1847: Das Chaos war vorprogrammiert |
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Die Frage nach den Bezeichnungen von Triebfahrzeugen beschränkte
sich in der Schweiz von Beginn der Eisenbahn auf
Lokomotiven. Es gab
schlicht keine anderen
Bauarten,
die zu berücksichtigen gewesen wären. Selbst diese ersten Lokomotiven
waren mehr Wunderwerke einzelner Personen. Das System steckte damals noch
in den Kinderschuhen. Wegen den hohen Kosten für den Bau der ersten
Strecke, fehlte es beim
Rollmaterial. Ob es deswegen für uns einfacher werden wird, wird sich noch zeigen, denn wir beginnen mit der ersten Eisenbahn im Land und da war die Vielfalt bei den Lokomotiven noch sehr gering, was zu einem speziellen Modell führte.
So richtig mit Baureihen und Typenbezeichnungen machte sich
niemand Gedanken. Die erste Eisenbahn war ein Wun-derding und entsprechend
wurden die Anlagen und die neuen Fahrzeuge bewundert. Eigentlich war die Ausarbeitung eines Systems für die Be-zeichnung nicht so schwer. Es mussten Hinweise zur Geschwindigkeit und zu der Anzahl Achsen eingebaut wer-den.
Damit man sich das leichter merken konnte, sollte diese
Bezeichnung so kurz wie möglich ausfallen. Daher mag es überraschen, dass
man zu Beginn auf eine ganz andere Lösung mit den Bezeichnungen setzte. So
sehr es Sie überraschen mag, man orientierte sich an den Menschen. In den meisten Fällen wurden dazu von den Bahnen Namen von Städten, Flüssen und Bergen genommen. Aber auch andere einprägsame Namen wurden gewählt.
Als Beispiel können hier die
Lokomotiven der
Bödelibahn genommen werden. Mit Bise, Föhn und Zephir nahm man für den
Namen bekannte Winde. Der Phantasie waren daher keine Grenzen gesetzt.
Entscheidend war, dass es bei den Bahnen immer nur ein Thema war.
Dabei berücksichtigten die einzelnen
Bahngesellschaften
in den meisten Fällen die Region in der sie verkehrten. So war auch ein
gewisser Bezug gegeben, was von den Leuten natürlich wohlwollen
aufgenommen wurde. Es macht vielleicht Sinn, wenn wir diese Methode einmal
an einem praktischen Beispiel ansehen und so die Idee dahinter verstehen.
Da wir schon mit der Schweizerischen Nationalbahn SNB begonnen haben,
bleiben wir dabei. Die allererste Bahn in der Schweiz gab ihren Lokomotiven die Namen von Flüssen. Heute bekannt ist dabei die Maschine mit der Bezeichnung «Limmat». Deren Replika ist auch heute noch auf den Schienen zu sehen.
Wir haben damit eine erste Baureihe bekommen. Doch auch bei der
ersten Eisenbahn der Schweiz war es mit einer Maschine nicht getan.
Weitere Exemplare wurden ausgeliefert und von der Bahn mit anderen Namen
versehen. Wenn wir uns den Bestand dieser Schweizerischen Nordostbahn SNB ansehen, erkennen wir, dass das System durchaus funk-tionierte. Bei der viele Jahre später als Spanischbrötlibahn bekannt gewordenen Gesellschaft gab es schlicht nur vier Lokomotiven.
Dabei wurden die Namen Limmat, Aare, Rhein und Reuss ver-geben. In
dieser erwähnten Reihenfolge waren aber auch die Betriebsnummern der vier
Fahrzeuge angeordnet worden.
Anhand dieser Namen können wir aber nicht alle Merkmale erkennen.
So waren die beiden Maschinen Limmat (Nr. 1) und Aare (Nr. 2) baugleich
ausgeführt worden. Es waren die beiden kleineren
Lokomotiven des
Unternehmens. Sie sehen, wir haben zwei identische Modelle, konnten diese
aber anhand der Vergabe der Namen nicht zuordnen. Auch die strickte
Reihenfolge bei den Nummern, hilft uns beim Problem nicht weiter.
Die von der Gesellschaft eingesetzten grösseren Maschinen wurden
dann Rhein (Nr. 3) und Reuss (Nr. 4) genannt. So konnte eine erste
Unterscheidung vorgenommen werden. Das Personal wusste bei einem so
bescheidenen Bestand, welche Maschine mit welchen Daten versehen worden
war. Zumal das Fahrpersonal damals noch im
Titularsystem
eingesetzt wurde. Wer die «Limmat» zugeteilt bekam, fuhr damit auf der
Strecke. Probleme damit gab es jedoch erst, als Strecken länger wurden und die Vielzahl der Lokomotiven so stark angestiegen war, dass die Flüsse nicht mehr ausreichten. Die Suche musste daher auf das ganze Land ausgedehnt werden.
Es kam so zur Situation, dass die Rhone bei me-hreren
Gesellschaften eingesetzt wurde und so ein direkter Vergleich, der damals
noch nahe verwand-ten Baureihen schlicht unmöglich wurde. Jedoch waren die Möglichkeiten mit der Zeit er-schöpft. Die Bahnen mussten sich nach neuen Lösungen umsehen. Wer mit Städten begann, taufte die Lokomotive nun auf Flüsse und umgekehrt. So waren die Möglichkeiten nahezu unerschöpflich.
Doch das Problem mit dieser einfachen Praxis war, dass zwar jede
Maschine einen wohlklingenden Namen hatte, aber die einzelnen Baureihen
nicht zu erkennen waren. In seltenen Fällen wurden auch richtige Namen ge-nommen. Besonderes beliebt waren Personen, die sich während dem Bau der Bahn verdient gemacht hatten.
Ein Beispiel ist dabei sicherlich die Gideon Thommen, welche bei
der damals noch mit 750 mm
Spurweite
gebauten Waldenburgbahn verkehrte. Daneben entschied sich die Gesellschaft
auch für die bekanntesten Ortschaften, entlang der Strecke und für
phantasievolle Namen.
Sie sehen, es ging sehr oft auch darum die Gesellschaften, die
sich damals durchaus im Interesse der breiten Öffentlichkeit befanden,
besser darzustellen. Um es etwas salopp auszudrücken, die Leute nahmen
damals am Sonntag nach der Kirche die Kinder und zeigten diesen die neue
Eisenbahn. Die schnaubenden Dinger mit den schönen Namen wurden bewundert.
Die Bahn erhoffte sich, dass man den Leuten auch
Bahnsteig-
oder
Fahrkarten
verkaufen konnte. Selbst beim Personal, das damals noch im Titularsystem den Lokomotiven zugeteilt war, gab es damit auch eine Verbun-denheit mit dem Arbeitsgerät. Für die Bahn war das ein Vorteil, denn so wurde deutlich vorsichtiger mit den teuren Maschinen gearbeitet.
Die Kosten für den Unterhalt sollten so auch gesenkt werden, denn
viele kleinere Bahnen kämpften auch nach dem Bau schlicht ums überleben,
besonders dann, wenn der Verkehr ausblieb. Gerade die vielen kleinen Gesellschaften, die nicht überleben konnten, führten zu den ersten Problemen. Um die Bahn vor dem Ruin zu bewahren, wurden die Aktien oft an grössere Bahn-gesellschaften verkauft.
Diese musste dann deren
Rollmaterial
ebenfalls übernehmen. So gesehen kein Problem, wenn die Namen nicht
doppelt belegt worden waren. In diesem Fall musste man einen neuen Namen
suchen, was sich immer schwieriger zeigte.
Ein solches System für die Bezeichnung von
Lokomotiven war
zwar schön für die Leute, die sich so etwas mehr mit dem Unternehmen
verbunden fühlten. Jedoch zeigten sich früh die ersten Probleme. Besonders
die immer grössere Anzahl von unterschiedlichen Modellen führten zu einem
richtigen Wettbewerb nach den dazu passenden Namen. Wenn es keine Flüsse
mehr gab, kamen die Orte in den Genuss für die Bezeichnung.
Anhand der SNB haben wir erkannt, dass mit dem dort angewendeten
System schlicht keine Übersicht vorhanden war. Die vier
Lokomotiven
teilten sich in zwei Baureihen auf, was schlicht von der Bezeichnung her
nicht erkannt werden konnte. Die Vergabe der Betriebsnummern war ebenfalls
nicht klar geordnet. Daher begannen die Bahnen schon früh damit,
unterschiedliche Baureihen mit geänderten Nummern zu versehen. In unserem Beispiel der SNB hätte das in etwa so aussehen können. Limmat und Aare bekämen die Num-mern eins und zwei. Für die beiden grösseren Modelle Rhein und Reuss würden nun aber die Zahlen elf und zwölf verwendet werden.
So erkennen wir schnell, dass es sich bei den vier Ma-schinen um
zwei unterschiedliche Baureihen handelte. Eine erste Ordnung, die schnell
zu neuen Lösungen bei der Bezeichnung führen sollte. Was uns die Sache nicht vereinfacht, ist die Tatsache, dass die soeben vorgestellte Lösung nicht bei allen Bahngesellschaften umgesetzt wurde.
Die Bahnen
SCB und
NOB
blieben daher bei der Zuordnung der Nummern, wie sie ab 1847 bei der
Spanischbrötlibahn
verwendet wurde. Die anderen Bahnen wendeten unser Beispiel an und konnten
so etwas besser die einzelnen Baureihen unterscheiden. Die Typen waren
nicht mehr so wichtig.
Ab 1870 wurde erstmals auf die Vergabe von Namen verzichtet. Die
immer grösseren Bestände führten dazu, dass man schlicht keine Namen mehr
fand. Damit blieben nur noch die Nummern als Merkmal übrig. Eine
Situation, die somit nicht optimal war. Daher wurde neben den Nummern noch
ein Klassifizierungssystem eingeführt, welches etwas Klarheit in das
bereits nach wenigen Jahren entstandene Chaos bringen sollte.
Eine Klassifizierung ist ein sehr
gutes Hilfsmittel um Fahrzeuge zu ordnen. Dabei werden bestimmte Merkmale
genommen und diese einer Klasse zugewiesen. Diese Klasse legte dann fest,
was von dem Fahrzeug erwartet werden kann. Eine Klassifizierung ist damit
eigentlich nichts anderes, als eine Zuordnung der Baureihen. Mit anderen
Worten, wir sind nun bei einem ersten System für die Bezeichnungen
angelangt. So schön das auch klingen mag. In der Schweiz führte diese Klassifizierung nicht zum erhofften Er-folg. Zwar wurden diese Klassen bei allen Bahnen eingeführt, aber wie diese bezeichnet werden, war schlicht nicht einheitlich gelöst worden.
Mit anderen Worten, jede
Bahngesellschaft
führte nahezu die eigene Klassifizierung durch. So konnten die Baureihen
innerhalb der Gesellschaft, aber auch nicht mehr verglichen werden. Die Bahnen im Westen des Landes verwendeten, wie die Vereinigten Schweizer Bahnen VSB für die Klassifizierung schlicht nur römische Zahlen.
Damit haben wir als Beispiel die Klassen I – IX erhalten. Was
dabei jede Klasse für Eigenschaften hatte, war dann aber auch bei diesen
Bahnen nicht mehr einheitlich geregelt worden. So konnte bei der
JS die
Klasse I eine
Schnellzugslokomotive
sein. Bei der
VSB
aber nur eine
Rangierlokomotive.
Etwas weiter gingen die restlichen Bahnen in der Schweiz. Sie
führten bei den Klassen Buchstaben ein. Mit den Buchstaben A bis F wurden
auch die ersten einheitlichen Standards eingeführt. Wobei wir dabei die
NOB
ausblenden müssen, denn diese fand die Reihenfolge nicht richtig, so dass
dort eine andere Zuordnung vorhanden war. Von einer einheitlichen Lösung
konnte daher nicht gesprochen werden.
Wer nun den Überblick bewahren konnte, war sehr gut, denn
baugleiche Typen hatten je nach
Bahngesellschaft
eine andere Klassifizierung. Trotzdem gab es nun ein System mit dem wir
arbeiten können. Wir sehen die Lösungen von damals anhand der
Schweizerischen Centralbahn
SCB
an. Diese Gesellschaft arbeitete bei der Klassifizierung der
Lokomotiven nach
dem neuen System mit Buchstaben und römischen Zahlen. Die Lokomotiven der Klasse A waren die Schnellzugs-lokomotiven, oder wo diese fehlten, die Baureihen für die Personenzüge. Bei Bahnen, wo mehrere solche Typen zu finden waren, wurde hinter den Buchstaben A eine römische Ziffer gesetzt.
So war die Klasse A I eine echte
Schnellzugslokomotive
und die A II das Modell für die
Personenzüge. Wobei
das Problem mit neuen Modellen im System nicht so gross war. Eine neue
Maschine für die
Schnellzüge wurde als
Klasse A III geführt.
Aus diesem Grund wurde auch der Buchstabe B für die Zuordnung der
sehr oft vorhandenen Maschinen für
Personenzüge benutzt.
Wir haben damit zwar die klare Trennung, aber viel mehr aus diesen Angaben
kann nicht abgelesen werden. Gross änderte das auch nicht der Buchstabe C,
der für die schweren
Güterzugslokomotiven
benutzt wurde. Damit haben wir von den sechs möglichen Klassen nur drei
auch wirklich benutzt.
Was bisher noch einfach war, wird kompliziert, wenn bekannt wird,
dass dabei weder zwischen
Lokomotiven mit
und solchen ohne
Schlepptender
unterschieden wurde. Mit diesem Vorgehen zeigte sich die
NOB
nicht einverstanden. So wurde dort der Buchstabe D für
Lokomotiven mit einem
Tender
genommen. Immerhin waren die anderen Bahnen soweit bereit, auf diesen
Buchstaben zu verzichten, aber welche Modelle passten, konnte nicht
erkannt werden.
Bleiben uns noch die Buchstaben E und F, diese waren als Reserve
für spätere Modelle vorgesehen worden. Zurecht wurde befürchtet, dass mit
diesem System nicht viel erreicht worden war. Insbesondere die römischen
Ziffern konnten damit sehr lange werden. Bevor es zur A XXIV kam, sollte
für die neuen
Lokomotiven zu
den Buchstaben E und F gegriffen werden. Damit war die Ordnung bereits
wieder aufgehoben worden.
Diese Klassifizierung sollte in den folgenden Jahren mit mehr oder
weniger Disziplin angewendet werden. Als um 1882 die
Gotthardbahn
auch noch mitmischte, übernahm sie diese Lösung für ihre
Lokomotiven. Bei
anderen Bahnen sah man den Sinn jedoch weniger, so dass zum gleichen
Zeitraum auf die Führung der Klassen wieder verzichtet wurde. Die erhoffte
Übersicht ging nun endgültig verloren und niemand konnte Baureihen sauber
zuordnen.
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