1887: Eine erste Ordnung

Die von den Privatbahnen eingeführte Klassifizierung war sicherlich ein Anfang, der etwas Ordnung in die Suche bringen sollte. Das Problem dabei war nicht das System, sondern die Bahnen selber. Zwei Lösungen, die so nicht für eine Lösung sorgen konnten. Die durchaus durchgeführten Konsultationen der fünf grossen Gesellschaften führte schlicht nicht zu einem Erfolg. Die kleineren Bahnen waren gar nicht einbezogen worden.

Diese kleineren Bahngesellschaften zeigten kaum genug Disziplin um die Klassen zu führen. Entweder wurden diese nicht mehr vergeben, oder aber man reihte die neuen Maschinen so ein, wie man es gerade für passend hielt.

Korrekt arbeitete kaum eine Gesellschaft. Es war auch verständlich, denn gerade die kleinen Bahnen kämpften damals ums Überleben. Die fünf grossen Bahnen waren sich nicht einig, aber trotzdem eine grosse Macht.

Gerade mit der nun in Betrieb stehenden Gotthardbahn hatten viele Gesellschaften grosse Mühe. Insbesondere die Schweizerische Centralbahn SCB, die von der Grenze im Norden der mächtigen Gotthardbahn die Züge bringen musste.

Das ergab zwar einen guten Betrieb, aber auch Probleme, mit den anderen Bahnen, die sich durch diesen Verkehr in ihrer Existenz bedroht sahen. Gerade der nun beginnende Ausbau am Gotthard machte Sorgen.

Sie müssen bedenken, dass damals mit dem Bahnbetrieb keine grossen Einnahmen möglich waren. Einzige Ausnahme war die Gotthardbahn, die von einem Rekord zum Anderen fuhr. Dabei war deren Gewinn jedoch gedeckelt worden. Das Geld musste also wieder weg. Der Ausbau half dabei, aber auch der Kauf von Aktien. Besonders jene der SCB hatten es den Herren in Luzern angetan. Denn so konnten die Züge selber im Norden abgeholt werden.

So war keine Zusammenarbeit zwischen den grossen Gesellschaften zu erwarten. Man wurstelte etwas und kochte dabei das eigene Süppchen. Schon gar nicht hörte man auf Vorschläge der neuen Bahngesellschaft in den Bergen, die nach einem einheitlichen System für die Bezeichnung der Lokomotiven suchte. Der Grund war, dass der Betrieb immer mehr Lokomotiven verlangte und so die Klassifizierung nahezu gesprengt wurde.

Wenn die Bahnen nicht an einer Lösung für das Problem interessiert waren, gab es für ein geord-netes System der Klassifizierung nur noch eine Stelle. Diese fand man in Bern und beim Eisen-bahndepartement der Schweizerischen Eidgenos-senschaft.

Für die jüngeren Leser, dieser Teil der staatlichen Ordnung für die Bahnen, ist heute unter der Bezeichnung BAV immer noch vorhanden. Damals bereits eine Macht, die sich einschaltete.

Ab dem Jahr 1887 führte das Eisenbahndepartement für die Schweiz ein erstes für die Bahnen verbindliches System ein. Erstmals in der Schweiz sollte so etwas, wie eine Ordnung entstehen. Wir sollten uns diese erste Ordnung der Klassifizierungen etwas genauer ansehen, denn nun erfolgten Angaben, die durchaus mit mehr Punkten versehen worden war. Wichtig für uns ist, dass die nachfolgenden Systeme auf dieser Lösung aufbauten.

Weitaus wichtiger war aber, dass das nun von der Behörde ausgearbeitete System für die Bezeichnung von den Bahngesellschaften wohlwollend aufgenommen wurde. So war mehr oder weniger sicher, dass diese in Zukunft nach dieser Klassifizierung arbeiten würden. Wir haben damit ein System erhalten, das durchdacht war und das auch angewendet wurde. Die erste Ordnung bei den Triebfahrzeugen war im Land vorhanden.

Die sechs Buchstaben der alten Klassifizierung wurden beibehalten, jedoch um zwei weitere Punkte erweitert. Das erlaubte es nun, die Triebfahrzeuge in acht Klassen einzuteilen. Welcher Klasse dieses dabei zugeteilt werden musste, war nun für alle verbindlich mit dem ersten gross geschriebenen Buchstaben definiert worden. Die alten römischen Ziffern wurden jedoch aufgeben, und arabische Zahlen benutzt. Doch nun zu den Buchstaben.

Klassifizierung der Lokomotiven
A Schnellzugslokomotive Höchstgeschwindigkeit 70 km/h und mehr
B Personenzugslokomotive Höchstgeschwindigkeit 60 bis 65 km/h
C Güterzugslokomotive Höchstgeschwindigkeit 50 bis 55 km/h
D Berglokomotiven Höchstgeschwindigkeit unter 50 km/h
E Nebenbahnlokomotive Haupt- und Lokalbahnen
F Rangierlokomotive  
G Schmalspurlokomotive Auch für Tramwaylokomotiven gültig
H Zahnradlokomotive  
                       

Erstmals war nun in der Schweiz eine erste Klassifizierung vorhanden, die auch berücksichtigte, wie schnell eine Lokomotive fahren konnte. Da nun alle Bahnen mitmachen mussten, war so zu erkennen, dass eine Maschine der Klasse B mit 60 bis 65 km/h fahren konnte. Schnellere Maschinen wurden einfach der Klasse A zugeschlagen. Trotzdem gab es hier auch noch viele Klassen, die nicht mit einer definierten Geschwindigkeit versehen waren.

Die Lokalbahnen mit dem Buchstaben E sind heute besser unter der Bezeichnung Nebenbahnen bekannt. Damals wurde deren lokale Bedeutung besser hervor gehoben.

Speziell war dabei eigentlich nur, dass diese nicht mit den sonst üblichen Geschwindigkeiten versehen wurde. Das war nicht nötig, da dort damals kaum schneller als 40 km/h gefahren wurde und so auf eine Angabe verzichtet werden konnte.

Wie bei den Lokalbahnen, galt das auch für die Rangier-lokomotiven und die neu auch einbezogenen Schmalspur-bahnen. Diese wurden damals erstmals in der Schweiz gebaut und daher auch gleich in das neue System eingebunden.

Die letzte Klasse umfasste die Lokomotiven, die mit einem Zahnrad versehen wurden. Somit haben wir deutlich mehr Angaben mit dem ersten Buchstaben erhalten, die zudem noch kombiniert werden durften.

Die Kombination war aber nur bei den Buchstaben G und H erlaubt. Damit sollten die schmalspurigen Zahnradbahnen besser geführt werden. Dabei wurde durch das Departement verfügt, dass die Kombination immer mit HG zu erfolgen hatte und eine andere Verbindungen ausgeschlossen waren. Da die ersten Strassenbahnen in der Schweiz nur als Schmalspurbahnen gebaut wurden, konnten diese leicht den passenden Lokomotiven zugeschlagen werden.

Damit war das neue System für die Bezeichnung nicht fertig, denn auch die Anzahl der Achsen sollte aufgeführt werden. Das Eisenbahndepartement beschränkte sich dabei jedoch nur auf die Auflistung der Triebachsen. Dazu wurde in der fertigen Bezeichnung nach der Klassifizierung eine Zahl eingefügt. Dazu wurden nun aber arabische Zahlen verwendet. Der Grund war die kürzere Schreibweise, als das bei den römischen Zahlen der Fall war.

Anzahl der Triebachsen
2 Maschinen mit zwei gekuppelten Achsen
3 Maschinen mit drei gekuppelten Achsen
4 Maschinen mit vier gekuppelten Achsen
                       

Auch wenn hier die Tabelle nur drei Möglichkeiten vorstellt, konnte diese Zahl auch erweitert werden. Dabei war aber nur die Auflistung von Zahlen mit einer Stelle vorgesehen worden. Wenn wir etwas vorgreifen wollen, dann kann erwähnt werden, dass diese Regel über viele Jahre bestand gehabt hätte, denn erst die Reihe RABDe 12/12 sprengte die Regel, aber bis dann war das hier vorgestellte System überholt.

Die Tabelle von oben wurde nur von einer Loko-motive in der Schweiz geknackt. Als die Gotthard-bahn kurze Zeit später eine neue gigantische Bergmaschine benötigte und auch bestellte, war klar, dass diese die Tabelle sprengte.

Diese mit einem Fahrwerk nach dem Baumuster Mallet konstruierte Maschine verfügte über zwei Laufwerke mit jeweils drei Triebachsen. In der Be-zeichnung wurden diese aber nicht getrennt aufge-listet.

So kam es, dass diese Maschine für die Gotthard-bahn als D6 geführt wurde. Eine Lösung, die genug Angaben aufführte, aber nicht berücksichtigte, dass es sich um ein geteiltes Laufwerk handelte. Das neue System wurde daher schon nach wenigen Jahren auf die Probe gestellt. Sie sehen, auch wenn man ein System für die klare Bezeichnung entwickelt, die Bahnen fanden schnell Lösungen, die dieses nicht berücksichtigte.

Bei den Tenderlokomotiven, also bei den Modellen, welche die Vorräte selber tragen konnten, wurden keine weiteren Angaben mehr aufgeführt. Es war eine kurze Bezeichnung vorhanden und beim Muster D6, konnte so erkannt werden, dass es eine Berglokomotive mit sechs Triebachsen war. Die Vorräte waren ebenfalls auf diesem Fahrzeug verladen. Doch was ist mit den Modellen, die über einen Tender verfügten?

Bei den Bahngesellschaften gab es damals zwei unterschiedliche Bauformen. Das waren die Modelle mit einem Stütztender und jene Lokomotiven mit einem separaten Kohlenwagen. Diese mussten von den Tenderlokomotiven, wie der D6 unterschieden werden. Daher wurde für diese Maschinen in der Bezeichnung noch eine dritte Stelle vorgesehen, bei welcher wieder Buchstaben verwendet werden sollten.

Lokomotiven mit Tender
E Maschinen mit Engerth-Tender
T Maschinen mit Schlepptender
                       

Geführt wurde der Tender an der dritten Stelle. Das ergab dann für eine Maschine mit Schlepptender die Bezeichnung A3T und bei einem Modell mit Stütztender die Angabe B2E. Dabei stellt sich uns eigentlich nur die Frage nach der Lösung für die Lokomotiven mit Stütztender, denn dazu hätte ja auch das S benutzt werden können. Der Grund werden wir erkennen, wenn wir eine solche Baureihe schnell ansehen.

In der Schweiz gab es nicht viele Baureihen mit einem Stütztender. Meine Wahl fiel auf die heute noch vorhandene Maschine B2E der schweizer-ischen Centralbahn SCB, die auf den Namen «Genf» getauft wurde.

Diese Serie umfasste mehrere Maschinen und sie besass dabei, wie die anderen ähnlichen Loko-motiven mit einem solchen Tender ein Modell der Bauart Engerth. Daher wurde in der Bezeichnung auch das E verwendet.

Wilhelm Engerth wurde am 26. Mai 1814 in Pless im Königreich Preussen geboren. Er war als Architekt, Maschinenbauingenieur und Hochschullehrer tätig.

Um 1862 wurde er zum Ritter geschlagen und neu als Wilhelm Ritter von Engerth bezeichnet. Bereits 1875 wurde er für seine Verdienste zum Wilhelm Freiherr von Engerth. Engerth verstarb am 04. September 1884 in Leesdorf einem Ortsteil der Gemeinde Baden bei Wien.

Engerth wurde bekannt mit der Entwicklung einer ersten praxistauglichen Maschine für Gebirgsstrecken. Deren Merkmal war der Stütztender, wie er auch bei der Reihe B2E der Schweizerischen Centralbahn SCB verwendet wurde. Benötigt wurde das Modell für die steile Strecke über den Hauenstein, welche als erste Bergbahn der Schweiz galt. Dieser besondere Umstand wurde in der neuen Bezeichnung mit dem E berücksichtigt.

So gut das System des Eisenbahndepartements auch war, es berücksichtigte einige Merkmale von Lokomotiven nicht. So konnten unterschiedliche Modelle einer Reihe nicht unterschieden werden da es keine weiteren Angaben mehr gab. Dazu waren die Betriebsnummern vorgesehen. Die Bahngesellschaften mussten deshalb auch bei den Nummern Änderungen vornehmen, was bisher nicht erfolgt war und nun mit den neuen System eingeführt wurde.

Schlimmer war jedoch, dass bei diesem System die Anzahl der Laufachsen nicht erkannt werden konnte. Ein Punkt, der von den Gesellschaften nicht als so wichtig angesehen wurde. Daher wurde der Punkt einfach weggelassen. Das erste System für eine einheitliche Ordnung der Baureihen war daher sicherlich noch nicht bis in alle Punkte durchdacht worden. Trotzdem konnten die die einzelnen Modelle besser unterschieden werden.

 

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