Inbetriebsetzung |
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Bei neuartigen Fahrzeugen ist die
Inbetriebsetzung
immer eine spannende Sache. Das war bei diesen
Motorwagen
nicht anders. Es lohnt sich, wenn wir genauer hinsehen und dabei fällt
auf, dass das die neuen Motorwagen ihre ersten Schritte weit vom Berner
Oberland entfernt machten. Der Grund war simpel, denn dort gab es schlicht
noch keine
Fahrleitung.
Schliesslich sollten die Fahrzeuge bereit sein, wenn eingeschaltet wird.
In den Hallen der MFO und somit in Oerlikon, erfolgte die
Endmontage dieser
Triebwagen.
Dort wurden bisher nahezu alle
Triebfahrzeuge
für den einphasigen
Wechselstrom
gebaut und das hatte bei der
Inbetriebsetzung
einen grossen Vorteil. So konnten die ersten Einschaltversuche im Werk
erfolgen. Eine Arbeit, bei der es sicherlich zu Problemen kommen kann.
Daher macht man diese immer vor der ersten Fahrt mit dem neuen Fahrzeug.
Die notwendigen Versuche mit dem fahrenden
Motorwagen
konnten ebenfalls in der unmittelbaren Umgebung des Werkes ausgeführt
werden. Dazu musste nicht einmal die Strecke benutzt werden, denn das
Anschlussgleis
der MFO war mit einer zu den verwendeten
Stromabnehmern
passenden
Fahrleitung
versehen worden. So konnte man im Werk auch schnell benötigte Ersatzteile
holen. Bei grösseren Schäden half eine der
Versuchslokomotiven.
Mit anderen Worten, als die drei
Motorwagen
nach Spiez kamen, waren sie bereits erprobt worden. Ein Vorteil, wenn man
die eigene
Versuchsstrecke
dazu nutzen kann. Später war das nicht mehr so leicht möglich, da die
Anlagen in nur wenigen Jahren wieder verschwinden sollten. Bei der neuen
Baureihe Ce 2/4 nutzte man jedoch diese Möglichkeit. Der Besteller sollte
nicht mehr mit den schlimmsten Problemen rechnen können. Diese Versuchsfahrten fanden unter der eigenen Fahr-leitung zwischen Seebach und Wettingen statt. Dabei musste das neue Fahrzeug auf einem kleinen Abschnitt geschleppt werden, denn dort war die Rutenfahrleitung montiert worden.
Um solche Bügel zu montieren, hätte das Dach verändert werden
müssen. Ein Aufwand, der sich schlicht nicht ge-lohnt hätte. Daher
begannen diese Fahrten erst im
Bahn-hof
von Regensdorf. Auch beim Abschnitt mit der Bügelfahrleitung gab es An-passungen und das waren die Schleifleisten. Da hier solche mit einer Breite von zwei Metern benötigt wurden, passten die vorgesehenen Modelle nicht.
Auf dem Bügel konnten die breiten
Schleifleisten
leicht montiert werden. Die endgültige Breite von 1 320 mm soll-te daher
erst eingebaut werden, wenn die drei
Motor-wagen
ins Berner Oberland verschoben wurden. Somit machten die Triebwagen für die BLS ihre ersten Gehversuche noch im Raum Zürich. Man kann sich heute nur schwer vorstellen, wie das für die Leute damals ausgesehen haben musste.
Man hatte sich in der Gegend um Seebach sicherlich mittlerweile an
die neue
Fahrleitung
gewöhnt. Man sah wohl auch die
Güterzüge,
die immer wieder mit einer der drei neuen
Lokomotiven wie von Geisterhand gezogen wurden.
Wollte man auf eine Reise gehen, bestiegen die Anwohner wie immer
den von einer Dampflokomotive gezogenen
Regionalzug.
Ab und zu kam auch ein Ungeheuer mit dem Zug daher. Noch war die Welt der
Eisenbahn auch im Raum Zürich normal. Doch das änderte sich, als sich
plötzlich diese komische rote
Personenwagen
wie von Geisterhand bewegten. Kein Rauch und kein Dampf, die in die Nase
steigen konnten, einfach nur rot.
Mit etwas Mut näherte man sich dem Ungeheuer und was dort
geschrieben stand, sorgte für noch mehr Verwirrung. Gross konnte man BERN
– LÖTSCHBERG – SIMPLON lesen. Eine Gesellschaft von der man bisher noch
nichts gehört hatte. Gut belesene Leute wussten zwar vom Bau der Bahn
durch den Lötschberg, aber in der Presse wurde dann immer wieder von der
EGL gesprochen. Nur Fachkreise kannten die wahre Ursache dieser Anschrift. Die Fahrten im Raum Zürich dauerten sicherlich längere Zeit, denn man musste ja die Technik erproben. Störungen konnten schnell im nahen Werk behoben werden und das war vermutlich gut. Neue Fahrzeuge der Eisenbahn kämpften schon immer mit Kinderkrankheiten.
Die komplexe Technik sorgt dafür, dass die Ideen nicht immer so
funktionierten, wie man sich das vorstellte. Die neuen
Motorwagen
sollten ein gutes Beispiel sein. So waren die Laufeigenschaften nicht optimal. Jedoch beliess man diese noch. Bei einem neuen Triebfahrzeug erwartete man noch, dass es nach einigen Fahrten zu Verbesserungen kommen könnte.
Die Teile waren noch neu und mit eingestellten Toler-anzen konnte
eine Besserung erzielt werden. Ein Trug-schluss, wie wir später noch
erfahren werden. Jedoch kann auch gesagt werden, dass man der Lösung
zuerst auf die Spur kommen musste. Ob es anlässlich dieser Versuchsfahrten zu Transporten von Reisenden gekommen war, wurde nicht überliefert. Üblich war das sicherlich nicht, denn man musste befürch-ten, dass man sich mit den Schweizerischen Bundes-bahnen SBB anlegte. Noch
besorgte diese den
Personenverkehr
im Furttal und nicht die MFO. Andererseits darf vermutet werden, dass man
einige freiwillige «Opfer» rekrutierte um auch den Fahrgastfluss zu
testen.
Nachdem im Kandertal zwischen Spiez und Frutigen die
Fahrleitung
fertig gestellt war, wurden die drei
Triebwagen
im Juli 1910 mit einer Dampflokomotive ins Berner Oberland transportiert.
Wegen den vorhandenen
Achslasten
mussten jedoch auf ein paar Abschnitten spezielle Bedingungen eingehalten
werden. Besonders die
Brücken
sorgten dafür, dass auch mit
Schutzwagen gearbeitet werden musste, denn die
Motorwagen
waren schwer. Bei der Ankunft wurden die drei neuen Fahrzeuge in Augenschein genommen. Das machen auch Sie, wenn sie beim Händler ihr neues Auto abholen können. Bei der Bahn lieferte dieser das Fahrzeug einfach bis zur Haustüre. Es fand so die offizielle Übernahme in Spiez statt.
Die drei
Motorwagen
waren in ihrer neuen Heimat angekommen und diese sollten sie nicht so
schnell verlassen. Nur damit begannen auch die Probleme bei der ehemaligen
SFB. Begonnen hatten die Probleme bereits beim Personal. Sie müssen wissen, dass in der neuen Heimat niemand wusste, wie dieser komische Kasten zu bedienen ist. Das Personal musste daher zuerst in Punkten geschult werden, die heute nicht mehr behandelt werden.
Das begann damals mit den einprägsamen Worten, dass
Elektrizität
tödlich ist. Die Lokführer, die bisher mit Dampf fuhren, bekamen es mit
dieser
Fahr-leitung
zu tun. Heute können wir das nur schwer nachvollziehen. Sie müssen bedenken, dass es ein gewaltiger Schritt war. Es gab kein Feuer mehr, das vom Heizer bewirtschaftet werden musste.
Somit verlor er seine Aufgabe und das führte hier sogar dazu, dass
er eine neue Bezeichnung bekommen sollte. Es wurde nun von einem Beimann
gesprochen und seine Arbeiten umfassten andere Aufgaben, die bisher oft
auch vom Lokführer erledigt wurden.
Nach dem die Schulungen soweit fortgeschritten waren, begannen
erneut Versuche. Jetzt konnten die drei
Motorwagen
erstmals in ihrer Heimat beweisen, was sie konnten. Noch wurde aber die
Höchstgeschwindigkeit
nicht ausgefahren, denn auch das Spiel zwischen der
Schleifleiste
und der
Fahrleitung
musste eingestellt werden. Ein
Stromabnehmer,
der defekt auf dem Boden liegt, machte damals und heute keine gute Figur. Kurz nach ihrer Ablieferung wurde dann die behördliche Kollaudation der ersten elektrifizierten BLS-Strecke durchgeführt. Diese Fahrten waren sowohl für die Hersteller des Fahrzeugs, als auch die Erbauer der Fahrleitung wichtig.
Man konnte so gegenüber den Behörden klarlegen, dass das neue
System funktionierte und betriebssicher war. Klar war man davon überzeugt,
aber eben, man hatte immer noch keine Bewilligung. Sie müssen bedenken, dass bei einer schmalen Schleifleiste, wie sie bei diesen drei Motorwagen angewendet wurde, deutlich geringere Toleranzen bei der verbauten Fahrleitung bestanden.
Gerade der Hondrichtunnel mit seinem engen Profil und den damit
knappen Abständen sorgte für Probleme. Der Bügel hob den
Fahrdraht
leicht und das konnte zu einem
Kurzschluss
führen. Besonders dann, wenn die
Isolatoren
noch verschmutzt waren. Die Dampflokomotiven, die auch nach der Montage der Fahrleitung verkehr-ten, sorgten mit dem ausgestossenen Russ immer wieder für Kurzschlüsse.
Deren Ursache musste abgeklärt werden, denn ohne
Spannung
konnte mit den neuen Fahrzeugen nicht gefahren werden. Auch sonst war noch
nicht sicher, dass die Leitungen den Belastungen widerstehen konnten. Ein
zu schwach abgespannter
Fahrdraht
ist nicht gut.
Mit der
Kollaudation
der Strecke und der eingesetzten Fahrzeuge konnte dann erstmals ein
fahrplanmässiger
Versuchsbetrieb
auf einer Strecke aufgenommen werden. Daher war das ein sehr wichtiger Tag
in der Geschichte der Bahnen und der beteiligten Herstellern. Die ersten
fahrplanmässigen
Reisezüge wurden mit dem einphasigen
Wechselstrom
von 15 000
Volt
und mit der
Frequenz
von 16 2/3
Hertz
geführt. Genau genommen ab dem 01. November 1910 ver-kehrten die Reisezüge auf der Strecke zwischen Spiez und Frutigen mit elektrischer Traktion. Da wir jedoch kaum über Erfahrungen verfügen, konnte die Inbetriebsetzung noch nicht abgeschlos-sen werden.
Heute würden wir in diesem Zusammenhang von einem
Versuchsbetrieb
sprechen. Damals ein Be-griff, der nicht so geläufig war. Man testete
einfach auf dem Rücken der Fahrgäste. Die Euphorie des ersten Zuges, überdeckte jedoch die grossen Probleme mit dem Triebwagen. Schon bei den ersten Fahrten auf der Strecke wurde dann auch sehr schnell festgestellt, dass der Motorwagen die erwarteten Laufeigenschaften nicht erreichte.
Besonders in den
Kurven
bockten die neuen Fahr-zeuge gewaltig. Die Fahrgäste wurden dabei kräftig
durchgeschüttelt und im Gebälk knackte das
Holz
oft beängstigend.
Man kann daher kaum von einem erfolgreichen Start berichten, aber
wer vermag das in Anbetracht der gewaltigen
Leistung
aller Verantwortlichen ver-denken. Besonders im Hondrichtunnel waren auch
die Vorteile zu erkennen. Die Fahrgäste und auch das Personal klagten
weniger über Kopfschmerzen und auch der sonst oft zu hörende Hustenreiz
nach dem
Tunnel
trat nicht mehr in Erscheinung. Noch wusste man den Grund dafür nicht.
Wir beschliessen die
Inbetriebsetzung,
denn mit den fahrplanmässigen Fahrten begann ein neues Kapitel. Bei diesen
stossen auch die
Lokomotiven hinzu, die ebenfalls im Berner Oberland
eingetroffen waren. Auf der SFB verkehrte somit eine erste
Schnellzugslokomotive,
die elektrisch betrieben wurde. Doch nun zum Beginn des
Versuchsbetriebes
auf der ehemaligen Strecke der Spiez – Frutigen – Bahn SFB begann.
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