Betriebseinsatz Teil 2

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Das Problem mit den angetriebenen Drehgestellen war wirklich gross. Oft mussten Fahrten abgesagt werden, weil der Triebwagen die Hauptwerkstätte aufsuchen musste. Daher wurde dort beschlossen, dass eine grundlegende Sanierung der Drehgestelle unumgänglich ist. Die von der Baureihe BDe 4/4 übernommenen Modelle waren für den Einsatz einfach zu schwach. Verstärkungen sollten das Problem für längere Zeit lösen.

Auch wenn es der Betriebsführung nicht passte, die Triebwagen kamen immer wieder zum Einsatz. Während das beim Modell in Lausanne noch einfach war, sorgte der Zug in Luzern immer wieder für rote Köpfe.

Der Grund war klar, denn es ging nahezu an jedem Wochenende nach Lugano. Vorteil war dabei ei-gentlich nur, dass nun die schweren Schnellzüge dank der Lokomotive Ae 6/6 etwas besser folgen konnten. Am Gotthard blieb es aber eng.

Wann immer es ging, wurden die Ausflugstrieb-wagen in Erstfeld gekuppelt. Dabei spielte es für die Betriebsführung keine Rolle, ob der erste Trieb-wagen längere Zeit warten musste.

Da zeigte sich der RAe 4/8 von Luzern etwas bes-ser, denn oft rollte er dank der automatischen Bremse einfach bei einem Güterzug mit. Ab und zu war es auch der Schnellzug. Egal wie, aber jedes freie Trassee war am grossen Berg Gold wert.

Für das grösste Chaos bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB sollte jedoch der Staat sorgen. Mit der EXPO im Jahre 1964 stellte sich bei den Staatsbahnen ein grosser Mangel an Fahrzeugen ein. Die neuen Triebwagen RBe 4/4 wurden vor den Extrazügen benötigt und standen daher nicht mehr im regulären Fernverkehr zur Verfügung. Das bedeutete, dass man jedes Fahrzeug, das einigermassen geeignet war um Reisende oder Güter zu befördern, verwenden musste.

Dazu gehörten auch die beiden Triebwagen RAe 4/8. Sie wurden folglich zu RBe 4/8 degradiert und für planmässige Züge abkommandiert. Der arme Stationsbeamte in Wassen war darüber sicherlich nicht unglücklich, denn damit verschwanden auch die meisten Ausflugszüge vom Gotthard, denn die Fahrzeuge waren planmässig im Einsatz. Dabei veränderte sich jedoch die Situation am Gotthard keineswegs, aber der gute Beamte sah sich bestätigt.

Der in Lausanne stationierte Triebwagen mit der neuen Nummer 1022, wurde dabei nach Lyss, Morges, Vevey und La Sarraz geschickt. In Lyss kam sogar noch eine Leistung nach Büren an der Aare hinzu.

Somit erreichte der Zug tägliche Leistungen von 530 Kilometer. Einen Wert, den er bisher kaum erreicht hatte. Dabei erfreuten sich die Reisenden sicherlich am vorhandenen Komfort im Zug und manche hofften, dass auch das Office geöffnet war.

Der in Luzern stationierte Zug Nummer 1023, wurde nach Bellinzona versetzt. Ab dem dortigen Depot verkehrte der Triebwagen mit Personenzügen zwischen Chiasso und Airolo und durchfuhr dabei das ganze Tessin.

Natürlich ohne Bedienung im Office. Die Kilometer-leistung lag mit 488 Kilometer etwas unter seinem Bruder in Lausanne, jedoch konnte er in den engen Kurven nicht schneller fahren und erreichte daher diese Werte aus diesem Grund nicht.

Natürlich waren die beiden Züge kaum für einen solchen Einsatz geeignet. Das war seinerzeit im Pflichtenheft auch nicht vorgesehen. Doch die Triebwagen machten sich nicht schlecht im Regionalverkehr und es waren ja nur ein paar Monate, wo der Bestand so knapp war, dass selbst Fahrzeuge verkehrten, die von selber von den Schienen fallen konnten. Die «RBe 4/8» waren zudem noch recht flott unterwegs, was man schätzte.

Als man endlich die neuen Triebwagen RBe 4/4 in fahrplanmässigen Zügen einsetzen konnte, verschwanden die Ausflugstriebwagen RAe 4/8 wieder aus dem planmässigen Verkehr und übernahmen wieder die Gesellschaftsfahrten. Logischerweise auch am Gotthard. Dort hatte sich das Chaos etwas entschärft, da neue Lokomotiven auch so schnell fahren konnten, wie das der Triebwagen tat. Sehr zur Freude des Bahnhofes Wassen.

Dabei wurden die beiden Züge wild verschoben. Der in Lausanne station-ierte Triebwagen wechselte ins Depot Zürich und der Zug in der Inner-schweiz wurde ins Depot Lausanne verschoben.

Nun kamen einfach zwei Triebwagen aus Zürich und Luzern entsandte ein oder zwei kleinere Modelle ins Tessin, denn der Reisedienst verkaufte fröh-lich Reisen nach Lugano, Melide oder Locarno. Die Betriebsführung musste dann zusehen, wie der Zug verkehrt.

Jedoch dauerte die Zeit des Erfolges nur kurz, denn zu Beginn der 70er Jahre wurde im Unternehmen ein Machtwort gesprochen.

Wegen mangelnder Kapazität auf den Strecken wurde der Gesellschafts-verkehr massiv eingeschränkt. Man benötigte die Trassen insbesondere am Gotthard um mit Güterzügen zu fahren und da konnte man keine Ausflügler gebrauchen. Besonders in Wassen war man darüber sicherlich nicht unglücklich.

Das führte aber dazu, dass die beiden Triebwagen nahezu stillgelegt wurden und auf bessere Zeiten warteten. Der Reisedienst musste sich zähneknirschend dem Diktat des Betriebes fügen. Jedoch sollte in diesem Punkt das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, denn mit den Ausflugszügen verdiente man gutes Geld und das fehlte bekanntlich in den Kassen der Staatsbahnen. Ein Dilemma, das letztlich dazu führte, dass die Beschränkungen aufgehoben wurden.

So kamen die Triebwagen wieder vermehrt zum Einsatz. Die Leute schätzten die Fahrten mit den Zügen, denn sie waren komfortabel und schnell. Technisch gesehen traf das jedoch nicht mehr zu, denn mit den Lokomotiven Re 4/4 II kamen bereits viele Maschinen zum Einsatz, die locker 140 km/h erreichten und dann vom lahmen RAe 4/8 ausgebremst wurden. Ein Problem, mit dem besonders der Zug in Lausanne zu kämpfen hatte.

Am Gotthard stellte sich auch der Verkehr dieser Züge wieder ein und konnte dank weniger Güterzügen besser bewältigt werden. Diese ver-kehrten jedoch nicht, weil die Wirtschaft in einer Krise steckte.

Da diese Krise dazu führte, dass Autobahnen geleert wurden, blieb nur noch die Eisenbahn für die Fahrt ins Tessin. Jedoch waren die glor-reichen Zeiten längst vorbei, denn Reisen im Land wurden längst nicht mehr in Gruppen unternommen.

Dazu beigetragen haben nicht nur die Reisebusse. Die meisten Schnellzüge waren nun mit Lokomotiven bespannt, die 140 km/h er-reichen konnten und daher waren auch Verbindungen damit schneller geworden.

Da neu zudem mit der Zugreihe A auch bis zu 120 km/h möglich war, konnte auch die Baureihe Ae 6/6 etwas besser mithalten. Die Familie nutzte daher immer wieder den regulären Verkehr um einen Ausflug zu machen.

Trotzdem waren immer wieder Fahrten zu verzeichnen. Die Triebwagen hatten also immer noch genug Arbeit, denn der Reisedienst verkaufte oft ein Erlebnis und nicht mehr nur eine Fahrt.

So musste der Betrieb zusehen, wie der Zug in den Fahrplan gequetscht wurde. Die Planung war dabei immer wieder kreativ, was in den Bahnhöfen oft nur zu Kopfschütteln sorgte. Besonders dann, wenn der Triebwagen vor dem Schnellzug war.

An den Triebwagen fand die Betriebsführung immer weniger Freude. So wurde am 30. Januar 1977 der Lokführer des RAe 4/8 mit der Fahrtregelungstafel angewiesen rassig zu fahren, da ihm der Städteschnellzug im Nacken sass. Die Strecke konnte mit der Lokomotive bereits mit 140 km/h befahren werden. Das schaffte der tapfere Triebwagen jedoch nicht. So holte der Lokführer aus seinem Fahrzeug, was er nur konnte.

Mit dem Fahrzeug, über das der Lokführer nur mangelhafte Kenntnisse hatte, eine Schnellfahrt zu machen, kann Stress bedeuten.

Dieser war jedoch so gross, dass der Lokführer zwar die Warnung quittierte, dann aber wegen der Aufforderung schnell zu fahren, nicht verzögerte. Beim Hauptsignal wurde der Fehler ebenfalls nicht erkannt und erst als der Lokführer das Hindernis sah, leitete er die Schnellbremsung ein.

Der Triebwagen mit der Nummer 1022 knallte letztlich in Schmitten mit hoher Geschwindigkeit in den dort stehenden Regionalzug, dem er aufgefahren war. Die im letzten Augenblick eingeleitete Schnellbremsung konnte auch nicht für eine ausreichende Verzögerung sorgen und so war der Aufprall heftig.  Da hohe Kräfte wirkten, blieb es nicht bei einer Bagatelle und es gab bei den beiden beteiligten Züge schwere Schäden.

Die Kollision beschädigte den Ausflugstriebwagen massiv, so dass er in der Folge abgestellt werden musste und in eine ungewisse Zukunft blickte. Die Trümmer wurden aber noch nicht angefasst. Der Grund lag darin, dass die Betriebsführung nun ein Argument hatte um dem Reisedienst endlich das Handwerk zu legen. Ist doch klar, ohne den zusätzlichen Zug, wäre das Unglück schlicht nicht passierte. Es entbrannte eine wilde Diskussion.

Während man in den diversen Gremien der Schweizerischen Bundesbahnen SBB heftig über die Zukunft des Zuges stritt, machten sich die Werkstätten über den Triebwagen her und «borgten» Ersatzteile für den Bruder, der ja immer noch eingesetzt wurde. Schliesslich endeten die Diskussionen um den Triebwagen und der RAe 4/8 Nummer 1022 wurde auf den 31. Dezember 1979 ausrangiert und was davon noch übrig war, abgebrochen.

Diskutiert wurde dabei nicht nur um den Triebwagen. Die Presse nahm den Unfall zum Anlass, sich über die mangelhafte Zugsicherung auszulassen. Experten meinten, dass der Unfall verhindert worden wäre, wenn der Zug beim Einfahrsignal gebremst hätte.

Ein Punkt, der letztlich auch dazu führte, dass die Hauptsignale und die Zugsicherung mit der Haltauswertung ergänzt wurden. Aber diese Änderung betraf den Verursacher nicht mehr, denn der war weg.

Es waren nur noch zwei. Wobei genau genommen es nur noch einer war, denn der Triebwagen mit der Nummer 1021 hatte einen schweren Defekt erlitten. So fehlte in Zürich der Ausflugstriebwagen. Das gefiel zwar der Betriebsführung, aber nicht dem dortigen Reisedienst.

Zürich war immer wieder für grössere Gruppen gut und da brauchte man einen Ersatz. Da der beim Unfall beschädigte Zug nicht hergerichtet wurde, gab es nur eine Lösung.

Der Unfall hatte so für den Bruder zur Folge, dass er nach Zürich versetzt wurde. Er konnte ab dort immer wieder mit Gesellschaftsfahrten beobachtet werden. Doch mit zunehmendem Einsatz, bemerkte man an dem Zug die Probleme. So waren die Polster verschlissen, die Heizung war sanierungsbedürftig und auch der allgemeine Zustand war schlecht. Das hätte viel Geld gekostet und das wollte man nicht mehr in den Zug investieren.

Die Konkurrenz mit den Reisebussen hatte nicht geschlafen und konnte immer mehr die Leute begeistern. Zudem passten die Ausflugszüge der Betriebsführung schlicht nicht in den Kram. Dort war man allgemein nicht sehr erfreut, wenn zusätzliche Züge verkehrten. So setzte man sich dafür ein, dass der Reisedienst mit diesen Angeboten aufhören sollte. Da man dazu noch die Lobby in der Geschäftsleitung hatte, war die Zeit nicht gut.

Daher hatte man sich bei den Schweizerischen Bundes-bahnen SBB dazu entschlossen, den Zug nach der Saison 1985 an die Oensingen - Balsthal - Bahn OeBB zu verkaufen.

Dort hätte er dann den zu Schrott gefahrenen BDe 2/8 Nummer 203 ersetzen sollen. Die Idee war perfekt und man war sich eigentlich schon einig. Der Triebwagen hätte dort seinen Lebensabend verbringen können. Sicherlich nicht das, was sich das Fahrzeug erhoffte.

Nur, er war bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB noch im Einsatz und so schickte man den Zug am 06. November 1985 noch einmal auf die grosse Reise. Genauer auf die letzte Reise, nur ahnte man nicht, dass man das wörtlich zu nehmen hatte.

Mit der Reisegruppe ging es auf die letzte grosse Fahrt, denn danach sollte sich sein Betätigungsfeld auf eine nur wenige Kilometer lange Strecke beschränken, es war die Abschiedsvorstellung.

Als der Lokführer bei der Durchfahrt in Rotkreuz seinen Zug mit einem Blick nach hinten kontrollierte, stellte er mit Entsetzen fest, dass aus dem Teil eins Rauch aufsteigt. Es brennt, schoss ihm wohl in dieser Situation durch den Kopf. Er bremste den Zug sofort mit einer Schnellbremsung ab und setzte in den Bahnhof Rotkreuz zurück. Dort konnten die Leute sicher aussteigen und der Zug war für die Feuerwehr besser zugänglich.

Bis die angerückte Feuerwehr dem Feuer endlich Herr werden konnte, war der Triebwagen so schwer beschädigt, dass er nicht mehr zu retten war. Er wurde nahezu auf der Stelle ausrangiert und abgestellt. Nach Abklärung der Ursachen sollte dann der Abbruch erfolgen. Die Oensingen Balsthal Bahn OeBB hatte dabei das Nachsehen und musste sich in der Folge mit einem Ersatzfahrzeug begnügen. Spannender war, was festgestellt wurde.

Später erkannte man, dass die Ursache in einem Defekt der Isolation zu suchen war. Der dadurch entstandene Kurzschluss führte zu einem Brand im Lüftungssystem oberhalb des Einstieges. Ein Problem, das man sich selber geschaffen hatte, denn die zerschlissenen Polster und die nicht mehr optimal arbeitende Heizung zeigten klar, dass beim Unterhalt nicht mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet wurde. Ein Schaden aus mangelhaftem Unterhalt.

Dem Triebwagen war das jedoch egal, denn er wurde auf Ende des gleichen Monates ausrangiert und anschliessend abgebrochen. Die Zeit des RAe 4/8 mit der Nummer 1023 endete somit mit einem folgenschweren Brand im Bahnhof Rotkreuz. Damit endete aber auch die Geschichte mit diesen Ausflugstriebwagen. Der Reisedienst der Schweizerischen Bundesbahnen SBB gab das Geschäft mit den Ausflugsfahrten auf und die Leute reisten mit den regulären Zügen.

 

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