Vortrieb des Richtstollens |
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Besser wäre der Titel «Vortrieb der beiden
Richtstollen». Schliesslich wurde der Gotthardtunnel von beiden Seiten aus
gleichzeitig vorangetrieben. Das Ziel der beiden Vortriebe war dabei der
Treffpunkt mitten im Berg. Dieser wurde rechnerisch gesehen auf die Mitte
des
Tunnels
festgelegt. Jedoch hing das von den jeweiligen Vortriebsleistungen der
beiden Seiten ab. Ein Punkt, der nie ganz genau gleich sein konnte. Die Leistungsunterschiede der beiden Seiten hatten viele Ursachen. So trafen die Mineure auf andere Gesteine. Diese behinderten die Arbeit anfänglich stark. In der Folge musste zum Schutz der Arbeiten früh mit den Ausmauerungen begonnen werden. Das hatte zur Folge, dass viele Arbeiter damit beschäftigt waren das fertige Profil auszubrechen. Nördlich war der Fels etwas stabiler, als
im Süden. So konnte man damit etwas zuwarten. Baubeginn für den Tunnel und damit für die Gotthardbahn war am 12. September 1872. Auf beiden Seiten des Scheiteltunnels wurden dazu die notwenigen Gebäude und damit die für den Bau benötigte Infrastruktur erstellt. Schnell sollte auch der eigentliche
Vortrieb be-gonnen werden, denn Zeit war bekanntlich Geld. Da dies bereits
parallel zur Installation erfolgte, startete der Handvortrieb in Airolo am
darauf folgenden Tag. In Göschenen dauerte es bis am 09. Oktober 1872 bis der eigentliche Vortrieb begonnen werden konnte. Der Grund für diese Verzögerung fand sich beim Gelände vor dem Tunnel. Der Installationsplatz war hier nicht so leicht zu erstellen, als das in Airolo der Fall war. Es stand nur genügend Platz zur Verfügung, wenn beidseitig der wilden Reuss Bauwerke erstellt wurden. Daher mussten zuerst die notwendigen Brücken und Zugänge gebaut werden. Anfänglich wurde beidseitig im Handvortrieb
gearbeitet. Dabei bohrten die Mineure mit in Händen gehaltenen
Bohrmaschinen 27 einen Meter tiefe Löcher in den Felsen. Diese Löcher
wurden mit Sprengstoff gefüllt und nach der Sprengung der Abraum
abgetragen. Damit wurde auf beiden Seiten ein täglicher Vortrieb von
lediglich 0,76 Meter pro Tag erreicht. Jedoch war diese Lösung bei
Oberflächengestein ideal und daher unumgänglich. So wurde ein Richtstollen ausgebrochen, der eine rechteckige Form hatte und sich am First des späteren Tunnels befand. Dieser Firstvortrieb wurde als belgische Methode bezeichnet. Der Vorteil war, dass dadurch schnell das
Gewölbe ausgemauert werden konnte. Das verringerte die Abstützungen, die
mehr oder weniger nur im 6.7 m2
grossen Richtstollen benötigt wurden. Der weitere Ausbruch des
Tunnels
erfolgte unter dem fertigen Gewölbe. Für die Sprengung des Gotthardtunnels verwendete man einen neuartigen in Schweden entwickelten Sprengstoff. Das von Alfred Nobel entwickelte Dynamit zeigte im Bergbau grosse Vorteile und es war letztlich der Sprengstoff, der den Ausbruch am Gotthard erst ermöglichte. Nachteilig war, dass Dynamit nicht gut auf
Kälte reagierte und im kalten Zustand ausgesprochen gefährlich zu
handhaben war. Ein Problem beim Transport über die Alpen und bei der
Lagerung. Gearbeitet wurde im Schichtbetrieb. Diese
umfasste drei Schichten, die aus vier Mineuren und drei Schuttern
bestanden. Da die Transportwege noch kurz waren, wurde nicht viel mehr
Personal benötigt. Erst mit grösserem Baufortschritt wurde auch der
Personalbestand aufgestockt. Neben der Truppe an der
Front,
gab es daher zahlreiche Arbeiter, die nur mit Gewölbesicherungen und
Abtransport beschäftigt waren. Im April 1873 begann schliesslich der
maschinelle Vortrieb. Dabei waren die Bohrmaschinen auf speziellen
Lafetten montiert worden. So konnten mehrere, jetzt vier Meter tiefe
Löcher gleichzeitig gebohrt werden, was wiederum den Vortrieb steigerte,
weil häufiger gesprengt werden konnte. Am Gotthard wurden diese speziellen
Lafetten zudem auf schienengebundenen Rollwagen montiert, was deren
Handhabung deutlich vereinfachte. |
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Vortrieb in
Göschenen |
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Beginnen wir die detaillierte Betrachtung
der beiden Vortriebe mit der nördlichen Seite in Göschenen. Der
Richtstollen musste dabei von den Mineuren durch das Aaremassiv, die
Ursenenmulde und durch das Gotthardmassiv vorangetrieben werden. Dabei
wurde ein Stollen von insgesamt 7 744,7 Meter ausgebrochen. Auf den
fertigen
Tunnel
hochgerechnet, ergibt diese Länge etwas mehr als die Hälfte des Bauwerkes. Gearbeitet wurde in südlicher Richtung,
wobei der Weg leicht nach Osten abweichen musste um in Richtung Airolo zu
kommen. Die im Richtstollen von der
Vermessung
vorgegebene Steigung betrug auf der gesamten Länge des Ausbruches 5.82‰.
Damit war eine ausreichende Neigung vorhanden. Diese erlaubte, dass im
Stollen eindringendes Wasser ungehindert aus dem
Tunnel
fliessen konnte. Ein wichtiger Punkt bei Wassereinbrüchen. Das Ausbruchmaterial für den
Tunnel
umfasste auf der Nordseite rund 460 000 m3
Gestein. Dieses Ausbruchmaterial wurde in Loren aus dem Tunnel geführt und
im Bereich des
Portals
deponiert. Mit zunehmender Distanz wurden in den fertig erstellten
Bereichen des Tunnels auch Druckluftlokomotiven für die Beförderung der
Loren eingesetzt. Damit gab es im Tunnel eine einfache, aber zwingend
nötige Baubahn. Jedoch wurden einzelne Steine auch für die
Ausmauerung des Gewölbes genutzt und ein Teil des Ausbruches für das
Planum des späteren
Bahnhofes
von Göschenen verwendet. Eine beim Bahnbau durchaus übliche
Vorgehensweise. Gebiete mit starken Druckerscheinungen wurden auch mit
Beton verfüllt und so gedichtet. Dieser konnte man dank dem neuen Werk der
Firma Portland in der Schweiz erstmals herstellen. Um die Ausbruchswerte und damit den
Baufortschritt zu betrachten, verwendete ich die anschliessend eingefügte
Tabelle. Als Ergänzung ist dabei auch der Bestand bei den Arbeitern
eingefügt worden. Dieser steig durch den Baufortschritt natürlich an, da
mehr Personal für die langen Wege benötigt wurde. Zudem änderte auch die
Zusammensetzung, da auch andere wichtige Arbeiten, wie die Ausmauerung des
Tunnels
hinzukamen.
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Statistik des Richtstollens Nord |
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Jahr |
Vortriebsleistung |
Bestand Arbeiter |
|||
Min. Monat |
Max. Monat |
Total/Jahr |
Minimum |
Maximum |
|
1872 |
18.90 m |
45 |
125 |
||
1873 |
20.50 m |
79.25 m |
581.35 m |
135 |
625 |
1874 |
65.75 m |
120.0 m |
1037.05 m |
603 |
1011 |
1875 |
39.30 m |
127.60 m |
1173.50 m |
1078 |
1664 |
1876 |
32.50 m |
133.00 m |
1005.70 m |
1092 |
1692 |
1877 |
67.50 m |
130.00 m |
1230.50 m |
1176 |
1655 |
1878 |
75.00 m |
146.00 m |
1309.00 m |
1133 |
1455 |
1879 |
28.00 m |
129.00 m |
1177.00 m |
1156 |
1523 |
1880 |
98.00 m |
113.70 m |
211.70 m |
1452 |
1461 |
Aus der Tabelle können wir einige Vorfälle im
Tunnel
ableiten. So wurde 1872 noch im Handvortrieb gearbeitet, was die
Leistungen natürlich deutlich tiefer hielt, als später bei der
maschinellen Bohrung, wo deutlich tiefere Löcher gebohrt werden konnten.
Die Schwierigkeiten mit den Bohrmaschinen vom Mont Cenis beim Beginn der
Arbeiten, ist in den Zahlen des Jahres 1873 deutlich zu erkennen. So
konnten die Zahlen beim täglichen Vortrieb erst ab 1874 erhöht werden. Die 1876 erfolgte Durchquerung der Ursenenmulde war
durch Druckerscheinungen und Wassereinbrüche für die Verzögerungen
verantwortlich. Der Grund war einfach, da viel Zeit für die Sicherung des
Stollens und für Abdichtarbeiten aufgewendet werden musste, blieb kaum
mehr Zeit für einen regelmässigen Vortrieb. Ein Effekt, den wir später
ebenfalls erkennen werden. Zudem blieben die Arbeiten wegen den
zahlreichen Unfällen immer wieder stehen. Schliesslich erholten sich die Zahlen mit dem
Eintritt ins Gotthardmassiv wieder und erreichten im Jahre 1878 den
höchsten Wert, der lediglich von der
Leistung im Jahre 1880 hätte
übertroffen werden können. Jedoch fand in diesem Jahr der Durchstich statt
und die Ausbruchsarbeiten beschränkten sich in der Folge nur noch auf die
Ausweitung auf das spätere Profil. Auch der Bestand beim Personal
reduziert sich dadurch.
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Vortrieb in Airolo | |||||
In Airolo startete der Vortrieb etwas eher. Auch hier
wurde zuerst im Handvortrieb gearbeitet und später auf die maschinelle
Bohrung umgestellt. Trotzdem blieb der Vortrieb mit 7 167,1 Meter hinter
dem nördlichen Vortrieb zurück. Die Ursachen dafür liegen im Gestein, denn
hier wurde unmittelbar beim Beginn die Tessinmulde mit Schiefer
angetroffen. Das wirkte sich durch zusätzliche Sicherungen des Stollens
aus. Die Baurichtung verlief hier in logischer Weise
direkt auf den nördlichen Richtstollen zu. Dabei gab es jedoch abweichende
Werte für die Steigung. Nötig wurde dies, weil Airolo leicht höher lag als
Göschenen und so andere Werte erforderlich waren. Da es zudem Änderungen
gab, war klar, dass die Nachmessungen sehr viel Zeit in Anspruch nahmen
und daher immer wieder Zeit verloren ging. Es lohnt sich ein genauerer
Blick auf die Neigungen. Ab dem Südportal wurde auf den ersten 700 Metern mit
einer Steigung von lediglich 1,00‰ gearbeitet. Das mag überraschen, ist
jedoch damit zu begründen, dass hier der Richtstollen aufgegeben wurde.
Der Grund war die
Kurve, die im
Tunnel
benötigt wurde um den späteren
Bahnhof von Airolo zu erreichen. Jedoch blieben die Gefälle weiterhin
bescheiden. Auf den folgenden 3 793 Metern wurde der Wert bei der Steigung
lediglich verdoppelt. Auf den anschliessenden 2 273 Metern lag der Wert
lediglich noch bei 0.58‰. Damit man den Durchstich jedoch schaffte, musste
anschliessend bis zum Durchbruch mit einem Gefälle gearbeitet werden.
Dieser Wert entsprach den Angaben von der Nordseite. Damit fertige die
südliche Seite auch den späteren Kulminationspunkt des
Tunnels, der auch
für die deutliche Reduktion des Gefälles gegen den Schluss beigetragen
hatte. Die von der Südseite ausgebrochene Menge lag bei 420
000 m3 Fels. Auch hier deponierte man den Ausbruch, sofern man
ihn nicht für die Mauerungen verwenden konnte, beim späteren
Bahnhof von
Airolo. Damit wird es jedoch auch Zeit, dass wir uns mit den Angaben im
Detail befassen. Um einen Vergleich anstellen zu können, verwendete ich
für die Südseite die gleiche Tabelle. So können auch Sie die Zahlen
vergleichen.
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Statistik des Richtstollens Süd |
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Jahr |
Vortriebsleistung |
Bestand Arbeiter |
|||
Min. Monat |
Max. Monat |
Total/Jahr |
Minimum |
Maximum |
|
1872 |
101.70 m |
95 |
170 |
||
1873 |
12.00 m |
89.10 m |
494.30 m |
200 |
644 |
1874 |
44.80 m |
86.40 m |
747.40 m |
581 |
1180 |
1875 |
86.70 m |
127.20 m |
1255.60 m |
1084 |
1716 |
1876 |
40.40 m |
121.30 m |
1020.60 m |
1443 |
2010 |
1877 |
36.40 m |
115.10 m |
994.00 m |
1542 |
2224 |
1878 |
35.60 m |
143.50 m |
1229.90 m |
1407 |
1948 |
1879 |
51.70 m |
121.60 m |
1158.50 m |
1080 |
1531 |
1880 |
78.80 m |
86.90 m |
165.70 m |
1266 |
1353 |
Auch hier lohnt sich ein genauer Blick auf die
Tabelle, wobei hier sicherlich die geringeren Zahlen beim maschinellen
Vortrieb des Richtstollens auffallen. Diese waren der Tessinmulde
geschuldet, die sich mit Druckerscheinungen bemerkbar machte. Erst mit dem
Eintritt in das Gotthardmassiv konnten die Zahlen nahezu an den Wert der
Nordseite angepasst werden. Sie sehen, wie sich das Gestein auf die Arbeit
auswirkte. Zudem waren hier auch viele Wassereinbrüche zu
beklagen. Der erste Einbruch erfolgte bereits nach 23 Meter! Auch später
waren in der Tessinmulde immer wieder ähnliche Probleme aufgetreten. Dabei
wurde sogar ein kleinerer See geleert. Ein Vorfall, der bei Tunnelbauten
immer wieder auftreten konnte. Sogar beim später gebauten
Basistunnel gab
es entsprechende Vorsichtsmassnahmen, dies obwohl er deutlich tiefer im
Fels lag. Was ebenfalls auffällt ist der unerklärlich
scheinende deutliche Einbruch bei der Vortriebsleistung im Jahre 1877.
Dieser war nicht einem Ereignis im
Tunnel
geschuldet. Vielmehr brannte am
17. September 1877 das Dorf Airolo in einem verheerenden Feuer vollständig
ab. Durch die verbrannten Hütten wurden rund 1 000 Mann der Belegschaft
obdachlos, so dass die Hütten zuerst wieder aufgebaut werden mussten und
der Vortrieb in Tunnel daher ruhte. Auf beiden Seiten fällt auf, dass die Zahlen des
Vortriebes im Jahre 1879 wieder geringer ausfielen. Der Grund war, dass
man den baldigen Durchstich erwartete und daher die Sprengungen abgestimmt
wurden. Dadurch konnte nur noch zu bestimmten Zeiten gesprengt werden, was
sich natürlich im geringeren Vortrieb widerspiegelte. Doch damit kommen
wir auch langsam zum Schluss der beiden Richtstollen, denn weit entfernt
konnten sie nicht mehr sein. |
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