Erstfeld - Basel - Erstfeld

Ich bin gerade erwacht, als die Kirchenuhr 12:00 Uhr schlägt. Für ein Mal konnte ich wieder ausschlafen. Doch jetzt mache ich mir zuerst etwas zu Mittag, danach gehe ich am Nachmittag noch etwas liegen, denn heute habe ich Nachtdienst. Es ist ein heisser Sommertag im Juli, den ich auf dem Balkon geniesse. Am Abend nehme ich noch eine kleine Mahlzeit zu mir, und dann geht es zur Arbeit.

 

Als ich mich auf den Weg zur Arbeit mache, begegnen mir noch viele Paare, die den lauen Abend mit einem Spaziergang beschliessen wollen. Kurz vor neun Uhr abends betrete ich das Dienstgebäude des Depots in Erstfeld, hier ist die Sonne bereits um vier Uhr Nachmittags hinter den Bergen unter gegangen. Ich informiere mich noch schnell an der Anschlagwand, ob es wichtige technische Neuerungen gibt. Die Langsamfahrstellen habe ich gestern bereits aktualisiert. Ja, sogar die Arbeitsmappe ist bereits startklar, doch wo ist der Zug. Auf dem Zuglagenbildschirm sehe ich, dass er bereits im Bahnhof Erstfeld in Geleise 5 steht. Doch bevor ich mich auf den Weg zum Zug mache, ergänze ich noch den Wasservorrat in meiner Mappe.

 

Abfahrt

An der Spitze meines Zuges befindet sich eine einzelne Re 6/6 Lok. Als ich den Führerstand betrete, tritt mir der Schweiss aus allen Poren. Die Lok musste über den Gotthard schwer arbeiten, und ist daher recht heiss. Fünf Minuten auf der Lok, und ich merke nicht mehr, dass ich eigentlich vor einer Stunde noch geduscht habe. Ich richte mich auf der Lok ein, nehme das Mikrofon des Funks in die Hand und melde dem Bahnhof Erstfeld meine Fahrbereitschaft. Kurze Zeit später geht das Signal auf Fahrt, und ich darf abfahren. Langsam bewegt sich der Zug aus dem Bahnhof Erstfeld, und der Fahrtwind durchlüftet meinen Führerstand, da ich beidseitig die Fenster geöffnet habe. Gesund ist das zwar nicht, aber was soll man sonst machen um erträgliche Temperaturen zu erhalten.

 

Bei der Einfahrt in den ersten Tunnel der Axenstrecke schliesse ich die Fenster wieder, da sonst der Lärm zu gross ist. Die Hitze schlägt jetzt erbarmungslos zu. Jeweils nach dem verlassen eines Tunnels öffne ich das Fenster wieder, um es kurze Zeit später vor Einfahrt in den nächsten Tunnel wieder zu schliessen. Bis Arth-Goldau hatte ich freie Fahrt, jetzt ist aber die Ausfahrt von Arth-Goldau geschlossen. Ich halte vor dem Signal. Der Grund für den Halt ist mir bekannt, denn vorne auf der Strecke ist ein Gleis gesperrt, da dort die abgenützten Schienen ausgewechselt werden müssen. Der Fahrdienstleiter der Fernsteuerung Arth-Goldau meldet sich am Funk. Er teilt mir mit, dass ich eine Kreuzung abwarten muss, und dass der Zug jeden Moment einfahren sollte. Danach müsse ich aber mit der maximalen Geschwindigkeit fahren, da auf Seite Immensee sich ein Reisezug nähere.

 

Das Signal geht wieder auf Fahrt, nachdem der Gegenzug eingefahren ist. Ich beschleunige mit der vollen Leistung der Lok, um so schnell wie möglich auf die erlaubte Geschwindigkeit zu kommen. Die ablenkenden Weichen behindern mich dabei leicht, da ich kurz Leistung zurück nehmen muss, da ich sonst zu schnell werde. Kurz vor Immensee begegnet mir der Schnellzug, der jetzt problemlos in den einspurigen Abschnitt einfahren kann. Die Ausfahrsignale von Immensee sind nur schwer zu erkennen, da ich von der tief liegenden Sonne geblendet werde.

 

Die Fahrt gleicht nun einem Blindflug, da ich die Strecke ebenfalls nur sehr schwer erkennen kann. Eine Lösung wäre, die Sonnenblenden herunter zu ziehen, aber die Sonne steht schon so tief, dass ich danach auch nichts mehr sehen würde. Zum Glück hält dieser Zustand nur kurze Zeit an, denn in wenigen Minuten wird die Sonne so tief gesunken sein, dass sie die Landschaft in rot hüllt. In Rotkreuz verlasse ich nun endgültig den Weg, den die Reisezüge über den Gotthard nehmen. Mit meinem Güterzug benutze ich die direkte Zufahrt über den Bözberg. Aber zuerst kommt noch das Freiamt.

 

Das Freiamt ist ein Gebiet des Kantons Aargau, meiner Heimat, die kurz nach Rotkreuz beginnt und bis in die Gegend von Lenzburg reicht. Es ist eine ländliche Gegend. Grossstädte sucht man vergebens, darum benutzen die Reisezüge auch meistens den Weg über Luzern oder Zürich. Für mich ist die nun folgende Strecke eine der schönsten, die wir von Erstfeld aus befahren. Die Strecke führt durch kleine Dörfer über Felder, die je nach Jahreszeit anders aussehen, und Wälder. Auf manchem Abschnitt sieht man weder ein Haus noch eine Strasse. Doch nach Muri ändert sich die Landschaft, denn die Wälder verschwinden. Auch tauchen bereits wieder erste Industriebauten auf.

Seit Muri habe ich wieder einen langsamen Regionalzug vor mir. Ich drossle die Geschwindigkeit. Die Landschaft scheint dadurch noch weitläufiger zu sein, das Abendrot tut das seine noch dazu, die langen Schatten wirken dabei noch dramatischer. Kurz vor Hendschiken, berühren die letzten Sonnenstrahlen das Dach meiner Lok.

Der Regionalzug nimmt ab hier einen anderen Weg als ich, deshalb beschleunige ich den Zug wieder auf die erlaubte Geschwindigkeit. Kurze Zeit verläuft mein Weg parallel der West - Ost Hauptachse. Hier treffen wir ab und zu auf einen der modernen Hochge-schwindigkeitszüge, die von oder nach Zürich fahren.

Züge mit Bezeichnungen wie TGV, ICE, ICN oder IC 2000 sind hier an der Tagesordnung. Und wenn man Glück hat, trifft man den TGV, der aus Paris nach Zürich fährt. Aber wie schon gesagt, nach dem Bahnhof Othmarsingen, dreht meine Linie wieder nach Norden ab. Das Birrfeld mit seinem Flugplatz ist schnell passiert. Schon nähere ich mich Brugg.

Den Bahnhof von Brugg lassen wir mit den Transitzügen links liegen. Besser gesagt, in meiner Richtung liegt er rechts. Wir befahren die so genannte Verbindungslinie, kurz VL genannt, um danach in die Bözberglinie einzumünden.

 

Jetzt steigt die Strecke wieder an, und ich merke erneut die fehlende zweite Lokomotive, denn der Zug gewinnt nur sehr schwer an Geschwindigkeit. Mittlerweile hat die Nacht das Zepter übernommen, ausser dem Lichtkegel meiner Scheinwerfer ist es dunkel. Fast unmerklich passiere ich das Portal des Bözbergtunnels. Nach dem Verlassen des Tunnels bin ich schon fast in Basel.

 

Die Station Effingen bildet der höchste Punkt dieser Strecke, von jetzt an geht es den Berg hinunter bis zum Rhein. Da ich den Zug mit meiner elektrischen Bremse auf Geschwindigkeit halten kann, komme ich flott voran, denn schon passiere ich die Station Frick. Ab hier verkehren wieder S-Bahn-Züge nach Basel. Doch ich habe Glück, es reicht mir gerade noch vor den S-Bahn-Zug. Kurze Zeit später passiere ich den Bahnhof Stein-Säckingen. Ich befinde mich nun am Rhein, auf der anderen Seite des Flusses befindet sich bereits Deutschland. Ich erinnere mich an dieser Stelle jedes Mal an den Kesselwagenzug, der hier entgleist ist und zu brennen begonnen hat. Auch jetzt kreuzt mich wieder ein solcher Kesselwagenzug, der Kerosin für den Flughafen Kloten befördert. Ich folge nun dem Rhein und der dazwischen eingeklemmten Autobahn in Richtung Basel.

 

Bald ist Rheinfelden erreicht. Hoch über dem Bahnhof steht eine Brauerei, deren Bauten von weitem wie ein Schloss aussehen. Ein Schloss im Feld, irgendwie passt der Name der Brauerei. Bis vor kurzem war auf dem Anschlussgleis die der Brauerei  gehörende Dampflok im täglichen Einsatz zu sehen. Doch mittlerweile wird auch hier eine Diesellok eingesetzt. Der Unterhalt von Dampfloks ist recht teuer geworden. Für Besuchergruppen, die die Brauerei besichtigen wollen, wird die Dampflok dem Gästezug, der die Leute vom Bahnhof in die Brauerei bringt, vorgespannt. Abgeholt mit einer Dampflok zu Firmenbesichtigung ist etwas Ungewohntes.

 

Kurz vor Basel liegt die Station Kaiseraugst. Hier hat schon so manche alte SBB-Lok ihr Ende gefunden, denn hier ist ein grosser Schrotthändler angesiedelt. Nach der Station verlasse ich den Kanton Aargau wieder. Nach dem nächsten Bahnhof folgt die Einfahrt in den Rangierbahnhof Basel. Die Anlage ist riesig, gilt aber nicht als grösster Rangierbahnhof der Schweiz, da es sich hier um zwei Bahnhöfe handelt. Der eine behandelt die Züge in Richtung Norden, der andere die der Gegenrichtung. Wir fahren darum mit unseren Zügen aus dem Tessin und Italien in die neuere Anlage dem RB II ein. Da ich einen Transitzug am Haken habe, der unverändert in Richtung Deutschland weiterfährt, passiere ich die ersten beiden Gleisfelder, und fahre direkt in der Ausfahrgruppe ein. Jetzt ist wieder die volle Konzentration gefragt, denn seit Arth-Goldau musste ich nie mehr anhalten. Kurz vor dem Halt zeigenden Ausfahrsignal halte ich an. Drücke die Lok noch kurz gegen den Zug. Dies mache ich, indem ich mit der Lok rückwärts gegen den gebremsten Zug fahre. Wir nennen diesen Vorgang bewegen. Dass die Grenzen zu Deutschland und Frankreich nicht mehr weit sein müssen, erkennt man an den deutschen und französischen Lokomotiven, die hier auf ihre Züge warten.

 

Der Rangierarbeiter nähert sich meinem Zug und verlangt von mir die Zugpapiere. Verlangt ist nicht das richtige Wort, da ich sie ihm bereits entgegen halte. Er verstaut die Papiere in einem extra dafür bestimmten Rohr und hängt mir die Lok ab. Da ich mit meinem Zug fast 20 Minuten zu Früh angekommen bin, habe ich nun genügend Zeit meine Lok abzustellen. Die Zwergsignale gehen auf Fahrt, und ich fahre mit meiner Lok an den Abstellort. Jetzt kommt der mühsamste Teil meiner heutigen Arbeit, denn ich muss nun zwangsweise in den heissen Maschinenraum. Am Thermometer des Trafos lese ich dessen Temperatur ab. Es sind beinahe 80 ° C, dann ist der Maschinenraum vermutlich auch nicht viel kühler. Als ich die Lok endgültig verlasse, bin ich richtig nass am Körper. Doch hier draussen ist es auch nicht viel kühler, die von der Sonne aufgeheizten Geleise halten die Temperatur immer noch hoch, und eine kühlende Brise gibt es auch nicht. Zum Glück denke ich, ist der Aufenthaltsraum klimatisiert.

 

Die Pause

Es ist 23.40 Uhr, als ich den Aufenthaltsraum betrete, die Kühle des Raumes lässt mich frieren. Jetzt habe ich das "Vergnügen" eine ganze Stunde lang die Verpflegungsautomaten zu bewundern. Essen kann ich nicht viel, da ich hauptsächlich Durst habe. Während dieser Pause trinke ich bis zu 1 Liter Mineralwasser. Das Gespräch mit meinen Kollegen handelt in anbetracht solch "schöner" Kulisse, von der miserablen Verpflegung während der Nacht. Auch wir möchten unser Essen von einer freundlichen Bedienung erhalten, wie das der Tag durch üblich ist, und nicht den Dosenöffner suchen. Doch bisher hat aller Protest der Gewerkschaften keine Verbesserung gebracht. Langsam gewöhne ich mich an die Kühle des Raumes. Es ist bereits eine halbe Stunde nach Mitternacht als ich mich das erste Mal am Computer nach meiner Lok erkundige. Überraschenderweise steht sie unmittelbar vor dem Gebäude bereit. Ich nehme mein Gepäck, verabschiede mich von den Kollegen, und trete aus dem Gebäude. Die Hitze erschlägt mich beinahe.

 

Die Rückreise beginnt

Als ich mich den Lokomotiven nähere, hätte ich beinahe geschrieen, denn es sind wieder eine Re 6/6 und eine Re 4/4 II. Die Klimaanlagen der Re 460 bleiben wieder einmal nur Wunschvorstellung. Ich kontrolliere meine Maschinen wie gewohnt, und prüfe auf beiden Loks die Sicherheitseinrichtung, da ja jetzt wieder ein neuer Tag beginnt. Beinahe hätte ich mich beim Ausfüllen der Leistungscouverts im Datum vertan. Doch endlich bin ich fertig mit den Kontrollen. Ich melde meine Fahrbereitschaft dem Stellwerk. Kurze Zeit später gehen die notwendigen Signale auf Fahrt. Ich beschleunige meine Lokomotiven auf die erlaubten 40 km/h. Die Fahrt führt noch einmal in Richtung Norden.

 

Nach dem Verlassen des Rangierbahnhofs Basel RB schwenke ich auf die Verbindungsbahn ein. Diese Strecke heisst so, da sie das schweizerische Schienennetz mit dem der DB verbindet. Ich merke das gleich nach der Ausfahrt, denn auf dieser Strecke fahren wir rechts. In der Schweiz herrscht normalerweise Linksbetrieb. Kurze Zeit später wird es wirklich Deutsch, denn die Signale sind ab jetzt deutscher Bauart und stehen an der rechten Seite des Geleises. Ich schalte mein Funkgerät auf den Kanal 38 um. Dieser Kanal benötigen wir hier in Basel Badisch Bahnhof. Dadurch ist es den Stellwerken im Raum Basel Badischer Bahnhof möglich uns am Funk zu erreichen. Voll konzentriert fahre ich durch den Bahnhof, ich rufe mir dabei immer wieder ins Bewusstsein, "die Signale stehen rechts." Beim Verlassen des Badischen Bahnhofs benutze ich die Strecke nach Weil am Rhein. Da hier nur ein Gleis für meine Loks angepasst wurde, fahre ich auf dem linken Gleis im Falschfahrbetrieb. Die Einfahrt in Weil am Rhein erfolgt auf das Geleise 2. Nach dem Halt wechsle ich den Führerraum.

 

Jetzt rangiere ich meine Loks alleine vor den Zug, der zwei Geleise daneben bereit steht. Es ist ein Containerzug, der von Hamburg her kommt. Dies entnehme ich den bereit liegenden Papieren. Von Hamburg Hafen nach Genua Hafen mit Containern, ob das sinnvoll ist weis ich nicht, aber letztlich verdiene ich damit mein Geld. Auch hier werden wir mit dem Zug durch einen anderen Mitarbeiter verbunden, der dann auch gleich die Bremsprobe ausführt. Nach deutschen Normen versteht sich, da der Deutsche Mitarbeiter wohl kaum unsere Vorschriften kennt. Bei der Bremsprobe spielt das im grossen und ganzen keine Rolle, da die Unterschiede nur sehr klein und für den Laien nicht erkennbar sind. Statt Bremsen heisst es Bremsen anlegen, und statt Bremse Gut heisst es Bremse in Ordnung. Aber letztlich ist der Ablauf identisch. Ich melde abschliessend dem Arbeiter noch meine Fahrbereitschaft.

 

Die Rückfahrt nach Erstfeld

Das Ausfahrsignal von Weil am Rhein geht auf Fahrt, und ich beschleunige meinen beinahe 1600 Tonnen schweren Zug. In Basel Badischer Bahnhof kann ich mit meinem Zug durchfahren. Nach dem überqueren des Rheins, beginnen wieder die SBB Signale. Das heisst auch, dass ab jetzt die Signale wieder Links stehen und SBB-Vorschriften gelten. Da ich jetzt mit einem Zug unterwegs bin, der in Richtung Süden fährt, befahre ich den älteren Teil des Basler Rangierbahnhofs. Mein Weg führt mich beinahe in die Station Muttenz. Doch in der D-Gruppe des Basler Rangierbahnhofs ist es mit der flotten Fahrt zu Ende, denn das Ausfahrsignal steht auf rot.

 

Nach dem Halt ruft mich die Station am Funk auf und teilt mir mit, dass auf der Bözberglinie die Fahrleitung defekt sei. Aus diesem Grund werde mein Zug über  Olten - Aarau umgeleitet und erhalte daher bis Wohlen eine neue Zugnummer. Ich notiere mir die neue Zugnummer, und suche die notwendigen Fahrplanunterlagen zusammen. Als ich aufblicke, erkenne ich, dass das Ausfahrsignal mittlerweile Fahrt zeigt. Unbeirrt suche ich die benötigten Fahrplanunterlagen heraus, bevor ich mit der Fahrt beginne. Diese Zeit steht mir zu.

Jetzt führt mein Weg nicht mehr dem Rhein entlang, sondern direkt in Richtung Süden. Die verlassenen Stationen zwischen Frenkendorf und Tecknau passiere ich mit der erlaubten Geschwindigkeit. Morgens um 2.30 Uhr steht niemand auf dem Perron und wartet auf einen Zug. Nach der Station Tecknau befahre ich den Hauenstein Basistunnel, der mich direkt nach Olten bringt. Mitten im Tunnel beginnt die Strecke sich zu neigen, und fällt ab dann stetig ab in Richtung Olten. Kurz vor dem Bahnhof Olten befahre ich mit meinem Zug wieder eine Verbindungslinie, die mich auf die Strecke nach Aarau - Lenzburg bringt. Diese Strecke wird auch von den Güterzügen die von der Westschweiz nach dem Rangierbahnhof Limmattal fahren benützt, darum muss ich auf der Verbindungslinie anhalten.

Als das Signal wieder auf Fahrt geht, will ich meinen Zug beschleunigen, doch die Schleuderschutzeinrichtung verhindert ein aufschalten des Stufenschalters einer Lok. Am Funk teile ich der Fernsteuerung Olten mit, dass ich Probleme habe, und sich die Abfahrt etwas verzögert. Der Fahrdienstleiter bestätigt meine Meldung und meint, ich solle ihn wieder verständigen, wenn ich die Fahrt fortsetzen kann. Aus Erfahrung vermute ich, dass die Störung auf der Re 6/6 Lok aufgetreten ist, denn dieser Loktyp ist bekannt für solche Störungen. Darum schalte ich auf der Re 6/6, die sich an der Spitze des Zuges befindet, die Schutzeinrichtung aus. Als ich die Lok wieder einschalte, versuche ich erneut den Zug zu beschleunigen. Jetzt funktioniert alles. Etwas Glück im Unglück, denn wäre die defekte Lok hinten gewesen, hätte ich grössere Schwierigkeiten gehabt. Ich melde mich erneut beim Stellwerk und teile dem Fahrdienstleiter mit, dass ich meine Fahrt fortsetzen kann. Ebenfalls erteile ich ihm den Auftrag die Lokleitung Gotthard zu verständigen, dass die Lok 11622 mit ausgeschalteter Schleuderschutzeinrichtung verkehrt, und nicht mehr ferngesteuert werden darf. Ebenso erkläre ich ihm, dass die Fahrt ins Tessin noch möglich sei, da sich die gestörte Lok an der Spitze befindet. Er bestätigt mir den Auftrag und wünscht mir noch eine gute Weiterfahrt.

Ich beschleunige meinen Zug auf die erlaubte Geschwindigkeit. Auf der linken Seite des Zuges kann ich die Umrisse des Atomkraftwerks Gösgen erkennen. Bei der Einfahrt in den Bahnhof Aarau, erinnere ich mich wieder, dass ich mich ganz in der Nähe meiner Eltern befinde, die um diese Zeit tief und fest schlafen. Doch lange kann ich mich nicht mit diesem Gedanken beschäftigen, denn meine Zugnummer wird am Funk aufgerufen.

Es ist erneut die Fernsteuerung in Olten, die mir mitteilt, dass die Loks in Erstfeld ausgewechselt werden. Ich danke für diese Mitteilung, und nähere mich bereits dem nächsten Bahnhof. Jetzt steigt die Strecke wieder an, und ich benötige beinahe die maximale Leistung meiner beiden Loks. Nach Lenzburg schwenke ich wieder in die Strecke ein, die mich Richtung Süden bringt. Ab Hendschiken benütze ich nun wieder denselben Weg, wie auf der Fahrt nach Basel.

Kurz nach dem Bahnhof Muri sehe ich, dass sich an der Rigi ein Gewitter gebildet hat. Noch stören mich die Blitze nicht, aber ich werde wahrscheinlich noch in das Gewitter fahren. Kurz nach Rotkreuz ist es dann soweit, die ersten Tropfen fallen. Ab jetzt ist volle Konzentration gefragt, da ich nur mit Hilfe meines Gehörs erkennen kann, ob die Räder der Lok durchdrehen.

 

Die Sicherheitseinrichtung, die das automatisch verhindert hätte, habe ich ja ausschalten müssen. Behutsam bediene ich den Stufenschalter der Lok, manchmal höre ich, wie der Ton, den die Fahrmotoren erzeugen, höher wird. Die Räder beginnen jetzt durchzudrehen! Ich betätige die Sandstreueinrichtung und fange damit die durchdrehenden Räder wieder ab. Zum Glück kann ich ohne anzuhalten in den einspurigen Abschnitt einfahren. Da ich nicht die benötigte Leistung auf die Geleise bringe, verliere ich an Geschwindigkeit. Bei der Einfahrt in Arth-Goldau habe ich 20 km/h an Geschwindigkeit verloren, doch nun geht es wieder Bergab.

 

Nach Schwyz ist es dann soweit, ich befinde mich mitten im Gewitter. Die Blitze blenden meine an die Dunkelheit gewohnten Augen. Bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Schwyz sehe ich, wie ein Blitz nahe der Strecke in das Erdreich einschlägt. Für einen kurzen Moment beginnt alles an der Lok zu surren und die Hauptschalter werden ausgeschaltet. Ein Blitz hat in der Nähe meines Zuges eingeschlagen. Ich schalte die Maschinen wieder ein. Ein solches Erlebnis hatte ich schon einmal im Tessin. Nach Brunnen kommen die Tunnelabschnitte der Axenstrecke. In den Tunnels kann ich mich etwas entspannen, da dort keine Blitze zu sehen sind, und die Räder der Lok auf den trockenen Schienen nicht durchdrehen.

 

Die Einfahrt in den Bahnhof von Flüelen signalisiert mir eine tiefere Geschwindigkeit. Die Ausfahrt ist noch geschlossen. Ich halte mit meinem Zug vor dem Signal in Geleise vier an. Jetzt kann ich noch die Reparaturanzeige schreiben. Mittlerweile nähert sich auch die Zeit, bei welcher ich in Erstfeld Feierabend hätte. Ich erkundige mich über Funk, wann die Fahrt wieder weitergehen soll. Der Fahrdienstleiter der Fernsteuerung Goldau macht mir keine guten Hoffnungen, als er mir mitteilt er wisse es auch noch nicht. In Erstfeld ständen noch Züge, die vor vier Stunden verkehren sollten. Als sich das Signal endlich öffnet ist es beinahe 5.00 Uhr. Ich beschleunige meinen Zug wieder, diesmal ohne Probleme, da hier die Geleise wieder trocken sind. Kurz nach Altdorf sind die Signale wieder geschlossen, und ich muss meine Fahrt erneut verlangsamen. Da die Strecke hier gerade ist, kann ich die Signale schon von weitem erkennen. Darum sehe ich auch, wie die Signale immer wieder nachschalten, doch die Einfahrt von Erstfeld bleibt geschlossen.

 

Kurze Zeit nach dem ich angehalten habe, gehen die Signale auch auf Fahrt. Jetzt kann ich in Erstfeld einfahren. Nach dem Halt kommt schon ein Kollege, der die Loks für mich ins Depot stellt. Ich erkläre ihm noch kurz den Schaden an der Maschine und verlasse den Führerstand. Zu Fuss gehe ich noch ins Depot und melde die Verspätung, nach dem ich die Reparaturanzeige am PC eingegeben habe, dem Einteiler. 5.20 Uhr statt 4.45 Uhr lautet das Verdickt. Ich verstaue die Mappe in der Ablage und gehe nach Hause. Die Dämmerung hat bereits wieder eingesetzt. Mein Weg führt an zwei Bäckereien vorbei und der Duft von frischem Brot steigt mir in die Nase. Jetzt habe ich doch noch etwas Hunger. Die Morgenzeitung kann ich ebenfalls schon aus dem Briefkasten nehmen. Jetzt noch etwas kleines Essen, unter die Dusche und einen ersten Blick in die Zeitung werfen, und dann geht's ins Bett. Als ich mich hinlege, ist es draussen bereits wieder Tag und die Vögel beginnen mit ihrem Morgengezwitscher. Doch lange höre ich nichts mehr, denn ich bin müde und schlafe gleich ein.

 

           
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