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Die erste
Inbetriebsetzung
eines neuen Fahrzeuges ist immer eine besondere Angelegenheit. Auch hier
wusste man erst, dass wirklich alle Teile funktionierten, wenn das
Fahrzeug erstmals unter
Spannung
gesetzt wurde. Ein Knall und es ging von vorne los. Arbeiten, die oft mit
Rückschlägen zu kämpfen hatten, die aber der Allgemeinheit schlicht
verschwiegen wurden. Selbst der Besteller erfuhr damals nicht so viel. Mit der neuen Ära bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB ging es los, als am 15. April 1935 der erste Triebwagen ausgeliefert wurde. Dieser war damals als CLe 2/4 bezeichnet worden und dabei sollte das L für diese Leichttriebwagen stehen.
Nur wie leicht er war, musste noch kontrolliert werden. Das
be-deutete, dass mit dem neuen Fahrzeug zuerst eine
Gleiswaage
aufgesucht wurde. Dort sollte geklärt werden, ob die
Achslasten
eingehalten wurden.
Gewogen wurde dabei jede
Achse.
Dabei wurde bei den beiden
Laufachsen
leer ein Gewicht 8.2 Tonnen gemessen. Bei den beiden
Triebachsen
gab es sogar noch eine kleine Reduktion. So wurden diese mit 8.1 Tonnen
gemessen. Gerechnet gab das eine Tara von 32.6 Tonnen. Die Beladung
einbezogen, stieg dieses Gewicht auf 39.6 Tonnen an. Wobei auch jetzt die
Laufachsen etwas die grösseren Werte besassen und daher maximal zehn
Tonnen vorhanden war.
Diese Differenz mag gering sein, aber sie resultierte aus der
Verteilung. Der schwere
Transformator
war beim
Laufdrehgestell
eingebaut worden. Die leichteren Motoren jedoch beim angetriebenen
Drehgestell. Die mitreisenden Leute
verteilten ihr Gewicht gleichmässig. So gesehen, war es nicht leicht,
ausgeglichene
Achslasten
zu bekommen. Die Konstrukteure hatten daher nicht so schlechte Arbeit
geleistet, und der
Triebwagen
war gelungen.
Wollte man einen direkten Vergleich anstellen, dann war das nicht
ganz so leicht, denn die anderen
Triebfahrzeuge
waren dazu ausgelegt worden,
Anhängelasten
zu ziehen. Das war hier nicht der Fall, also war die
Leistung
auch angepasst worden. Trotzdem mit dieser geringen
Achslast
musste zuerst noch gefahren werden und das sollten die folgenden Tage
zeigen. Noch war das Fahrzeug nicht im Besitz der
Staatsbahn,
die erste Ergebnisse benötigte. Bei den Probefahrten kamen neue Probleme hinzu. Dem Fahrzeug konnte kein Messwagen mitgegeben werden. Die sonst übliche Bestimmung der Leistung musste anders erfol-gen.
Daher wurden mit dem
Triebwagen,
der mit Hilfe von Sand-säcken zum maximalen Ladegewicht gebracht wurde,
An-fahrversuche unternommen. Dabei startete man in der Ebene und in
Steigungen. Die benötigte Zeit, bis die erlaubte Geschwindigkeit erreicht
wurde, sollte gemessen werden. Danach konnten die Werte ermittelt werden. Ein Ansatz, der jedoch kaum optimale Ergebnisse ergeben hat. Die Werte für die Leistung konnten deshalb nur am Rand kontrolliert werden.
Wobei sich der leichte
Triebwagen
bei diesen Spurts nicht so schlecht präsentierte. Selbst der Nebeneffekt
solcher Versuche, die Erwärmung der Bauteile blieb im Rahmen. Somit konnte
der Besteller mit dem Fahrzeug zu Frieden sein. Daher wurde es übernommen. Auch Fahrten mit hoher Geschwindigkeit wurden vorge-nommen. Dabei wurde das Fahrzeug an seine Grenzen gebracht.
Der ultimative Test war aber die Bremsung aus einer
Geschwindigkeit von 137 km/h auf einen bestimmten Punkt. Es ging um den
Bremsweg
und dabei wurde dieser mit allen drei Modellen aus dem Begleitheft
bestimmt. Gerade die «Gefahrbremse» war dabei ein wichtiger Punkt, denn
damit wurde auf Signale ge-bremst.
Da diese Fahrten draussen und damit unter den Augen der
Öffentlichkeit ausgeführt wurden, fielen die knallroten kleinen Flitzer
schnell auf. Zumindest auf den oft befahrenen Strecken kam der
Triebwagen
so oft vorbei, dass man meinte, es müsste davon mehrere geben. Schnell wie
ein Pfeil schoss das Fahrzeug vorbei. Ein roter Pfeil, der sich daran
machte zum schnellsten Fahrzeug der Schweiz zu werden. Mit 125 km/h hatte
man diesen Titel auf sicher. Wobei gerade bei hohen Geschwindigkeiten das Fahrzeug zu einem unruhigen Verhalten neigte. Der neue Triebwagen bockte immer wieder und die auf das Gleis übertragenen Kräfte konnten deutlich gehört werden.
So richtig überzeugend war der
Triebwagen
nicht unterwegs und daher er-wartete man sehnsüchtig den zweiten Wagen,
der einen anderen
Antrieb
hat-te. Die Industrie meinte, dass dieser deutlich bessere Wert ergebe. Doch was war genau passiert? Mit zunehmender Geschwindigkeit geriet das Fahrzeug in Schwingungen. Diese waren von den Leuten im Zug gut zu spü-ren. Ein Glas mit Wasser wäre bei 125 km/h sicherlich umgefallen.
Von Komfort konnte da nicht mehr gesprochen werden. Zwar war der
Trieb-wagen
besser unterwegs als der
Ce 4/6, der nicht einmal
den Leuten zuge-mutet werden konnte. Doch lange sollte auf den zweiten Zug
nicht gewartet werden.
Am 06. Mai 1935 folgte mit dem der CLe 2/4 Nummer 202 der zweite
Zug. Damit kam das Modell mit dem
BBC-Federantrieb
mit Hohlwelle. Dieser
Triebwagen
sollte gemäss dem Datenblatt deutlich besser sein und daher wurde er
sogleich dem gleichen Programm unterworfen. Die Versuche wurden wiederholt
und so hatte man den direkten Vergleich. Jetzt sollten die Grenzen
aufgezeigt werden und was das Fahrzeug zeigte, war fast ein Wunder.
Auch wenn mit bis zu 137 km/h gefahren wurde, der
Triebwagen
blieb ruhig und die Schwingungen, die sich auch auf das
Gleis
übertragen hatten, waren nahezu verschwunden. Deutlicher konnte der
Vorteil dieses
Antriebes
nicht aufgezeigt werden. Die Schweiz hatte den ersten Antrieb und der war
für grosse Taten bereit, denn nur wenige Jahre später sollten mit dieser
Lösung Geschwindigkeiten von über 150 km/h gefahren werden. Schnell konnten die Versuche abgeschlossen werden und noch bevor der erste Einsatz mit Fahrgästen erfolgte, wur-den von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB weitere fünf Triebwagen dieser Baureihe bestellt.
Diese sollten jedoch mit dem
Antrieb
der Nummer 202 ver-sehen werden. Damit war klar, die Nummer 201 war
eigent-lich ein Fehler, den man aber immer wieder machte und der letztlich
auch den Unterschied aufzeigte. Grundsätzlich zeigten diese beiden Triebwagen, dass es wichtig ist, Versuchszüge zu beschaffen. Wenn diese zudem noch unterschiedlich aufgebaut wurden, konnten Probleme aufgezeigt werden.
Hier waren das die
Antriebe
und dabei konnte deutlich ge-zeigt werden, dass sich der
Tatzlagerantrieb
nicht für hohe Geschwindigkeiten eignen würde. Daher entschied man sich
für den teureren vollwertigen Antrieb der BBC.
Gegen Ende des Jahres konnten die Fahrten soweit abge-schlossen
werden, dass es nun an die Schulung des be-teiligten Personals ging. Das
führte dazu, dass die neuen Fahrzeuge von der Bildfläche verschwanden. Die
Vorgesetzten in den Werkstätten mussten ein Fahrzeug haben um den
Unterhalt vornehmen zu können. Gerade die Lösungen mit der neuen
Widerstandsbremse
und auch die Zugänglichkeit zu den
Fahrwerken
war ein wichtiger Punkt.
Mit einem weiteren freien
Triebwagen
wurde das
Lokomotivpersonal
geschult. Dieses durchlief ebenfalls ein spezielles Programm und dazu
gehörte eine Fahrt, bei der durchaus mit 125 km/h auf einen Halt
zugefahren wurde. Die Bremserei war für das Personal doch nicht ganz so
einfach, wie man sich das bei den schlauen Köpfen ausgedacht hatte.
Besonders die Lösung mit der
Notbremse
war nicht besonders gut angekommen.
Damit man die Schulungen auf dem neuen Fahrzeug und in den neuen
Diensten mit den
Tramzügen
konzentrieren konnte, wählte man nur eine bestimmte
Gruppe
aus. Damit konnte der zeitliche Aufwand verringert werden. Zudem konnten
die Kosten reduziert werden, was in Anbetracht der Wirtschaftskrise, die
Europa in jenen Jahren erschütterte, verständlich war. Anders gesagt, mit
dem roten Flitzer durften nur die gnädigen Herren fahren.
Diesen Mitarbeitern sollte es dann obliegen, den Zug zum Erfolg zu
führen. Bisher hatten sie sich mit schwerfälligen und langsamen
Triebwagen
befasst und nun sollten sie plötzlich mit 125 km/h auf Signale zurasen,
von denen sie wussten, dass es eng werden konnte. Nicht immer wurde die im
Fahrplan
vermerkte Erhöhung für die Leichttriebwagen verstanden. Besonders dann
nicht, wenn man die Strecke kannte und sonst schon in die Eisen steigen
musste. Während die beiden elektrischen Triebwagen begannen Fuss zu fassen, bekamen es die Testlokführer mit einem neuen Fahrzeug zu tun.
Am 01. Januar 1936 wurde der
Triebwagen
CLm 2/4 offiziell den Schweizerischen Bundesbahnen SBB übergeben. Damit
kam nun der mit einem
Dieselmotor
versehene Triebwagen in den Bestand und er sollte sich mit den gut
gewordenen elektrischen Verwandten messen. Dabei schreckte man vor nichts
zurück.
Der zweite
Triebwagen
mit
Dieselmotor
kam dann am 20. Januar des gleichen Jahres zu den Schweizerischen
Bundesbahnen SBB. Somit hatten die
Staatsbahnen
auch die beiden
Prototypen
mit Dieselmotor erhalten. Auf der obligaten Waage wurde indes
festgestellt, dass hier die
Achslasten
nicht so ausgeglichen waren. Während die
Laufachsen
nur knapp neun Tonnen hatten, drückten die
Triebachsen
mit 11.5 Tonnen auf das
Gleis.
Damit war der
Triebwagen
lediglich 34.2 Tonnen schwer und damit noch einmal leichter ausgefallen.
Die Fahrten sollten zeigen, was der
Diesel
auf sich hatte. Dabei waren die ersten Gehversuche auch bei den
Testlokführern eine Herausforderung. Wie war das nun mal?
Gas
geben, dann Gas weg, nächster Gang rein und wieder aufs Gas. Der Ruck, der
durch den Zug ging, hörte man an den bösen Kommentaren von hinten.
Die
Versuchsfahrten
waren aber immer wieder mit Störungen behaftet und endeten nicht immer
glücklich. Einerseits war das
Lokomotivpersonal
mit der recht komplizierten Steuerung des
Dieselmotors
noch nicht vertraut und andererseits, war dieser nicht immer leicht zu
starten, was dann zu ungewollten Halten auf den Strecken führte. Man war
aber noch zuversichtlich, dass es sich nur um Kinderkrankheiten handeln
könnte. Mit den beiden Triebwagen fanden vorerst umfang-reiche Probefahrten in der ganzen Schweiz statt. Bei diesen Fahrten wurde die technische Erprobung neben den Abklärungen für einen möglichen Einsatz geprüft.
Strecken ohne
Fahrleitung
gab es noch, aber pass-ten diese zu den
Triebwagen?
Immerhin hatten die Lokführer die Gangschaltung immer besser im Griff,
aber es zeigte sich klar, dass die Bedienung grös-sere Ansprüche stellte. Sie haben es richtig gelesen, während der Erprob-ung wurde abgeklärt, welcher Strecke diese Fahr-zeuge zugeführt werden konnten. Noch war ge-plant eine kleine Serie dieser Triebwagen zu bestel-len.
Sinnvolle Strecken waren dort zu finden, wo hohe Geschwindigkeiten
ohne
Fahrleitung
gefahren wer-den konnten. Es machte wenig Sinn, ein für 125 km/h
ausgelegtes Fahrzeug auf einer Strecke ver-kehren zu lassen, die kaum mehr
als 80 km/h zuliess.
Daher kamen die beiden
Triebwagen
bei diesen Fahrten nahezu auf alle Strecken, die keine
Fahr-leitung
hatten, zum Einsatz. Dazu gehörte zum Beispiel auch die Linie zwischen
Bellinzona und Luino, wo man immer noch mit den alten Dampflokomotiven
arbeitete. Dabei war die Reise ins Tessin für den Triebwagen eine
Herausforderung. Der Triebwagen, der keine normalen Zug- und
Stossvorrichtungen
hatte, durfte nur mit einer
Hilfslokomotive
über den Berg.
Der Versuch mit dem CLm 2/4 auf der Linie nach Luino war nicht von
grossem Erfolg geprägt. Der rote Flitzer konnte seine Stärken kaum zeigen,
weil die
Kurven
dies wirksam verhinderten. Jedoch war da noch der Mittwoch. Der Markt in
Luino liess die Anzahl der Fahrgäste so ansteigen, dass mit dem kleinen
Triebwagen
kein Pokal zu holen war. Das Verdikt war daher schnell gemacht und klar.
Die Linie nach Luino musste ohne CLm 2/4 auskommen. Es war somit klar, die Baureihe CLm 2/4 sollte nicht mehr weiterverfolgt werden. Die beiden Triebwagen hatten eigentlich nur eine Strecke, für die Sie gut geeignet war.
Das war der lange Weg von Lausanne über Murten nach Lyss. Dort gab
es keinen
Fahrdraht
und die lange Ge-raden und leicht geschwungenen
Kurven
erlaubten hohe Geschwindigkeiten. Daher war schnell klar, wo die bei-den
Exoten ein Zuhause finden würden. Die beiden Triebwagen wurden der Depotinspektion in Lausanne zugeteilt. Dort betraute man eine spezielle Gruppe von Lokführern mit den besonderen Fahrzeugen. Wer sich freiwillig gemeldet hatte, sollte von den Kol-legen immer wieder als Busfahrer belächelt worden sein.
Die Baureihe CLm 2/4 war aber nur dank dieser Lösung
wirtschaftlich einsetzbar und die Anzahl der Schäden verringerte sich dank
der grossen Erfahrungen.
Langsam kamen die neuen roten
Triebwagen
in den planmässigen Einsatz, die vier
Versuchszüge
wurden noch 1936 mit weiteren vier elektrischen Modellen ergänzt. Von der
Lösung mit
Dieselmotor
war klar, eine weitere Serie sollte es nie mehr geben, denn diesen
Triebwagen fehlten zunehmend die passenden Strecken, denn auch die Linie
durch die Broye war in absehbarer Zeit unter dem
Fahrdraht.
Wo die CLm 2/4 dann Arbeit fanden, wusste niemand.
In allen
Depots,
wo die neuen roten Flitzer, die vom Volk nur noch «rote Pfeile» genannt
wurden, stationiert wurden, gab es eine spezielle
Gruppe.
Der schicke Flitzer blieb daher ein Fahrzeug für die gnädigen Herren in
einem Depot und manch junger Kollege sah neidisch zu. Die Mehrheit
rackerte mit den schweren Maschinen, während ein paar gut vernetzte Herren
von der Depotleitung zum Führen des CLe 2/4 befähigt wurden. Beim Unterhalt war auch eine Hauptwerkstätte zu betrauen. Diese fand man in Zürich. Die dortige Werkstätte hatte sich bei den ersten Triebwagen einen guten Ruf erarbeitet. Nun sollten die roten Flitzer dort unterhalten werden. Dabei hiess das auch für die beiden Modelle mit Dieselmotor, dass sie für den Unterhalt den langen Weg nach Zürich absolvieren mussten. Die anderen hatten es nicht so weit, aber für alle hiess die Hauptwerkstätte Zürich. |
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