Fahrdatenspeicherung |
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Nicht immer läuft bei der Eisenbahn alles so, wie man es gerne hätte. Die Züge verkehren, wenn es ihnen gefällt und nicht wenn sie sollten. Das führt unweigerlich zu Situationen, wo es gefährlich werden kann. Passt jemand nicht auf, ist es passiert und die Züge prallen zusammen. Das Unglück ist passiert und nun beginnen die Abklärungen. Dabei erkläre ich das mal an einem Beispiel. Es ist ein reales Beispiel und es lief wirklich so ab. Der Bahnhof von Biasca meldete in der Nacht zum 24. April 1923 dem Bahnhof Bellinzona/San Paolo die Reihenfolge der Züge. Das war seit Jahren so und wurde zur Routine. An dem Abend unterlief dem Fahrdienstleiter in Biasca ein Fehler. Er meldet die Reihenfolge von zwei Zügen falsch. So näherten sich Bellinzona der Nachtschnellzug und dann der Güterzug und nicht umgekehrt, der Güterzug und dann der Nachtschnellzug. Der Stellwerkmitarbeiter von San Paolo, dem Güterbahnhof von Bellinzona, stellte bereits die Einfahrweiche für den Güterzug aus Biasca. Gleichzeitig stellte er die Zugfahrt für den internationalen Express aus Rimini. Das war damals so üblich und stellte nicht einmal einen Fehler dar, denn der Bahnhof wollte den Güterzug nach Durchfahrt des Express in den Bahnhof lassen. Soweit war alles für die Ankunft vorbereitet. Zur gleichen Zeit näherte sich der Schnellzug aus Norden und der Heizer meldete, wie es sich gehörte die Signale. Das hiess nun „Bellinzona zu“. Diese Meldung quittierte der Lokführer mit den Worten „Das Signal gilt nicht für uns“. Kurz nach der Einfahrweiche von Bellinzona San Paolo kam es schliesslich zur Kollision der beiden Schnellzüge. Beim entstandenen Brand kamen 21 Personen ums Leben. Das Personal überlebte.
In aufwendigen Befragungen und Verhören, konnte man diesen Unfall so genau dokumentieren. Man erkannte aber, dass gewisse Vorschriften angepasst werden müssen und, dass man bessere Informationen von den Lokomotiven haben muss. Man begann Systeme zur Fahrdatenaufzeichnung zu erschaffen. Diese wurden in der Folge bei den Fahrzeugen, die an der Spitze eines Zuges verkehren können, eingeführt. Datenerfassung: In der heutigen Zeit ist die Datenerfassung sehr beliebt geworden. Überall werden Kundendaten gesammelt und wenn Sie irgendwo eine Schraube kaufen, fragt Sie der Händler nach der Kundenkarte, damit er die von Ihnen gekaufte Schraube in ihrem ganz persönlichen Archiv speichern kann. So lange es sich nur um Schrauben handelt, kann man ja darüber hinweg sehen, Aber wenn dann empfindlichere Daten, wie Krankheiten oder Gebrechen registriert werden? Eine Horrorvorstellung! Nur, solche Aufzeichnungen können auch sinnvoll sein, denn der Arzt, der Ihre Krankengeschichte kennt, kann viel besser reagieren, wenn Sie ihn aufsuchen. Sie hoffen einfach, dass diese Daten vertraulich behandelt werden, denn wer will schon in der Tagespresse erfahren, dass er todkrank ist? Datenerfassung bekommt immer wieder einen etwas fahlen Nachgeschmack. Besonders dann, wenn der Staat Daten seiner Bürger sammelt. Auch auf Fahrzeugen muss man Daten erfassen. Es geht da um Daten, die bei einem Unfall helfen können. Dabei denke ich jetzt zuerst einmal an die Tachographen in den LKW. Diese zeigen auf, wie lange der Fahrer gefahren ist und welche Geschwindigkeit er in der Vergangenheit fuhr. Die Kontrollbehörde, sprich die Polizei, kann dann diese Daten kontrollieren. Stimmen diese, ist die Welt in Ordnung, stimmen diese nicht, muss der Fahrer mit einer Strafe rechnen. Pech, wer eine Übertretung begangen hat, die Strafe folgt dann auf der Stelle. Der böse Polizist, schreibt eine Busse aus, und der gute Fernfahrer, der gegen das Gesetz verstossen hat, muss diese bezahlen. Wie oft waren Sie der Meinung, bei einer Geschwindigkeitskontrolle, dass die Polizei falsch gemessen hat? Nun, solche im Strassenverkehr verwendeten Aufzeichnungen sind nicht für die Bahn geeignet, denn sie sind zu ungenau. Bei der Eisenbahn will man genauere Angaben haben. Man will auf den Meter genau wissen, wo die Lokomotive stand, als sie mit dem LKW zusammengestossen war. Haben Sie sich schon mal gefragt, warum die Meldungen immer genau sagen können, wie schnell der Zug fuhr. Man kann mit der Datenspeicherung genau nachvollziehen, was der Lokführer in der letzten Sekunde vor dem Zusammenstoss noch gemacht hat. Datenspeicherung: Die Speicherung dieser Daten ist natürlich nicht weniger problematisch. Schnell sind solche Informationen in die falschen Hände geraten. Der beim Unfall getötete Lokführer ist dann noch der Buhmann und wird in der Presse als Saukerl und gewissenlos betitelt. Hat er mit seinem Leben nicht schon genug bezahlt? Ach so, es geht darum, der Witwe und den Kindern zu schaden. Nur, was haben die falsch gemacht? Die Fahrdatenspeicherung erfolgt immer mit zwei unterschiedlichen Systemen. So gibt es einen Kurzwegspeicher. Dieser enthält sehr genaue Angaben, die viel über den Ablauf des Unfalls aussagen. Nur so kann eventuell nachgeprüft werden, was genau vorgefallen ist. Ich zeige hier ein kleines Beispiel bei einer elektronischen Datenspeicherung. Es ist frei erfunden, könnte aber so in einem Kurzwegspeicher zu finden sein. 11:22:35 Schnellbremsung eingeleitet 11:22:36 Hupe betätigt 11:22:45 Sicherheitseinrichtung angesprochen 11:23:01 Ende der Aufzeichnung V = 0 Sie sehen, man erkennt dank dieser Auswertung, dass der Lokführer zuerst gebremst und dann gehupt hat. Hätte er den Unfall verhindern können, wenn er zuerst gehupt und dann gebremst hätte? Vermutlich nicht, denn nur 9 Sekunden später wird die Sicherheitseinrichtung aktiviert. Das heisst, der Lokführer hat in dem Moment bereits seinen Arbeitsplatz verlassen und ist auf der Flucht, denn 16 Sekunden später wurde die Aufzeichnung abgebrochen, was vermutlich mit zerstört verglichen werden kann. Sie können sich vorstellen, dass solch feine Daten sehr viel Speicher benötigen, deshalb werden diese nach einer gewissen Zeit wieder gelöscht. Der Zeitpunkt für die Löschung wird durch den zurückgelegten Weg definiert. Danach sind nur noch einfachere Daten vorhanden. Diese werden hingegen viel länger gespeichert und können auch nach einem halben Jahr noch eingesehen werden. In den folgenden Absätzen erkläre ich Ihnen diese beiden Speichertypen mit dem klassischen System der SBB. Klassische Datenerfassung: Die klassische Erfassung der Fahrdaten arbeitet mit zwei unabhängigen Systemen. Diese zeichnen die Daten auf. Dabei werden diese Aufzeichnungen durch das Lokomotivpersonal selber betreut. Sie werden regelmässig kontrolliert und wenn nötig mangelhafte Baugruppen ersetzt. Damit ist die Fahrdatenspeicherung bei den Fahrzeugen gesichert und niemand geht ja davon aus, dass er bei der Fahrt einen Fehler macht. Mit Hilfe einer speziellen Farbscheibe werden die kurzzeitigen Daten aufgezeichnet. Die Glasscheibe ist mit weisser Farbe bestrichen. In diese Farbe werden mit feinen Nadeln Striche gezogen und so die Fahrdaten aufgezeichnet. So kann man mit Hilfe der auf der Scheibe aufgetragenen Skala die notwendigen Informationen entnehmen. Diese sind so genau, dass man sie auf einen Meter genau auswerten kann. Diese runde Farbscheibe wird automatisch nach einer vorgegebenen Distanz gelöst. Das heisst einfach, sie dreht sich und kommt nach einer vollen Drehung wieder zu der Stelle, wo sie mit Farbe bestrichen wird. Die Daten sind weg. Sie kann anschliessend neu beschriftet werden und wieder frische Daten aufzeichnen. Diese Anlage funktioniert gut und sie wurde bei der Geschwindigkeitsanzeige eingebaut, da dort die gefahrenen Geschwindigkeiten abgenommen werden können. Wie gross diese aufgezeichnete Distanz ist, hängt vom Verwendungszweck der Lokomotive ab. Rangierlokomotiven haben einen kürzern dafür genauer unterteilten Weg, als Lokomotiven, die auf der Strecke eingesetzt werden und daher in kurzer Zeit grosse Distanzen zurückgelegt werden. Beim Unterhalt der Farbscheiben muss man daher darauf achten, dass immer die richtigen Modelle verwendet werden. Hier werden Geschwindigkeit, Distanz und der Punkt an dem die Zugsicherung angesprochen hat vermerkt. Dank der auf der Scheibe aufgetragenen Skalierung kann nahezu auf den Meter genau geklärt werden, welche Geschwindigkeit wann tatsächlich gefahren wurde. Man erkennt, die Geschwindigkeit bei der Kollision. Die Daten müssen nach einem Vorfall durch den Lokführer gesichert werden. Dazu wird einfach eine andere Scheibe eingesetzt. Mit Hilfe des Registrierstreifens erfolgen die langfristigen Aufzeichnungen der Daten. Die Aufschlüsselung erfolgt hier nicht mehr auf den Meter genau, sondern es wird auf die Zeit Bezug genommen. Der spezielle Streifen wird mit Nadeln eingeritzt, so dass die spezielle Beschichtung entfernt wird. So entstehen sehr feine Linien, die die Informationen zur Geschwindigkeit und Zeit enthalten. Hier erfolgt die Aufzeichnung kontinuierlich, bis der Streifen am Ende angelangt ist. Das kann je nach Loktyp und Einsatz bis zu mehrere Tage dauern. Am Ende angelangt wird der Streifen durch das Lokomotivpersonal entnommen und dem Archiv zugeführt. So ist gesichert, dass diese Daten die vorgeschriebene Dauer bereit stehen. Bei einem Vorfall, wird auch dieser Registrierstreifen den Unterlagen beigelegt. Die Datensicherung obliegt bei den Bahnen übrigens bei den Bahnen, denn diese kennen die Systeme. Wenn Sie nun meinen, dass diese Aufzeichnung doch sehr ungenau ist, dann muss ich Ihnen sagen, dass eine Auswertung dieser beiden Speichersysteme Angaben gibt, wie lange die Schnellbremsung wirkte und welche Geschwindigkeit vorherrschte, als die Lokomotive mit dem LKW kollidierte. Die zu diesem Zeitpunkt gefahrene Geschwindigkeit wird auf den Kilometer pro Stunde genau erfasst. Genau genug um zu erfahren was passiert ist. Man erkennt auch, wann der Lokführer seinen Arbeitsplatz verlassen hat. Elektronische Datenerfassung: Mit den Lokomotiven, die über Rechner auf dem Fahrzeug verfügen, wurde die Aufzeichnung der Fahrdaten ebenfalls elektronisch erfasst. Diese elektronische Datenerfassung entnimmt die Daten aus dem Fahrzeugrechner und speichert diese nieder. Es gibt einen flüchtigen und einen festen Speicher. Somit entspricht diese Datenaufzeichnung der vorher beschriebenen klassischen Datenerfassung. Natürlich haben auch hier die Computer die Farbscheibe und den Streifen abgelöst. Diese Datenspeicher erfassen grundsätzlich die genau gleichen Daten. Die Speicherkassette hat jedoch auch nur einen bestimmten Speicherplatz. Das heisst, nach einer Zeit sind die Speicher voll. Damit das möglichst lange dauert, werden nur kurze Bereiche genau erfasst. Danach werden Zwischenstücke entfernt. Dadurch wird die Aufzeichnung weniger genau, es hat aber mehr Platz. Die kurzfristige genaue Speicherung der Fahrdaten entspricht der Scheibe, auch wenn man zusätzliche Informationen zur Verfügung hat. Die Dauerspeicherung der Fahrdaten erfolgt analog dem Registrierstreifen. In regelmässigen Abständen werden die Daten aus dem Speicher der Lokomotive entfernt und archiviert. Damit hat man eine elektronische Datenspeicherung, die sehr genau funktioniert und bei der unsere Kollision mit dem LKW so aussen würde: 11:21:23 Sicherheitssteuerung bestätigt 11:21:23 Gefahrene Geschwindigkeit 80 km/h 11:22:35 Schnellbremsung eingeleitet V = 80 11:22:36 Hupe betätigt V = 78 11:22:45 Sicherheitseinrichtung angesprochen V = 68 11:23:01 Ende der Aufzeichnung V = 0 Müssen diese elektronischen Daten nach einem leichten Unfall gesichert werden, kann die Lokomotive nicht einfach weiter fahren. Die Farbscheibe, beziehungsweise der kurzeitige Speicher würde überschrieben und wichtige Daten gingen verloren. Deshalb gilt hier, wie beim klassischen System, der Lokführer muss die Daten sichern. Mit dem Auswechseln der Farbscheibe geht das ganz einfach. Beim elektronischen System wird entweder ein Schalter betätigt oder ein Code eingegeben. So werden die Daten gesichert und die Lokomotive kann in ein Depot fahren, wo dann die Daten ausgelesen werden. Farbscheibe und Streifen werden vom Lokführer seinem Vorgesetzten übergeben und durch diesen, beziehungsweise eine entsprechende Betriebsstelle, ausgewertet. Natürlich ist es für einen Lokführer ein unangenehmes Gefühl, wenn er diese Daten abgeben muss, denn es sind empfindliche Informationen darin enthalten. Zudem wird schonungslos jeder noch so kleine Fehler aufgedeckt.
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