Inbetriebsetzung

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Das grösste Problem bei der Inbetriebsetzung der neuen Triebzüge bestand darin, dass man schlicht keinen zur Verfügung hatte. Die Auslieferung verzögerte sich massiv und das konnte eigentlich kein gutes Zeichen sein. Die lange Wartezeit wurde von den Leuten genutzt um Gerüchte in die Welt zu setzen. Der Hersteller verhindere schlicht die Auslieferung um nicht einzugestehen, dass er keine Ahnung vom Bau von Zügen hatte.

So falsch das oben erwähnte Gerücht ist, so schlimm war die Wartezeit auf die neuen Triebzüge.

So schlecht, wie die ETR 470 konnte kein Zug mehr gebaut werden. Auch in Italien lernt man aus seinen Fehlern.

Viel Zeit damit verlieren wir nicht, denn wir wollen den Betrieb kennen lernen. Daher gehen wir ins Werk und sehen mal, was dort passiert war. Die Triebzüge sollten schon längst im Betrieb sein.

Bei der Konstruktion des Triebzuges gab es im Werk des Herstellers Probleme, die gelöst werden mussten. Das führte unweigerlich dazu, dass man mit der Produktion der Neigezüge massiv in Verzögerung geriet. Dabei bestanden die Probleme beim Gewicht. Neigezüge kämpfen immer wieder um jedes Gramm. Ein falsch platzierter Kühlschrank sorgte dafür, dass der Speisewagen schlicht zu schwer wurde und daher abspecken musste.

Sie haben es richtig gelesen, das Problem bestand beim Speisewagen. Das war nicht neu, denn auch die anderen Neigezüge kämpften dort mit dem Gewicht. Die Geräte in der Küche hatten ein ansehnliches Gewicht und diese befand sich über einem Drehgestell. Daher wurde bei diesem die Achslast erhöht. Die Geräte in der Küche mussten daher neu platziert werden. Ein Eingriff in die Konstruktion und daher die Verzögerung.

Die Verzögerungen betrafen neben den Triebzügen ETR 610 für die Cisalpino AG auch die für Italien gebauten Modelle der Reihe ETR 600. Beide Neigezüge waren zurzeit, als man sie eigentlich testen wollte, nicht bereit. Schlimmer noch, es war kaum ein Fahrzeug fertig. Sie sehen, man kämpfte wirklich mit den Triebzügen und die Idee, dass die Modelle der FS bevorzugt würden, stimmte schlicht nicht, auch die mussten warten.

Schliesslich konnte im Jahre 2005 der erste Neige-zug präsentiert werden. Genau genommen war es eigentlich nur ein Endwagen, der in den bekannten Farben der Cisalpino AG gespritzt wurde.

Das erste Fahrzeug eines ETR 610 fiel durch die extrem lange ausgefallene Nase auf. Der damals noch weisse Anstrich der Cisalpino AG, sah am gezeigten Fahrzeug nicht schlecht aus und es gab nun rote Farben in der Front des Fahrzeuges.

Diese Verzögerungen beim Bau hatten für die Cisalpino AG gravierende Folgen. Die geplanten Verbindungen mussten mit den vorhandenen Zügen der Baureihe ETR 470 abgedeckt werden. Da diese jedoch zahlenmässig nicht ausreichten, wurden wieder die klassischen Wagenzüge eingeführt und bei SBB Cargo Re 484 als Lokomotiven eingemietet. Die neuen Züge fehlten an allen Ecken und das grosse Warten ging nun los.

Selbst ein Jahr nach der geplanten Inbetriebsetzung war von einem fertigen Triebzug ETR 610 noch weit und breit etwas zu sehen. Auch der präsentierte Wagen war verschwunden. Langsam konnten die Leute, die nicht genau wussten, wo die Probleme lagen, verzweifeln. Da aber auch noch keine Einheit an Trenitalia FS ausgeliefert worden war, konnte man sicher sein, dass die Firma Cisalpino AG nicht benachteiligt wurde.

Ein erster noch nicht fertiger Triebzug der Reihe ETR 600 konnte mittlerweile fahren, aber auch noch nicht eingesetzt werden. Zudem sah der unlackierte Zug etwas komisch aus. Besonders die deutlich erkennbaren Brandspuren liessen viel Platz für Diskussionen. Gab es im Werk ein Feuer und daher diese Verzögerung. Die Spuren stammten aber vom Bau, da die Fenster bekanntlich erst zum Schluss ausgeschnitten wurden.

Schliesslich wurde im Frühjahr 2007 der erste fertige Triebzug ETR 610 für den Herbst angekündigt. Eigentlich hätte man mit dem Neigezug schon längst fahrplanmässige Fahrten ausführen wollen.

Die Firma Cisalpino AG geriet daher immer mehr unter Druck der beteiligten Bahnen. Die alten Modelle konnten den dichten Fahrplan schlicht nicht halten und so fielen die Neigezüge reihenweise aus. Neues war nicht zu sehen.

Nun war aber ein Lichtblick zu erkennen, denn immerhin gab man beim Hersteller eine Jahreszeit als Termin an. Das war mehr, als man bisher hatte. Längst hatten sich die Reisenden an die Notfahrpläne auf den Strecken gewöhnt.

Der Verkehr nach Italien kam fast zum erliegen und auch die Anzahl von gemieteten Lokomotiven wurde erhöht. Meistens wurden sie aber nicht mehr mit den speziellen Design beklebt.

Im Sommer teilte dann die Firma Cisalpino AG mit, dass man erst ab dem Fahrplanwechsel 2009 mit den neuen Zügen rechnet. Das war eine Verschiebung um nicht weniger als vier Jahre. Das Ansehen der Firma Cisalpino AG war mittlerweile arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Die alten ETR 470 funktionierten nicht und die neuen ETR 610 kamen nicht. Geblieben war eigentlich nur noch der Name für die Firma.

In einem Punkt hatte der Hersteller Recht, denn der erste ETR 610 mit der Nummer 610.001 fuhr. Zwar war er alles andere als fertig, denn auch hier fehlte jegliche Farbe am Zug. Trotzdem konnte der Zug für Versuche verwendet werden. Dazu hatte der Hersteller eine provisorische Bewilligung in der Schweiz und in Italien erreicht. In Deutschland durfte der neue Zug jedoch noch nicht aus eigener Kraft fahren.

Die ersten Versuche brachten diesen ersten Zug auf unterschiedliche Strecken. So befuhr der neue Zug auch den Basistunnel am Lötschberg und konnte so unter ETCS Level 2 getestet werden.

Gerade diese kritische einspurige Strecke zeigte, wie gut die Versuche mit dem neuen Triebzug gestartet waren. Störungen, die zu Ausfällen führten, waren selten. Gerade bei neuen Fahrzeugen war das schlicht nicht zu erwarten.

Wobei hier die Triebzüge für die Firma Cisalpino AG von den Modellen für die FS profitieren konnte. Die dort vorgesehenen ETR 600 waren technisch gleich und die gemachten Erfahrungen flossen direkt in die Modelle ETR 610.

Daher funktionierte der erste Zug, auch wenn damit noch viele Fahrten ausgeführt werden mussten. Was in Italien klappe, konnte in der Schweiz zu Problemen führen. Deutschland rückte in den Hintergrund.

Trotzdem gab es grosse Probleme, die nicht so ein-fach gelöst werden konnten. Daher sollten auch wir die Versuche ansehen. Zu diesen gehörte es auch, dass eine Waage aufgesucht wurde.

Dabei wurden die Achslasten von jedem Radsatz einzeln gewogen. Man konnte daher genau sagen, wo das Problem zu finden war. Vorausgesetzt es gab welche und das ein Triebzug stimmte, war ausgesprochen selten.

Diese Überprüfung ergab beim Triebzug ETR 610 eine Überschreitung der zugelassenen Achslasten, die mit 17 Tonnen schon sehr hoch angesetzt waren, um mehrere Kilogramm. Klar, war das nicht viel, aber der Neigezug war zu schwer und so war eine bogenschnelle Fahrt in einzelnen Ländern kaum zu erreichen. Gerade die Strecke über den Gotthard war kritisch, denn dort kamen noch Probleme mit den Anlagen dazu.

So führten die grösseren Abmessungen des neuen Neigezuges dazu, dass er an gewissen Stellen das zugelassene Profil bei eingeschalteter Neigetechnik bis zum Rand ausschöpfte. Bei nahe stehender Infrastruktur konnte das dazu führen, dass der Zug mit den Bauwerken in Kontakt kam und diese streifte. Diese kritischen Punkte mussten daher angepasst werden. In der Schweiz erfolgte die Zulassung zur Zugreihe N noch nicht.

Am 12. Januar 2008 tauchte dann der erste wirklich fertige ETR 610 in der Schweiz auf. Der Zug mit der Nummer 610.004 trug daher noch das weisse Kleid der Firma Cisalpino AG. Das war speziell, denn der Entscheid, die Züge neu einzufärben erreichte den Hersteller für diesen Zug zu spät. Daher trug er als einer der wenigen neuen Züge das alte Farbkleid und wurde kurze Zeit neu gespritzt. Schnelle Entscheide können zu solchen Pannen führen.

Erstmals waren am 23. April 2008 zwei ETR 610 an der gleichen Stelle. Mit den beiden nun vorhandenen Zügen führte man auch viele Versuchsfahrten in Vielfachsteuerung durch. Diese war schliesslich ein Bestandteil des Zuges und musste auch geprüft werden. Die Züge befuhren so jedoch nicht das ganze Netz und machten die Fahrten sogar auf Strecken, die planmässig nicht befahren werden sollten.

Langsam rückte auch der Fahrplanwechsel 2009 immer näher. Dieser fand im Dezember 2008 statt und das in Aussicht gestellte Programm konnte nicht gehalten werden. Vielmehr rechnete man nun damit, dass man den Verkehr mit drei Triebzügen aufnehmen könnte. Dazu hatte man weder die Züge, noch die Bewilligung für dieselben. Man hoffe einfach, dass es doch noch klappen könnte und man so zumindest ein paar Verbindungen hätte.

Die benötigte Bewilligung des BAV traf jedoch erst im Jahr 2009 und somit nach dem Fahrplanwechsel ein. Damit konnte man nun mit den Triebzügen erstmals fahrplanmässige Fahrten machen.

In der Bewilligung war jedoch erwähnt, dass die Züge weder bogenschnell, noch in Vielfach-steuerung verkehren durften. Bei der geringen Zahl der Züge war der letzte Punkt so oder so kaum möglich. Trotzdem schränkte die Bewilligung den Zug natürlich ein.

Ein Neigezug, der nicht bogenschnell fahren darf, ist schlicht nicht betriebsbereit. Trotzdem drängte die Firma Cisalpino AG auf einen schnellen Einsatz. So wurden ab dem 02. Juli 2009 mit der provisorischen Bewilligung die Züge mit den Nummern 35 und 40 zwischen Milano und Genève gefahren.

Diese Verbindung hatte den Vorteil, dass der schnelle Zug die Neigetechnik nicht unbedingt benötigte und so die Fahrzeiten einhalten konnte.

Eigentlich war man mit dem Zug am Ziel und man konnte fahren, was nach vier Jahren warten, erfolgte. Wir könnten damit zum Betriebseinsatz wechseln. Das wäre schlicht falsch, denn der Zug durfte nicht bogenschnell fahren und auch sonst war ein freizügiger Betrieb nicht möglich.

Die Versuche konnten schlicht nicht beendet werden und so bleiben wir vorerst noch bei diesen, denn da zeigten sich auch Problem mit den Behörden. So durfte der Triebzug ETR 610 in Italien bereits bogenschnell fahren und profitierte dort von den Versuchen mit der Reihe ETR 600.

In der Schweiz waren die zu hohen Gewichte am Gotthard ein Problem und in Deutschland war so schlicht keine Zulassung zu erwarten. Deutlicher konnte man die unterschiedlichen Vor-schriften nicht auslegen und besser zeigen konnte kein Zug, was passiert, wenn er zu schwer ist.

Schliesslich lag auch in der Schweiz die Bewilligung für bogenschnelle Fahrten vor. Einschränkend war, dass man damit jedoch nicht am Gotthard fahren konnte.

Für die Firma Cisalpino AG bedeutete das jedoch, dass man am Simplon mit ETR 610 fahren konnte und die dort frei werdenden ETR 470 am Gotthard einsetzen musste.

So konnten nun wieder alle Züge mit Neigetechnik angeboten werden und das Problem Deutschland gab es nicht.

Immer noch weilten Züge der Baureihe ETR 610 in Deutschland. Die dortigen Versuche dauerten an, aber auch im Frühjahr 2010 lag immer noch keine Zulassung in Deutschland vor.

Zwar durfte der Zug mittlerweile in eigener Kraft fahren, aber die Betriebsbewilligung gab es nicht. Der Neigezug war für diesen Einsatz schlicht und einfach zu schwer und da war man in Deutschland stur, auch wenn diese Probleme in anderen Ländern gelöst wurden.

Auch wenn wir nach wie vor keinen uneingeschränkt einsetzbaren Neigezug haben und gerade noch Versuche in Deutschland anstanden, werden wir die dieses Kapitel beenden. Die Baureihe ETR 610 kam in den Betrieb und damit hatte die Firma endlich mehr Züge. Diese kamen auch in die Auslieferung und gleich in den Betrieb, der zumindest auf den Linien am Simplon auch bogenschnell erfolgen durfte und so die Fahrpläne gehalten wurden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Triebzüge beschränkt eingesetzt wurden. Dabei stand die Lösung des Problems am Gotthard kurz vor dem Abschluss und daher konnte auch dort die Zulassung für das bogenschnelle fahren erwartet werden. Deutschland und die dort angestrebte Zulassung waren in weite Ferne gerückt. Doch wir müssen den Betrieb nun vorziehen, weil es dort eine erste grosse Veränderungen gab.

 

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