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Hand aufs Herz, wer kennt die Krokodile der Schweizerischen Bundesbahnen SBB nicht? Niemand, so war die Lokomotive mit den langen Vorbauten auch für den kleinen Jungen in der Nähe von Aarau ein Thema. Besonders dann, als sich der Vater an dieser Lokomotive im Modell erfreute, obwohl er eigentlich nichts mit der Eisenbahn zu tun hatte. Das Krokodil begeistert alle, auch jene, die nicht für die Eisenbahn sind.

Was im Modell vorhanden war und auf Bildern gekauft werden konnte, war für mich im Original unauffindbar. Damals kannte man so An-nehmlichkeiten, wie Internet noch gar nicht.

Die Besuche im Verkehrshaus der Schweiz brachten mich schliesslich an ein Krokodil in Originalgrösse. Eine schöne Lokomotive, die damals noch neben der riesigen Lokomotive C 5/6 stand. Das Krokodil war für mich daher nichts anderes, als ein Museumsstück.

Der Knabe wurde erwachsen und zog in die weite Welt hinaus. Ziel war das ferne Erstfeld, denn dort sollte die Ausbildung zum Lokführer beginnen. Begrüsst wurde ich dort von der Lokomotive auf dem Sockel.

Erst beim späteren Durchgang durch den zukünftigen Arbeitsplatz, oder Dienstort wie wir damals meinten, kam dann die im Depot ste-hende braune Ce 6/8 II Nummer 14 253 ins Blickfeld. Es gab die also auch in braun!

So unbekannt war mir die Lokomotive an diesem 1. Mai 1991 nicht. Hatte ich die Maschine doch im Modell und im Museum schon oft ge-sehen. Doch die Begrüssung der grossen Lokomotive auf dem Sockel faszinierte auch mich. Es war mein erster Arbeitstag und begrüsst wurde ich vom Krokodil. Das sollte so bleiben und jedes Mal, wenn ich an der Lok vorbeigehen sollte, war da etwas, das man nicht beschreiben konnte.

Die Informationen, dass es noch eine Maschine im historischen Zustand gibt hatte ich nicht, denn damals hatte man nicht die Informationsmöglichkeiten von heute. Zwar habe ich von der Lokomotive Bilder gesehen, aber wann diese entstanden sind, konnte man noch nicht herausfinden. Mit der Arbeit in Erstfeld änderte sich das, denn nun stand sie da, die betriebsfähige Ce 6/8 II mit der Nummer 14 253. Eine Lok zum Verlieben.

Den angehenden Lokführer beeindruckte die braune Lokomotive mitten zwischen den grünen Maschinen. Die Maschine war bestens gehütet und nicht jeder Arbeiter durfte an der Lokomotive Hand anlegen. Die Ce 6/8 II war ein Heiligtum und immer am Freitag auf Achse. Die Tour, die am Freitag mit Ce gefahren wurde, hatte ich in der Ausbildung nie eingeteilt gehabt, so habe ich die Maschine nie im Einsatz kennen gelernt. Vermutlich war ich für das Krokodil nicht gut genug.

Mit den Jahren begann ich mit den Führungen im Depot Erstfeld den Rundgang immer mehr auch auf die beiden historischen Maschinen auszuweiten. Diese gehörten schliesslich auch zum Depot.

Auch wenn ich als junger Lokführer immer wieder er-klären musste, dass ich mit den alten Lokomotiven nicht fahre und dass da nur speziell ausgesuchte und hand-verlesene Lokführer eingesetzt würden. Ich hätte da nichts zu suchen und so kümmern mich die beiden Lokomotiven nicht.

Das ging bis zu jenem Tag gut, als sich ein deutscher Gast darüber aufregte, dass es auf der Welt und im Depot Erstfeld einen Lokführer gibt, der das Krokodil nicht bis ins Detail kannte.

So kam es, dass ich bei der Führung beinahe zwei Stun-den lang Informationen über die Krokodilbauweise und die Mutter aller Lokomotiven erfuhr. Selbst Hinweise, wie man die Lokomotive bedient, bekam ich zu hören. Kein erbaulicher Moment für den jungen Lokführer.

Mit der Meinung, dass mich die Lokomotive nicht inter-essiert, war ich damals schlicht nicht alleine und ich kann auch gleich sagen, das wäre ich auch heute vermutlich nicht. Nur die Führung zeigte mir, dass ich mein Wissen über die Lokomotiven der Vergangenheit auffrischen müsste. Diese wurde nicht aufgefrischt, sondern auch gleich erweitert und so der Umfang so weit vergrössert, dass mir niemand mehr das Krokodil erklären musste.

Ich hatte das fachliche Wissen über diese Lokomotive erlangt und konnte es widergeben. Dies, obwohl ich nie einen Meter damit gefahren bin. Gerade das Krokodil benötigt sehr viel fachliches Wissen, denn die Lokomotive kennen auch die Gäste und da kann es passieren, dass der Gast mehr weiss, als der Lokführer. Mir sollte das nie mehr passieren. So investierte ich sehr viel Freizeit in mein Fachwissen über die Lokomotiven.

Mit dem Fachwissen kann ich die Leute bei jedem Besuch an das Krokodil und somit an die Legende heranführen. Erwachsene Männer bekommen ab der Maschine glänzende Augen und Kinder schwärmen von der Loki schlechthin. Selbst die Frauen zeigen sich ab den Geschichten, die um diese Lokomotive entstanden sind, erfreut. Das Krokodil begeistert jung und alt. Und immer wieder die Frage, stimmt das Datum auf dem Typenschild wirklich?

Auch ich, und das muss ich gestehen, schaue gerne ein zweites Mal hin, wenn sich die Ce 6/8 II in Bewegung setzt. Sie ist und wird es wohl auch bleiben, die be-rühmteste Lokomotive der Schweiz.

Viele Kinder kennen keine SBB-Lokomotive, aber das Krokodil, das kennt jedes Kind schon von weitem. Einge-fleischte Lokomotivführer träumen wohl insgeheim vom Tag, wo sie mit dem Krokodil auf grosse Fahrt gehen können.

Wenn ich mein damaliges Verhältnis zur Lokomotive erklären müsste, dann muss ich gestehen, dass ich jedes Mal, wenn ich mich auf den Weg ins Tessin machte, an der Lokomotive vorbei ging.

Dabei in mir die Gedanken aufkamen, wie muss es damals für meine Kollegen gewesen sein. Keine schmutzige Dampflokomotive mehr, sondern eine topmoderne elek-trische Lokomotive, die vermutlich einige Macken hatte.

Ich war aber auch davon überzeugt, dass ich in meiner beruflichen Karriere nie mit der Lokomotive fahren werde. Mir fehlte scheinbar die Lobby, um in den erlauchten Kreis der Auserwählten zu gelangen. Nur, bekanntlich soll man nie nie sagen, denn es gibt sich immer eine Lösung und die kam bei mir mit der Ae 6/6 Nummer 11411 und somit mit einer Lokomotive, die es problemlos mit dem weltberühmten Krokodil aufnehmen konnte.

So kam ich in den Kreis der Lokführer des Historic Teams Erstfeld. Wie mir gesagt wurde, sollte ich damals in die Liga der Elite aufgestiegen sein. Als Mitglied des Teams kam man hautnah in den Kontakt mit der Lokomotive. Das Krokodil wurde immer von mehreren Mitgliedern für die Fahrt hergerichtet und immer wieder fehlte der Mann, der die Ae 6/6 übernahm. So hatte ich immer die „moderne“ Lokomotive.

Fahren war eigentlich kein Thema. Doch wenn Not am Mann ist, legt auch der Lokifahrer Hand an eine Ce 6/8 II, denn diese Lokomotive fasziniert auch mich und die ersten Meter mit der Legende in der Hand waren sicherlich nicht weltbewegend, aber sie gab es, ich hatte das legendäre Krokodil bewegt. Kein grosser Ausflug, sondern ein paar kurze Meter um die Grossmutter in der Dampfremise abzuholen.

Das war meine erste Fahrt mit der Ce 6/8 II. Den innerlichen Stolz und die aufkommende Freude, hatte vermutlich niemand mitbekommen. Jedoch muss ich gestehen, ich war dabei mächtig stolz auf mich. Ein paar Meter mit der Legende. Ein Traum ging an diesem Tag in Erfüllung. Das Krokodil wurde im hohen Alter von über 90 Jahren in die Hand des Lokführers gelegt, der schon als Kind die Maschine mit Bausteinen nachbaute.

Ein bunter Nachbau, weil die passenden Bausteine fehlten, aber ein Nachbau, als sei es die aktuellste Lokomotive der Schweiz. Die letzten Exemplare der Ce 6/8 II rangierten damals in Bahnhöfen weit weg von meinem zu Hause und jedes Mal wenn ich einen Blick in einen solchen Bahnhof werfen konnte, fehlte das Krokodil das rangierte. Es gab nur das Modell und die im Museum. Jetzt aber durfte ich sagen, ich bin damit gefahren.

 

Ce 6/8 II Nr. 14'251 - 14'283

 

 

Baujahr: 1919 – 1922 Leistung: 1'650 kW / 2'240 PS
Gewicht: 128 t V. Max.: 65 km/h
Normallast: 450 t bei 35 km/h Länge: 19'460 mm

 

Einem Krokodil entzieht man sich nicht, die Lokomotive zieht wirklich jeden in den Bann. Selbst den erfahrenen Lokführer, als er das erste Mal mit der Ce 6/8 II auf die Reise durfte oder musste? Nicht weit, aber mir reichte Airolo und die Fahrt zurück. Damit war die Einschulung abgeschlossen, denn seit diesem Tag gehörte ich in den erlauchten Kreis der Lokführer, die mit einer Legende fahren dürfen. Anders gesagt, es sind knapp 10 Lokführer.

Heute, wo ich diese Zeilen schreibe, kann ich mich zurücklehnen, denn nun weiss ich, die Tage waren da. Die Tage, an denen der Lokifahrer mit dem Krokodil die Fahrt durch die Schweiz antreten konnte. Wann das sein wird, weiss ich lange nicht, aber die Möglichkeit bestand und das ist schon mehr, als ich mit acht Jahren bei der Fahrt mit „meinem“ Krokodil erhoffen konnte. Das Krokodil, oder fachlich korrekt die Ce 6/8 II, hat auch mich fasziniert.

Und ich sage es gerne noch einmal, die Ce 6/8 II mit der Nummer 14 253 ist das älteste der erhaltenen Krokodile und die älteste betriebsfähige elektrische Lokomotive auf normalspurigen Geleisen weltweit. Zudem gehe ich nicht davon aus, dass es in Europa noch viele elektrische Lokomotiven gibt, die mit Baujahr 1919 mithalten können. Ohne die RhB, sähe die Welt noch etwas besser aus, aber das lassen wir so stehen.

Nur, wer noch nicht davon überzeugt ist. Das Krokodil in der Schweiz hat es geschafft, dass man extra nur wegen der Lokomotive aus dem fernen Japan anreiste. Selbst wegen einer biologischen Panzerechse reicht es, wenn man in den nächsten Zoo fährt. Da muss man nicht um die halbe Welt reisen. Ist womöglich das Leistenkrokodil wirklich nur die Kopie der Lokomotive? Mit 100 Jahren werden sie sogar gleich alt.

 

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