der Zug nicht weiter fährt. Eine kleine Diskussion entbrannt, ich erkläre letztlich, dass der Zug von Luzern nach Luzern fahre, dies aber ohne Halt. Sie müssten schon einen anderen Zug nehmen. Das wirkt, sie erheben sich langsam.

Dann würden Sie wohl im falschen Zug sitzen, denn in Rotkreuz halte der auf keinen Fall. Das wirkt endgültig und die Personen steigen endlich aus. Das geht aber nur, weil ich die Türe für sie geöffnet habe. Die Verriegelung lasse ich eingeschaltet, damit niemand in den Zug steigt und ich von vorne beginnen kann. Die Suche nach vergessenen Reisenden kann also weiter gehen. Am Ende stehe ich vor einer Türe, es scheinen nun wirklich alle ausgestiegen zu sein.

Die Türe zum Führerstand kann ich dank dem speziellen Schlüssel öffnen. Die FLIRT haben spezielle Abdeckungen über den normalen Vierkant. Das soll wirksam verhindern, dass neugierige Reisende sich den Zugang zum Führerstand verschaffen. Es ist aber auch ein weiterer Schritt um die Lokführer von SBB Cargo aussen vor zu halten. Dazu gibt man ihnen einfach den passenden Schlüssel nicht ab. All das klappte bei mir nicht, denn ich habe einen bei der Fahrzeugschulung erhalten.

Die einzelnen Schritte bei der Inbetriebnahme eines solchen Zuges sind längst zur Routine geworden und gehen schon fast automatisch von sich. Die Parkstellung muss man als erstes aufheben, dann die Bremsen prüfen und kontrollieren, ob eine Störung am Fahrzeug anliegt. Die Eingaben für das ZUB 121 und das Ansagesystem unterlasse ich. Ich will ja nicht als Zug verkehren und so brauche ich bei Einrichtungen nicht. Zum Schluss drücke ich noch auf die Taste mit dem M und schalte so die Überbrückung der Zugsicherung und das ZUB ein.

Diese beiden Einrichtungen muss ich überbrücken, weil ich ja an den roten Signalen vorbei fahren muss. Das im Rangierdienst so üblich und die Zwergsignale besitzen keine Überwachung. So überbrückt man die Sicherung und schon kann man die verlangte Arbeit ohne ständige Störungen erledigen. Die Handlungen, die ich machen muss, bis ich wieder fahren kann, nehmen knapp eine Minute in Anspruch, denn viel ist es ja wirklich nicht. Die Fahrzeuge sind schnell einsatzbereit, aber das natürlich auch nur, wenn man sie gut kennt.

Als ich bereit bin, erkläre ich dem Bahnhof Luzern meine Bereitschaft. Dank dem GSM-R-Funk kann ich das einfach machen. Ich muss nicht einmal nachsehen, welchen Kanal ich wählen muss, ich drücke einfach auf die vorgegebene Taste und erhalte dann den zuständigen Fahrdienstleiter. Was so einfach klingt und hier auch tadellos funktioniert, kann bei komplizierten Anlagen schon zu falschen Verbindungen führen, darum müssen wir dort spezielle Kurzwahlnummern benutzen.

Das kurze Manöver kann nun beginnen und die Erlaubnis zum losfahren habe ich jetzt ja auch. Ich darf mit dem FLIRT bis zum Zwergsignal, das am Ende des Gleises ist, vorziehen. Das mache ich auch gleich, lange warten sollte man nicht. Dazu stelle ich die Geschwindigkeit mit dem dazu vorgesehenen Schalter auf 30 km/h ein. Danach schiebe den Hebel für die Zugkraft sanft nach vorne. Der Zug rollt langsam los und wird schneller.

Die Leute, die dem Zug hinterher spurten, ignoriere ich dabei einfach, denn ich fahre ja nur neben das Depot und dorthin nehme ich wirklich keine Leute mit. Es ist immer wieder überraschend, wie schnell ein intelligenter Mensch blöd werden kann. Rennt einer dem Zug nach, machen das alle, obwohl überall steht, dass man doch nicht einsteigen soll. es gab Zeiten, wo ich noch versuchte das zu verstehen. Doch mittlerweile habe ich das aufgegeben.

Am Ende des Gleises zeigt das Zwergsignal noch auf Halt. Scheinbar sind noch Züge unterwegs und die haben natürlich Vortritt. Ich muss also wieder anhalten und kann meine Fahrt erst später fortsetzen. Warten ist angesagt, denn zuerst fahren noch die an den Fahrplan gebundenen Züge aus. Da ist so üblich und Zeit habe ich genug, denn noch muss der Zug hinter mir nicht raus und mein FLIRT wird noch nicht benötigt. Angenehm, wenn man sein Geld so einfach verdienen kann. Nur, die Rechnung hatte ich ohne die Kundschaft gemacht.

Plötzlich klopft es am Fenster. Eine jüngere Frau mit hochrotem Kopf und wütendem Blick wettert, „die Türe auf, wenn ich schon extra anhalte, sie wolle auch nach Sursee!!!" Gute Frau, der Zug nach Sursee fährt gerade hinter Ihnen aus einem anderen Geleise aus, dieser Zug werde einfach nur weggestellt und bleibe in Luzern. Dazu habe ich ja angeschrieben "BITTE NICHT EINSTEIGEN". Es ist scheinbar schwer, sie prabelt etwas von sturem Bock und Brief schreiben.

Schön, sie schreibt einen Brief über diese arroganten Vollidioten von Lokführern, die die Kundschaft nicht einsteigen lässt. Dabei droht sie natürlich, dass sie in Zukunft das Auto nehmen werde und dass der Lokführer schwer abgestraft werden muss. Mein Chef fragt dann und ich weiss natürlich wieder einmal von nichts, denn es war ja nichts, der Zug war korrekt beschriftet und nach Sursee fuhr er nun wirklich nicht. Nur, wenn sie die Wegweiser gleich gut liest, wie die Anschriften am Zug, wird sie Sursee wohl nie finden.

Seit die Leute halt nicht mehr lesen können, haben wir mit solchen Problemen zu kämpfen. Früher war vieles einfacher, da sahen die Leute die Anschrift und das war es dann schon. Ich bin der Meinung, dass an den Schulen wieder lesen unterrichtet werden sollte. So wüssten die Leute, was "bitte nicht einsteigen" bedeutet und dass dieser Zug nicht zugänglich ist. Aber so, können wir uns nur jedes mal rechtfertigen und begründen, warum wir nicht das richtige Gefährt sind.

Das Zwergsignal zeigt endlich fahrt, ich kann die Fahrt neben das Depot nun antreten. Die Handbewegung hinter mir, lässt mich vermuten, dass der Herr, der verzweifelt versucht hatte, die Türen zu öffnen, mich am liebsten umbringen würde. Ja, ich freue mich schon wieder auf den ersten Güterzug, denn da spielt es keine Rolle. Container sind eine angenehmere Kundschaft und scheinbar können die lesen. Vielleicht hatte ich einfach nur Pech und alle Idioten haben mich heute ausgesucht.

Weit ist es bis zum Abstellgeleise nicht, denn der Weg ist nur kurz und im Zielgleis sollte ich nicht zu weit fahren, denn ich muss ja sofort wieder zurück.

Ich verbringe den Zug nach dem Halt in Parkstellung, drehe den Schlüsselschalter auf Null und verlasse den Führerstand wieder. Ich wechsle die Seite.

Einige Zeitungen, die man Dankbarerweise zerlegt auf dem Sitz liegen liess, räume ich noch weg, schliesslich sollte der Zug einigermassen eine Gattung machen.

Ich richte mich im anderen Führerstand erneut ein. An einem speziellen Schalter drücke ich, dass ich wieder fahrbereit bin und dann warte ich, bis vor mit das Zwergsignal erneut auf Fahrt geht.

Hier sind keine Leute, die in den Zug wollen, denn hier gibt es keinen Bahnsteig. Es dauert nicht lange und ich kann wieder in den Bahnhof fahren. Mein Zug, der immer noch mit bitte nicht einsteigen angeschrieben ist, bewegt sich nach meinen Befehlen wieder.

Der Weg ist auch jetzt nicht lange und vor dem Prellbock halte ich an. Ist wohl besser so, denn sonst lese ich meinen Fehler morgen in der Zeitung. Die ganze Welt hält mich dann für einen Versager, einen Taugenichts, der ja nie etwas richtig machte. Das ist das Los der Lokführer und so lange wir die Arbeit korrekt machen, fragt niemand nach, wie es uns geht. Nach dem Fehler kommen dann die Vorwürfe. Meist von jenen, die das nicht können und nicht einmal wissen, dass ein Lokführer und ein Zugführer nicht die gleiche Person sind.

Nun gebe ich die Türen nun wieder frei, schalte das Licht im Zug ein und verbringe den Zug in die Parkstellung. Alles andere übernimmt dann der andere Zug, der noch nicht hier ist. Ich verlasse den Führerstand, denn ich muss auf der anderen Seite nach dem rechten sehen. Die Anschrift des Zuges hat noch nicht auf den richtigen Fahrweg umgeschaltet trotzdem steigen die ersten Leute ein. Wollen wohl alle nach bitte nicht einsteigen. Ich glaube ich plane meinen nächsten Urlaub dort, so beliebt der Ort ist. Noch dauert es, bis der Zug losfährt und erst in einigen Minuten wird die Anschrift ändern.

Die Wartezeit verkürze ich mit einem Rätsel. Das war in der Zeitung, die auf einem der Sitzpolster lag. Nicht alle waren zerlegt worden, es gab doch noch ein lesbares Exemplar. Vor mir taucht ein Zug auf. Es ist ein weiterer FLIRT und der wird sich nun mit meinem Zug verbinden. Das macht die Kupplung automatisch und ich kann nun den Zug verlassen, denn jetzt ist er der hintere von zwei Zügen und erhält alle Informationen vom anderen Zug. Mich braucht es nicht mehr.

 

Pause in Luzern

Nun beginnt meine offizielle Pause. Keine sehr lange Pause, aber eine offizielle kurze Pause. Das wäre eigentlich die Zeit, die ich für das nutzen könnte, was ich schon in der bezahlten Zeit davor gemacht habe. Aber da ich etwas Hunger habe, gehe ich wohl besser etwas essen. Möglichkeiten gibt es in Luzern ja viele, nur das Personalrestaurant ist zu weit weg, denn in Luzern fehlt es schlicht. Aber es gibt ja das Bahnhofbuffet und die vielen Buden mit allerlei Köstlichkeiten aus der ganzen Welt.

Nur, wie wäre es, sich einfach einmal an der Promenade etwas hinzusetzen und die Gedanken schweifen zu lassen. Die ruhigen Minuten, das schöne Wetter und die liebliche Landschaft im Hintergrund zu geniessen. Keine Leute, die mich beschimpfen oder verfängliche Gesten machen. Alles würde passen und nichts spricht dagegen, in Luzern das zu machen, was man in Locarno auch macht. Klingt hervorragend, doch der Hunger würde bleiben. Eine Lösung muss noch gefunden werden. Nur, die Auswahl ist gross und so muss ich mich entscheiden.

Ich habe mir etwas einheimisches Junkfood gekauft und so klappt es wunderbar. Das typische eidgenössische Junkfood besteht aus einer gebratenen Servelat, einem Stück Brot und etwas zu trinken. Gewöhnlich wäre es Bier, aber ich muss noch arbeiten und da trinkt man halt keinen Alkohol, sondern Mineralwasser. Gut ist es trotzdem und den Hunger bekämpft es auch. Mehr muss nicht sein, denn das Wetter lockt.

Ach ja, nicht alle sind Schweizer. Dann muss ich etwas ausholen. Nein, warum sollte ich, denn die Wurst ist gut, jeder Schweizer kennt sie und alle andern sollten diese Schweinswurst einmal probieren. Es muss nicht immer der Italiener oder der Türke sein. Wie wäre es, wenn Sie in ihrem Schweizurlaub, einmal zum Schweizer gingen und sich diese Servelat einmal gönnen? Ein etwas anderes Experiment, denn in anderen Ländern speisen Sie ja auch das einheimische Menü.

So bewaffnet begebe ich mich auf den Weg an den See. Der ist ja nicht weit und jetzt besonders schön. Die Idee war gut und die Umsetzung hat geklappt, nur mit der Dauer war das so eine Sache. Die Zeit ist einfach sehr kurz und ich muss ja noch meine Mappe holen, die steht hoffentlich immer noch dort, wo ich sie zurück gelassen habe. Aber so zehn Minuten dürften es doch noch werden. Entspannung pur. Noch kürzer wird es, als ich angesprochen werde.

Es ist ein Kollege, der bis vor wenigen Jahren in Erstfeld gearbeitet hat. Er verliess das Depot nach Luzern und ich ging nach Arth-Goldau. Beide waren also ehemalige und suchten eine neue Herausforderung. Klar, dass man sich bei einem Kaffee austauscht. Es gibt vieles, das besprochen werden muss. Vor allem wie der Start am neuen Ort war. Dabei verabreden wir uns um privat zu sprechen. Dann auch mit einem Glas Alkohol und ohne an die direkte Arbeit zu denken.

Jetzt eilt es und ich mache mich zusammen mit meinem Kollegen auf den Weg in die Aufenthaltsräume. Den Code für die Türe habe ich mir vergebens notiert, denn diese Aufgabe übernimmt mein Freund und der hat ja die notwendigen Berechtigungen. So kommt auch der Cargo-Lokführer wieder zu seinen Arbeitsmitteln. Diese befinden sich immer noch dort, wo ich sie einst gelassen habe. Ich kann also meine Arbeit fortsetzen.

Ein paar Minuten Zeit bleiben mir noch, dann muss ich auf dem Bahnsteig stehen, meine Arbeit übernehmen und dann auf die nächste Fahrt gehen. Luzern – Luzern heisst es erneut, aber diesmal geht es etwas weiter und vor allem ist es nicht ohne Halt. Nur, zuerst muss ich wissen, wo das Gleis ist, wo mein Zug ankommt. Die Infos hole ich am gleichen Ort, wie alle Reisenden. An der grossen Tafel, die in der Halle hängt. Mein Zug kommt ja gerade in dem Gleis wo ich stehe.

Die Pause meiner Tour ist vorbei und jetzt wird wieder gearbeitet. Das Auskunftsbüro Lokführer hat erneut geöffnet und die Massen strömen herbei. Die Fragen zu meinem Zug kann ich beantworten, die Fragen zu einfachen Anschlüssen auch. Nur, wenn es um Auskünfte zu Fahrscheinen und deren Gültigkeit geht, kann ein Lokführer einfach nicht mehr weiterhelfen, denn dazu wurde er nicht ausgebildet. Schlimm war aber jene Person, die mich entgeistert angesehen hat, weil ich nicht wusste, wo ein Kaff liegt, das sie suchte.

So ist der Weg zum Zug nur kurz. Obwohl etwas weiter als gewohnt, muss ich schon, denn auch mein Zug besteht nun aus zwei FLIRT, die zusammen den Zug nach Sursee bilden. Richtig, jetzt fahre ich nach Luzern, wo ist die nette Dame von vorher jetzt? Keine Spur, denn jetzt kann sie ja nicht mehr fasch liegen. Na ja, können tut sie es schon, aber eben, die Gefahr ist etwas kleiner.

Das andere Ende des Zuges ist 150 Meter von diesem entfernt. Ich gehe also noch, bevor der Zug angekommen ist ein paar Meter nach vorne und erwarte ihn dann dort. Lange wird es nicht mehr dauern, denn seine Ankunft wird bereits angezeigt. De entsprechenden hinweise erkenne ich, denn ich mache den Job schon lange und weiss, auf was ich zu achten habe. In Luzern ist es das Teil, in Zürich ein anderes, Aber das sind so unsere Geheimnisse, die ich nicht preisgeben will.

Kurz bevor mein Kollege an mir vorbei fährt hebe ich die Hand und gebe ihm ein Zeichen. Der nach oben gerichtete Daumen zeigt mir an, es ist alles in Ordnung, ich kann also zwei funktionierende Züge für die Fahrt übernehmen. ein kurzer Gruss folgt nach und schon ist der Zug bei mir vorbei. Noch ist es nicht soweit, denn bevor ich einsteigen kann, sollten die ankommenden Reisenden aussteigen. Ich habe Anstand gelernt.

Danach lasse ich den Ungeduldigen den Vorrang. Alle wollen sofort in den Zug und dann muss es exakt ihr Lieblingsplatz sein und wenn schon jemand dort sitzt, ist der Abend im Eimer. Die Probleme habe ich nicht, mein Platz ist frei und es gibt immer weniger, die bereit sind, alle Entbehrungen auf sich zu nehmen um diesen freien Sitzplatz zu ergattern. Hinzu kommt, denn ohne mich fährt der Zug schlicht nicht los.

 

Luzern - Sursee - Luzern zum ersten

Ich richte mich im Führerstand ein. Die LEA stelle ich in den dafür vorgesehen Bereich. Der Akku ist noch voll geladen. Das ist eine Empfehlung der Vorgesetzten, da die Züge von SBB Personenverkehr für unsere alten Geräte keine Ladestationen mehr haben. Zu dumm, wenn dann der Akku leer ist. Notfalls führe ich bei dieser Tour immer noch das private Ladegerät mit. Scheinbar wurden die Kollegen vom Personenverkehr angewiesen, die Lagegeräte für uns zu entfernen. es wird mit allen Mittel versucht zu verhindern, dass auch wir etwas Abwechslung haben.

Verbessern wird sich diese Situation vorderhand wohl nicht, denn wir werden das Gerät, das die Kollegen der Reisezüge mit sich schleppen nicht bekommen. Unser Gerät soll leichter und kleiner sein. Zudem sollen nicht alle Funktionen aktiviert werden. Dumm, wenn ich während der Fahrt nicht mehr private Mails schreiben kann. Gut, mit unserem Gerät geht das ja auch nicht und ich bin gewissenhaft und mache solche Scherze nicht mit.

Aber das heisst auch, dass wir in Zukunft immer noch Probleme mit den Ladegeräten haben werden. Wer glaubt schon, dass zwei unterschiedliche Geräte den gleichen Ladestecker und die gleiche Spannung haben. Ich bin mir Sicher, dass es nicht passen wird. Aber bis das so weit ist, arbeiten wir mit dem alten Gerät und die Firma spart Geld, schliesslich hat ja Cargo keines mehr. Die Arbeiter sind diesmal darüber sicherlich nicht unglücklich.

Ich tippe die Zugnummer beim digitalen Funk ein. Notiert habe ich sie in meiner Agenda. Auch das KIS, das die Ansagen in diesen Zügen automatisch erledigt, weiss, welcher Zug es ist. Ich muss somit nur noch den Funk damit versorgen und natürlich meine LEA. Parallel dazu kann ich die Arbeiten machen, die der Zug noch benötigt. Dazu gehört die obligatorische Bremsprobe. Der Zug bietet mir dazu ein Hilfsmittel, bei dem ich jede einzelne Bremse kontrollieren kann.

Die Bremsen sind in Ordnung, die ZUB-Daten für den Zug sind eingegeben und meine LEA hat die Fahrordnung gefunden und zeigt sie mir an. In einigen Minuten wird die Fahrt losgehen. Noch ist es aber nicht soweit und anhand der Anzeige der Türen erkenne ich, dass Leute einsteigen. Gut ich vermute es, denn ohne die Rückspiegel weiss ich nicht, was hinten passiert. Ausklappen dürfen wir sie ja nicht mehr. Die SBB beschäftigt anscheinend Leute, die das kontrollieren. Darunter leidet zwar der Kundendienst, aber ich bin vor Fehlern geschützt.

Das Signal vor mir wechselt seine Farbe und im Zug läuft gerade die automatische Ansage. Ich höre sie im Führerstand auch und kann kontrollieren, ob wirklich alles stimmt. In wenigen Sekunden wird sich der Zug hoffentlich in Bewegung setzen können.

Die Rückspiegel sind nun ausgeklappt und ich erkenne, wie die Leute zum Zug rennen. Damit ich den Kopf auf der Fahrt nicht zu sehr verrenken muss, stelle ich die Spiegel noch optimal ein.

Die Abfahrzeit ist nun erreicht, hinten steigen immer noch Leute zu und ich kann, ohne die Türen zu schiessen diesen Zug keinen Millimeter bewegen. So bleibt mir nichts anderes, als die Zwangsschliessung einzuleiten.

Die Türen werden dann geschlossen, falls sie keinen Widerstand feststellen. Dumm ist nur, dass die Leute das auch wissen und die Türe mit dem Körper blockieren. So vergehen die Sekunden und mein Zug hat schon leichte Verspätung. Da, ein Fehler und auch die letzte Tür wird nun geschlossen. Jetzt bleibt sie zu.

Die Rückmeldung ist auch da und ich kann den Hebel für die Zugkraft langsam nach vorne schieben. Die Rückspiegel sind immer noch ausgeklappt, die Reisenden spurten sich die Lunge aus dem Leib und stellen resigniert fest, der Zug ist weg. Klar, tun mir diese Leute leid, wer hat nicht schon Probleme bekommen, weil der Zug davon gefahren ist. Nur, irgendwann muss ich fahren, denn sonst kommt der Zug nie an und der Fahrplan ist auch nur noch ein Gespinst in den Köpfen der Leute.

Nachdem der Zug auf 40 km/h beschleunigt hat, schalte ich die Zugkraft ab und leite eine Bremsung ein. Der Zug verzögert und die Bremsprobe auf Wirkung ist auch erledigt. Mit dem FLIRT findet das noch am Bahnsteig statt. Jetzt kann ich die Fahrt fortsetzen. Vorerst bleibt die Geschwindigkeit bei 40, denn schneller darf ich nicht ausfahren. Das gilt, bis auch das letzte Fahrzeug die letzte Weiche befahren hat.

Wegen der Kurve kann ich diesen Zeitpunkt nur erahnen. Das müsste jetzt der Fall sein. Gut ein oder zwei Sekunden warte ich noch, dann ist sicher der ganze Zug über die Weiche. So, ich verschiebe den Regler für die Geschwindigkeit so weit nach vorne, dass die Marke im Geschwindigkeitsmesser bei 80 steht. Jetzt kann ich den Hebel für die Zugkraft nach vorne schieben. Es ginge auch direkt, nur arbeitet der Zug so feiner und die Kunden bekommen etwas Fahrkomfort. Wer schreibt das einmal meinem Chef?

Die erste Station ist Gütsch. Eine unscheinbare Station, denn es fehlen Gebäude und Bahnsteige hat es auch keine. Der Bahnhof hat aber eine ganz besondere Aufgabe, denn hier kommen vier Bahnlinien zusammen. Nur eine davon befahre ich nicht. Es handelt sich hier um die Strecke nach dem Entlebuch, das ist nichts für Lokführer aus Arth-Goldau. Zumal es einer von SBB Cargo ist. Mein Weg führt jetzt gerade aus. Die Linien, die rechts weggehen kenne ich gut, denn die bin ich schon oft gefahren.

Es geht nun der Reuss entlang und die nette Dame vom automatischen Ansagesystem kündigt etwas abgehackt den nächsten Halt an. Es ist Emmenbrücke, das gleich nach der nächsten Kurve auch für mich bedeutsam wird. Dort muss ich mich zuerst einmal etwas orientieren, denn noch weiss ich nicht genau, wo ich mit den Zug anhalten muss. Das letzte Mal war das vor etwa 15 Jahren. Das ist halt so, wenn sich die Vorgaben ändern.

So war vor Jahren die Rede von Güterzügen, die auf dieser Strecke durchfahren. So machten wir uns Kundig. Die Halteorte der S-Bahn kümmerten uns doch nicht, denn ein Güterzug hält immer vor dem Signal. Das war einfach und die hohen Geschwindigkeiten machten auch keinen Sinn, denn ein Güterzug ist gemütlicher. Jetzt kommen plötzlich Regionalzüge und man muss die Halteorte, die nicht sonderlich spannend waren, suchen, denn nun müssen sie stimmen.

Es klappt recht gut, denn der FLIRT reagiert gut auf die Bremsbefehle und so kann man sehr genau anhalten. Klar ganz optimal ist das nicht, aber es ist eine Lösung, die funktioniert. Wenn ich den Bahnhof besser gekannt hätte, hätte ich es auch schneller und etwas angenehmer gekonnt, aber so musste ich halt etwas improvisieren. Die Leute verlassen den Zug und neue Fahrgäste steigen ein. Es ist abendliche Pendlerzeit. Die Züge sind jetzt auch im Raum Luzern gut gefüllt. Mitunter ein Grund, warum ich zwei RABe 523 bediene.

Die Türen sind geschlossen und ich habe sie verriegelt. Die Fahrsperre wurde aufgehoben und die Fahrt geht weiter zum nächsten Haltepunkt. Sie ist wirklich nur kurz. Die zwei Minuten, die ich Abweichung habe, kann ich nicht aufholen. Auch mit einer Rakete auf Rädern ist das nicht möglich. Nun, scheinbar haben die Fahrplaner mitgedacht, denn bei der Abfahrt in Gersag bin ich mit dem Zug wieder pünktlich unterwegs. Nun stimme ich zum Fahrplan, was sicherlich der Kundschaft gefallen wird.

Klar, das hat mir doch der Kollege erklärt, bis Gersag nicht pressieren, dann aber müsse ich ran. Klar, das habe ich doch bei all dem Ärger mit den Leuten und der Herausforderung der neuen Strecke schlicht vergessen. Das nächste Mal wird es wohl besser gelöst werden. Nur, jetzt ist es halt zu spät und ich stehe eine ganze Minute an dieser Haltestelle.

Die Steigung hoch nach Rothenburg ist für einen FLIRT nicht schwer. Auch wenn es zwei sind, jeder arbeitet ja für sich. Die Haltestelle Dorf ist für den Lokführer schon etwas heikler, denn ganz genau weiss ich nicht, wo ich sie finde. Dank guten Bremsen hat der Halteort auch diesmal geklappt. Ich habe hier sogar noch Hilfsmittel, die ich nicht vermutet hätte. Vermutlich klappte es bei den Kollegen auch nicht immer. Auf jeden Fall kann ich wieder weiter fahren und weiss nun genau, wo ich bremsen muss.

So vergeht auch der Halt in Rothenburg selber und ich nähere mich Sempach-Neuenkirch. In meinen Erinnerungen fuhren wir früher auf diesem Abschnitt nicht so schnell wie heute. Das waren doch sicherlich fünf Kilometer in der Stunde weniger. Oder waren es sogar zehn. Sicher bin ich mir nicht mehr, aber langsamer war es auf jeden Fall. Nur, die Fahrplanunterlagen lügen sicherlich nicht und so fahre ich nach deren Angaben und nicht nach meinem Gefühl.

Nach Sempach-Neuenkirch folgt nun eine ganz besondere Situation. Die Strecke ist für maximal 160 km/h zugelassen. Doch eine Kurve nach dem Bahnhof verhindert dies auf den ersten Metern, denn vorerst sind nur 125 km/h zugelassen. Der Zug beschleunigt schnell auf diese etwas tiefere Geschwindigkeit. Auch der Wechsel auf die maximale Geschwindigkeit wird noch kommen und dann kann der Zug zeigen, was er im hohen Bereich der Geschwindigkeit noch zu leisten in der Lage ist. Ich muss nur noch einen kurzen Moment warten.

Es ist soweit, ich kann die Marke für die Geschwindigkeit auf 160 km/h stellen und einfach warten, bis der Zug diese Geschwindigkeit mit der noch verfügbaren Leistung erreicht hat. Das dauert ein paar Sekunden, denn jetzt steht halt nicht mehr viel Zugkraft zur Verfügung. Zudem, die Ansage kündigt bereits Nottwil an und eine Tafel mit einem H nähert sich mir schnell. Das Ende der rasanten Fahrt nähert sich schon wieder. Schneller als 160 km/h fahre ich noch nicht, denn ich darf nicht nach ETCS Level 2 fahren.

Ich muss wieder von diesem hohen Tempo runter. Ich beginne mit der Verzögerung recht früh und so, dass nur die elektrische Bremse arbeitet. Später muss dann vermutlich noch mit der Luftbremse nachhelfen. Ich kenne mich halt mit so hohen Geschwindigkeiten noch nicht so gut aus und so bremse ich früher, als die Kollegen vom Personenverkehr. Dafür hätten dort die jüngeren sicherlich ein Problem, wenn sie mit einem 1600 Tonnen schweren Zug den Gotthard runter müssten.

Jetzt wo ich stehe, weiss ich, ich hätte ruhig noch etwas warten können, aber für das erste mal war die Bremsung sicherlich nicht so schlecht. Nun kann ich direkt auf diese hohe Geschwindigkeit beschleunigen. Nur der nächste Halt wird mich vermutlich vorher wieder einbremsen. Gut, dass ich weiss, wo ungefähr die Halte sind. Ich kenne die Strecke so gut und verschoben haben sie die Haltestellen wohl nicht so gross, dass sie nicht mehr stimmen.

Bis Sursee sind es zudem nur noch wenige Minuten. Das Ziel ist bald erreicht und daher bringt es nichts mehr, wenn ich noch viel riskiere. Nur, bis es soweit ist, muss ich noch den halt in Oberkirch anpeilen. Die Haltestelle ist immer noch dort, wie vor 15 Jahren. Viel hat sich hier wirklich nicht geändert. Andere Geschwindigkeiten und modernere Züge, aber sonst die alte Strecke mit den Halten an den üblichen Orten.

Die Einfahrt in den Bahnhof von Sursee ist etwas speziell, denn ich fahre in ein Gleis ein, das schon mit einem anderen Zug belegt ist. Angezeigt wird mir das nicht, denn dazwischen befindet sich ein rotes Signal und davor muss ich anhalten. Mit davor, meine ich genau davor, denn meine Kollegen haben mich informiert, dass der Platz sehr knapp bemessen sei. So fahre ich mit dem Zug genau bis zum Signal. Ich habe Sursee erreicht, die Premiere ist mir nicht schlecht gelungen.

Ich verbringen den Zug in die Parkstellung, schalte den Führerstand aus und verlasse die Kabine durch die Türe. Die Türe öffnet zum Abteil hin, da es sich um einen Fluchtweg handelt. Wer hier seinen Kinderwagen hinstellt kann beobachten, wie der Kleine zum Pilot wird. der Rollkoffer, der nun fliegt, konnte vermutlich so gut lesen, wie sein Besitzer, der ihn einfach an die Türe stellte. Ein Lokführer mehr oder weniger, spielt ja keine Rolle.

Auch den Zug verlasse ich, da es zwei Züge sind, habe ich keinen Durchgang zum anderen Arbeitsplatz. Kaum habe ich den Zug verlassen, werde ich angesprochen. Ein Mann im Rollstuhl erkundigt sich, ob das der Zug nach Nottwil sei. Ja, das ist er. Nach Nottwil reisen viele Leute im Rollstuhl, denn dort befindet sich das Zentrum für Paraplegie. Dumm dabei ist nur, lesen sollte man dort auch vermitteln, denn es steht angeschrieben. Zwar nicht am Zug, aber sonst fast überall.

Er bedankt sich für die Information und fährt mit seinem Stuhl los zur Türe, die zum Abteil mit dem Platz für ihn führt. Dank dem hohen Bahnsteig und der niederen Bauhöhe des Fahrzeuges kann er ohne fremde Hilfe den Zug benutzen. Aus seiner Sicht hat sich die Eisenbahn in den letzten Jahren sicherlich verbessert. Schade, dass das nicht alle so sehen. Mein Weg führt 150 Meter weit, denn dort endet mein Zug und dort ist auch das Abschnittsignal, das ich zum ausfahren benötige. Es ist wirklich sehr knapp.

Es war ein langer Weg. Da war die nette Dame, die fragte, ob der Zug in Sempach anhalte. Klar macht er das, darum ist es ja auch angeschrieben. Hat wohl auch nicht lesen gelernt. Ach war das vor Jahren noch schön, als die Leute noch lesen konnten. Dann kam die Verbindung der beiden Züge und ein jüngerer Herr wollte wissen, warum denn Puffer vorhanden seien, wenn diese ja nicht benötigt würden. Schliesslich war dann noch ein Kind, das fragte, ob denn beide Züge an den gleichen Ort fahren.

Die Kleine hat es auf den Punkt gebracht, denn nicht beide Züge fahren an den gleichen Ort. Der Zug, den ich nun betreten habe und dessen Führerstand ich gerade aufsuchte, fährt nur bis Luzern, der hintere Zug fährt bis Zug. Das ist so und ändern kann ich es auch nicht. Die Leute werden aber noch informiert werden. Jetzt erkennt man davon noch nichts an der Anschrift, denn bei beiden Zügen steht nur S18 Sempach-Neuenkirch - Luzern.

Nun, die Fahrt nach Luzern war nicht besonders spannend. Die Leute stiegen ein, verliessen den Zug und die 160 km/h, die erlaubt gewesen wären, habe ich auch mit den RABe 523 nicht mehr erreicht. Jetzt befahre ich gerade die ersten Weichen von Gütsch und kann Richtung Luzern fahren. Ein Bahnhof, den ich wieder gut kenne, ich kann den Ausflug nach Sursee Revue passieren lassen. Was war gut, was schlecht und wo kann ich mich verbessern.

Jetzt kommt dann die Information an die Reisenden. Zeit mich um diese genauer zu kümmern habe ich jedoch nicht, denn die Einfahrt in Luzern steht an und die benötigt meine Konzentration. Die Geschwindigkeit wird mit ZUB 121 überwacht und da sollte man nicht zu schnell kommen. Der aussergewöhnliche und ruppige Halt wird sicher für viel Aufmerksamkeit sorgen. Daher versuche ich ihn nach Möglichkeit zu verhindern.

Jetzt erfolgt die automatische Ansage. Aha, die Reisenden müssen aussteigen, der Zug endet hier in Luzern. Reisende in Richtung Zug müssen in den hinteren Zugsteil wechseln. Schön, es klappt, das System macht nicht in beiden Zügen die gleiche Durchsage. Vorne die mit dem endenden Zug und hinten die Weiterfahrt als S1 nach Zug. Schon komfortabel, wenn das System so schön funktioniert. Die Züge taten das bisher auch und mit dem Gedanken sehe ich das Vorsignal zum Bahnhof Luzern. "Luzern zu" schiesst mir durch den Kopf.

Ich bremse ab und verzögere so den Zug. Mir kommt ein anderer Zug entgegen und am Wiederholungssignal erkenne ich, dass ich einfahren darf. Das Signal erlaubt die mittlerweile. Nun führt die Fahrt mit dem FLIRT an den Prellbock. Diese Fahrt darf nicht mit der elektrischen Bremse erfolgen. Der Zug muss zwingend mit der Luft bremsen. Damit er das macht, schalte ich das Ventil der indirekten Bremse auf die erste Stufe. Ein Meldefenster "Prellbockfahrt eingerichtet" erscheint.

Der Zug bremst nun nur noch pneumatisch. Da er das jedoch mit der EP-Bremse tut, kann ich den Zug im gewohnten Stil vor den Prellbock stellen. Diese EP-Bremsen sind schon gut und erlauben genaue Halte, so dass die Leute kaum noch zur Türe gehen müssen.

Nur, leider haben das nicht alle Züge und so kommt es halt, dass es ab und zu nicht genau passt. In Luzern ist es klar, der Zug muss vor dem Prellbock zu stehen kommen. Wie weit davor ist in ein paar Minuten nicht mehr zu erkennen.

Der Halt vor dem Prellbock ist aber so kein Problem. Nach dem Halt werden die Türen geöffnet und ich verbringe die Züge in Parkstellung. Danach drücke ich die Taste um die automatische Kupplung zu lösen.

Diese Taste beginnt nun zu blinken. Ein Zeichen, dass mein Befehl umgesetzt wird und sich die Kupplungen lösen. Eine andere Kontrolle habe ich nicht. Ich muss der Technik vertrauen. während dieser Zeit steigen die Leute aus.

Kurze Zeit später leuchtet die Taste nur noch kurz dauernd. Die Züge sind getrennt worden. Sie stehen aber noch zusammen.

Ich kann die Parkstellung nun wieder lösen. Nun habe ich nur noch einen Zug, der zweite wurde ja gelöst. Da sie aber noch zusammen stehen, ziehe ich diesen Zug ein paar Meter näher gegen den Prellbock. So besteht auch eine optische Trennung und die Kupplung kann sich nicht plötzlich selber wieder kuppeln.

Jetzt verriegle ich die Türen dieses Zuges, lösche das Licht im Fahrgastabteil und schalte die Parkstellung erneut ein. Der Zug bleibt nun hier stehen. Wie lange das sein wird, weiss ich nicht. Ich kann mich nun theoretisch vom Zug entfernen. Ich kontrolliere nur noch schnell, ob wirklich alle Leute ausgestiegen sind. Oh Wunder, das ist tatsächlich so, niemand hat sich eingenistet und wollte im Zug übernachten. Es kann ja so schön sein, warum nicht immer so?

Ich verlasse nun den Zug mit Hilfe meines Schlüssels und dem Serviceschalter. Dieser öffnet eine verriegelte Türe, schiebt jedoch das Trittbrett nicht aus. Dieser Schalter ist die einzige Möglichkeit für den Lokführer den abgestellten RABe 523 noch zu verlassen. Die erste Fahrt nach Sursee ist geschafft und nun steht sogleich die nächste Reise an. Jetzt ist es aber nicht mehr die erste Fahrt und ich habe auch nur noch ein Zug.

 

Luzern - Sursee - Luzern

Der Aufenthalt in Luzern ist wirklich nur kurz gewesen. Die Zeit reichte gerade um mich zu orientieren und den Weg zum anderen Zug zu suchen. Dieser wird von Zug her kommen und nachdem ich mich eingerichtet habe, wieder nach dem für mich bekannten Sursee fahren. Ein wenig kann ich die warmen Sonnenstrahlen hier in der Halle geniessen. Bei all der Arbeit im klimatisierten Führerstand vergass ich die Hitze, die heute herrscht.

Es ist schön, wenn man moderne Fahrzeuge bedienen kann und darf. Trotzdem, sie haben leider auch Schattenseiten, denn die Klimaanlagen machen die Arbeit angenehm, lassen einen aber vergessen, dass es draussen brütend heiss sein kann. Steigt man dann aus, läuft der Schweiss nur noch von der Stirn. Jetzt noch ein wenig frische Zugluft und schon hat man sich erkältet. Wer dann zurück kommt, wird kalt haben, denn es ist ja kühl.

Die Sonne senkt sich nur langsam und ihre Wärme kann sich nun voll ausbreiten und alles was angestrahlt wird aufheizen. Trotzdem erwartet uns ein schöner Sommerabend. Noch ist es für mich noch nicht so weit, denn ich bin ja immer noch am arbeiten und heute wohl zum Auskunftsbüro ernannt worden. Die Dame im eleganten Sommerkleid erkundigt sich, ob der Zug in Gersag anhalte. Ja das wird er, ist meine Antwort. Zwar weiss ich das noch nicht sicher, aber ich gehe davon aus, dass alle S18 dort halten werden.

Der Zug kommt gefahren, es ich ein sehr neuerer FLIRT. Einer jener Züge, die neu die internationale Bezeichnung der UIC tragen. Ich werde nun einen RABe 523 mit der Nummer 94 85 0 523 038-3 bedienen. Es ist einer jener Züge, die jetzt an die SBB abgeliefert werden und daher nach den neusten Vorgaben beschriftet werden. Ausser der anderen Nummer gibt es eigentlich nicht viele Besonderheiten. Halt, da waren die neuen Trittbretter, die schneller sind.

Die Fahrt wird auch mit dem Zug möglich sein, denn die vielen Reglemente, die ich zu dem Zug habe, habe ich alle wunderbar studiert. Meint zumindest jene Stelle, die mir diese zukommen liess. Dabei bediene ich die RABe 521 - 524, den RABe 523 Vaudiose und nicht zu vergessen den RABe 526 der SOB. Für fast alle ein neues Reglement, das sich nur in kleinen Punkten von einem der anderen unterscheidet.

Die Daten müssen, wie bei jedem Wechsel des Führerstandes eingegeben werden. Auch die Prüfung der Bremsen ist bei diesen Zügen längst zum gewohnten Ablauf geworden. Man macht die Handlungen routiniert und schnell. Es bleibt noch etwas Zeit um meine Gedanken zu ordnen und mir Notizen zu machen. Zu diesen Notizen gehört auch die Nummer des Fahrzeuges. Das mit den elf Ziffern lasse ich sein, für mich ist es der 523'038.

Die Strecke kenne ich, ich weiss mittlerweile, wo ich angehalten habe und wo ich halten sollte. Jetzt muss ich einfach früher anhalten, denn sonnst stimmt es nicht. Nur gilt das nicht bei jedem Bahnhof. Die Fahrt wird also erneut viele Überraschungen bereit halten. Das macht die Arbeit nicht langweilig und ist eine grosse Herausforderung, denn mit jedem Zug muss man sich neu einstellen und an andere Faktoren denken.

Ach ja, mit der Tour ist schon etwas auf uns zu gekommen. Die Angaben waren so verwirrend, dass ein Kollege sogar ein normales Blatt Papier mit Worten gefüllt hat. Worte, die zwar die Verwirrung etwas lösten, aber letztlich nur wenig halfen. Das machte im Vorfeld natürlich ein paar Stirnfalten, denn schliesslich sollte man rechtzeitig an den vorgesehenen Orten sein. Orte, die mal da, dann wieder dort sein können. Nicht immer leicht, aber meistens klappt es, wie geplant.

Nun ist der Ablauf für mich logisch und so kenne ich die Schritte, die gemacht werden müssen. Vor allen weiss ich, was hinter den Nummern für Züge stecken. Der Zug mit dieser Nummer kommt von dort und der mit dieser Nummer geht dorthin. Alles Hilfen, die viel bringen. Die Tour wird so einfacher, was auch die Arbeit erleichtert. Die Weg gehen direkt und ohne Kontrollen, die zur Sicherheit gemacht werden. Letztlich verschwindet dann auch die Anspannung und die Fahrt wird komfortabler, was den Kunden hilft.

Vorne wechselt das Ausfahrsignal auf Fahrt. Die Rückspiegel werden ausgeklappt, der Wendeschaltergriff wird verschoben und ein Blick auf ZUB 121 zeigt, keine Beschränkung vorhanden. Der Fahrt steht eigentlich nichts mehr im Weg. Fast nichts, denn noch dauert es eine Minute, bis ich losfahren darf. Zeit die ich nutze um die Kundschaft zu beobachten und mich ab den unterschiedlichen Verhalten zu wundern. Sie sprintet zum Zug, hält die Türe auf und der Herr lässt sich Zeit. Noch dauert es 45 Sekunden bis der Zug fährt, es wäre auch ohne Spurt gut gekommen.

Die automatische Ansage muss noch kommen und die Zeit stimmen, dann kann ich mich auf den Weg machen. Die Route ist identisch und der erste Halt ist in Emmenbrücke. Nur, wo bleibt die ansage, ach jetzt kommt sie, die Uhr schein nicht identisch zu laufen. Massgebend ist für mich aber die Uhr im Führerstand und die zeigt an, dass ich losfahren kann. Da die Türen zu sind, kann ich sie verriegeln. Man, gehen diese Trittbretter schnell rein, das ist ein wahrer Traum.

Es ist soweit, ich kann die Zugkraft erhöhen und die Fahrt beginnen. Die Handlungen sind gleich wie vorher, nur dass ich jetzt alles etwas mehr zu Gunsten eines angenehmen Fahrkomforts mache. Nach der Dienststation Gütsch sehe ich, wie sich viele Leute in den letzten Sonnenstrahlen aufwärmen, dies nachdem sie wohl in der kühlenden Reuss geschwommen sind. Die Leute geniessen den schönen Abend und die tief stehende Sonne.

Ich fahre mit dem Zug nach Sursee unterwegs steigen Leute aus, Leute kommen in den Zug und wieder andere stehen am Bahnsteig und winken zum Abschied. So verbringt jeder diesen Abend auf unterschiedliche Art. Die Zeiten wurden moderner, die Badeanzüge der Damen knapper, die Züge flinker und doch ist alles wie immer. Während die Eisenbahner arbeiten, vergnügen jene sich an der Sonne, die sich wenig um Schichtarbeiter kümmern.

Die Szenen hier in der ländlichen Gegend sind immer noch wie einst, wenn die Tochter mit schweren Koffern in den Zug steigt um die weite Welt zu erkunden oder um das Welschlandjahr zu absolvieren, winken die Mütter nach und wischen sich oft eine Träne aus dem Gesicht. Szenen, die einem Drama entstammen könnten. Herzzerreissende Abschiedsszenen, die vom Film nicht mehr zu übertreffen sind. All das real an meinem Zug, ist das nicht schön.

Ich erkunde nun die Gegend, die auch einladend sein kann. Für mich, der in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen ist, der in einer ländlichen Gegend wohnt, ist das schon fast wie Heimat. Vorbei ist die Hektik der Stadt und alles geht einen Tick langsamer von sich. Die Eisenbahn, die hier durchfährt passt da nicht so rein, denn die ist hektisch geworden, auch auf dem Land. Die Züge helfen dabei, denn mit den legendären Re 4/4 I wäre ich wohl nicht in der Lage gewesen, diese Zeiten zu halten.

Wenn man entspannter fahren kann, sieht man den See, die Leute in den Badeanstalten und auch der Grund, warum die Kurve mit 125 so weit nach aussen gezogen wurde. Ja, auch die Bremsung aus 160 km/h erfolgte nun etwas später und mutiger. All das kann man machen, wenn man die Züge kennt, sich auf der Strecke zu recht findet und wenn einem ein guter Tag gelingt. Heute scheint es mir wirklich gut zu gehen und alles klappt wie ich es will.

Die Fahrt dauerte nicht lange und schon steht der Zug in Sursee, wieder vor dem Signal, das nun nicht mehr so knapp angefahren werden müsste, weil der Zug ja kürzer geworden ist. Man macht es trotzdem, denn dann müssen die Leute nicht so weit gehen und kommen dann auch rechtzeitig auf den Zug. Kundendienst im kleinen Rahmen, gedankt hat das bisher noch keiner, aber auch nicht geschimpft und das ist schon genug Lohn, für die Leistung, die man erbringt.

Wieder muss ich die Seite wechseln. Einziger Unterschied dabei ist, dass ich nun mehr Platz habe. Ich könnte nun den Weg durch den Zug wählen, nur auch mich lockt der angenehme Abend aus dem Zug, die wärmenden Strahlen, die nun allmählich durch die Häuser gehindert werden. Es ist Abend und auch die Sonne macht scheinbar Feierabend. Man vergisst so, dass es ja heiss ist und man schwitzt. Die Stimmung ist einfach gut.

Diesmal kann ich die Seite wechseln ohne lange Auskünfte zu erteilen. Die Leute kennen wohl den Ablauf, oder aber sie haben einen Schnellkurs belegt und sind nun des Lesens mächtig. Mir soll es recht sein, denn erreicht ich den Führerstand ohne lange an der warmen Sonne zu stehen. Im Führerstand liegt eine Abendzeitung bereit. Scheinbar hat diese ein Kollege eingesammelt und im Führerstand deponiert. So erfährt man, das am Tag passiert ist, bevor es Feierabend gibt.

Die News vom Tag noch schnell lesen, denn es dauert noch ein paar Minuten, bis ich losfahren muss. Die Zeit reicht aber nur um die Schlagzeilen zu lesen, denn schon bald ist Abfahrzeit. Zeitungen liest man heute wohl so, besonders dann wenn man keine Zeit mehr hat, denn das Signal wird jeden Augenblick grün werden. Eine Schlagzeile fällt auf, heute war wohl der heisseste Tag in diesem Jahr. Auch einige Politiker hatten den Mut zu einem Schritt und so gibt es als News auf der ersten Seite, der Bundesrat der zurücktritt.

Das ist so, es wird grün, nur eben nicht bei mir. Zuerst muss noch der Neigezug in Richtung Gotthard durch den Bahnhof fahren. Der hat Vorrang, denn er fährt ohne Halt bis Luzern und würde hinter mir eingebremst werden. Da er leicht verspätet ist, kann ich mit meinem Zug auch nicht pünktlich losfahren. So muss ich halt noch ein paar Augenblicke warten. Die Ansage der Fahrt ist schon lange verklungen, als mein Signal auch die Farbe wechselt, nur wird es nicht grün.

Nachdem der Neigezug durchgerauscht ist, kann ich losfahren. Zuerst langsam, denn die Signale gehen nur sehr zögerlich auf Fahrt. Der Abstand zum vorausfahrenden Zug ist noch zu kurz. So verliere ich noch mehr Zeit und beim ersten Halt bin ich schon zwei Minuten verspätet. Kaum losgefahren und schon zu spät, dass wird eine Aufholjagd geben. Ich will mit dem Zug pünktlich verkehren. Der Berufstolz leidet darunter.

Die Haltestelle Oberkirch lässt nicht viel Verkehr erwarten. Auf dem Bahnsteig wartet niemand auf den Zug. So ist es auch die Türen gingen nie auf, da auch niemand den Zug verlassen wollte. Nach 15 Sekunden verriegle ich die Türen und fahre wieder los. Ein paar Sekunden habe ich so eingeholt, aber eben nur ein paar. Minuten holt man heute nicht mehr so schnell ein.

Der FLIRT beschleunigt schnell und so steigt die Geschwindigkeit auch schell an. Bei 150 km/h muss ich mit der Bremsung beginnen, sonst kommt das mit Nottwil nicht mehr gut. Die Bremsung war stärker als üblich, aber noch renne ich einer Verspätung nach und aufholen geht nun mal nur so. Ich darf nicht schneller fahren und hier erreiche ich nicht einmal das erlaubte Maximum. So ist es schwer, auch nur wenige Minuten einzuholen. Zumal der Fahrplan hier wirklich sehr eng ist.

Die Leute, die ein- und aussteigen sorgen dann schnell dafür, dass die paar gewonnen Sekunden wieder verloren gehen. Danach wettern die Kunden über die verspäteten Züge, geben aber dem Personal keine Chance, die Zeit, die vertrödelt wird einzuholen. Endlich, die Türen sind zu, ich kann verriegeln und losfahren. Der FLIRT beschleunigt wieder. Die Nadel am Geschwindigkeitsmesser steigt und steigt. Gerade in dem Moment, wo ich 160 km/h erreicht habe, kommt sie, die Tafel, die die Kurve 125 ankündigt.

Keine angenehme Fahrweise, ich weiss, aber letztlich soll der Zug ja pünktlich sein und die Leute ihren Termin oder ihren Anschluss erreichen. Ich hinke aber immer noch diese zwei Minuten hinter dem Fahrplan nach. Mit dem Flirt kann man viel, aber seit die Zeiten auf dieses Fahrzeug abgestimmt wurden, geht es einfach nicht mehr. Mir fällt ein, wie das wohl mit den alten Pendelzügen aus der Zeit meiner Ausbildung wäre. Ein hoffnungslos überforderter Zug mit einem schwer kämpfenden Lokführer.

Erkennen kann ich die genaue Verspätung, als ich in Sempach-Neuenkirch still stehe. Vor zwei Minuten und 18 Sekunden hätte ich losfahren müssen. Die Leute steigen hier nur aus. Das heisst, die Türen sind nach rund 19 Sekunden wieder zu. Niemand will rein, dann wird das wohl so bleiben. Ein paar Sekunden später braust der Zug dank meinem Befehl wieder los und jagd dem nächsten Halt entgegen. Immer noch drückt die Uhr im Rücken.

Um diese Kurven fahren wir jetzt 125 km/h! Vor Jahren als wir noch regulär von Erstfeld aus hier durchfuhren, waren nur 115 erlaubt. Beim ersten Mal fiel mir das nicht auf, aber jetzt ist es mir bewusst geworden. Die Zeiten ändern sich und die Züge können etwas schneller fahren. Die Station Rothenburg hat aber immer noch die Kurve vor der Einfahrt und die Stationsgeschwindigkeit fehlt, auch nicht mehr wie früher. Hier wurde einiges geändert. Das nur in den paar Jahren, in denen ich nicht hier durch gefahren bin. Schon gut, dass nach einer gewissen Zeit die Kenntnisse einer Strecke erlöschen.

Der Halteort liegt jetzt auch etwas später. Früher fuhren wir hier mit den Regionalzügen doch gegen eine offene Barriere ein?! Die ist aber auch verschwunden und die Autos benützen eine Unterführung. Die Station hat sich schon verändert. Stimmt, die Umbauten gingen los, als wir hier die letzten Züge führten. Auch im Regionalverkehr nur damals noch mit NPZ. Geblieben ist eigentlich nur meine Verspätung, die will einfach nicht sinken und wenn, dann nur im Bereich von wenigen Sekunden.

Bei der Einfahrt in Rothenburg Dorf tippt ein älterer Herr auf die Uhr. Ich weiss, ich bin zu spät, seit Sursee versuche ich diese Verspätung aufzuholen, nur es klappt einfach nicht. Schön, zuerst gross auf Tempo machen und dann, gemütlich zur Türe gehen und noch langsamer einsteigen. Die haben wir gerne, denn diese Leute sorgen letztlich für Verspätung und dafür, dass andere Leute Anschlüsse verpassen. Endlich auch die letzte Türe ist geschlossen und ich kann wieder losfahren.

Der Halt in Gersag war etwas ruppig, da ich etwas spät bremste und so nicht mehr lösen konnte, bevor ich hielt. Erneut blicke ich auf die Uhr. Oh, wenn sich die Leute beeilen und einsteigen, können wir sogar noch pünktlich fahren. Nur eben, mein Wunsch wurde nicht erhöht und ein paar Kinder machen sich einen Spass daraus, die sich schliessende Türe immer wieder zu öffnen. Ich drücke auf die Verriegelung und mache dem Spiel ein Ende. Die Türe schliesst sich und das Trittbrett fährt ein, ich kann losfahren.

So kam es, dass einfach immer noch eine Minute übrig blieb, als ich in die Station Gütsch fuhr. Nun ist das aber alles egal, denn das Ausfahrsignal ist geschlossen und ich muss abbremsen. Andere Zügen scheinen auch verspätet zu sein. Die Verzögerung macht all meine Arbeit zunichte und ich verliere wertvolle Zeit. So ist der Fahrplan nicht zu halten. Die Signale gehen einfach nicht auf Fahrt.

Kurz bevor ich vor dem roten Signal stehe, kommt der Voralpen-Express entgegen, biegt in Richtung Luzern Verkehrshaus ab und mein Signal geht auf Fahrt. Ich kann nach Luzern fahren. Die Einfahrt ist genau gleich, die Abläufe auch und endlich habe ich auch diesen Teil der Tour geschafft. Jetzt werde ich abgelöst und dann kann ich den Zug verlassen. Immer mit der Hoffnung, dass nicht jemand im Zug beschlossen hat, mich wegen den vier Minuten Verspätung spitalreif zu schlagen.

 

Luzern - Meggen - Arth-Goldau

So, ich habe meinen Teil der Arbeit getan. Es geht nach Hause, zuerst zwar nur Arth-Goldau, aber dann ist endgültig Schluss. Dazu benutze ich die schon bereitstehende S3 nach Arth-Goldau und Brunnen. Ich besteige die erste Wagenklasse, setze mich in einen mit Leder bezogenen Stuhl, lese die auf dem Tischchen liegende Abendzeitung und darin den Artikel, dass die Züge der SBB zu oft verspätet seien. Der Titel passt, "unhaltbare Zustände" nennt das der Reporter im Blatt.

Die Leute würden sich immer mehr daran stören. Ich weiss, wie das nervig sein kann, wenn ein Zug drei oder vier Stunden verspätet verkehrt. Im Güterverkehr passiert dies leider zu oft. Nur, wir leben in der Schweiz und wenn da ein Reisezug drei Minuten verspätet ist, schreit das ganz Land laut auf, denn die Züge in der Schweiz haben pünktlich auf die Sekunde zu verkehren. Dumm nur, dass das nicht immer der Fall ist. Ja selbst die Sekunden, die verloren gehen, weil man an einer Lokomotive vorbei gehen muss, werden immer wieder diskutiert.

So sehr sich die Leute das wünschen, so mitverantwortlich sind sie an den Verspätungen. Niemand will mehr, als den Fahrplan einhalten, als jene, die den Zug führen. Nach diesem Tag für den Personenverkehr bin ich froh, wenn ich wieder einen ruhigen Tag mit Güterzügen verbringen kann auch wenn dort eine Stunde Verspätung schon fast als pünktlich bezeichnet werden kann. Das gehört aber zum Leben eines Cargo-Lokführers dazu.

Weiter steht, dass die Züge verschmutzt sind, die WC schlimmer als in der Türkei seien und man sich im Zug ekeln müsse. Gut, wie sauber die Anlagen in der benannten Türkei sind, weiss ich nicht, denn ich war noch nie dort und kann daher nicht mitreden.

Ich gehe aber davon aus, dass die Leute dort auch gerne Gesund leben und daher auch für angemessene Sauberkeit sorgen. Ich finde es falsch, sich auf dem Rücken anderer zu ergötzen. Niemand sollte als Negativbeispiel herhalten müssen.

Stimmt, die Züge sind schmutzig, nur wie war das nun schon wieder? Ich lese hier in einer Abendzeitung, die ein Fahrgast einfach hat hier liegen lassen und diese nicht in den Papierkorb warf.

Schmutz, den man verhindern könnte, wenn nur all jene, die sich darüber nerven mitarbeiten würden. Wer lässt zu Hause einfach alles liegen? Es passiert nichts, wenn man die Zeitung beim verlassen des Zuges schnell in den Papierkorb wirft. Halt, ich liege falsch, die Züge werden sauber, das wäre doch mal was.

Die Stimme der netten Dame vom Computer kündigt an, dass wir in der S3 nach Brunnen sitzen und dass die SBB eine angenehme Reise wünschen. Danke, ich finde es nett, dass mir eine angenehme Reise gewünscht wird, auch wenn es etwas künstlich klingt. Wenig später folgt dann die etwas ruppig wirkende Durchsage, dass man wohl so nett sein solle und die Türen freigeben solle, denn schliesslich möchte man abfahren.

Ironie dabei war, es war ein Herr im gehobenen Alter, der sich danach neben mich setzte und laut stöhnte, dass dieser Zug ja schon wieder verspätet losfährt. Ja, Schuld daran ist ja wie immer wieder der unfähige Lokführer, der einfach etwas menschlich war und auch dem Nachzügler eine Chance gab. Bestraft wird er dann direkt von dem Nachzügler, der die Türe blockierte um auch andere in den Zug zu lassen.

Der Zug rollt und die Fahrt durch die Tunnels von Luzern führt zum Verkehrshaus. Dort stehen mittlerweile Fahrzeuge, die ich noch bediente und mit denen dieser Fahrplan, den ich heute mit den RABe 523 absolvierte, nie möglich gewesen wäre. Lokomotiven, die sich zur Ruhe setzten, weil sie dem hektischen Alltag in der Schweiz nicht mehr gewachsen waren. Auch Lokomotiven werden so alt und wirken erschöpft. Wie soll es so einem Lokführer anders ergehen?

Ein Blick in vergangene Tage lässt erkennen, dass heute, wo alles um Sekunden kämpft nicht viel verändert wurde. Man weiss, dass Züge pünktlich verkehren, ärgert sich, wenn man zu spät ist und die Schuld liegt wie immer beim anderen, denn vor der eigenen Türe ist es ja immer sauber, auch wenn der Herr, der gerade in Meggen den Zug verlässt die leere Dose Bier stehen liess. Vermutlich machte er das genauso, wie zu Hause. Die Putzfrau räumt dann weg. Im Zug bin ich es, weil die Dose nicht leer ist und bei einer Bremsung den Sitz verschmutzen könnte.

Ich habe die Zeitung gelesen, als der Zug den Bahnhof von Arth-Goldau erreicht. Ich steige aus und mache Feierabend. Dabei ging ich mit gutem Beispiel voran und legte die Zeitung in den Papierkorb, vielleicht habe ich dadurch eine Sekunde verloren. Mein Tag ist vorbei und nun bleiben noch ein paar Minuten, bis mein Zug nach Erstfeld kommt. Ich muss also noch etwas warten, mein Anschluss kommt nicht sofort. Blöder Fahrplan, wer zahlt mir die Zeit, die ich warte? So müsste ich wohl reagieren, wenn ich dem Zeitgeist entsprechen wollte.

Ich könnte mich nun in die Räumlichkeiten für das Personal zurückziehen, doch es ist ein so schöner Abend. Ich warte draussen und geniesse die paar Minuten, bis ich nach Hause kann und dort den Abend vielleicht auch noch etwas geniesse. Die Zeit, die bis dahin vergeht ist sicher nicht förderlich, aber egal, ich kann entspannen, die Fahrt geniessen und mich treiben lassen. Mit dem Auto wäre ich schneller, aber eben, ich müsste mich wieder konzentrieren.

Auf der Bank sitzt eine erschöpft aussehende Frau. Sie erklärt mir, dass sie den Zug nach Zug verpasst hätten und jetzt warten müssen, bis der nächste Zug komme. Sie hätten gedacht, der Bahnhof sei näher beim See unten. Nur hätten sie überall Arth-Goldau gesucht und nicht gefunden. Ich lächle, ja der Bahnhof heisst so, die Gemeinden sind Arth und Goldau. Der Bahnhof sei nun mal nicht in Arth, sondern in Goldau und das liege etwas erhöht.

Sie hätten sowieso Urlaub und es spiele keine Rolle, sie nähmen einfach den nächsten Zug und kommen dann halt etwas später zu Hause an. Es sei ihr Fehler gewesen, da könne die SBB ja nichts machen. Zu dumm sei nur, dass sie das nicht eher gewusst hätten, jetzt seien sie aber informiert und dieser Fehler werde ihnen nie mehr passieren. Mehr Zeit habe ich nicht, denn der Zug, der mich nach Hause fährt kommt gerade an, pünktlich.

 

Ein Arbeitsweg wie jeder andere?

Der Interregio verlässt den Bahnhof von Arth-Goldau mit vier Minuten Verspätung und strebt nun dem Süden entgegen. Sein Ziel wird er dann in ein paar Stunden in Chiasso erreichen und dort werden Leute aussteigen, wie jetzt welche eingestiegen sind. So ist es bei den Reisezügen. Leute kommen, Leute gehen und dazwischen versuchen Lokführer und andere Berufe so gut es geht, dafür zu sorgen, dass der Zug pünktlich verkehrt. Manchmal klappt das, dann wieder nicht, aber das gehört ebenfalls zum Spiel um Sekunden.

Die Fahrt mit dem Zug dauert für mich 25 Minuten und dann noch 10 Minuten zu Fuss. Ob es eine oder zwei Minuten mehr oder weniger sind, ist mir wirklich egal. Ankommen ist mein Ziel und ich möchte dieses erreichen. Kurz vor Schwyz kommt dann der Zugführer und erkundigt sich nach den Fahrscheinen. Ich greife in die Tasche, ziehe meine Agenda mit den Ausweisen heraus und zeige meinen Ausweis. Ein Schwarzfahrerausweis mit Komfortstreifen, was will man mehr.

Als ich die Agenda wieder in meine Tasche stecke fällt es mir auf, da ist ja noch etwas. Was denn das wieder ist? Ich suche die Tasche ab, etwas ist da drin, das nicht dem üblichen Inhalt entspricht. Ach ja, das Handy, das ich ja vor der Tour in die Tasche steckte. Registriert hatte ich mich damit nur auf der ersten Fahrt nach Luzern, danach hatte ich es schlicht in der Westentasche vergessen. Jetzt sollte es eigentlich in den Räumlichkeiten in Arth-Goldau sein und aufgeladen werden. Nur, der Zug hält jetzt in Schwyz.

Ich werde es dann morgen deponieren und so mein Versäumnis ausbügeln. Jetzt habe ich Feierabend und kehre nicht mehr um. Zudem registriert war es ja nie, vermutlich wurde ich auch nicht vermisst. Denn dann hätte man mein Telefon gefunden und mich dort angerufen, aber auch das blieb ruhig. Ein ruhiger Tag im Kampf um Sekunden und um die Gunst der Leute, die alles daran setzten, dass mir nicht alles perfekt gelang. Ein Tag im Schosse des Personenverkehrs, wo Sekunden das sind, was im Güterverkehr Minuten.

Der Zug erreicht letztlich den Bahnhof Erstfeld mit 3 Minuten Verspätung, oder eben Abweichung vom Fahrplan. Morgen kann ich dann wieder mit dem Zug zur Arbeit fahren. Die Tasche deponiere ich im Taschenraum beim Bahnhof. Dort sollte ihr nichts passieren, denn jeder der dort rein kommt, hat ja seine eigene Mappe und die eigenen Probleme. So habe ich mich auch von den letzten Teilen befreit und kann mich auf den Heimweg machen.

10 Minuten waren geplant, geworden ist es dann eine Stunde. Ist halt dumm, wenn man abgekämpft nach Hause will und ein Kollege findet, eigentlich hast Du Dir ein Bier verdient. Kommt doch noch schnell und so genoss ich den Abend im Kanton Uri, in einem Gartenrestaurant bei Bier und guter Laune. Dies obwohl die Sonne schon lange hinter den Bergen verschwunden war. Ein Sommertag ging zu Ende und auch mein Tag, denn als ich nach Hause kam, ging ich gleich zu Bett.

Jetzt schieb ich diese Tour, in der es um Sekunden ging. Mit dem Wissen, dass es für viele übertrieben sein mag. Nur, wer tippte auf die Uhr, wer zögerte beim Einsteigen? Nicht ich, aber trotzdem bin ich an allem Schuld. Das ist das Leben der Lokführer in einer Zeit, wo die Uhren auch Sekunden anzeigen können. Wie war das schön, als es noch um Minuten ging.

Erstmals sass ich zum schreiben dieser Tour nicht zu Hause am PC und verbrachte so ein Regentag. Vielmehr nutzte ich die Zeit auf Dienstfahrten um diese Tour im Notebook zu schreiben. Das dauert dann halt etwas länger als früher, da Dienstfahrten einmal enden und dann ist Schluss. Aber die Tour kommt ja jetzt. Ja, die Tugend der Geduld ist heute den Leuten scheinbar abhanden gekommen. Man fordert immer mehr und das sofort. Natürlich meint man dabei immer, dass einem das verbriefte Recht zustehe. Wie wäre es mit etwas mehr Toleranz auch denen gegenüber, die immer wieder versuchen das Chaos, das sich Fahrplan nennt, in geordneten Bahnen zu bewältigen.

 

                       
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