Doppellokomotive oder Vielfachsteuerung

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Wir kommen mit dem Artikel über die Baureihe Ae 8/8 zum Ende. Die letzte grosse Doppellokomotive der Schweiz. Nach dieser Maschine wurden in der Schweiz nur noch Lokomotiven mit Vielfachsteuerung beschafft und diese verstanden es, dass sie sich durchsetzen konnten. Daher lohnt es sich, wenn wir diese beiden Systeme einem direkten Vergleich unterziehen. So können wir uns selber ein Bild machen und unsere Schlüsse ziehen.

Wenn wir mit den Doppellokomotiven beginnen wollen, müssen wir uns zuerst diese Maschinen ansehen, dabei lassen wir vorerst noch die Ideen, die dazu führten stehen und gehen ganz sachlich an die grossen Doppellokomotiven heran. Dabei leben diese Maschinen in erster Linie damit, dass sie schlicht gigantisch sind. Eine grosse Gestalt macht Eindruck. Was im normalen Leben funktioniert, geht auch bei den Lokomotiven.

Dazu müssen wir jedoch von der Baureihe Ae 8/8 als solches wegkommen und die Doppellokomotiven der Schweiz etwas genauer betrachten. Es gab schon früher Doppellokomotiven in der Schweiz. Diese waren wirklich wahre Giganten und stellten alles, was in der Schweiz verkehrte in den Schatten. Nur schon das sind beeindruckende Hinweise, die automatisch die Neugierde der Leser weckt. Ein natürliches Verhalten.

Bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB finden wir die schwerste Lokomotive der Schweiz, ja sogar von Mitteleuropa und die stärkste Lokomotive der Welt. Ein Prädikat, das sie nie abgeben sollte. Schauen wir uns aber zuerst ein paar Eckdaten dieser in der Schweiz gebauten Doppellokomotiven an. Dabei gehen wir so ins Detail, dass wirklich jede Lokomotive aufgelistet wird. Ein direkter Vergleich wird dann möglich.

 

Bahn Typ Nummer Baujahr Leistung Gewicht
SBB Ae 8/14 11‘801 1931 5 408 kW 244 t
SBB Ae 8/14 11‘851 1932 6 070 kW 244 t
SBB Ae 8/14 11‘852 1940 8 170 kW 236 t
BLS Ae 8/8 271 1959 5 860 kW 160 t
BLS Ae 8/8 272 1962 5 860 kW 160 t
BLS Ae 8/8 273 1963 5 860 kW 160 t
BLS Ae 8/8 274 1965 5 860 kW 160 t
BLS Ae 8/8 275 1966 5 860 kW 160 t

 

Nachdem wir uns nun einen Überblick über die Maschinen verschafft haben, sehen wir uns die Vorteile dieser Maschinen an. Die Entwicklung entstand, als man bei den Lösungen mit Vielfachsteuerung keine Erfolge hatte. Die Lösung bot den grossen Vorteil, dass man gewisse Baugruppen nicht so oft benötigte. Das waren in erster Linie die Führerstände. Je nach Bauart, wurden auch andere Teile vereinfach und so reduziert.

Die Doppellokomotiven ermöglichen hohe Zugkräfte bei geringem Personalbedarf, Das waren die damaligen Ideen, die zu diesen Monstern geführt haben. Gerade der Verkehr über die steilen Strecken der Alpen bedingte solche Maschinen. An anderen Orten wurden vergleichbare Modelle aus dem gleichen Grund beschafft. Man wollte grosse Lasten ziehen und dazu erschienen die Lokomotiven ideal geeignet. Bei der Reihe Ae 8/14 verhinderte die Wirtschaftskrise letztlich die Serie.

Die Nachteile der Doppellokomotiven können gross sein. Gross sind auch die Lokomotiven. Das heisst, man muss in den Depots den notwenigen Platz haben. Der war nicht immer vorhanden. Zudem stand bei einem kleinen Defekt die grosse Maschine im Depot. Ein Punkt, der natürlich nicht gerne gesehen wurde. Die Modelle waren daher sperrig und unhandlich. Das machte sie im Unterhalt recht mühsam.

Anpassungen an den Verkehr waren mit diesen Modellen schlicht nicht möglich. Während die Maschinen vor schweren Güterzügen Erfolge feiern konnten, scheiterten sie daran, dass sie bei geringen Lasten unwirtschaftlich waren. Kam noch dazu, dass sie mit jeder Erhöhung der Zughakenlasten nicht angepasst werden konnten. Gerade hier stellten sich die Systeme mit einer Vielfachsteuerung als sehr flexibel heraus.

Damit kommen wir zu den Systemen mit Vielfachsteuerung. Die Nachteile der grossen Doppellokomotive, wurden schlicht zum grossen Vorteil für die Vielfachsteuerung. Dabei waren diese Systeme schon längst verwendet worden. Bereits 1921 fuhr in der Schweiz die erste Doppeltraktionen. Die Funktion war jedoch noch kompliziert und das verhinderte eine weitere Verwendung des Systems auf allen Maschinen.

Lokomotiven mit Vielfachsteuerung können sehr flexibel eingesetzt werden. Daher füge ich hier ein Beispiel für diese Systeme ein. Die dazu verwendete Maschine ist genau jene, die letztlich der Vielfachsteuerung den Durchbruch brachte. Ich spreche von der Baureihe Re 4/4 II der Schweizerischen Bundesbahnen SBB. Eine Lokomotive, die für diese Lösungen ideal ist. Dabei nehme ich die Normallast dieser Baureihe.

Auch wenn es nicht dem Vorbild entspricht, nehmen wir an, dass bei Ablieferung der Lokomotive die Zughakenlast für 26‰ bei 500 Tonnen lag. Das stimmt zwar nicht, erleichtert jedoch die Vorstellung der flexiblen Lösung. Die Baureihe Re 4/4 II vermag gerade diese Last zu ziehen und wurde daher entsprechend konstruiert. Jetzt erhöhen wir die Zughakenlast um jeweils 500 Tonnen und sehen, wie flexibel die Baureihe dank der Vielfachsteuerung reagiert.

Anhängelast 500 Tonnen 1000 Tonnen 1500 Tonnen Personalbedarf Doppellok Re 8/8
1. Lokomotive X X X 1 1000 t
2. Lokomotive   X X 1 1000 t
3. Lokomotive     X 1 2000 t

 

Bei Zügen bis zu einem Gewicht von 500 Tonnen reicht auch in Zukunft eine Maschine (1/2 Doppellok), bei 1000 Tonnen greift man zu einer zweiten Lokomotive (Doppellok). Bei 1500 Tonnen werden letztlich drei Exemplare (2 Doppellok) benötigt. Damit kann die Bespannung ohne grosse Schwierigkeiten angepasst werden. Die vergleichbare Doppellokomotive steigt jedoch erst bei 1000 Tonnen ein und kann nur schwer angepasst werden. Ein grosser Vorteil der Vielfachsteuerung.

Auch bei der Vielfachsteuerung gibt es Probleme und Nachteile. So sind die einzelnen Lokomotiven im Vergleich etwas teurer in der Beschaffung. Der Grund sind die zusätzlichen Führerstände.

Das kann bei einer Bahngesellschaft bereits zu Problemen führen. Wobei man dieses Problem, wie es zum Beispiel in Nordamerika praktiziert wird, mit Fahrzeugen für eine reguläre Fahrrichtung umgehen kann. Lösungen gibt es, aber man bekommt Einschränkungen.

Ein weiterer und grosser Nachteil sind die benötigten Kabel. Diese sind im Betrieb einem gewissen Verschleiss unterworfen, sind schwer in der Handhabung und können daher zu Störungen führen.

Zudem kann eine falsche Handhabung zu schweren Schäden an den Triebfahrzeugen führen. Durchaus ein Punkt, der gegen die Vielfachsteuerung sprach. Letztlich auch der Grund, warum überhaupt jemand auf die Idee kam Doppellokomotiven zu bauen.

Erst als man funktionierende und leichte Kabel einführte, begann sich die Vielfachsteuerung durchzusetzen. Das führte selbst bei der BLS dazu, dass die Baureihe Re 4/4 mit einem solchen System ausgerüstet wurde.

Um die schweren Doppellokomotiven doch noch verwenden zu können, baute die BLS diese Einrichtung selbst bei den Maschinen der Reihe Ae 8/8 ein. Somit ein Siegeszug für die Vielfachsteuerung?

Es stellt sich nun die Frage, ob wir die gleichen Schlussfolgerungen ziehen, wenn wir über den Tellerrand blicken und an anderen Orten der Welt nach den Lösungen suchen. Dabei bietet sich und eine ganz bestimmte Strecke in Europa geradezu an. Somit kommen wir zur Erzbahn in Norwegen, die vergleichbare Probleme hatte und wo beide Lösungen umgesetzt wurden. Letztlich sehen wir dort, welches System besser ist.

Der Verkehr mit den Erzzügen zwischen Kiruna und Narvik besitzt eine Lastrichtung mit sehr schweren Güterzügen. Diese Strecke, die gemeinsam von der damaligen NSB und der JS betrieben wurde, brachte spannende Lösungen bei den Triebfahrzeugen an den Tag. Die zwei Bahnen, die mit dem gleichen Problem zu tun hatten, setzten auf unterschiedliche Lösungen. Das ermöglicht ein direkter Vergleich der beiden Systeme.

Während man in erster Linie auf dreiteilige Riesenlokomotiven setzte, kamen aber auch Lokomotiven in Vielfachsteuerung zum Einsatz. Dabei entstanden die grossen dreiteiligen Lokomotiven im Lauf der Jahre aus vorhandenen Doppellokomotiven. Man musste mit einem Umbau für die notwendige Erhöhung der Leistung sorgen. Dadurch wurden jedoch diese riesigen Maschinen weltberühmt. Damit wurde der Eindruck bereits bestätigt.

Die Maschinen mit der Vielfachsteuerung verkehrten oft zusammen und wurden nicht getrennt. Das hatte zur Folge, dass eigentlich auf zwei Führerstände verzichtet werden konnte. Auch jetzt werden die Nachteile der Vielfachsteuerung aufgezeigt. Dabei spricht in diesem speziellen Fall alles für die Doppellokomotive. Jedoch mussten diese Maschinen ersetzt werden, die neuen Lokomotiven sollten letztlich aufzeigen, welches System besser war.

Auf der Strecke wurden die vorgestellten Maschinen durch neue Modelle abgelöst. Diese Maschinen werden als klassische Doppellokomotiven eingesetzt. Im klassischen Sinn ist das optisch korrekt, denn jede Hälfte hat nur einen Endführerstand und sie sind Rücken an Rücken gekuppelt. Betrieblich werden die Maschinen zudem nicht getrennt. Damit erfüllen diese Maschinen die Bedingungen der Doppellokomotiven.

Die Lösung der Hersteller sieht jedoch ganz anders aus. Die Doppellokomotive wurde mit einer Vielfachsteuerung aus zwei autonomen Lokomotiven erstellt. Die Vielfachsteuerung hat daher einen Sieg errungen. Wir haben hier einfach nur die Lösung mit einem Führerstand pro Lokomotive. Reicht die Leistung dereinst nicht mehr aus, kann man dazwischen eine dritte Einheit in Vielfachsteuerung eingereiht werden.

Doch wieder zurück in die Schweiz. Der Segeszug bei der Vielfachsteuerung schaffte die Baureihe Re 4/4 II nicht nur deswegen. Sie konnte damit auch in Fernsteuerung ab einem Steuerwagen verkehren. Das erlaubte Einsätze in Pendelzügen, wo eigentlich nur die Triebwagen RBe 4/4 verwendet wurden. Ergänzt mit den Lokomotiven Re 4/4 III und der grossen Re 6/6 entstand jedoch mit System eine sehr flexible Lösung. Da kann weder eine Ae 8/8 noch eine Ae 8/14 mithalten.

 

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