Die Schattenseiten

Jeder Beruf besitzt seine Schattenseiten. Doch bei keinem anderen Beruf werden diese so offensichtlich, wie beim Lokführer. Dabei will ich hier jedoch nicht die durch die Schichtarbeit bedingten gesundheitlichen Probleme aufzeigen, denn jetzt sind die Schattenseiten des Berufes wirklich nur auf den Lokführer zugeschnitten. In der Folge werde ich Ihnen zwei Bereiche vorstellen und ich bin sicher, dass Sie jetzt schon wissen, welche es sein werden.

Es sind Punkte im Beruf, die keinen Fehler des Lokführers waren. Macht ein Lokführer einen Fehler und es passiert etwas, muss er für sein Vergehen gerade stehen. Im einfachen Fall wird vom Unternehmen ein Disziplinarverfahren eingeleitet und der Lokführer ein paar Tage ohne Bezahlung beurlaubt. Letztlich wird dann vom Unternehmen eine Busse ausgesprochen, die je nach Vergehen höher oder tiefer ausfällt.

Aus einem schlichten Fehler kann aber auch ein Verbrechen werden. Passiert wegen einem Fehler ein Unfall, wird die Angelegenheit vor Gericht verhandelt. Sprüche, wie „Lokführer mit einem Bein im Grab mit dem anderen im Knast“, helfen sicherlich nicht, sind jedoch gar nicht so falsch. Gehört habe ich persönlich diese Sätze schon sehr oft und langsam kann ich sie nicht mehr hören. Es nervt, denn ich mache meine Arbeit Gewissenhaft.

Wenn trotzdem ein Unfall passiert, wird der fehlerhafte Lokführer hart bestraft und von der Presse und Angehörigen verachtet. Jedoch darf man dabei einen Punkt nicht vergessen. Der betroffene Lokführer machte seine Arbeit gewissenhaft. Ihm ist nichts anders, als ein Fehler passiert. Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein, steht in der Bibel, wie jene wissen, die dieses Buch so gut kennen, wie ein Lokführer die Vorschriften.

Bei den Schattenseiten des Lokführers handelt es sich jedoch um Vorfälle, bei denen der Lokführer zum Opfer und nicht zum Täter wird. Sie haben richtig gelesen, der Lokführer kann auf Grund seines Berufes zum Opfer werden. Dabei muss ich jedoch erwähnen, dass ich die Abgründe der Zivilisation schonungslos aufdecken muss. Es liegt mir viel daran, zu verhindern, dass es einem meiner Kollegen, oder mich treffen wird.

Warum sind die Schattenseiten dieses Berufes so bekannt. In erster Linie, weil man davon in der Zeitung liest. Keiner der hier vorgestellten Vorfälle geht ohne grössere Probleme über die Bühne und in vielen Fällen wird in der Presse ein grosser Wirbel darum gemacht. Die Leute machen daraus schliesslich den Rest. Sie sehen, es kann sehr schnell gehen und aus dem Traumberuf Lokführer kann wahrlich ein Albtraum grösseren Ausmasses werden.

Kommt noch Ihre Neugierde hinzu, wird jede Party für einen Lokführer zum Verhängnis. Sie werden genau diese Frage stellen, die der Lokführer in seinem Leben eigentlich nie hören will. Das ist die menschliche Natur und wir müssten einen Psychologen hinzuziehen um diese Neugierde zu verstehen. Doch ich will nicht mehr länger um den heissen Brei reden, denn es geht nun an die zwei Probleme des Berufes.

Der Personenunfall: Seien Sie einmal ehrlich. Was war Ihr erster Gedanke, als ich von den Schattenseiten des Berufes geschrieben habe? Genau, ich wusste, dass Sie genau an diesen Punkt gedacht haben. Schämen Sie sich nicht dafür? Ich persönlich kann Ihre Meinung nicht teilen. Wie ernst es ist, soll eine kurze Geschichte aufzeigen, die ich persönlich schon erlebt habe und die ich nicht mehr vergessen kann.

Nach einer harten Arbeitswoche mit Störungen und Verspätungen gelang es mir wirklich einmal an einer Party teilzunehmen. Das ist selten genug der Fall. Kaum angekommen wurde ich von einer Person angesprochen und dabei nebenbei gefragt, was ich beruflich mache. Wahrheitsgetreu gab ich zur Antwort, dass ich Lokführer sei. Jedoch bereute ich diese Aussage in dem Moment, wo ich sie gemacht habe, denn die glänzenden Augen kündeten nichts Gutes an.

Postwendend kam die Frage, ob ich schon jemanden überfahren habe. Die Partylaune war dahin. Doch es blieb nicht dabei, denn wenn ich mit ja geantwortet hätte, müsste ich bis ins Detail beschreiben, was ich eigentlich sehr gerne vergessen möchte. Mit der Antwort Nein, wurde ich zu einem Looser abgestempelt. Mein Entschluss in Zukunft solche Partys zu meiden, oder Gipser als Beruf anzugeben, können Sie vermutlich verstehen, auch wenn das Sozial schlecht ist.

Ich liebe meinen Beruf und ich möchte lieber die schönen Seiten meines Berufes aufzeigen. Muss ich wirklich meinen Beruf verleugnen, damit ich eine Party geniessen kann? Schlimm genug, wenn es einen Lokführer trifft, dann aber noch zu erklären, was passiert ist, ist der Gipfel. Es sind Bilder, die nie mehr aus dem Kopf gehen und letztlich kam ein Mensch ums Leben. Sich daran zu ergötzen ist verwerflich.

Daher kann ich es Ihnen schon jetzt sagen, bei den Touren, die ich auf meiner Homepage veröffentliche, werden Sie nie einen Satz finden, bei dem es um einen Personenunfall geht. Das ist eine Angelegenheit, die von den betroffenen Lokführern alleine bewältigt werden muss. Das ist nichts, was in die Öffentlichkeit gehört. Hier soll es auch mehr ein Hilferuf, als eine Information sein. Springt lieber von hohen Brücken.

Personenunfälle gehören zum Albtraum der Lokführer. Es ist schlimm genug, wenn man einen solchen Vorfall hatte, daher sind die Fragen danach mehr als nur daneben. Die Angst davor fährt jeden Tag mit und man versucht sie so gut es geht in den Griff zu bekommen. Dann kommt so ein Volltrottel und will ausgerechnet das Thema ansprechen. Anschliessend stempelt er den Helden noch zu einem Looser ab und hat gewonnen.

Mit jeder Meldung, dass so ein Vorfall passiert ist, wurden zwei Menschenleben zerstört. Neben der bedauernswerten Person unter dem Zug ist es auch jene Person, die hilflos zusehen musste. Man kann nicht ausweichen und der Bremsweg ist zu lange. Wer sich in einer solchen Situation nicht hilflos fühlt, hat wohl keinen Anstand. Doch mit einem Moment sind die Ängste da und belasten den Alltag in Zukunft.

Daher ist es nur recht, wenn der Lokführer noch auf der Unfallstelle abgelöst wird. Es ist keine Strafe, sondern einfach ein Schutz. Auch der psychologische Dienst meldet sich ohne, dass man danach suchen müsste. Weiter stehen drei Tage bezahlter Urlaub an. Zeit in der man den Vorfall verarbeiten muss und man sich so wieder an den Beruf wagen kann. Vergessen kann so ein Vorfall jedoch niemand und er fährt jeden Tag mit.

Damit Sie es wissen, die meisten Personenunfälle sind Leute, die einfach, statt die Unterführung zu benutzen, über die Geleise liefen. Was ist an einem Bild von sich selber auf einem Gleis so spannend? Ich lichte lieber Lokomotiven auf den Schienen ab. So lange man kein Skelett ist, sollte man sich von den Anlagen der Eisenbahn fernhalten. Geleise sind kein Spielplatz und schon gar kein Fotostudio. Hier lauert der Tod und er schlägt erbarmungslos zu.

Die Laserattacke: Mit der Laserattacke kommen nicht nur wir Lokführer nicht klar, sondern auch die Piloten kämpfen mit dem Problem. Um es gleich zu sagen, es ist kein Jux und keine Spielerei, sondern es ist eine eventualvorsätzliche schwere Körperverletzung, die unter Strafe steht. Wo da der Sinn sein soll, konnte mir bisher noch niemand erklären. Wer riskiert Gefängnis für so eine blöde Sache?

Ist der Laser stark genug, kann das dazu führen, dass der Lokführer, oder aber der Pilot erblindet. Dann ist der Tatbestand des Vorsatzes meiner Meinung nach erfüllt. Was hat Ihnen der Mensch angetan, dass er für den Rest seines Lebens gekenn-zeichnet werden soll?

Es war ein Mensch, der nur seiner Arbeit nachging und der an diesem Tag eigentlich gesund nach Hause zu seiner geliebten Familie kommen wollte.

Jetzt liegt er im Krankenhaus, bangt um sein Augenlicht und hofft, dass er jemals seine Familie sehen kann. Das hat nun wirklich nichts mehr mit einem Spass zu tun und ist wirklich eine verwerfliche Angelegenheit.

Niemand sollte mit solchen Ängsten leben müssen. Bei den Lokführern und Piloten ist es leider eine Tatsache, dass genau diese Angst mitfährt. Jeden Tag, jede Nacht hofft man gesund nach Hause zu kommen.

Sie fragen sich, wo ich hier ein Problem sehe? Trifft der Laser die Fenster der Lokomotive entsteht darin ein grelles Spinnenmuster.

Die plötzliche Helligkeit ist für die an die Dunkelheit gewöhnten Augen nicht gut. Durchbricht der Laser jedoch die Scheibe kann es zur Netzhautablösung im Auge kommen. Das ist dann nicht mehr lustig und ich mag die Angst nie mehr sehen zu können, niemandem wünschen.

Wer eine Laserattacke erlebt hat, fährt in der jeweiligen Stelle immer mit einem gewissen Unbehagen durch. Ich weiss, von was ich spreche, denn ich werde nie mehr vergessen, wie das war, als der grüne Laser auf die Scheibe traf und mich nur um wenige Zentimeter verfehlte. Ein Vorfall, den ich nicht mehr vergessen kann und der mich bei jeder Fahrt unbewusst begleitet. Die Angst fährt nun mit und das sollte eigentlich nicht der Fall sein.

Natürlich wurde der Vorfall vom Arbeitgeber angezeigt und die Polizei nach dem Notruf sofort aufgeboten. Leider konnten die Täter nicht gefasst werden. Nach dem Feierabend ging es lange, bis ich einschlafen konnte. Die Gedanken rasten nur so durch den Kopf, was wäre, wenn ich nichts mehr sehen könnte. Blinde Lokführer finden nur sehr schwer eine Anstellung. Doch am nächsten Tag ging es wieder auf den Bock.

Sollten Sie jemanden kennen oder sogar bei der Tat beobachten, sollten sie sich ein Herz nehmen und die Person bei der Polizei anzeigen. Es kann nicht sein, dass diese Verbrecher ungeschoren davonkommen und der Lokführer Angst um sein Augenlicht haben muss. Laserattacken sind kein Spass, die Gesundheit anderer Menschen sollte man nicht leichtsinnig gefährden. Ginge es nach mir, macht man diese Handlung vorsätzlich.

Sie sehen, ich habe Ihnen wirklich die tiefsten Abgründe des Berufes aufgezeigt. Es sollte dabei nicht eine Offenlegung der damit verbundenen Probleme des betroffenen Personals sein. Vielmehr sollte es Sie nachdenklich stimmen. Warum schützt man die Verbrecher der Laserattacken? Warum verhindert niemand, wenn Leute achtlos auf das Gleis gehen? Genau das sollte damit aufgezeigt werden, denn in beiden Fällen sind die Lokführer das Opfer.

 

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