Traktionsstromkreis

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Nachdem wir die Lokomotive mechanisch aufgebaut haben, ist es an der Zeit auch den elektrischen Teil zu betrachten. Die Baureihe Ae 3/6 I war für eine Spannung in der Fahrleitung von 15 000 Volt und 16 2/3 Hertz Wechselstrom ausgelegt worden. Eigentlich keine grosse Überraschung, da sie ja wegen der Einführung dieses System beschafft wurde. Innerhalb der Serie haben wird damit bereits die gemeinsamen Nenner kennen gelernt.

Die Fahrleitungsspannung wurde mit auf dem Dach montierten Stromab-nehmern abgegriffen. Es kam ein Scherenstromabnehmer zur Anwendung, der bereits bei der Baureihe Be 4/6 sehr erfolgreich verwendet wurde und der von der Firma BBC entwickelt worden war.

Die ganze Einrichtung wurde auf Isolatoren montiert und sie arbeitete mit zwei Federn und Druckluft. Dabei besorgte letztere, dass die Kraft der Senk-feder aufgehoben wurde.

Dadurch konnte die Hubfeder ihre Kraft entfalten und den Bügel heben. Das erfolgte so lange, bis die Konstruktion des Stromabnehmer durchgestreckt war, oder auf ein Hindernis stiess.

In der durchgestreckten Situation war es nicht mehr möglich den Bügel ohne fremde Hilfe zu senken. Daher musste darauf geachtet werden, dass der Stromabnehmer unter einer Fahrleitung gehoben wurde, denn dann traf der Bügel auf den Fahrdraht.

Den Kontakt mit dem Fahrdraht wurde mit einem oben am Bügel montierten und aufstehenden Teil hergestellt. Dabei bestand dieses Schleifstück aus Aluminium und es war so geformt worden, dass die Notlaufhörner ausgebildet wurden. Die Breite dieser Schleifleisten, die mit Federn versehen immer senkrecht stand, wurde von der Fahrleitung vorgegeben. Wie damals in der Schweiz üblich, wurde eine Breite von 1 320 mm verwendet.

Wegen der Tatsache, dass nur einfache Schleifleisten montiert wurden, mussten immer beide Stromabnehmer gehoben werden um den sicheren Kontakt mit dem Fahrdraht zu sichern. In Notfall konnte aber mit einem Modell noch eine Strecke geräumt werden. Wobei bei einem defekten Bügel meistens die dadurch auch defekte Fahrleitung die Lokomotive hinderte, die Fahrt ohne thermische Hilfe fort zu setzen.

Soweit waren eigentlich alle Lokomotiven gleich aufgebaut worden. Wäre da nicht die Maschine mit der Nummer 10 647, könnten wir es auch dabei belassen. So müssen wir uns aber auch noch die Stromabnahme bei dieser Lokomotive ansehen.

Es war ein Versuch, der aber bereits bei der Aus-lieferung umgesetzt worden war und so zu dieser besonderen Situation führte. Auf die Scherenstrom-abnehmer nach der Bauart der BBC wurde verzich-tet.

Aufgebaut wurden zwei Stangenstromabnehmer. Diese wurden auf ähnliche weise gehoben, wie die normalen Stromabnehmer, besassen jedoch an Stel-le des Bügels nur eine einfache Stange.

An deren Ende war das Schleifstück eingebaut wor-den. Bei der Ausführung der Schleifleiste gab es aber keinen Unterschied zu den anderen Lokomotiven. Jedoch bei der Position, des Schleifstückes, denn dieses konnte durch den Fahrdraht bewegt werden.

Beim Stangenstromabnehmer der Nummer 10 647 wurde im Betrieb immer nur der in Fahrrichtung vordere Stromabnehmer gehoben. Durch die Konstruktion sollte die Schleifleiste einen besseren Kontakt zur Fahrleitung haben, was die Reduktion bei den gehobenen Stromabnehmern erlaubte. Kurze Fahrwege konnten aber auch mit dem hinteren Modell gefahren werden. Damit musste nicht bei jedem Wechsel der Fahrrichtung der Bügel gewechselt werden.

Wie gut diese Stangenstromabnehmer waren, ist nicht gross bekannt geworden. Da die Maschine jedoch nach wenigen Monaten auch mit Scherenstromabnehmer der Bauart BBC versehen wurde, kann angenommen werden, dass die Versuche nicht erfolgreich waren. Jedoch gelangte mit den Stromabnehmern die Spannung der Fahrleitung auf das Dach der Lokomotive und musste dort übertragen werden. Dazu war die Dachleitung verbaut worden.

Die beiden Stromabnehmer wurden mit der Dach-leitung verbunden. Diese war als Stromschiene aus-geführt worden und sie stand auf Isolatoren. Unmit-telbar bei den Bügeln waren in der Leitung spezielle Trennmesser eingebaut worden.

Diese konnten aus dem Maschinenraum bedient werden und erlaubten es, einen Bügel von der rest-lichen Ausrüstung zu trennen. Besonders bei einem Defekt des Stromabnehmern, konnte ein Kurz-schluss verhindert werden.

Einen Kurzschluss verursachen sollten die bei den Lokomotiven mit den Nummern 10 601 bis 10 616 auf dem Dach montierten Blitzschutzspulen. Diese waren an der Dachleitung angeschlossen worden und verbanden diese mit dem Dach. Durch das vom Wechselstrom in der Wicklung erzeugte Magnetfeld entstand kein Kurzschluss und nur ein sehr geringer Strom wurde über diese Spulen nutzlos auf das Dach der Lokomotive abgeleitet.

Schlug nun aber ein Blitz in die Leitung ein, änderte sich das. Bei der natürlichen Spannung eines Blitzes handelte es sich um Gleichstrom. Dieser erzeugte in der Spule jedoch kein Magnetfeld. Es entstand so ein Kurzschluss, der verhindern sollte, dass die Energie des Blitzes durch den Transformator geführt wurde. Man sprach da vom Weg des geringsten Widerstandes. Dumm dabei war nur, dass sich dieser auch im Transformator befinden konnte.

Mit anderen Worten, die Wirksamkeit der Blitzschutzspule war nicht gesichert. Daher wurde ab der Nummer 10 617 auf diese nutzlose Einrichtung verzichtet. Die Spulen auf dem Dach wurden ersatzlos gestrichen. Schlug nun ein Blitz ein, konnte es zu Schäden kommen. Jedoch war das so selten der Fall, dass man problemlos auf die Blitzschutzspulen verzichten konnte. Zumal diese auch im Betrieb oft für Probleme sorgten.

Die sich immer noch auf dem Dach befindliche Spannung der Fahrleitung musste in den Maschinenraum geleitet werden. Das erfolgte im Bereich des Hauptschalters, der auch dafür besorgt war, die Ausrüstung sicher von der Fahrleitung zu trennen.

Bei allen Lokomotiven wurde dazu ein Ölhauptschalter verwendet. Das galt auch für den parallel dazu einge-bauten Erdungsschalter. Doch damit haben wir die Punkte bereits erledigt.

Bei den Maschinen mit den Nummern 10 601 bis 10 616 wurde der Hauptschalter manuell über ein mechanisches Gestänge bedient. Die anderen Lokomotiven dieser Bau-reihe besassen dazu jedoch einen Motor, der den Schalt-vorgang über die Steuerung ausführte.

Bei diesen Modellen war jedoch in jedem Führerstand ein Hebel vorhanden, der es erlaubte, den Hauptschalter auch mit mechanischen Lösungen zu öffnen.

Diese zwei unterschiedlichen Lösungen des Antriebes war-en auch optisch leicht zu erkennen, denn die Schalter wurden unterschiedlich eingebaut. Jedoch hatten beide Modelle den Nachteil, dass die Ölhauptschalter nur eine bestimmte Leistung schalten konnten.

Im Vorfeld führte das bereits zu ersten Explosionen. Damit die dadurch entstehenden Schäden verhindert werden konnten, wurde ein Blockierrelais zum Schutz des Hauptschalters eingebaut.

Wir haben nun eine geschaltete Spannung, die jedoch immer noch zu hoch für die Fahrmotoren war. Zudem musste dort die Spannung geregelt werden. Aus diesem Grund wurden Transformatoren verwendet. Auf jeder Lokomotive kam nur ein einziges Modell zur Anwendung. Dieses wurde wegen dem verfügbaren Platz hinter dem Führerstand eins und somit über dem Laufdrehgestell eingebaut. Das sollte Auswirkungen auf die Achslasten haben.

Die Spule des Transformators wurde aus Gewichtsgründen in der Sparschaltung aufgebaut und am anderen Ende mit dem Rahmen der Lokomotive verbunden. Da-mit ein geschlossener Stromkreis entstand, waren bei den Triebachsen Erdungs-bürsten vorhanden.

So wurde die Spannung der Fahrleitung sicher auf die beiden Schienen abgeleitet. Der Kreis zum Kraftwerk war nun geschlossen und es konnte elektrische Leistung übertragen werden.

Mit dem Transformator haben wir den primären Stromkreis abgeschlossen. Alle weiteren Verbraucher der Lokomotive bezogen die Energie ab dieser Wicklung. Für die Versorgung der Fahrmotoren wurden unterschiedliche Anzapfungen ver-wendet.

Bei den Maschinen mit den Nummern 10 601 bis 10 636 hatten diese Spannungen zwischen null und 650 Volt. Bei den weiteren Lokomotiven wurde jedoch nur noch eine maximale Spannung von 460 Volt benötigt.

Um die Spannung bei den Fahrmotoren ohne Unterbruch zu erhöhen, musste ein zusätzlicher Schalter verbaut werden. Bei allen Lokomotiven wurde dazu der von der BBC entwickelte Flachbahnstufenschalter verwendet.

Dieser wurde mit zusätzlichen Lastschaltern versehen. Bei den Lastschaltern han-delte es sich um normale Hüpfer, die schnelle Schaltfolgen erlaubten. Trotzdem erfolgte die Schalung jeder Stufe in drei Schritten.

Mit einem Motor wurde ein Gleitschlitten auf der Flachbahn, die dem Stufen-schalter den Namen gab, bewegt. Dabei wurde mit den Lastschaltern immer eine Anzapfung mit der anschliessenden Leitung verbunden. Durch die Schaltung führte das jedoch dazu, dass für eine kurze Zeit gleichzeitig zwei Anschlüssen verbunden waren. Der nun entstehenden Kurzschluss wurde mit einem Widerstand beschränkt, welcher jedoch nur kurz belastet werden durfte.

Eine Schaltung dieses Stufenschalters benötigte ungefähr eine Sekunde, so dass er eine ansprechende Geschwindigkeit besass und zu einer Lokomotive für Schnellzüge passte. Dabei konnte dieser Schaltvorgang so oft wiederholt werden, dass 18 Fahrstufen entstanden. Diese wurden zudem ohne Unterbruch des Stromflusses geschaltet und die Spannung wurde anschliessend zu den bei jedem Fahrmotor verbauten Wendeschaltern zugeführt.

Der Wendeschalter jedes Fahrmotors konnte durch umgruppieren der Wicklungen die Drehrichtung ändern. So wurde die Fahrrichtung eingestellt. Eine Möglichkeit die Motoren so zu gruppieren, dass eine elektrische Bremse entstanden wäre, gab es jedoch nicht. Eine solche Bremse wurde nicht gefordert und die dazu erforderliche Schaltung war mit Patenten der MFO geschützt. Die Baureihe Ae 3/6 I hatte daher lediglich die Änderung der Fahrrichtung.

Es muss erwähnt werden, dass der Nutzen solcher Bremsen im Flachland angezweifelt wurde. Zudem bedeutete eine solche Einrichtung auch ein zusätzliches Gewicht. Bei der Schaltung nach Behn-Eschenburg wurde ein Hilfstransformator und zusätzliche Kontakte an den Wendeschaltern benötigt. Im Fall der hier vorgestellten Baureihe Ae 3/6 I hätte das jedoch dazu geführt, das die Achslasten nicht mehr eingehalten werden konnten.

Die drei Fahrmotoren wurden parallel angeschlossen und so konnte ein defekter Motor mit Abheben der Kontakte beim Wendeschalter abgetrennt werden. Wir haben damit aber die gemeinsamen Punkte der Lokomotiven kennen gelernt.

Bei den Fahrmotoren und bei deren Leistung gab es inner-halb der Serie grössere Unterschiede. Wir kommen daher nicht darum herum uns die Fahrmotoren getrennt anzu-sehen.

Bei den Lokomotiven mit den Nummern 10 601 bis 10 636 wurden Seriemotoren der Firma BBC verbaut. Das war eigentlich klar, da ja die Maschine von dieser Firma ent-wickelt wurde. Dabei handelte es sich um 14polige Motoren, die über drei statische Wicklungen verfügten.

Neben der Erregerwicklung, kam auch noch eine Hilfspol- und Kompensationswicklung zur Anwendung. Wichtiger waren jedoch die technischen Daten dieser Wechselstrom-motoren.

Mit den drei Fahrmotoren konnte eine Anfahrzugkraft von 140 kN erzeugt werden. Die Zugkraft reduzierte sich bis zur Leistungsgrenze auf einen Wert von 83.5 kN.

Diese Grenze lag bei 61 km/h und die Kraft konnte währ-end einer Stunde abgegeben werden. Die Leistung lag bei diesem Punkt bei 1 450 kW, oder 1 920 PS. Ein Wert, der im Vergleich der drei Serien in der Mitte lag und dabei auch nur wenig unter der Reihe Ae 3/6 II.

Nach diesen 36 Lokomotiven wurde die Lieferung geändert. Da die BBC zu jener Zeit mit der Entwicklung der Baureihe Ae 4/7 stark ausgelastet war und weitere Modelle der Reihe Ae 3/6 I beschafft wurden, sollten die Maschinenfabrik Oerlikon MFO und die Société Anonym der Ateliers de Sécheron SAAS die weiteren Maschinen der Reihe Ae 3/6 I bauen. Eine Massnahme die von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB angeregt wurde.

Deren Modelle von den Baureihen Ae 3/6 II der MFO und Ae 3/5 der SAAS sollten nicht mehr weiter bestellt werden und so war die Kapazität in deren Werken vorhanden. Die Vorgaben der Schweizerischen Bundesbahnen SBB waren klar, die hier verbauten Fahrmotoren mussten zu jenen der Nummern 10 601 bis 10 636 passen. Man wollte diese im Unterhalt austauschen können. Jedoch war nun auch klar, dass nicht die Motoren der BBC verbaut wurden.

Wer aufmerksam war, hat beim Transformator bereits festgestellt, dass es bei den Spannungen für die Fahr-motoren Unterschiede gab. So galten für die höheren Nummern ab der Lokomotive 10 637 geringere Spann-ungen.

Mit anderen Worten, die hier verbauten Fahrmotoren konnten nicht bei den Lokomotiven mit den tiefen Num-mern verwendet werden. Wer das trotzdem versuchte, sollte drei weitere defekte Fahrmotoren bekommen.

Jedoch blieb es nicht nur dabei, denn bei den Loko-motiven mit den Nummern 10 637 bis 10 712 wurden 16polige Seriemotoren der MFO eingebaut. Diese besassen zudem keine Kompensationswicklung, dafür ohmsche Wendepolshunts, die gekühlt werden mussten. Das galt auch für die von der SAAS bei den Nummern 10 713 und 10 714 verbauten Fahrmotoren, denn diese konnten tatsächlich mit den Modellen der MFO getauscht werden.

Auch bei den Leitungsdaten gab es Unterschiede. So konnte mit diesen Fahrmotoren eine maximale Anfahrzugkraft von 150 kN erzeugt werden. Bei der Leistungsgrenze, die hier bei 65 km/h erreicht wurde, konnte noch eine Zugkraft von 88 kN abgerufen werden. Die nun verfügbare Leistung lag über die Dauer einer Stunde bei 1 560 kW, oder bei 2 100 PS. Diese Werte lassen aber auch erkennen, dass der bei diesen Maschinen eingebaute Transformator mehr Leistung hatte.

Obwohl in den Fachbüchern und auch hier von einer Serie gesprochen wird, traf das bei der Baureihe Ae 3/6 I nicht zu. Die gesamte Serie unterteilte sich daher in die etwas schwächeren Modelle mit den Nummern 10 601 bis 10 636 und die mit mehr Leistung versehenen Nummern 10 637 bis 10 714 auf. Die Auswirkungen dieser Differenz sollte sich im Betriebseinsatz bemerkbar machen und es war eine Eigenart dieser Baureihe.

 

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