Durchschlag |
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Ein Durchschlag bei einem
Tunnel,
der von zwei Seiten gebaut wurde, ist eigentlich keine besonders grosse
Überraschung. Die Berechnungen der Richtstollen konnten jedoch fehlerhaft
sein. Diese Fehler wirkten sich letztlich auf den Bau aus. Gerade beim
Tunnel der
Gotthardbahn waren bei den Berechnungen Fehler aufgetreten, diese
Fehler wirkten sich für die Firma Favre und für den Patron selber
verheerend aus. Wenn wir kurz zurückblicken, erkennen wir, dass Favre den Tunnel innerhalb von acht Jahren erbauen wollte. Dabei wird immer wieder davon gesprochen, wie viel Verspätung man beim Bau des Gotthardtunnels hatte. Wenn man die Daten jedoch genauer ansieht,
war die Verzögerung nicht so gross, wie man allgemein glaubt. Daher
rechnen auch wir etwas und dabei versuchen wir natürlich, wie die Leute im
Tunnel
keinen Fehler zu machen. Baubeginn beim Gotthardtunnel war am 12.
September 1872. Dabei begann jetzt die Uhr zu laufen und die Bauzeit von
acht Jahren. Das ergibt somit den Termin für das fertige Bauwerk. Die
Fertigstellung hätte daher gemäss Vertrag zwischen Favre und der
Gotthardbahn auf den 12. September 1880 erfolgen müssen und nicht
im Frühjahr dieses Jahres. Damit lag man im Sommer 1879 eigentlich noch im
vorgegebenen Zeitrahmen. Die Berechnungen ergaben daraus, dass sich die beiden Richtstollen im Sommer 1879 treffen müssten. Dadurch wurde der Vortrieb auf beiden Seiten gedrosselt. Jede Seite wartete auf die Sprengung der anderen Seite. Dies immer mit der Hoffnung, dass man die
andere Seite dabei hören konnte. Doch, es blieb immer wieder still und
langsam zweifelten die Ingenieure an ihren Berechnungen. Man musste doch
so nahe sein, dass man sich hört. In solchen Situationen sucht man schnell
nach den Schuldigen. Diese fand man natürlich bei den Vermessern. Diese
haben nicht korrekt gearbeitet und nun wird man sich nie finden. Auch wenn
diese Berechnung falsch gewesen wären. So weit entfernt, dass man sich
nicht hören konnte, waren die Richtstollen gar nicht, denn das hätte einen
Kilometer und mehr bedeutet. Eine Abweichung von extremem Ausmass. Wie so oft lag der Fehler jedoch bei den
Leuten, die die Vorwürfe geltend machten. Somit bei ihnen selber. Die
Länge der beiden Richtstollen wurde dabei anhand der täglichen
Leistungen
berechnet. Dabei wurden die von der Brust gemeldeten Masse einfach
hochgerechnet. Dadurch ergab sich schliesslich die berechnete Länge des
Tunnels
und von der
Vermessung
her wusste man, wie lange er sein würde. Einfach, jedoch nicht sicher
genug. Kleine Abweichungen bei der Messung, eine
leicht gerundete Zahl, auch wenn das im Bereich von Zentimetern erfolgte,
hatte auf die Länge jedoch grosse Auswirkungen. Machen wir die Berechnung
mit zwei Werten. Damit es einfacher wird, rechnen wir mit einfacheren
Zahlen. Der Vortrieb betrug dabei 6.15 Meter täglich. Auf den
Tunnel
hochgerechnet (14 920 Meter), ergibt 2 426 Tage. Lag der Vortrieb jedoch
effektiv nur bei 6.10 Meter, wird der Bau bereits 2446 Tage dauern. Sie sehen eine kleine Abweichung. Dabei
haben wir jedoch mit den Spitzenwerten gerechnet. Beim Gotthard waren es
0.6 Meter, oder 3.2 Meter. Viele Werte, die schnell dazu führen, dass der
Bau plötzlich mehr als einen Monat länger dauern kann. So gesehen, war man
schnell einem Trugschluss erlegen, der bei mehreren Personen schnell
passieren konnte. Auch ich rundete beim Muster auf ganze Tage, daher ist
Ihnen nicht aufgefallen, dass es nur 19.5 Tage sind. In der Folge war man nicht so weit im
Tunnel,
wie allgemein angenommen wurde. Der Druck und die Angst führten letztlich
jedoch dazu, dass Louis Favre am 18. Juli 1879 im nördlichen Richtstollen
um 14.00 Uhr einen Herzschlag erlitt und dabei im Alter von lediglich 53
Jahren verstorben war. Mitgenommen hatte er seine Visionen, seine
Ausstrahlung und die Ungewissheit, ob der Gotthardtunnel jemals fertig
werden würde. Der Druck, der auf diesem Menschen lastete,
war schlicht zu hoch. Bei Favre schaute wirklich die ganze Welt über die
Schulter und er konnte nur scheitern. Selbst seine verbündeten Mitstreiter
hatten ihn zu diesem Zeitpunkt verlassen. Hinzu kam, dass die Schulden
längst nicht mehr gedeckt werden konnten. Favre verlor am Gotthard, sein
Hab und Gut, sein Vermögen, seinen Mut und letztlich starb der Held einen
unscheinbaren Tod. Die Bauarbeiten liefen auch nach diesem
tragischen Ereignis weiter. Immer noch mit der Ungewissheit, ob man sich
den wirklich finden würde. Zwar hatte man nachgerechnet und geprüft, aber
eine endgültige Sicherheit gab es noch nicht, denn es konnte immer
passieren, dass der gleiche Fehler wiederholt worden ist. In zwei nahezu
7.5 Kilometer langen Richtstollen ist dies jedoch ein beklemmendes Gefühl
auf der Brust. Dadurch kam es schliesslich dazu, dass am 24. Dezember 1879 im Nordstollen ein dumpfes Grollen aus dem Berg vernommen werden konnte. Dieses konnte nur von der südlichen Seite stammen, denn der Teufel wurde hier nicht mehr erwartet. Irgendwo müssen sie sein!? Dabei können sie
eigentlich nur vorne anzutreffen sein, denn die Nachrechnungen der
Vermesser bestätigten den richtigen Weg durch das Massiv des Gotthards. Die Mineure waren auf beiden Seiten nicht mehr zu halten, so dass die Arbeiten nun einen grossen Motivationsschub erlebten. Das Ziel vor Augen wurde der Fels nahezu mit den Fingern abgekratzt. Die Prognose, dass der Durchschlag im Mai 1880, also immer noch innerhalb der Bauzeit erfolgen könnte, wurde dadurch deutlich unterboten. Zudem wurden nun die Sprengungen der beiden
Seiten abgesprochen. Schliesslich wollte man sich nicht selber die Steine
um den Kopf jagen. Mit jeder Sprengung wurden die Geräusche
lauter. Als man sich so nahe war, dass einfaches Klopfen auf den Felsen
auf der anderen Seite gehört wurde, erwartete man jederzeit, dass die
erlösende Meldung gemacht werden könnte. Gleichzeitig bewirkte jede
weitere Sprengung auch, dass die Wand immer dünner wurde. Nur, wo genau
sie waren, wussten die Mineure schlicht noch nicht, denn bei der Länge gab
es immer mehr Zweifel. Am 28. Februar 1880 um 18:45 Uhr fiel der
Bohrer von der Südseite plötzlich ins leere. Ein leises andauerndes
Pfeifen war dabei zu hören. Die Mineure merkten zudem einen kühlen
Luftstrom, der den Staub mit sich zog. Das waren unverkennbare Anzeichen,
dass es eine
Verbindung
durch den
Tunnel
gab. Erstmals konnten Meldungen durch das Loch geschoben werden. Mutige
riskierten sogar einen Blick auf die andere Seite. Das Pfeifen entstand durch die im Bohrloch
beschleunigte Luft. Dadurch wurde sie zum Schwingen angeregt und so
entstand dieses stehende Geräusch im
Tunnel.
Man war am Ziel, es fehlte lediglich eine Sprengung und der Berg war nach
all den Strapazen endlich besiegt. Diese Sprengung wurde der Nordseite und
damit traditionell jener Truppe übergeben, die nicht das erste Loch
schaffen konnten. Ein ungeschriebenes Gesetz der Mineure. Die Vorbereitungen für die letzte Sprengung dauerten etwas, so dass die letzte Wand im Gotthardtunnel erst am 29. Februar 1880 und 11:10 Uhr gefallen war. Das war exakt 223 Tage nach dem Tode Favres. Weg war das Pfeifen und ein kühler
Luftstrom zog stetig durch die beiden Richtstollen. Noch konnte man sich
nicht sehen, da der Rauch und der Schutt die Sicht verhinderten. Die
Gewissheit war jedoch da, denn jetzt gab es keine Zweifel mehr. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, konnten sich die ersten Mineure durch das Loch die Hand reichen. Bevor jedoch der erste durch die Öffnung kletterte, wurde ein Bildnis Favres von der Nordseite der Südseite überreicht. Der Gotthard war besiegt worden und Louis
Favre war der erste, der sein eigenes Bauwerk durchqueren durfte. In
Zukunft müsste man den Namen Favres mit dem längsten
Tunnel
der Welt verknüpfen. Als die ersten glücklichen Gesichter
abgezogen waren, traten die Vermesser auf den Plan. Sie wollten es nun
genau wissen. Die Nachmessungen ergaben, dass der Durchschlag mit einer
seitlichen Abweichung von 33 Zentimetern erfolgte, In der Höhe betrug die
Abweichung gerade einmal 5 Zentimeter. Mit den damaligen Mitteln war das
absolute Präzision. Dabei betrug die gemessene Länge 14 892,40 Meter.
Damit war der Weltrekord bestätigt. Die Feierlichkeiten zum Durchschlag des
Gotthardtunnels wurden am 01. März 1880 in Airolo, Göschenen, Luzern,
Mailand und Frankfurt durchgeführt. Dabei wurde in den drei grossen
Städten auch Feuerwerk verschossen. In Windeseile standen schliesslich die
Meldungen in der Presse. «Durchschlag, Gotthard bezwungen!» Das Bauwerk
von Louis Favre und der
Gotthardbahn stand nun weltweit auf den Titelseiten der jeweiligen
Tageszeitungen. |
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