Einsatz der Schleuder Xrote 99

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Im Jahre 1948 wurde die neue elektrische Schneeschleuder den Schweizerischen Bundesbahnen SBB übergeben. Die Staatsbahnen brachten die neue Schleuder sogleich an den Gotthard. So überraschend war das nicht, denn dort bekundete man die grössten Probleme mit dem Schnee. Nur die Brünigbahn kannte ähnliche Probleme, aber diese war mit Schmalspur versehen und benötigte daher andere Maschinen.

Erneut war das Depot Erstfeld mit der neuen Schneeschleuder beehrt worden. Das war so, weil es schlicht am nächsten zu den problematischen Zonen in der Nordrampe war.

Der 7 740 mm lange Zwerg kam also so-gleich zum mächtigen Rotary, der bisher dort gehegt und gepflegt wurde. Das kam einem schon fast wie David und Goliath vor.

Die «Neue» konnte also nur mit ihren Fähigkeiten glänzen. Schliesslich war man in Erstfeld nicht so begeistert.

Nur schon die Betrachtung der neuen Schneeschleuder ergab, dass diese wohl kaum für grosse Höhen und für Lawinen geeignet sein kann. Die Angst, dass damit die geliebte Rotary abgezogen werden könnte, war daher unbegründet.

Zudem musste die «Kleine» erst einmal zeigen, was sie konnte, denn auf dem Papier haben schone viele Fahrzeuge ge-glänzt. Besonders zu erwähnen ist da die Baureihe Ae 4/6 mit ihren Macken.

Gerade die Reihe Ae 4/6 gelangte in den Fokus der Leute in Erstfeld. Für das Un-ding einer elektrischen Schleuder benötigte man eine Lokomotive mit einer hohen Leistung auf der Zugsheizung. In diesem Punkt war damals die Reihe Ae 4/6 sehr gut aufgestellt.

Zudem wirkten sich die Probleme mit dem SLM-Universalantrieb bei den tiefen Geschwindigkeiten nicht so negativ aus. Selbst der Adhäsionsvermehrer schien für die Fahrt mit der Schleuder ideal. Daher war eigentlich klar, wer den Dienst mit der kleinen elektrischen Schleuder aufnehmen musste. Die anderen Lokomotiven waren im Einsatz, oder wurden für die Rotary vorgehalten.

Anfänglich konnte die Schleuder auch nur bei gefallenem Schnee eingesetzt werden. Die Schneeschleuder funktionierte damit recht gut. Jedoch band sie immer ein elektrisches Triebfahrzeug an sich. Dieses hätte man aber anderweitig besser gebrauchen können. Das obwohl die Reihe Ae 4/6 unbeliebt war. Die alte Dampflokomotive, die als eiserne Reserve in Erstfeld stand, konnte man dazu nicht benutzen.

Auch sonst wurde vom Per-sonal bemängelt, dass der Einsatz nur möglich sei, wenn die Fahrleitung nicht ausgeschaltet werden musste.

Auch Bereiche ohne Fahr-leitung waren für diese Schleuder nicht zugänglich.

So kam es, dass das Per-sonal in Erstfeld immer wieder zur alten Dampfschneeschleuder griff. Besonders dann, wenn Lawinen vor der Reparatur der Fahrleitung weggeräumt werden mussten. Die «Kleine» blieb dann zu Hause.

Trotz dieser Mängel funktionierte die Schneeschleuder überraschend gut. Ja, sie war der Rotary in gewissen Bereichen sogar überlegen, denn die Wendemanöver waren viel einfacher geworden. Man konnte die Schneeschleuder nun in jedem Bahnhof drehen und benötigte keine Drehscheibe mehr. Das war ein grosser Vorteil gegenüber der alten Dampfschneeschleuder. So war der erste Eindruck der neuen kleinen Schneeschleuder überraschend gut.

Trotz aller Vorbehalte, das Personal fand daran noch gefallen. Nach getaner Arbeit konnte die elektrische Schleuder etwas schneller ins Depot zurückkehren. Konnte der Rotary wegen seines kurzen Drehgestells nur mit 45 km/h gezogen werden, schaffte es die neue Schleuder locker auf 60 km/h. Auch wenn das noch nicht im Datenblatt zu lesen war. Die durchgefrorenen Mannen wollten nach Hause, also pfiff man auf vorsorgliche Reduktionen.

Man war so schneller zu Hause und konnte sich an etwas Warmen erfreuen. Selbst die schnelle Bereitschaft fand man gut. Kam die Meldung, dass ein Bahnhof geräumt werden müsse, verlor man die meiste Zeit damit, eine passende Lokomotive zu finden. Da meistens so oder so eine Ae 4/6 mit Störungen an der Vielfachsteuerung im Depot stand, nahm man diese und schon war der Einsatz so gut wie erledigt. Da musste nicht noch ein Dampfdruck erreicht werden.

Die Ingenieure und Erbauer warteten jedoch gespannt auf den ersten Einsatz der neuen Schleuder im Lawinenkegel. Dort wollten sie den Skeptikern be-weisen, wie überlegen die neue Schneeschleuder dem alten Dampfross war.

Dabei beachtete man freilich nicht, dass ein Lawin-enkegel durchaus über drei Meter hoch sein konnte. Eine Höhe, die man mit der elektrischen Schnee-schleuder nicht mehr erreichen konnte. Zudem ohne Fahrleitung ging auch nichts.

Letztlich kam der ersehnte Tag. Die erste Lawine, welche die Strecke verschüttet hatte, musste wegge-räumt werden. Glücklicherweise blieb die Fahrleitung dabei noch ganz.

Voller Vorfreude ging es mit der kleinen Schleuder los in Richtung Lawine. Jetzt konnte die elektrische Schneeschleuder zeigen was in ihr steckte. Die Ar-beiten begannen im gewohnten Rahmen. Freilich war man sich bewusst, dass die Schleuder mit den hohen Schneemassen nicht zu Recht kommen würde.

Soweit sollte es gar nicht kommen, denn die kleine Schleuder versagte auf breiter Front. Nicht die Höhe war das Problem, sondern der fest gepresste Schnee, der schon gar nicht bis zu den Schleuderrädern kam. Die schiebende Lokomotive konnte zu wenig Kraft erzeugen um das vorstehende Blech weit genug in den Schnee zu stossen. Gelang das, oder es war nicht nötig, verstopften die Schleuderräder, weil der Schnee nicht ausreichend gelockert wurde.

Die elektrische Schleuder musste unverrichteter Dinge abziehen und man heizte in Erstfeld eiligst die alte Rotary an. Diese zeigte der «kleinen» dann, wie man eine Lawine aus dem Gleis brachte. Die erste Runde ging somit klar an die alte mit Dampf betriebene Rotary. Die elektrische Schneeschleuder hatte buchstäblich versagt. Nun, wie wenn das noch nicht genug gewesen wäre, es kam für den Ersatz noch viel schlimmer.

Nicht nur, dass sie vom Personal als nicht ganz Hundert betitelt wurde, sie musste bei der nächsten Lawine am Gotthard schlicht zu Hause bleiben. Nicht nur, dass sie dazu ungeeignet war, die Lawine hatte die Fahrleitung gleich weggeräumt und lies nur noch die Masten stehen. Da war für das elektrische Schiebetriebfahrzeug der Saft weg. Ohne Strom, keine elektrische Schneeschleuder. Scheinbar hatte dieser Punkt niemand bedacht, als man die Schleuder in Auftrag gab.

Genau hier begannen die grossen Probleme der elektrischen Schneeschleuder. Die Schublokomotive musste eine elektrische Heizleitung haben. Das war bei allen elektrischen Lokomotiven der Fall. Nur waren diese auf eine intakte Fahrleitung angewiesen. Fehlte diese, war für die Schneeschleuder kein Vorwärtskommen mehr möglich. Lösungen gab es zwar mit den Am 4/4, aber die waren weit vom Gotthard entfernt, nicht verfügbar und die Spannung passte auch nicht.

So kam es, dass die elektrische Schneeschleuder ausrückte, wenn es darum ging, den Bahnhof von den gefallenen Schneemassen zu befreien. Die Staublawinen sorgten aber dafür, dass der Rotary nicht arbeitslos wurde. Dort waren seine Stärken gefragt und die spielte er aus. Da man aber nie genau wissen konnte, wann sich eine Staublawine dazu entschloss, die Strecke mit Schnee zu bedecken, musste der Rotary immer unter Dampf gehalten werden.

Die Positionen waren klar bezogen und die Mannen des Depots Erstfeld griffen oft auch zur alten Maschine, wenn zu viel Schnee gefallen war. Unter vorgehaltener Hand gab man zu, dass das elektrische Unding auch hier der grossen Schneeschleuder nicht gewachsen war. Mit den arbeitslosen Jahren sahen das schliesslich auch die verantwortlichen Stellen ein. Als Ersatz für die Rotary sollte eine bessere Lösung vorhanden sein.

Als am Gotthard eine neue Schleuder, die gleich zu zweit Einzug hielt, auftauchte, war es um die Xrote 99 geschehen. Sie war am Gotthard schlicht nicht mehr zu gebrauchen und wurde abgezogen.

Nach nur 20 Jahren war das Thema mit einer elektrischen Lösung abgehalten. Auf dem Bild ist der letzte Tag im Depot Erstfeld festgehalten worden. Die neue Schleuder sollte die Probleme lösen, welche die Xrote 99 nicht schaffte.

Zum Vergleich, die Rotary hatte damals bereits 72 Jahre in Erstfeld verbracht und war mittler-weile das letzte mit Dampf betriebene Fahrzeug der Schweizerischen Bundesbahnen SBB.

Die ehemaligen Schublokomotiven der Baureihe C 5/6 waren längst verschwunden und durch eine Diesellokomotive der Reihe Bm 4/4 ersetzt worden.

Geblieben ist aber die Rotary, die den ersten Versuchen sie abzulösen widerstanden hatte. Elektrische Schleudern waren am Gotthard un-geeignet.

Zuflucht fand die elektrische Schneeschleuder jedoch im Kreis I. Dort hatte man nicht mit Lawinen zu kämpfen und die Fahrleitung war immer ganz. Ein Vorteil für die kleine elektrische Schleuder, die am Gotthard in Misskredit geraten war. Zielgebiet sollten die Strecken im Jura sein. Dazu wurde die Schneeschleuder jedoch von den Werkstätten so verändert, dass sie damit in Zukunft besser in Schwung kommen sollte.

Beim Umbau wurden die Räumbleche entfernt, da nicht so hohe Schneemassen zu bewältigen waren, als am Gotthard. Zusätzlich wurden beidseitig neue Rafferbleche montiert und so die Räumbreite deutlich erhöht. Zuletzt wurde sie noch mit einem neuen Anstrich versehen und bekam daher die rotbraune Farbe der Fahrzeuge im Baudienst. So sollte ein Einsatz im neuen Gebiet möglich werden. Freudig reagierte daher der Bahnmeister Jura.

Im Jura schlug dann die grosse Stunde der elektrischen Schneeschleuder. Gerade die Bahnlinien im Jura waren immer wieder unterbrochen, weil Schneeverwehungen die Geleise zu hoch mit Schnee bedeckten und dabei die Fahrleitung auch nicht beeinträchtigten.

Oft blieben in den Verwehungen nur die Züge stecken. Die bis-her erforderliche Handarbeit konnte nun dank dem Abkömmling vom Gotthard eliminiert werden.

Die elektrische Schleuder eilte dann geschoben von einer Lokomotive schnell herbei, schaffte das Problem aus der Welt und der Verkehr konnte wieder aufgenommen werden.

Das war das Einsatzgebiet für die kleine unerwünschte Schleu-der vom Gotthard.Kein festgepresster Lawinenschnee und keine Schneehöhen von über zwei Meter. Jedoch blieben auch jetzt die Einsätze selten, denn oft verhinderte man Verwehungen.

Sehr gut bewährten sich die leuchtend Gelb gestrichenen Rafferbleche. Damit konnte ein deutlich breiteres Räumfeld erreicht werden. Auf den einspurigen Strecken im Jura war das sogar noch nützlich. Jedoch musste aufgepasst werden, denn die Bleche überragten das Profil deutlich und daher wurde in diesem Zustand etwas langsamer, als möglich war, gefahren. Die Schneeschleuder bewährte sich endlich und war beliebt.

Im Jura war die elektrische Schneeschleuder noch viele Jahre im Einsatz. Wie lange sie dort noch verwendet wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Ein langes Leben wäre dort durchaus möglich gewesen. Es kamen aber mit den beiden neuen Schleudern am Gotthard kleine und wendige Maschinen in den Einsatz. Teilweise gab es sogar neue Aggregate, die wie im Strassenverkehr an ein angepasstes Fahrzeug montiert werden konnten.

Das alte Relikt vom Gotthard ist vermutlich mittlerweile verschwunden. Moderne leichtere Lösungen, die ein Fahrzeug auch im Sommer einsetzbar machten, waren wirtschaftlicher, als eine grosse Schneeschleuder. Kehren wir deshalb wieder an den Gotthard zurück, denn dort begann ein neues Kapitel. Um es vorweg zu nehmen, dort benötigte man die Schneeschleudern um die umfangreichen Schneemassen zu entfernen.

 

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