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Kurz vor Weihnachten wurde die erste neue Lokomotive mit der Nummer 261 von der BBC in Münchenstein fertig gestellt und am 16. Dezember 1964 nach Spiez überführt. Das war fast auf den Tag genau 20 Jahre nach der ersten Lokomotive der Baureihe Ae 4/4. Dabei wurde die Maschine vorerst noch als Baureihe Ae 4/4 II bezeichnet. Man wusste schlicht noch nicht, ob die Lokomotive die Bedingungen für die Zugreihe R erfüllte.

Somit stand die frisch glänzende und noch neu riechende Lokomotive im Depot Spiez und wurde von der anwesenden Mannschaft inspiziert. Das war bei jeder bisherigen Lokomotive so, und würde sich in den folgenden Jahren kaum ändern.

Ein neues Fahrzeug wird vom Personal bewundert. Genauer hingesehen haben jedoch die verantwort-lichen Personen. Hat man das bekommen, das man vor Monaten bestellt hatte?

Die ersten Ergebnisse mit der knapp ein Jahr eher abgelieferten Lokomotiven Bo’Bo‘ der Schweizer-ischen Bundesbahnen SBB liessen erkennen, dass man mit den Ansätzen auf dem richtigen Weg zur Zugreihe R war.

Besonders dann, als feststand, dass die tödliche Ent-gleisung der nagelneuen Lokomotive nicht auf de-ren Konstruktion zurückzuführen war. Die vorhand-enen sechs Maschinen der Staatsbahn funktionier-ten.

Damit stand nun aber auch fest, dass die vier-achsigen mit Drehgestellen ausgerüsteten Loko-motiven den Verkehr in der Schweiz übernehmen würden.

Aus der bisherigen Bo’Bo‘ wurde somit die Baureihe Re 4/4 II. Bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB war man am Ziel angekommen und hatte neben der Re 4/4 I die zweite Baureihe mit Zulassung zur Zugreihe R. Doch noch konnte in Spiez niemand ahnen, wie die Versuche mit der nagelneuen Baureihe Ae 4/4 II ausgehen würden.

Am darauf folgenden Tag wurde die fabrikneue Lokomotive ab dem Depot in Spiez bereits zu ersten Versuchsfahrten herangezogen. Die neue Maschine musste dabei zeigen, was sie konnte. Daher spannte man sie vor einen 660 Tonnen schweren fahrplanmässigen Güterzug und machte sich auf den Weg in Richtung Kandersteg. Damit war klar, dass es gleich am ersten Tag in die Rampen der Bergstrecke gehen sollte.

Die eingeplante Lokomotive der Baureihe Ae 6/8 blieb dabei natürlich als „Angstlokomotive“ im Zug eingereiht. Notfalls hätte sie die fehlende Zugkraft ergänzen können. Damit war klar, man wollte gleich wissen, was die Lokomotive in den Rampen der BLS leisten konnte, denn dafür war sie schliesslich gebaut worden. Zudem wollte man mit der neuen Maschine auch gegenüber den Schweizerischen Bundesbahnen SBB angeben.

Um die Anfahrzugkraft zu prüfen, hielt man mit dem Zug auf dem Kander-viadukt oberhalb von Frutigen an. Diese Stelle wurde schon immer für Anfahrversuche auf der Nordrampe herangezogen.

Damit hatte man vergleichbare Werte und konnte die neue Lokomotive so besser einordnen. Die Anfahrt gelang mit dieser Last problemlos und der Zug konnte die Fahrt ungehindert fortsetzen. Die Anfahrt war geglückt und die Lokomotive entsprach den Vorstellungen in Spiez.

Zudem war auch beim Zuschalten von Fahrstufen mit den Steuerkontroller kaum ein Ruck zu spüren, was bisher bei Lokomotiven so noch nicht beobachtet werden konnte. Der Aufwand damit Motoren mit Gleichstrom benutzt werden konnten, hatte sich gelohnt.

So eindrücklich die Zugkraft war, so nervig war das klappernde Geräusch der neuen Lokomotive. Aufgefallen war es dem Personal schon bei der Fahrt nach Frutigen, aber nun vernahm man es bei langsamer Fahrt.

Das wollte nicht so richtig zur neuen Lokomotive passen und es konnte bisher auch nicht bei anderen Maschinen gehört werden. Die akustische Einstellung zur neusten Errungenschaft konnte mit Klapperkiste treffend umschrieben werden. Nur bezeichnet man gewöhnlich nicht neue Fahrzeuge mit diesem Begriff.

Wegen den hohen Zugkräften musste die Ventilation bereits sehr früh auf volle Leistung umschalten. So klapperte die Lokomotive unabhängig von der Geschwindigkeit. Es musste ein Problem sein, das auf der Lokomotive vorhanden war. Die Suche nach den losen Teilen verlief indes ohne Erfolg und nach getaner Arbeit arbeitet die Ventilation mit halber Leistung und das klappernde Geräusch verschwand wieder.

Schnell erkannte man, dass dieses Geräusch von den seitlichen Lüftungsgittern kommen musste, denn es veränderte sich mit der Leistung der Ventilation und war nicht von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig.

Die langen Lamellen des Gitters wurden durch die in die Lokomotive strömende Luft in Schwingung versetzt und diese Vibrationen erzeugten letztlich dieses recht gut hörbare klappernde Geräusch.

Damit wurde die Lokomotive für das Bedienpersonal und für die Anwohner entlang der befahrenen Strecke sehr laut. Hinzu kam, dass dieses klappernde Geräusch alles andere als Vertrauen in die sonst gut funktionierende Technik bringen sollte.

Wer sitzt schon gerne in einer Klapperkiste, auch wenn sie nagelneu ist? Man wünschte sich daher eigentlich insgeheim wieder die ruhige Lokomotive der Baureihe Ae 4/4 zurück.

Umgekehrt kündigte sich die recht flott fahrende Lokomotive mit ihrer Geräuschkulisse an. Das war meistens zwischen Spiez und Frutigen der Fall. Denn in den ersten Tagen fuhr man mit der Maschine in erster Linie auf der Nordrampe herum.

Dabei wurden unterschiedliche Lasten mitgenommen und veränderte Bedingungen ge-schaffen. Schliesslich wusste man, dass bei trockenen Schienen mehr ging, als bei nassen und rutschigen Gleisen.

Im Rahmen der ersten Versuchsfahrten wurde die Normallast der Lokomotive bis auf 700 Tonnen erhöht. Dabei stellte man fest, dass die Lokomotive diese Lasten auch bei schlechter Witterung gut anziehen und sogar noch beschleunigen konnte. Die konstruktiven Merkmale, wie Tiefzugvorrichtung und Seilzug liessen erkennen, dass sie gut durchdacht waren und dass sie funktionierten. Hinzu kamen die Fahrmotoren, die auch in Stillstand hoch belastet werden konnten.

So konnte viel Zeit vergehen, bis der Zug losrollte. Zudem war man Stolz, denn die bisher als Star geltende Baureihe Ae 6/6 der Schweizerischen Bundesbahnen SBB wurde damit übertroffen. Einzig die eigenen Maschinen der Baureihe Ae 8/8 und Ae 8/14 der Staatsbahn vermochten höhere Lasten zu ziehen. Die neue Lokomotive der Staatsbahn war schlicht ausser Konkurrenz und im Vergleich viel zu schwach. Ein Punkt, den man natürlich gerne an die grosse Glocke hängte.

Nach einer Pause über die Festtage gegen Ende des Jahres, wurden die Versuche der Lokomotive im darauffolgenden Jahr wieder aufgenommen.

Die Zeit nutze man um Anpassungen an der Maschine vorzu-nehmen. Dazu gehörte auch, dass man in der Mitte des Lüftungsgitters einen längs verlaufenden Stab einbaute. Damit konnte das klappernde Geräusch deutlich verringert werden. Ganz aus der Welt war es hingegen nicht.

Neben der Zugkraft, musste auch die Geschwindigkeit der neuen Lokomotive getestet werden. Besonders gespannt war man dabei auf die Kräfte im Gleis, denn schliesslich sollte die provisorisch als Ae 4/4 II bezeichnete Lokomotive, nach Zugreihe R verkehren und daher als Baureihe Re 4/4 geführt werden.

Die Versuche für die Zulassung zur Zugreihe R konnten jedoch bereits im Januar 1965 abgeschlossen werden. Besser wäre wohl, abgebrochen werden, denn die Kräfte im Gleis liessen klar keine Zugreihe R zu.

Aus der provisorischen Bezeichnung Ae 4/4 II wurde ein endgültiger Entscheid. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit wurde auf 120 km/h reduziert und die Kurven durften nur mit normaler Geschwindigkeit befahren werden. Somit war in diesem Punkt die neue Lokomotive der BLS mit den älteren Maschinen der Baureihe Ae 6/6 identisch. Auch diese, den Schweizerischen Bundesbahnen SBB gehörende sechsachsige Lokomotive erreichte nie eine Zulassung zur Zugreihe R.

Mit zweiachsigen Drehgestellen erhoffte man sich den notwendigen Erfolg. Man hatte mit den Lokomotiven der Baureihe Ae 4/4 bereits die ersten Schritte getan. Jetzt stellte man fest, dass die neue Lokomotive kaum besser war, als die alte Ae 4/4. Ein Punkt, der gar nicht für die neue Konstruktion sprach und der natürlich die Kritiker auf den Plan rief. Nur es gab da diese blöde Maschine bei den Staatsbahnen und dort ging es. Der Frust musste wohl gross gewesen sein.

Das war ein herber Rückschlag, denn die bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB bisher als Bo’Bo‘ bezeichneten Lokomotiven, wurden mitt-lerweile als Re 4/4 II bezeichnet und konnten nach Zugreihe R, mit Geschwindigkeiten bis 140 km/h verkehren.

Damit hatte die Staatsbahn, die erste 80 Tonnen schwere vierachsige Lokomotive, die von den Vor-schriften her, die Geschwindigkeit von 140 km/h erreichen konnte.

Dazu war sogar die erste Strecke geschaffen wor-den und das erst noch vor den Toren der BLS. Die neue Baureihe Re 4/4 II fuhr daher zwischen Bern und Thun mit 140 km/h und das erst noch vor der Haustüre der BLS. So schmerzte der Rückschlag doppelt. Zumal man sich bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB einen Spass daraus machte, diesen Punkt bei jeder Gelegenheit zu zeigen. Die Staatsbahnen hatten die erste Lokomotive mit einer Leistung von über 6 000 PS, die nach Zugreihe R verkehren konnte.

Trotzdem kam die neue Lokomotive der BLS in den fahrplanmässigen Einsatz. Die Zugkraft wurde betrieblich vorerst auf 610 Tonnen festgelegt. Damit hatte man Reserven, die bei fahrplanmässigen Zügen auf einer einspurigen Strecke sicherlich sinnvoll waren. Denn dort war es auch wichtig, dass die Lokomotive schnell auf die Geschwindigkeit der Strecke kommt, denn nur so war diese nur kurz belegt. Die Ae 4/4 II hatten daher Reserven, die sie mitführten.

Im Mai 1965 kam die zweite Lokomotive nach Spiez. Die Maschine mit der Nummer 262 war nicht mehr provisorisch als Ae 4/4 II bezeichnet worden, sondern diese Bezeichnung wurde nun für die Lokomotiven geführt. Wobei das auf der BLS keine Rolle spielte, denn so schnell konnte man auf dem eigenen Netz gar nicht fahren. Nur zwischen Thun und Bern waren höhere Geschwindigkeiten gefordert und dort rasten die Maschinen der Baureihe Re 4/4 II.

Einen weiteren Dämpfer für die BLS gab es, als die ersten beiden Lokomotiven der Baureihe Re 4/4 II in Vielfachsteuerung in Thun aufkreuzten. Mit dem System IIId ausgerüstet, konnten diese Lokomotiven problemlos in Mehrfach-traktion unter sich und mit den Triebwagen RBe 4/4 verkehren.

Dadurch konnten auch schwere Züge mit einem Lokführer befördert werden. Zwei Lokomotiven Re 4/4 II zogen am Lötschberg 920 Tonnen, was sonst niemand schaffte.

Die bei den Lokomotiven Ae 4/6 vorhandenen Probleme waren vergessen, denn die Re 4/4 II zeigten, es geht und erst noch sehr gut. Daher entschloss man sich bei der BLS auch für ein solches System.

Dieses sollte bei den nächsten Lokomotiven, die noch im Jahre 1965 bestellt wurden, auch eingebaut werden. So sollte die Vielfachsteuerung bei der BLS auch auf Lokomotiven Einzug halten. Die gigantischen Ae 8/8 waren überholt worden.

Diese Lokomotiven sollten im Gegensatz zu den ersten beiden Lokomotiven einen anderen Transformator bekommen und daher noch einmal etwas mehr Zugkraft aufweisen.

Die zulässige Normallast dieser Lokomotiven konnte so auf 630 Tonnen erhöht werden. Damit gab es in einer scheinbar gleichen Serie Unterschiede und die BLS verfügte erstmals über eigentliche Prototypen. Auch wenn alle fünf Maschinen immer noch als Baureihe Ae 4/4 II geführt wurden und daher nach Zugreihe A verkehrten.

Nach den ersten fünf Lokomotiven wurde eine weitere Serie Maschinen bestellt. Dabei wurde jedoch über die Bücher gegangen und letztlich die Umsetzung der Forderungen im Pflichtenheft angestrebt. Diese noch ausgebliebene Forderung war die Zulassung zur Zugreihe R, denn diese musste nun auch erreicht werden und dazu eigneten sich die neu abgelieferten Maschinen hervorragend, denn man musste die Drehgestelle so oder so verändern.

Bei den schon etwas länger laufenden Lokomotiven zeigten sich Risse in den Gummifedern der Sekundärfederung. Zudem war die Maschine im schnelleren Lauf sehr unruhig.

Da auch die Maschinen der Baureihe Re 4/4 II dieses Problem hatten und dort mit den Drehgestellen mit Schraubenfedern deutliche Verbesserungen erzielt werden konnten, war klar, dass man bei der BLS ebenfalls auf solche Drehgestelle setzte.

Mit der Bestellung gab es nun aber ein Problem mit den Nummern. Die Serie von acht Lokomotiven hätte dazu geführt, dass die letzte Lokomotive die Nummer 273 erhalten hätte.

Diese war jedoch schon von einer Maschine der Bauart Ae 8/8 belegt und dieser wollte man keine neuen Nummern verpassen. Daher änderte man für die Lokomotiven die Nummern. Sie sollten daher mit den Nummern 166 bis 173 ausgeliefert werden.

Die mit der Lokomotive Nummer 166 durchge-führten Versuche zeigten dann schnell, dass nun die Bedingungen für die Zugreihe R erfüllt wurden.

Die Laufeigenschaften insbesondere in den Kurven waren viel besser und bei hohen Geschwindigkeiten lief die Lokomotive immer noch stabil. Dadurch konnten die Kurven mit 5 km/h mehr befahren werden. Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 140 km/h angehoben.

So kam es, dass die Lokomotive mit der neuen Nummer 166 nun mit der Bezeichnung Re 4/4 versehen wurde. Der Wechsel der Nummern und der Zusammenhang mit der Bezeichnung Re 4/4 war aber nur Zufall. Der Wechsel der Nummern war wirklich nur ein Problem mit der Belegung und nicht mit der Zulassung. Die Re 4/4 hätten daher durchaus auch mit den Nummern 266 bis 273 versehen werden können.

Damit konnte aber auch die Inbetriebsetzung abgeschlossen werden. Die letzten Lokomotiven erfüllten nun auch den letzten Punkt des Pflichtenheftes, so dass man die vorher abgelieferten Lokomotiven im Bereich der Drehgestelle anpasste und den Lokomotiven die Bezeichnung Re 4/4 gab. Gleichzeitig wurden aber auch die Nummern an die neue Ordnung angepasst, so dass man letztlich bei den Lokomotiven 163 bis 273 von einer Serie sprechen konnte.

Als auch die Maschine mit der Nummer 262 umgebaut war und zur Nummer 162 mit der Bezeichnung Re 4/4 mutierte, blieb einzig die Lokomotive mit der Nummer 261 als Exot vorhanden. Das änderte sich auch nicht, als auch hier die Zulassung zur Zugreihe R erfolgte und die Nummer auf 161 geändert wurde. Diese Maschine blieb bis zum Schluss ein Prototyp, der bei den meisten Bahnen auf der Welt immer ein schweres Leben hatte.

 

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