Betriebseinsatz Teil 1

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Eigentlich hatte man am Gotthard gerade die Umstellung abgeschlossen, als die neuen Lokomotiven aus Meyrin eintrafen. Im Gegensatz zu den bereits am Gotthard vorhandenen Maschinen konnte sie jedoch nicht umgeschaltet werden. Das war kein Problem mehr, da die Dampflokomotiven kaum mehr zu sehen waren. Mit der endlich durchgehend befahrbaren Strecke begannen die Einsätze der ersten elektrischen Lokomotiven.

Das Depot Erstfeld erstellte zwei Diens-tpläne. Einer war für Güterzüge, die mit der Baureihe Ce 6/8 II bespannt wurden. Im zweiten Plan waren die Reihen Be 4/6 und Be 4/7 enthalten.

Sie sollten die Reisezüge übernehmen. Eine Unterscheidung der beiden Typen gab es jedoch nicht.

Die schweren Reisezüge am Berg wurden mit zwei Lokomotiven bespannt. Für leichtere Züge und auf den flachen Ab-schnitten reichte eine Maschine aus.

Die Bergbespannung mit zwei Lokomo-tiven führte dazu, dass die beiden Typen gemischt verkehrten. Beim oft chao-tischen Betrieb am Gotthard, kann davon ausgegangen werden, dass es auch zu Zügen mit zwei Maschinen Be 4/7 ge-kommen sein muss.

Wobei diese besondere Bespannung durch die geringe Anzahl Lokomotiven ausgesprochen selten eintraf. Meistens war daher die Kombination mit Be 4/6 zu sehen.

Richtung Norden reichte eine Lokomo-tive für die Reisezüge. Da nun aber viel Zugkraft ungenutzt blieb, lastete man die Züge mit Güterwagen auf. Insbesondere die Personenzüge führten oft Wagen für die einzelnen Bahnhöfe mit. Jedoch gab es keine reinen Güterzüge, denn diese waren auf der internationalen Strecke für die Schnellzugslokomotive zu schwer. Sie sehen, die neue Traktion brachte spannende Leistungen.

Güterzüge über den Gotthard gab es mit der Reihe Be 4/7 nicht, denn die Reihe Ce 6/8 II «Krokodil» konnte sich dort behaupten und die schnellen Lokomotiven konnten vor Reisezügen besser verwendet werden. Es waren also zu Beginn klar getrennte Dienste und der Auslauf der neuen Lokomotiven beschränkte sich auf den Kreis fünf. Weiter konnte man schlicht noch nicht, weil dort die neue Fahrleitung noch nicht eingeschaltet war.

Dabei waren die Lokomotiven der Reihe Be 4/7 vermutlich anfänglich auch nicht öfters in der Hauptwerkstätte, wie die anderen Maschinen.

Bellinzona wurde dabei auch nur gewählt, weil es schlicht die einzige Hauptwerkstätte war, die bereits mit den not-wendigen Fahrleitungen versehen war.

Daher war die Zuteilung keine grosse Überraschung. Eher überraschend waren jedoch die regelmässigen Feder-brüche bei den Antrieben.

Als sich die Besatzungen der Be 4/7 mit der Nummer 12 502 und der Be 4/6 und der Nummer 12 322 in Erstfeld kurz nach Mitternacht mit dem Zug 70 auf den Weg in Richtung Süden machten, ahnte vermutlich noch niemand, dass es eine Fahrt ins Desaster sein würde.

Dieser 24. April 1924 sollte in die Geschichte der Eisen-bahnen der Schweiz eingehen. Doch noch war alles im üblichen Rahmen und die Fahrt über den Gotthard verlief ohne nennenswerte Probleme.

Als Zug 70 schon unterwegs war, machte sich in Chiasso der Zug 51b auf den Weg in Richtung Norden. Hinter den beiden Lokomotiven der Reihe Be 4/6 musste noch ein Heizwagen eingereiht werden, da die internationale Wagensammlung noch nicht mit einer elektrischen Heizung ausgerüstet war. Auch hier war man sich sicher, dass man die Fahrt in den Norden geniessen kann und die Fahrgäste schliefen friedlich in den Wagen.

Nachdem Zug 70 den Bahnhof Biasca verlassen hatte, begann der Stern zu sinken. Der Fahrdienstleiter meldete dem Bahnhof San Paolo die Reihenfolge der Züge und bemerkte nicht, dass er dabei die Nummern verwechselte. Der vermeintliche Güterzug mit Ce 6/8 II war nicht vor, sondern hinter dem Schnellzug nach Süden. Der Fahrplan wollte es so, dass sich die beiden Züge exakt im Bahnhof San Paolo kreuzen würden.

Da der Güterzug jedoch den Fahrweg des nach Norden fahrenden Schnellzuges querte, beliess der Fahrdienstleiter das Einfahrsignal San Paolo auf Halt, stellte jedoch unglücklicherweise die Weichen soweit möglich richtig für die anschliessende Einfahrt.

Womit der zweite Fehler auch schon begangen wurde. Die Weichen standen also ab jetzt auf Kolli-sion. Nur, da war ja das Einfahrsignal, das ein schweres Unglück verhindern sollte.

Vermutlich begann der Zug 51 b gerade in dem Moment mit der Beschleunigung in Bellinzona, als der Lokführer der Lokomotive Be 4/7 die Meldung seines Heizers «San Paolo zu» mit den Worten «Das Signal gilt nicht für uns» quittierte.

Der dritte und folgenschwerste Fehler wurde be-gangen und nichts, aber auch nichts mehr konnte das Inferno verhindern. Doch warum sollte der Lokführer dieser Meinung sein, denn er schien überzeugt?

Die Situation war bis weit in die 1990er Jahre kompliziert. Für Züge Richtung Bellinzona, also für Zug 70 war es das erste Einfahrsignal von Bellin-zona. Für den Güterzug jedoch die Einfahrt San Paolo. Stimmte die Stellung des Signals nicht, musste eine Fehlleitung angenommen werden, weil man in Richtung Bellinzona an San Paolo vorbeifuhr. Das Signal galt also auch für Züge, die nicht in den San Paolo fuhren.

Nur wenige Augenblicke kam es dann auf einer Weiche zur frontalen Kollision der beiden Züge. Dank den geringen Geschwindigkeiten verlief dieser Zusammenstoss noch relativ glimpflich und vermutlich forderte dieser Teil des Unfalls kaum Opfer. Auch die Schnellbremsen der beiden Züge reduzierten die Energie. Jedoch war der Zug 51b für so einen Unfall denkbar schlecht formiert worden, denn der Heizwagen führte zum Inferno.

Da der Heizwagen des Zuges 51b umstürzte, geriet er in Brand und das beim unmittelbar folgenden Personenwagen austretende Gas der Beleuchtung entzündete sich. Der deutsche Wagen brannte in der Folge vollständig aus. Darin starben letztendlich 21 Menschen und das Unglück wurde zu einem der schwersten Unglücke in der Schweiz. Sehr viele Fehler und eine unglückliche Kombination, die viele neue Gesetze verursachen sollte.

Daraufhin wurden in der Schweiz Personenwagen mit Gasbeleuchtungen verboten und auch die Vorschriften für die Fahrdienstleiter und Weichenwärter angepasst. In Zukunft sollten solche Unglücke mit der Vorschrift, dass sämtliche Weichen, die zu einer Zugsfahrstrasse weisen, in Stutzstellung zu verbringen sind, bevor ein Signal auf Fahrt gestellt werden darf, verhindert werden. Doch auch das Fahrpersonal wurde besser geschult.

Dabei wurde die Meldung des Heizers verändert. Bei Zügen in Richtung Bellinzona lautete die neue Meldung «Äussere Bellinzona zu». Nur wenn der Zug in den Rangierbahnhof fahren sollte, erfolgte die Meldung «San Paolo zu». Für die 21 Opfer kamen aber diese einfachen Änderungen zu spät und die vier Lokomotiven hatten es nicht weit in die Hauptwerkstätte, war diese doch am San Paolo angeschlossen worden.

Die vier schwer beschädigten Lokomotiven der beiden Züge wurden daher in die nahe gelegene Hauptwerkstätte überstellt und dort vorerst abgestellt. Die SLM in Winterthur musste für die Maschinen mehrere neue Führerstände herstellen und nach Bellinzona liefern. Erst dann erfolgten die Reparaturen und alle vier beteiligten Maschinen kamen wieder in den Betrieb, der sich in der Zeit, wie wir nun wissen, deutlich verändert hatte.

Der Unfall zeigt aber auch, dass die Reihe Be 4/7 zusammen mit der Baureihe Be 4/6 eingeteilt wur-den. Dabei bespannten die Lokomotiven auch die Langläufe zwischen Luzern und Chiasso.

Die Be 4/7 hatte beim Lokomotivpersonal durchaus einen guten Ruf, denn die Maschine lief sehr ruhig. Vor allem ruhiger als die Baureihe Be 4/6, welche oft recht bockig sein konnte, was ihr auch den nicht so schönen Übernamen «Rehbock» einhan-delte.

Das Problem der Reihe Be 4/6 war dabei der Stan-genantrieb, der schwer war und der im Gegensatz zum Einzelachsantrieb, die Lokomotive ins Schlin-gern brachte. 

Daher verwundert es kaum, dass alle sechs Ma-schinen der Reihe Be 4/7 nach Möglichkeit einge-setzt wurden.

Dabei waren die Lokomotiven durchaus erfolg-reich, denn die Reihe Be 4/7 erreichten in diesen Jahren jährliche Kilometer-Leistungen von bis zu 132 000 km.

Selbst die Baureihe Be 4/6, welche die klassische Schnellzugslokomotive für den Gotthard war, er-reichte an den beiden Standorten Erstfeld und Bellinzona nur knapp die Hälfte.

Nicht so glücklich war die Werkstatt in Erstfeld, denn dort durfte man immer wieder die Schraubenfedern austauschen. Eine Arbeit, die auch die Hauptwerkstätte hätte machen können. Daher war man nicht so unglücklich, als die sechs Maschinen in Erstfeld abgezogen wurden. Ab 1927 hiess die neue Heimat für die Westschweizerin Bellinzona. Dort konnte man sich mit der Hauptwerkstätte um die lädierten Federn streiten.

Auch im Jahre 1928 fand man alle sechs Maschinen in Dienstplänen am Gotthard. Sie leisteten immer noch vor den Reisezügen ihre Arbeit. Im Gegensatz zur Reihe Be 4/6 kamen aber kaum Güterzüge hinzu. Der Grund war simpel, denn die Reihe Be 4/7 hatte bei hohen Geschwindigkeiten einer bessere Laufruhe, als das Modell der BBC. Jedoch begann der Stern zu sinken, denn neue Maschinen übernahmen die noblen Schnellzüge.

Grund dafür waren die nagelneuen Maschinen der Reihe Ae 4/7, welche auf den flachen Abschnitten viel schneller waren und trotzdem die gleichen Lasten ziehen konnten, wie die älteren Baureihen.

Die Reihe Be 4/7 wurde in leichtere Aufgaben eingeteilt. Man erhoffte sich so eine Besserung der vielen Brüche bei den Federn der Antriebe. Oft mussten mehrere Maschinen zur gleichen Zeit repariert werden, was natürlich den Leu-ten nicht gefiel.

Als sich 1930 am Gotthard abzuzeichnen begann, dass die zahlreichen Maschinen der Reihe Ae 4/7 durch neue gigan-tische Lokomotiven der Baureihe Ae 8/14 ergänzt werden würden, waren die alten Modelle Be 4/7 am Gotthard je länger je mehr unerwünscht.

Es verwundert daher nicht, dass sich die ersten drei Loko-motiven in Bellinzona verabschiedeten und in den Kreis I und somit nach Lausanne abwanderten. Erstmals waren die sechs Lokomotiven getrennt worden.

Das Intermezzo in Lausanne dauerte nur kurz. Die Lokomo-tiven wurden nur wenige Monate später nach Bern ver-schoben. Das Depot schickte sie sogleich in Wallis und damit ins Depot Brig. Die Maschinen sollten nun auf der Simplonstrecke eingesetzt werden. Möglich war dies, weil nun auch hier die Fahrleitung umgebaut worden war. Der Drehstrom hatte den Kampf mit dem Wechselstrom bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB verloren.

Wer es etwas kritischer betrachtet, kann durchaus annehmen, dass niemand sichtlich Freude an der Maschine hatte. Die Umstellung der Simplonstrecke kam daher ganz gelegen. Ab nach Brig damit, sollen die sich um die Federn kümmern. Für die Maschine bedeutete das jedoch weiterhin steile Abschnitte, was sie natürlich mit gebrochenen Schraubenfedern quittierte. Das Depot in Brig musste sich dann darum kümmern.

Als 1932 auch noch die letzten drei Maschinen Be 4/7 von Bellinzona nach Bern verschoben wurden, waren sämtliche Maschinen wieder in einem Depot statio-niert.

Die Leistungen am Gotthard waren verschwunden und wurden von der Baureihe Ae 4/7 übernommen. Trotz-dem blieben die Lokomotiven am Gotthard weiterhin häufige Gäste.

Vor allen dann, wenn man sie der Hauptwerkstätte zuführte, um gebrochene Schraubenfedern zu er-setzen.

Neu wurden die Lokomotiven auch im Jura einge-setzt. Für die steilen Strecken am Simplon gab es nun auch stärkere und schnellere Lokomotiven der Baureihe Ae 4/7.

Gerade diese sollten die Maschinen der ersten Generation in niedere Dienste verdrängen. Diese waren aber nicht mehr nur mit Reisezügen besetzt, sondern hatten füllende Leistungen erhalten. Solche fanden sich bei leichten Güterzügen, die so Ce 6/8 II frei stellten.

Die Aufgaben im Jura erstreckten sich von Reisezügen über Güterzüge, bis zu Hilfsleistungen, wie Vorspann-dienste oder ähnliches. Die ehemalige Schnellzugslokomotive wurde zum universellen Kämpfer auf allen Ebenen. Dabei war sie ideal, denn auch der Jura hatte seine steilen Strecken, auch wenn sie nicht so lange waren, wie jene am Gotthard und am Simplon. Die Maschine für Bergstrecken war daher in ihrem Element.

Weitere Zielorte dieser Jurafahrten, waren Basel und Olten. Die Maschinen gelangten auch immer wieder nach Thun, wo es oft zur Begegnung mit den Lokomotiven der Reihe Be 6/8, oder später Ae 6/8, kam. Beide Lokomotiven verfügten über den gleichen Westinghouseantrieb. Nur hatte scheinbar die Lokomotive der BLS-Gruppe weniger Probleme mit den Federn, als die Reihe Be 4/7. Hinzu kam noch, dass die Maschine der BLS stärker war.

Mit der neuen Verteilung der Hauptwerkstätten bekam die Reihe Be 4/7 eine neue Hauptwerkstätte zugeteilt. Neu war Yverdon für die Lokomotiven mit Westinghouseantrieb zuständig.

Ob man in Bellinzona darüber froh war, kann ich nicht sagen. Nur eines war sicher, die Maschinen Be 4/7 verschwanden am Gotthard und somit von jener Strecke, wofür sie letztlich gebaut wurden. Nach einigen Jahren ging das auch bei den Leuten vergessen.

So wurde die Reihe Be 4/7 zu vergessenen Gotthardlokomotive. Sie sollte immer im Schatten der beiden grossen Serien Be 4/6 und Ce 6/8 II stehen. Neue Arbeit gab es in der Westschweiz und so kehrte die Westschweizerin nach nur zehn Jahren am Gotthard wieder in die Heimat zurück.

Selbst die Leute in der Hauptwerkstätte sprachen nun Französisch. Doch lange sollte es dort auch nicht gut gehen und Yverdon sollte die Arbeit nicht aus-gehen.

Die neue Hauptwerkstätte hatte die Lokomotiven noch nicht lange zugeteilt, als eines schönen Tages die Be 4/7 mit der Nummer 12 502 auftauchte. Die Maschine sah ziemlich mitgenommen aus. Nur was war passiert?

Die Lokomotive legte sich am 19. Mai 1941 in Münsingen etwas zu sehr ins Zeugs und wurde beim Unfall beschädigt. Die Leute in Yverdon stellten die Maschine jedoch wieder her und übergaben sie dem Betrieb.

Sollte Ihnen die Nummer bekannt vorkommen? Genau, erneut traf es wieder jene Maschine, die am 24. April 1924 den Unglückszug führte. Es scheint fast, als hätte die Nummer 12 502 das Glück nicht auf ihrer Seite. Auf jeden Fall, wurde auch jetzt wieder alles gerichtet und die Maschine durfte wieder auf grosse Fahrt. Zumindest bis die Schraubenfedern wieder das zeitliche segneten. Ein Problem, das scheinbar nicht zu lösen war.

 

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