Die Stellwerke

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Bisher haben wir uns damit befasst, wie es zum Entschluss gekommen ist, den Basistunnel am Gotthard zu bauen und wie er letztlich verwirklicht wurde. Dabei haben wir erfahren, dass die Verwirklichung viele Jahre in Anspruch genommen hatte. In dieser langen Zeit blieb die Entwicklung von Stellwerken und den dazu gehörenden Sicherungsanlagen jedoch nicht stehen und so konnten die ursprünglich geplanten Lösungen plötzlich mit anderen Methoden verwirklicht werden.

Anschliessend haben wir den Bau des längsten Eisenbahntunnels der Welt betrachtet und erfuhren dort auch, wie die technischen Bereiche des späteren Betriebes ausgeführt werden sollten. Damit haben wir nun aber ein fertiges Bauwerk erhalten, das betrieblich nicht genutzt werden konnte. Es fehlten schlicht die letzten Schritte dazu. Aber auch die betrieblichen Lösungen veränderten sich während der Bauzeit deutlich.

Ein Beispiel soll diese Veränderungen vedeut-lichen.

Bei der allerersten Pla-nung ging man davon aus, dass die Reisezüge mit 140 km/h und die Güterzüge mit 100 km/h durch den neuen Tunnel fahren würden.

Mit der Baureihe Re 6/6 wurde sogar die entsprechende Loko-motive beschafft.

Heute, wo der Basistunnel dem Be-trieb übergeben wer-den kann, sind jedoch bei Reisezügen Gesch-windigkeiten bis zu 250 km/h möglich.

Der Güterverkehr wur-de hingegen nicht viel schneller.

Diese Tatsache stellt aber auch andere Anforderungen an die Stellwerke und die Sicherungsanlagen. Rein baulich betrachtet wurden diese natürlich parallel zum Bau des Tunnels verwirklicht. Damit wurde jedoch letztlich nur die Hülle für die Technik geschaffen. Diese Technik der Stellwerke musste letztlich eingebaut werden, denn nur so wird aus einem Gebäude auch ein Stellwerk für den Betrieb einer Bahnlinie.

Nun aber geht es um deren Funktion als Stellwerk und damit um die bahntechnischen Belange des Basistunnels. Auch jetzt soll uns ein Blick in die Vergangenheit und damit zur Eröffnung der bestehenden Strecke helfen, denn auch damals wurden Stellwerke verwirklicht und in Betrieb genommen. Diese waren jedoch längst nicht so komplex ausgeführt worden, wie sie heute bei modernen Anlagen verwendet werden.

Bei den meisten Bahnhöfen kam damals natürlich die neuste Technik zum Einsatz. Das bedeutet, dass Stellwerke verwirklicht wurden, die mit Drahtzügen arbeiteten. In kleineren Bahnhöfen verzichtete man darauf und verwendete Handweichen. 1882 war das modern, auch wenn wir so einfache Anlagen heute kaum mehr verstehen können. Der Betrieb zeigte, dass die Anlagen funktionierten und es zu keinen grösseren Problemen kam.

Die Sicherungsanlagen des Basistunnels am Gotthard umfassten mehrere Bereiche. Dazu müssen wir uns in Erinnerung rufen, was ein Stellwerk genau umfasst. Ein Stellwerk besteht in erster Linie aus den technischen Baugruppen zur Sicherung und Steuerung der Zugfahrten. Daran hat sich seit 1882 nicht viel geändert. Hingegen wurden an die Anlagen höhere Ansprüche gestellt. Im Grundsatz blieb jedoch die Funktion identisch.

Die Informationen über den korrekten Zustand werden dem Fahrpersonal über Signale mitgeteilt. Ist das Signal grün, ist die Fahrstrasse korrekt eingestellt und der Zug kann die Fahrt fortsetzen. Hier gab es in den Jahren grosse Veränderungen. Die Formsignale der ersten Stunde wurden durch moderne Lichtsignale, die optimal auf den Betrieb abgestimmt wurden, ersetzt. Als Beispiel gilt hier sicherlich das Signalsystem N der Schweizerischen Bundesbahnen SBB.

Wir haben daher mit Hilfe der Signale eine direkte Meldung an das Fahrpersonal erhalten. Verhinderte eine Baugruppe im Stellwerk die Einstellung einer korrekten Fahrstrasse, blieben die Signale rot und es konnten keine Fahrten durchgeführt werden. Soweit würde sich auch mit der Inbetriebnahme des Basistunnels nicht sehr viel ändern. Einzig die Meldungen an das Fahrpersonal sollten nicht mehr mit Signalen erfolgen.

Zum grössten Unterschied zu den bestehenden Anlagen gehörte eigentlich nur, dass die Stellwerke des Basistunnels am Gotthard nicht mehr über die konventionellen Signale zur Meldung des Schaltzustandes, also die Signale verfügten. Vielmehr wurden die Meldungen über die eingestellten Fahrstrassen und die Fahrerlaubnis an das RBC übermittelt. Dieses sendete schliesslich die Fahrinformationen über Funk an das Fahrzeug. Damit erfolgte die Fahrt mit ETCS Level 2.

Aufgebaut wurden die Stellwerke für den Basistunnel am Gotthard mit der Hilfe von Computern. In diesem Zusammenhang spricht man in Fachkreisen auch von elektronischen Stellwerken. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Anlagen nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden sind und so frei platziert werden können. Das Stellwerk kann irgendwo sein und die elektrischen Signale schalten in grosser Entfernung eine Weiche.

Im Zusammenhang mit dem Basistunnel am Gotthard wurden nicht weniger als vier neue Stellwerke benötigt. Diese vier Stellwerke werden wir uns kurz ansehen müssen, denn der Aufbau von elektronischen Stellwerken erfolgte hier sogar in einer neuen Anordnung. Der Basistunnel wird daher auf unkonventionelle Weise gesteuert. Doch am besten sehen wir uns die Stellwerke in einer einfachen Tabelle kurz an.

Name Bereich der gesteuert wird
Rynächt Offene Strecke im Norden inklusive Zufahrt nach Erstfeld
GBT-West Steuerung der westlichen Tunnelröhre
GBT-Ost Steuerung der östlichen Tunnelröhre
Pollegio Offene Strecke südlich bis zur Anbindung an bestehende Strecke

 

Es fällt einem als erstes auf, dass der Tunnel im Bereich der Stellwerke in die beiden Fahrrichtungen aufgeteilt wurde. Man unterteilte daher die Stellwerke teilweise in Längsrichtung. Das war bisher eigentlich nicht möglich, denn Stellwerke hatten einen bestimmten Bereich und die Züge verkehrten zwischen diesen Bereichen auf der offenen Strecke. Deshalb entstanden auch die Begriffe „Ausfahren“ und „Einfahren“.

Die bisherigen Tunnel galten daher immer als Strecke. Anfänglich ohne Weichen, wurden die später dank der Fernsteuerung Spurwechsel ermöglicht. Das galt grundsätzlich für alle längeren Tunnel.

Wurden Stellwerke benötigt, weil es im Tunnel Abzweigungen gab, wurden diese als ferngesteuerte Lösung verwirklicht. Wie sollte man in einem Tunnel Personal auf einem Stellwerk beschäftigen? Gerade der Simplontunnel liess dieses Problem schon sehr früh erkennen.

Beim Basistunnel am Gotthard konnte man, auch dank neuen Lösungen bei den Verschriften, jedoch unabhängige Betriebsmöglichkeiten schaffen. Diese machte man natürlich nicht ganz freiwillig, aber der Tunnel stellte neue Anforderungen.

Damit wir das verstehen können, müssen wir jedoch den normalen Betrieb, der alle erdenklichen Lösungen ermöglichen würde, weglassen und zu einem Fall wechseln, der Problem bereiten könnte.

Fiel im Basistunnel das Stellwerk GBT-West wegen einem defekten Motor einer Weiche aus, konnten keine Züge mehr verkehren. Technisches Personal musste aufgeboten werden und zur Weiche geschafft werden.

Mit den bisherigen Lösungen wurde jedoch der Verkehr im ganzen Tunnel behindert. Dank der neuen Lösung konnten die Züge jedoch in der östlichen Röhre ungehindert fahren. Selbst ein einspuriger Betrieb war problemlos möglich.

Bei elektronischen Stellwerken bietet sich natürlich eine Fernsteuerung an. Daher wurden die vier Stellwerke nicht von vier Orten aus gesteuert, sondern die Ansteuerung der Stellwerke erfolgte ab einem zentralen Ort ausserhalb des Tunnels. In diesem Zusammenhang wird sehr oft von einem Fernsteuerzentrum gesprochen. Diese Fernsteuerzentren wurden in den letzten Jahren jedoch ebenfalls mit einer Fernsteuerung versehen.

Im Frühjahr 2014 wurde daher die Fernsteuerung des Tessins von Bellinzona nach Pollegio verschoben.

Mit dem Bezug der neuen Räumlichkeiten beim Südportal waren auch die neuen Anlagen des Fernsteuerzentrums in Betrieb genommen worden.

Pollegio sollte letztlich zu einer der vier Betriebsleitzentralen der Schweiz gehören. In so einer Betriebszentrale sind mehrere Fernsteuer-zentren eingebunden worden.

Ab Pollegio wurde nahezu die gesamte Gotthardbahn gesteuert. Das heisst, dass der Einfluss dieser Betriebsleitzentrale bis in den Bahnhof von Arth-Goldau reichte.

Nur die Strecken ab Zug (BZ Ost) und die direkte Zufahrt von Immensee (BZ Mitte) waren nicht in Pollegio integriert worden.

Jedoch führte das dazu, dass die Bereiche der neuen Strecke und somit des Basistunnels einer Betriebsleitzentrale zugeschlagen werden konnten.

Die neuen Stellwerke für den Basistunnel am Gotthard bekamen jedoch für die Meldung an das Fahrpersonal keine Signale mehr.

Vielmehr wurden die Meldungen an das Radio Block Center (RBC) gesendet. Damit konnten die Züge auf den neuen Strecken mit ETCS Level 2 gesteuert werden. Ein Punkt, der bei Anlagen, die für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind, verwirklicht werden musste. Dazu gehörte sicherlich auch der Basistunnel.

Wichtiger Bestandteil von mit ETCS Level 2 ausgerüsteten Strecken war daher das RBC. Konnten die bisherigen in der Schweiz verwirklichten Abschnitte mit einem einzigen RBC betrieben werden, brachte der Basistunnel am Gotthard eine weitere Veränderung, denn es gab auf dieser Strecke drei unabhängige RBC. Somit mussten die Züge während der Fahrt von einem RBC auf das andere übergeben werden. Dabei durften jedoch die Fahrinformationen nicht verloren gehen.

ETCS Level 2 und damit die einzelnen RBC wurden jedoch nicht auf einen Schlag in Betrieb genommen, sondern es kamen einzelne Schritte zur Anwendung. So wollte man die Probleme, die zu erwarten waren, minimieren. Daher beschloss man letztlich auch, dass man die Umstellung in einzelnen Schritten durchführen wird. Doch sehen wir uns die drei RBC etwas genauer an und dazu wird zuerst eine Übersicht in einer kleinen Tabelle erfolgen.

Streckenabschnitt Datum Umstellung Auswirkungen Betrieb
Brunnen – Altdorf 16. August 2015 Ohne Bahnhof Brunnen
Gotthardtunnel 16. August 2015 Ohne Bahnhof Erstfeld und anfänglich ohne Basistunnel
Bodio – Castione 06. Dezember 2015 Ohne den Bahnhof Biasca / Bodio - Biasca RBC Gotthard

 

Wenn wir die Umstellungen ansehen, dann rückt der Abschnitt zwischen Brunnen und Erstfeld in den Vordergrund. Nicht nur, dass es sich dabei um die erste bestehende Strecke, die auf ETCS Level 2 umgestellt wird, handelte. Vielmehr sorgte diese Strecke dafür, dass die Strecke über den Gotthard nur noch mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen befahren werden konnte. Eine Ausnahme davon sollte es nicht geben.

Zudem wurden die ersten Bahnhöfe auf denen rangiert wurde auf den Betrieb mit ETCS Level 2 umgestellt.

Direkt mit dem Basistunnel am Gotthard hatte das zwar vorerst nichts zu tun, jedoch war die Umstellung dadurch extrem schwer geworden und sollte daher zur grössten Herausforderung werden, die mit dem Bau der NEAT umgesetzt werden sollten.

Doch es gab noch eine Neuerung, die ebenso schwer war, wie der Rangier-dienst.

Auch in Bezug auf die RBC gab es eine erste Neuerung, denn erstmals wurde eine Strecke mit zwei RBC versehen.

Dabei übernahm das RBC Axen die Strecke zwischen Brunnen und Altdorf. Die Strecke südlich von Altdorf wurde jedoch vom RBC GBT übernommen.

Die Grenze zwischen diesen Bereichen war gleichzeitig die Grenze zwischen dem KGB und dem EGB. In unsere nähere Betrachtung kommt jedoch das RBC GBT.

Die Umschaltung der Züge musste in einem nur kurzen Abschnitt erfolgen und konnte daher zu Problemen bei der Entlassung aus dem Level 2 für Probleme sorgen.

Zudem musste in diesem Bereich auch das erste neue Stellwerk in Betrieb genommen werden. Punkte, die immer mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen sind. Nur, hier fand das auf einer der am dichtesten befahrenen Strecken in Europa statt.

Die Umstellung dieses ersten Abschnittes stellte daher die grössten Herausforderungen an die Technik und das Personal dar. Viele neue Vorschriften wurden umgesetzt und mussten zeigen, dass diese mit den Anlagen verträglich waren. Ein Punkt, den wir später bei der Betrachtung der Sicherung der Züge noch genauer ansehen werden. Hier geht es um die Stellwerke und damit um das Stellwerk Rynächt, das als erstes scharf geschaltet wurde.

Dieses Stellwerk war zwar vollumfänglich in Betrieb genommen worden, trotzdem konnten zu jener Zeit nicht alle Bereiche der Anlage genutzt werden. Vielmehr fuhren die Züge in der südlichen Richtung durch den neuen Bahnhof Rynächt, auch wenn es diesen eigentlich gar nicht mehr gab. In der Gegenrichtung wurden sogar noch geringere Teile der neuen Anlagen genutzt. Ein Punkt, der in einem Stellwerk immer wieder für Probleme sorgen konnte.

Sie sehen, dass es hier wirklich keine leichte Umstellung war. Zu den Problemen technischer Natur kam erschwerend noch hinzu, dass das meiste auf dieser Stecke eingesetzte Personal keine Ahnung hatte, wie ETCS Level 2 funktioniert. Personal mit geringer Erfahrung und neue Anlagen mit ungeahnten Risiken stellen eine grosse Herausforderung dar. Daher machte man sich vor der Umsetzung in diesem Bereich viele Sorgen.

Als nächster Schritt war die Inbetriebnahme des Stellwerkes Pollegio und damit des RBC Claro vorgesehen. Damit waren die nördlichen und südlichen Bereiche der neuen Transitlinie durch die Schweiz umgestellt worden und der Basistunnel war mit den beiden Stellwerken erstmals an das bestehende Netz angeschlossen worden. Theoretisch wären Fahrten in den Basistunnel ab sofort auf beiden Seiten möglich gewesen.

Wobei wir hier nicht vergessen dürfen, dass es bei den Stellwerken und beim betroffen RBC weniger Probleme gab, denn die meisten Anlagen der neuen Strecke konnten schlicht noch nicht befahren werden. Jedoch sollte auch der Abschnitt in diesem Bereich für Neuerungen sorgen, denn erstmals wurden neue für ETCS Level 2 geschaffene Signale eingeführt. Diese wurden in den entsprechenden Vorschriften als „ETCS Standortsignale“ bezeichnet.

Indirekt konnten damit auch die beiden Stellwerke im Basistunnel scharf geschaltet werden. Das erfolgte auch, nur galt der Bereich noch als Baustelle und daher war er nur für den Testbetrieb freigegeben worden.

Noch konnten die planmässigen Züge den Tunnel nicht passieren. Mit den Testfahrten, die später näher vorgestellt werden, konnten die ausgedachten Konzepte überprüft und so betriebstauglich gemacht werden.

Offiziell wurden die beiden Stellwerke im Basistunnel erst am 01. Juni 2016 an das Netz angeschlossen. An diesem Tag, der genau 134 Jahre nach der Inbetriebnahme der Gotthardbahn war, wurde der Basistunnel offiziell in das Netz angeschlossen.

Damit wurde aus dem Bauwerk Basistunnel ein gewöhnlicher Tunnel und die Anlagen wurden offiziell von Alptransit an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB übergeben.

Damit haben wir die Stellwerke abgeschlossen und der Basistunnel wurde für die betriebliche Nutzung freigegeben. Diese betriebliche Nutzung der neuen Anlagen war zwar vorgesehen, noch konnten aber nicht alle Züge die neue Strecke in vollem Umfang nutzen.

Gerade die an einen straffen Fahrplan gebundenen Reisezüge mussten immer noch den Weg über die Bergstrecke absolvieren. Flexiblere Güterzüge konnten jedoch durch den Basistunnel fahren.

Wir müssen uns daher nun ein paar Gedanken zur Sicherung der Züge machen. Diese ist jedoch nicht direkt an die Stellwerke angebunden, sondern ist ein Bereich, der von den Radio Block Center RBC und damit von ETCS Level 2 abhängig ist. Es lohnt sich daher wenn wir auch einen genaueren Blick auf diese Situation werfen. Damit erfahren wir auch mehr über die Schwierigkeiten, die mit den neuen Stellwerken entstehen konnten.

 

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