Periodische Prüfung

Es ist nicht so wie im Strassenverkehr, wo man nach der Prüfung ein Leben lang Auto fahren darf. Mit der Zeit vergisst man gewisse Regeln und fährt trotzdem mit dem Auto in der Gegend herum. Das ist eine natürliche Reaktion und ich gestehe, mir geht es genauso. Mein Fahrstil ist zwar nicht aggressiv, aber ich vermute, dass nicht alles genau der Regel entspricht. So gesehen, täte eine regelmässige Weiterbildung nicht schaden.

Berufstätige Fahrer und Junglenker müssen solche Kurse besuchen. Nur mit der Weiterbildung alleine ist es nicht getan. Wie soll man wissen, ob das erlernte Wissen auch angewendet wird?

Genau genommen gar nicht. Es sei denn, man führt nach jedem Kurs eine Prüfung durch. Wenn nun aber jeder Fernfahrer die Kenntnisse seiner Vorschriften komplett in regelmässigen Abständen beweisen müsste? Würde es dann womöglich auf der Strasse sicherer?

Bei den Lokführern in der Schweiz ist es mit der Weiterbildung nicht getan. Sie müssen alle fünf Jahre eine so genannte periodische Prüfung absolvieren. Dabei kann man ohne zu übertreiben behaupten, dass an dieser Prüfung das Leben hängt.

Wenn diese Prüfung auch im zweiten Anlauf nicht bestanden wird, ist die Fahrt auf Lokomotiven verboten. Eine Möglichkeit den Ausweis wieder zu erlangen, gibt es dann nicht mehr.

Das heisst, der Lokführer verliert seine Stellung und kann auch nicht mehr als Lokführer angestellt werden. Das so eine Prüfung Zukunftsängste wecken kann, ist verständlich. Jedoch klingt das mit der Prüfung schlimmer als es ist. Die Daten, wann die periodische Prüfung ist, werden frühzeitig bekannt gegeben. Danach hat man genug Zeit um sich seriös auf die Prüfung vorzubereiten. Niemand spielt gerne mit dem Feuer.

Es handelt sich bei dieser Prüfung jedoch um eine rein theoretische Angelegenheit. Die praktischen Fähigkeiten eines Lokführers werden nicht geprüft. So wird erreicht, dass die Lokführer immer über ein gutes Wissen verfügen. Nicht zu denken, was alles passieren könnte, nur weil ein Lokführer eine Vorschrift nicht mehr korrekt kennt. Gerade der Umstand, dass viel Wissen nie benötigt wird, drängt eine regelmässige Prüfung auf.

Eigentlich sollte diese Prüfung für die Lokführer kein Problem darstellen. Die Vorschriften, die täglich eingehalten werden müssen, sind auch kein Pro-blem, die kennt man im Schlaf.

Doch wenn es um Dinge wie eine gestörte unbewachte Barriere geht, ist die Sache schon heikler, denn dieser Fall ist bei mir bis zum heutigen Tag noch nicht vorgekommen. Aus-genommen am Simulator, aber das wird ja nicht erwähnt.

Anfänglich war die periodische Prüfung eine verhältnismässig angenehme Sache. Man traf sich zwei Tage mit dem Ober-lokführer und beantwortete dessen Fragen in der Runde.

Wer Glück hatte, lernte an den Antworten der Kollegen, die Punkte, die er nicht nach-gelesen hatte. So hatte die Prüfung durchaus auch eine positive Seite. Wer die genaue Antwort nicht wusste, konnte die Antwort umschreiben, so dass die richtige Handlung daraus entstand.

Wenn ich hier ein Beispiel aufführen müsste, dann würde ich mich für die Abfahrerlaubnis entscheiden. Wer an der periodischen Prüfung den Begriff nicht mehr kannte, weil er früher als Abfahrbefehl gehandelt wurde, umschreibt das Signal einfach. So wird daraus „Ein Signal, das mir erlaubt mit dem Zug abzufahren. Es kann ortsfest, mündlich oder akustisch erteilt werden.“ Dabei war der Mann schon nahe an der Erklärung und er wusste einfach den Namen nicht.

Diese mündliche Prüfung hatte aber den Nachteil, dass die Bewertung objektiv nicht bewertet werden konnte. Der Oberlokführer gratulierte einfach zur Prüfung und man durfte weiter mit Zügen durch das Land fahren. Was falsch war, wurde nicht erläutert. Zudem hatte der Oberlokführer während zwei Tagen sehr viel Zeit, sich bis in die kleinsten Punkte zu fragen. Ich will hier eine Frage, die gestellt wurde einbauen.

Wir fahren mit einem Pendelzug, gezogen von einem RBe 540 auf einer Strecke. Wegen einer Bremsstörung müssen wir unterwegs den Steuerwagen am Schluss abhängen. Welche Schritte sind nun vom Lokführer vorzunehmen.

Alle erdenklichen Ideen wurden aufge-tischt und immer mit, etwas fehlt noch beantwortet. Auf die Idee, dass man nun das weisse Rücklicht anzünden muss, kam niemand, denn schliesslich ist es kein Pendelzug mehr.

Solche Spitzfindigkeiten bringen nicht viel. Klar hat der Vorgesetzte mit der Antwort Recht, denn das Licht ist gemäss den Vorschriften zu beleuchten.

Jedoch entsteht kein kritisches Problem, wenn der Lokführer dies vergisst. Schliesslich könnte man in der Praxis bei einem pingeligen Reisenden geltend machen, dass vermutlich die Glühbirne das Zeitliche gesegnet habe. Der Zug wäre jedoch sicher zu führen gewesen.

Mit der Regelung, dass die Behörde die Kontrollen wahrnimmt, musste man von dieser Praxis abweichen. Es mussten schriftlich verwertbare Ergebnisse vorliegen. Diese konnte man bei einem Unfall zur Hand nehmen und so prüfen, ob der Lokführer die Prüfung korrekt absolviert hatte. Der gutmütige Prüfungsexperte kann nicht mehr gegen eine Bestechung ein Auge zudrücken. Natürlich gab es nie solche Ansinnen, aber man weiss ja nicht.

Der Umfang der Prüfung wurde reduziert. Zudem erfolgte nun ein schriftlicher Teil. Die dazu verwendeten Fragebogen stammten von der Behörde und so konnte man einen direkten Vergleich anstellen. Wer nun aber etwas nicht genau wusste, war schnell verloren. Eine falsche Antwort zu viel und man hat die Prüfung nicht bestanden. Der Aufbau der Prüfung selber bietet viele Stolpersteine, dank doppelter Verneinungen.

So sind fünf bis sieben Fragebogen zu beantworten. Die Anzahl hängt davon ab, ob man mit ETCS Level 2 fährt oder nicht. Wer sowohl Güterzüge, als auch Personenzüge befördern will muss einen eigenen Bogen für das sogenannte P-Modul oder G-Modul absolvieren. Das sind viele Fragen, die zudem in normale und sicherheitsrelevante Fragen aufgeteilt werden. Dabei muss ich auf die letzten Fragen etwas näher eingehen.

Sicherheitsrelevante Fragen sind Fragen, die einen Punkt behandeln, der die Sicherheit des Zuges gefährden könnte. In der Schweiz erzielt man bei diesen Fragen bei richtiger Beantwortung die doppelte Punktzahl. Es gibt aber auch Länder, bei denen eine härtere Lösung besteht. Ist dort eine sicherheitsrelevante Frage falsch, ist man durchgefallen, auch wenn der Rest richtig beantwortet wurde.

Sie sehen, dass mit diesen Sicherheitsfragen ein zusätzlicher Druck erzeugt wird. Man bemüht sich die Fragen zu beantworten. Stellen Sie ich vor, als ich die Prüfung für Deutschland absolvierte, war nahezu jede zweite Frage als Sicherheitsrelevant bezeichnet worden. Hätte ich nur diese Fragen beantwortet, hätte ich die Prüfung schon fast bestanden. Man kann daher mit solchen Fragen auch Prüfungen schaffen, die nicht zu bestehen sind.

Jeder Fragebogen muss dabei bestanden werden. Dabei unterscheiden sich diese nicht von den Bögen, die bei der Abschlussprüfung nach der Ausbildung verwendet werden. Man muss bei der periodischen Prüfung ebenfalls 60% der Fragen korrekt beantworten. Wobei es bei der periodischen Prüfung auch halbe Punktzahlen gibt, denn man will die Repetition nicht ganz so schwer halten, wie die Abschlussprüfung.

Selbst gute Lokführer, die über aussergewöhnliche Kenntnisse verfügen, lernen wie gestört auf diese Prüfungen. Man will es der Behörde zeigen, dass man den Bogen knacken kann. Das Ziel ist wie überall möglichst gut abzuschliessen. Mit Stolz berichtet man seinen Kollegen, dass man 100% hatte. Dass es bei den anderen Bögen knapp 70% war, verschweigt man natürlich, denn nur gute Ergebnisse zählen. So hatte ich letztes Mal lausige 93% im Durchschnitt.

Sie sehen, schon stehe ich in der Gunst der Leser höher und bin der gute Lokführer. Natürlich verschweige ich dabei, dass die Bandbreite der Bögen zwischen 88% und 100% schwankte. Ein Ergebnis, das nicht ausgeglichen war. Nur, der erste Bogen ist bei mir immer der schlechteste, denn ich muss mich zuerst in die Prüfung einfinden können. Das ist bei mir ein Problem, das bei der mündlichen Prüfung gesteuert werden konnte.

Die Fragebogen sind jedoch zeitlich in kurzer Zeit zu lösen. Man kann also wie in der Praxis nicht lange nachdenken, sondern muss gleich Antworten. Bei Lösungen, bei denen der Bogen am PC ausgefüllt wird, kann man eine schwere Frage nicht überspringen und diese später beantworten. Ein Punkt, den man eher als Schikane ansehen muss. Nicht jede Frage versteht man gleich und ein Zeitverlust kann schlimme Folgen haben.

Hinzu kommt eine mündliche Prüfung, bei der man nur noch durchfallen kann. Wer bei der schriftlichen Prüfung die Punktezahl nicht erreicht, kann beim mündlichen Teil keinen Vorteil mehr erreichen, die Prüfung ist misslungen und muss wiederholt werden. Das belastet natürlich schwer, denn jeder hat einen Fragebogen, bei dem er sich nicht wohl fühlte und schon kommen Sorgen auf, die dann beim mündlichen Teil zum Desaster führen können.

Die Wiederholung der Prüfung erfolgt nur kurze Zeit später. Die Prüfung muss aber nicht mehr vollständig wiederholt werden. Vielmehr begnügt man sich damit, dass der Prüfling die gleichen Bereiche richtig beantwortet. Das heisst, es muss nicht die ganze Prüfung wiederholt werden, sondern nur die falschen Bögen. Es ist schliesslich keine Hauptprüfung, sondern nur eine Kontrolle, ob das Wissen vorhanden ist.

In der kurzen Zeit zwischen den Prüfungen wird der Mitarbeiter betreut und er erhält Nachhilfe beim betreffenden Thema.

So vorbereitet sollte die zweite Prüfung kein zu grosses Problem mehr werden. Auch sonst bestehen die meisten Lok-führer im ersten Anlauf.

 Der Grund liegt in einer seriösen Vorbereitung. Hier hilft meistens das Unter-nehmen mit speziellen Kursen. Aber auch die Gewerkschaften bieten Kurse an.

Wer die gewerkschaftlichen Kurse besuchen will, erhält dazu vom Unternehmen bezahlten Urlaub.

Es ist schliesslich auch im Interesse des Unterneh-mens, dass die Lokführer diese Prüfung bestehen. Fällt ein Lokführer durch, muss dafür ein Ersatz ausgebildet werden. Das kostet mehr, als ein paar Tage Urlaub. Zudem geht so viel Erfahrung verloren, was man letztlich auch nicht möchte. Wer Hilfe benötigt, bekommt sie sogar vom Prüfungsexperten.

Zudem lernen viele Lokführer in Gruppen. So profitiert jeder von seinem Kollegen und in der Gruppe lernt man mit mehr Spass. Entsprechende Hilfsprogramme gibt es zudem im Internet. Diese können mit einem Zugang genutzt werden. So gewöhnt man sich an den Stil der Fragen und lernt zudem ein paar mögliche Antworten kennen. Trotzdem bleibt die theoretische Prüfung eine psychische Belastung für den Lokführer.

Dieser Beruf hat neben der periodischen Prüfung auch Schattenseiten, die schwerwiegend sein können. Diese wollen wir uns nun ansehen. Dabei werden wir nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es sind Punkte, die zum Beruf gehören und die Sie abschrecken will. Die Probleme in diesem Bereich sind wirklich wesentlich grösser, als die schwerste periodische Prüfung. Vorbreiten kann man sich darauf jedoch nicht.

 

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