Laufwerk, Neigetechnik und Antrieb

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Wenn wir ein Laufwerk für einen Neigezug betrachten, fallen uns einige Punkte schnell auf. So wurde darauf geachtet, dass die ungefederte Masse gering ist und dass die Achslasten eingehalten werden können. Leichte Drehgestelle waren ideal. Jedoch muss hier noch die Neigetechnik eingebaut werden. Mit anderen Worten, es war nicht leicht, die Fahrwerke für einen Neigezug zu entwickeln, und das wird hier schnell sichtbar.

Auch hier wollen wir uns die Achsfolge des Triebzuges als Hilfsmittel ansehen. Bei der Baureihe ETR 610 wurde diese mit (1A)‘(A1)‘ + (1A)‘(A1)‘ + 2‘2‘ + 2‘2‘ + 2‘2‘ + (1A)‘(A1)‘ + (1A)‘(A1)‘ angegeben. Damit erkennen wir, dass die Antriebe auf vier Wagen verteilt wurden.

Hingegen haben wir nun auch zwei unterschiedliche Dreh-gestelle, die wir uns ansehen müssen. Ich kann Ihnen aber versichern, so gross waren die Unterschiede auch nicht.

Jeder Wagen hatte zwei Drehgestelle erhalten. Die damals bei Triebzügen oft verwendeten und ein geringes Gewicht aufweisenden Jakobsdrehgestelle konnten nicht verbaut werden.

Zwar hätte man so das Gesamtgewicht verringern kön-nen, aber das war eigentlich nicht das Problem. Bei einem Neigezug ging es um die Achslasten jeder Achse. Diese hätten mit der Verringerung der Achsen nicht mehr eingehalten werden können.

Auch wenn es optisch kaum zu erkennen war, die Drehge-stelle des Neigezuges waren nicht identisch ausgeführt worden. Daher gab es auch hier die klassischen Trieb- und Laufdrehgestelle.

Wie bei den anderen Fahrzeugen beginnen wir die Be-trachtung mit den Modellen, die lediglich mit Laufachsen versehen wurden. So können wir später bei den Triebdrehgestellen ohne Unterbruch zu den Antrieben wechseln.

Für den Drehgestellrahmen verwendete man üblichen Stahl. Dieser Werkstoff hatte gegenüber von Aluminium die notwendige Festigkeit um den Belastungen des Betriebes zu widerstehen. Gerade bei Neigezügen waren die Belastungen auf das Fahrwerk sehr gross. Das war auch der Grund, warum bei solchen Fahrzeugen nur geringe Achslasten von maximal 17 Tonnen zugelassen waren. Daher musste ein geeignetes Material benutzt werden.

Die einzelnen Stahlteile wurden mit der Hilfe der elektrischen Schweisstechnik zu einem stabilen Rah-men verschweisst. Dieser Rahmen sah von oben betrachtet, wie ein offenes H aus.

Die geschwungenen Schenkel und der kräftige Mittel-teil liessen einen optimalen Rahmen entstehen. Es musste diese aufwendige Lösung mit dem abgesenkten Mittelteil verwendet werden, damit genug Platz für die Neigetechnik vorhanden war.

In jedem Laufdrehgestell wurden zwei Achsen aus ge-schmiedetem Stahl eingebaut. Diese besassen die Auf-nahmen für die Bauteile, wie die beiden Räder und die aussen liegenden Rollenlager.

Verwendet wurden doppelreihige Lösungen der Firma SKF, die über eine Eigenschmierung mit Fett ver-fügten. Sie hatten sich seit Jahren im Betrieb von anderen Baureihen bewährt und zeichneten sich durch einen geringen Aufwand beim Unterhalt aus.

Bevor wir die Achsen im Drehgestell einbauen, schliessen wir noch den Radsatz ab. Bei den beiden Rädern wurden die üblichen Monoblocräder verwendet. Diese hatten einen Durchmesser von 890 mm erhalten. Gerade bei Neigezügen kamen immer wieder kleine Räder zur Anwendung. So konnte deren Gewicht tief gehalten werden. Jedoch ergaben sich hier Probleme mit der Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.

Mit zunehmender Geschwindigkeit steigt die Dreh-zahl der Achslager. Dadurch werden diese immer stärker belastet. Da die verbauten Rollenlager jedoch auch bei den Triebzügen für sehr hohe Geschwindig-keiten verwendet wurden, ergaben sich keine Pro-bleme.

Diese fanden sich jedoch beim Einbau der Achsen, so dass wir uns diesen Bereich genauer ansehen müs-sen, denn eigentlich kann ein Neigezug nicht so schnell fahren.

Die Rollenlager stützten sich schliesslich über die zwei seitlich am Achslager eingebauten Schrauben-federn gegenüber dem Rahmen ab. Diese Art der Federung war für die angestrebten Geschwindig-keiten bis zu 250 km/h ausreichend.

Jedoch mussten die mit einer kurzen Schwing-ungsdauer arbeitenden Schraubenfedern mit hydraul-ischen Dämpfern beruhigt werden. Eine Lösung, die sich bei Reisezügen durchgesetzt hatte.

Flexibel gehalten wurden jedoch die Achslager-führungen. Diese Lösung wurde bei Neigezügen be-nötigt um die Kräfte im Gleis zu verringern. Ein Punkt, der wegen den deutlich höheren Geschwindig-keiten in den Kurven wichtig war.

Doch damit ergaben sich Probleme bei hohen Ge-schwindigkeiten, denn dort wurden starre Führungen für die Achslager benötigt. So gesehen, waren Nei-gezüge nicht für das sehr schnelle Fahren ausgelegt.

Die Lösung für das Problem wären aktiv gesteuerte Radsätze gewesen. Diese wurden seit Jahren in der Schweiz erfolgreich eingesetzt. Das Problem dabei war, dass diese viel Platz im Drehgestell benötigen, der hier nicht vorhanden war. Zudem haben die zusätzlichen Teile auch ein Gewicht, das man jedoch bei einem Neigezug so gering wie möglich halten musste. Daher konnte das Problem nur mit einem Kompromiss gelöst werden.

Bei den Triebzügen ETR 610 wurden daher die flexiblen Führungen der Achslager gehemmt. Das war nicht optimal, aber eine praktikable Lösung. Um die Kräfte in engen Bögen zu verringern, wurde der Achsstand der beiden Achsen auf 2 700 mm festgelegt. So entstand ein Laufwerk, dass gut für die beiden widersprüchlichen Anforderungen geeignet war. Sie sehen Neigezüge waren nur mit Kompromissen zu bauen.

Es war nicht möglich, die Drehgestelle direkt unter dem Kasten einzubauen. Bei einem Neigezug musste sich der Kasten gegenüber dem Laufwerk auch in der Längs-achse neigen können.

Mit anderen Worten, wir sind nun an dem Punkt ange-langt, wo aus einem gewöhnlichen Triebzug ein Neige-zug wurde. Dazu wurde die Neigetechnik verwendet, deren Platzbedarf die gekröpften Drehgestellrahmen begründete.

Daher lohnt es sich, wenn wir etwas genauer auf diese Abstützung blicken. Dabei lernen wir auch die Neige-technik des Zuges mit den mechanischen Baugruppen kennen.

Wichtigstes Bauteil dabei war ein zusätzlicher Quer-träger, an dem sich letztlich das Drehgestell abstützte, aber nicht der Kasten. Bezeichnet wurde dieser Träger bei einem Neigezug als Pendeltraverse, da in seinem Bereich die Neigetechnik verbaut wurde.

Das Drehgestell stützte sich über insgesamt vier Flexi-coilfedern gegenüber der Pendeltraverse ab. Diese Federung erlaubte es, dass sich das Drehgestell gegenüber dem Querträger verdrehen konnte.

Dabei wurden diese Federn jedoch auf Torsion belastet. Bei den verbauten Flexicoilfedern war das kein Pro-blem, da diese genau deshalb entwickelt wurden. Wie Schraubenfedern mussten aber auch sie mit hydrauli-schen Dämpfern versehen werden.

Um die gefährlichen Schlingerbewegungen im Drehge-stell zu verringern, wurden spezielle Schlingerdämpfer eingebaut. Diese waren erforderlich um mit dem kurzen Radstand auch hohe Geschwindigkeiten fahren zu können.

Auch hier kamen hydraulische Dämpfer zur Anwendung. Damit war nun aber auch klar, dass sich die Pendeltraverse nur gegenüber dem Drehgestell verändern konnte, jedoch nicht gegen den Kasten.

Alleine mit den Flexicoilfedern konnte aber nicht verhindert werden, dass sich die Pendeltraverse gegenüber dem Drehgestell nicht verschieben konnte. Daher wurde ein Mitnehmerzapfen eingebaut. Dieser Drehzapfen war so ausgelegt worden, dass das Drehgestell gegenüber der Traverse kippen konnte. Zudem waren auch die benötigten Drehbewegungen vorhanden. Diese war jedoch zu gering, dass der Triebzug alle Radien befahren konnte.

Im Betrieb mit dem Triebzug konnten ohne Beschränkungen Radien bis zu einem Radius von 250 Metern befahren werden. Das reichte, dass die normalen Anlagen mit den üblichen Geschwindigkeiten befahren werden konnten. Jedoch mussten für Fahrten in Unterhaltsanlagen auch die dort noch vorkommenden Radien von 100 Meter befahren werden. In diesem Fall durfte mit dem Neigezug aber nur noch mit 6 km/h gefahren werden.

Wir haben die Abstützung des Drehgestelles gegenüber der Pendeltraverse kennen gelernt. Dieses aber noch nicht unter dem Wagen positioniert. Nun müssen wir diese aber noch mit dem Kasten verbinden und das erfolgte mit der eingebauten Neigetechnik. Daher müssen wir uns diese auch etwas genauer ansehen. Eingebaut war sie zwischen der Pendeltraverse und der mit dem Kasten verbundenen Kastentraverse.

Damit sich die Kastentraverse gegenüber der Pendeltraverse seitlich bewegen konnte, wurden hydraulische Stellzylinder verbaut. Davon waren zwei Stück eingebaut worden und sie erlaubten die Neigung des Kastens gegenüber der Gleisachse auf beide Seiten um bis zu 8°. Wie schon bei den ETR 470 setzte der Hersteller auch hier wieder auf diese Lösung, die aber gegenüber dem älteren Modell verstärkt wurde.

Aktiviert wurde die Neigetechnik des Triebzuges erst, wenn die Geschwindigkeit höher als 45 km/h betrug. Der Grund für diese Verzögerung war, dass bei geringen Geschwindigkeiten die Neigetechnik sich auf das Fahrverhalten und daher negativ auf den Fahrkomfort ausgewirkt hätte.

Der mit einem Druck von 315 bar arbeitende Stellantrieb hätte die Leute regelrecht durch den Wagen geschmissen. Daher wa-ren die Zylinder jetzt nicht aktiv.

Eine pneumatische Querfederung sorgte dafür, dass sich der Wagenkasten immer auf dem Drehgestell zentrierte und dass er vor Schlägen geschützt war.

Zwei im Drehgestell montierte Zylinder richteten den Kasten immer korrekt aus und verhinderten, dass dieser am Drehgestell unnötig anschlagen konnte. Die Technik war hingegen nicht neu, wurde diese Lösung doch schon beim ETR 470 verwendet und bewährte sich dort.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es zwischen den Laufdrehgestel-len und den angetriebenen Modellen keinen Unterschied. Damit wir aber aus dem Fahrzeug auch einen Triebzug erhalten, müssen einige Achsen angetrieben werden. Bei einem Neigezug wurde grundsätzlich in einem Drehgestell immer nur eine Achse angetrieben. Der Grund dafür fand sich beim verbauten Antrieb, denn dieser benötigte viel Platz.

Das Gewicht des Fahrmotors war schlicht zu hoch, um die Achslast der Triebachse einzuhalten. Daher musste dessen Gewicht möglichst auf beide Achsen verteilt werden. Das war jedoch wegen dem verfügbaren Platz nur möglich, wenn der Motor nicht im Drehgestell platziert wurde. Daher konnte grundsätzlich nur ein Antrieb mit Gelenkwellen verbaut werden. Eine Lösung, die sich bei zahlreichen Automobilen bewährte.

Der unter dem Kasten montierte Motor trieb letztlich die ihm näher liegende Achse mit Hilfe eines Gelenkwellenantriebs an. Gerade bei Neigezügen half dieser Antrieb dank der Gelenkwelle und dem leichten Achsgetriebe die ungefederten Massen des Triebzuges zu verringern.

Damit haben wir jedoch in jedem Triebdrehgestell nur eine angetriebene Achse erhalten. Wegen dem Platzbedarf war das immer die zur Mitte ange-ordnet Achse.

Nicht genutzt werden konnte die Lösung mit einer Gelenkwelle zwischen den beiden Achsen eines Drehgestells. Der Grund dafür lag nun aber nicht nur bei den erlaubten Achslasten.

Vielmehr reichte im recht vollgepackten Triebdrehgestell dazu der Platz schlicht nicht mehr. Es gab wegen der Neigetechnik schlicht kein Weg zur anderen Achse. Sie sehen, neben dem Gewicht musste auch der Platz optimal genutzt werden.

Das führte nun dazu, dass die angetriebenen Achsen unter dem Zug verteilt werden mussten. Genau genommen waren immer beide Drehgestelle der beiden Endwagen mit einem Fahrmotor versehen worden. Das war zu Beginn auch bei der Achsfolge zu erkennen. Der Triebzug verfügte daher über insgesamt 28 Achsen, von den acht angetrieben wurden. Wie so oft konnten wegen dem Gewicht nicht mehr Antriebe verbaut werden.

Wir haben die Kasten gebaut und diese nun auf das Fahrwerk gestellt. Es bleibt noch zu erwähnen, dass bei den Enddrehgestellen noch eine Traverse vorhanden war zur Aufnahme der Bauteile der Zugsicherung. Es wird Zeit, dass wir das Fahrzeug zum Schutz vor Korrosion mit einem Anstrich versehen. Damit kommen wir aber zum ersten Bereich, wo es zwischen den ETR 610 und der Reihe RABe 503 einen grossen Unterschied gab.

 

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