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In den 90er Jahren begann die Zeit der Neigezüge in ganz Europa. Bisher hatte sich eigentlich nur Italien mit diesen Zügen befasst und die Technik anhand ihres Streckennetzes optimiert. Das heisst aber auch, dass diese Züge kaum für sich stets folgende Kurven ausgelegt worden sind. Vielmehr wollte man wegen einzelnen Kurven nicht mehr abbremsen und so die Reisezeit ohne Ausbauten an der Strecke verkürzen.

Auch andere, passiv arbeitende Systeme wurden vor Jahren überall geprüft und konnten sich mit Ausnahme der Talgo in Spanien nie so richtig durchsetzen.

Zeugen dieser auch in der Schweiz durchgeführten Versuche waren die Einheitswagen III, die mit akti-ver Neigetechnik versehen werden sollten. Probleme waren dabei jedoch die verwendeten Lokomotiven mit den hohen Achslasten. Ein Problem, das bei Neigezügen bleiben sollte.

Für den Verkehr durch die Alpen mit den vielen engen und daher langsamen Kurven, waren Neigezüge die Hoffnung um noch mehr Fahrzeit einzusparen und den Verkehr wieder attraktiv zu gestalten. Ein Wunsch, der sich mit den ETR 470 verwirklichen sollte und erstmals wollte man dazu bei den Bahnen zusammen arbeiten und die Züge einer gemeinsamen Tochterfirma übergeben. Geboren war die Cisalpino AG.

Bei der Bestellung hatte man die Auswahl zwischen mehreren Systemen. Fertige Züge gab es damals jedoch nicht zu kaufen. Bei der Erfahrung war der italienische Hersteller jedoch führend und er hatte bereits solche Züge gebaut und von der FS ein Auftrag für neue Züge erhalten. Auf diesem Muster baute dieser sein Angebot auf und unterbreitete dieses der neu gegründeten Firma, die unter starkem Einfluss der FS stand.

In erster Linie lockte dabei die vergleichbare Serie ETR 460 der FS. Bei den Ersatzteilen hätte man auch auf diese Züge zurückgreifen können. Ein Wunsch, der nicht neu war und der bei anderen Baureihen schon oft erfolgreich angewendet wurde. So gesehen, glaubte man bei der Cisalpino AG, dass man die richtige Wahl treffen würde. So kam es zur Bestellung der ETR 470. Dies obwohl auch die ETR 460 nicht fertig erbaut waren.

Bei einem solchen Start, kann man nur Probleme erwarten. Vergleiche könnte man mit den Re 460 anstellen.

Diese hatten anfänglich auch grosse Probleme und kamen nicht so richtig in Schwung.

Beim ETR 470 versuchte man diese Gefahr mit einem speziellen als Treno Zero bezeichneten Zug etwas zu bannen und die meisten Probleme früh zu lösen. In Anbetracht der komplizierten Technik sicherlich keine schlechte Idee.

Wenn wir jedoch zu den anderen Herstellern blicken, erkennen wir, dass diese durchaus schnell auf die italienischen Hersteller aufgeholt hatten. So beschaffte man in Deutschland Neigezüge, die einen vergleichbaren Stellantrieb hatten und die auf vereinzelten Strecken in Deutschland die Fahrzeiten senken sollten. Diese mit Dieselmotoren ausgerüsteten Züge bewährten sich auf den Strecken, da diese dem italienischen Prinzip entsprachen.

Zudem zeigten die neuartigen mechanischen Stellantriebeb bei den Versuchsfahrten schon früh gute Ergebnisse, so dass es bei der Bestellung andere Möglichkeiten gegeben hätte. Der Vorteil der mechanischen Stellantriebe war, dass man auf Bauteile, die bei der Rüstungsindustrie verwendet wurden, zurückgreifen konnte. Die Ansteuerung für die Kastenneigung entsprach schliesslich dem Panzer Leopard II.

Hingegen war die junge Gesellschaft Cisalpino AG mit der Verteilung der Aktien zu sehr nach Italien orientiert. Ohne Zustimmung der FS ging in der Gesellschaft schlicht nicht mehr viel. Die anderen beteiligten Bahnen hatten kaum eine Chance, andere Anbieter bei der Bestellung ins Rennen zu bringen. Daher verwunderte es nicht, dass die Züge aus Italien kommen sollten. Der Cisalpino AG waren hier vermutlich sogar die Hände gebunden.

Dass mit dem Versuchszug keine ausgiebigen Ver-suchsfahrten am Gotthard gemacht wurden, lag am Charakter der Strecke. Wenn die Wirtschaft ein hoch hat, dann verdichten sich die Güterzüge auf der Strecke.

In Abstand von drei Minuten fuhren diese und da gab es keinen Platz für einen schnellen Neigezug. Dem Hersteller kam das gar nicht ungelegen, da so die Anzahl Fahrten mit dem Versuchszug verringert werden konnte.

Ein Fehler, den man bitter bezahlen musste. Ob man die vielen sich oft unmittelbar folgenden Kurven nicht sehen wollte, ist nicht bekannt. Fakt ist jedoch, die Strecke war schon immer für die vielen engen Kurven bekannt gewesen.

Deswegen wurden jene am Lötschberg auch etwas anders angeordnet. Ein Punkt, der ein seriöser Hersteller im Vorfeld abklärt und sich mit den damit verbundenen Problemen vertraut macht.

Schliesslich starteten die Neigezüge nach einer kurzen Probezeit mit sehr viel Öffentlichkeit. Wer unter einer solchen Überwachung startet, hat keine grossen Chancen, wenn sich Kinderkrankheiten bemerkbar machen. Schnell hat man eine schlechte Presse und muss kräftig an der Werbetrommel drehen um nicht ins Abseits gedrängt zu werden. Für eine junge Gesellschaft sicherlich nicht sehr einfach.

Mit zunehmender Betriebszeit bemerkte man schnell, dass die für Italien und das dortige Streckennetz ge-bauten Züge nicht unbedingt in die kurvenreiche Schweiz passten.

Die Züge mussten gerade die kurvenreichsten Strecken am Gotthard und am Lötschberg befahren. Das war für die Neigetechnik schlicht zu viel und so überhitzte diese sehr schnell. Der Zug hatten jedoch ohne diese Technik Probleme mit der Fahrzeit.

Die Zylinder waren insbesondere in der Leventina dauernd an der Arbeit. Ergänzt mit schnellen Wechseln der Seite, kam die Technik arg ins schwitzen. Genau das passierte, das Hydrostatiköl wurde warm, verlor die Viskosität und konnte so den Druck nicht halten.

War dann noch eine Dichtung nicht optimal, spritzte bei 315 bar das Öl aus der Leitung und der Druck fiel in sich zusammen. Jetzt konnte nur noch eine Zwangsbremse viel Unheil verhindern.

Dank einem knappen Bestand, war man damit beschäf-tigt, die defekten Züge wieder in Schwung zu bringen. So litt automatisch der reguläre Unterhalt, den man einfach nicht mehr ausführen konnte.

Mangelhafte Verfügbarkeit der Ersatzteile verschärfte das Problem zusätzlich. Man könnte sagen, dass die Teile so schnell defekt waren, dass die Lieferanten nicht mehr liefern konnten. Hingegen muss man diese auch bestellen.

So kam es, wie es kommen musste. Aus den Kin-derkrankheiten wurden dauerhafte Beschwerden. Das Ansehen der neuen Züge sank damit noch mehr. Immer wieder äusserte man sich über die Neigezüge negativ.

Keine leichte Aufgabe für die Arbeiter, die nach Mög-lichkeit die beste Arbeit lieferten und dann resigniert feststellen mussten, dass man gleich wieder flicken durfte. Frust machte sich so schnell breit.

Auch beim Fahrplan machten es die Bahnen der Cisalpino AG nicht einfach. So wurden die Züge in Italien oft als niederklassig eingestuft und mussten sogar den Regionalzügen folgen. Verspätungen waren dadurch an der Tagesordnung. In der Schweiz hatten die Züge schliesslich kaum Reserven, so dass diese Verspätung nicht aufgeholt werden konnte. So fehlte letztlich auch der Zug für die Rückfahrt. Ein Teufelskreis entstand.

Letztlich kämpften auch die Fahrgäste mit dem Zug. Immer wieder berichteten Leute, dass es ihnen im Neigezug schlecht würde. Da nur der ETR 470 fuhr, war klar, es muss an dem mangelhaften Triebzug liegen.

Erst die RABDe 500 der schweizerischen Bundes-bahnen SBB zeigten, dass es sich um ein Problem mit dem Innenohr handelte und nicht am ETR 470 lag. Jedoch hatte man sich auf den Zug einge-schossen und dabei sollte es bleiben.

Wer an der Seekrankheit leidet, weiss genau, wie schlimm das sein kann. Man sucht in der Not einen festen Fixpunkt, den es hier kaum gab. Doch waren die Reisenden mit den Kotztüten noch das ge-ringere Problem.

Auch Lokführer sind nur Menschen und können so auch Seekrank werden. Er fand keinen Fixpunkt und so musste er den Zug anhalten, weil es im schlecht war. Es zeigte sich, dass Neigezüge nicht so leicht eingeführt werden konnten.

Gerade die in der Schweiz eingesetzten RABDe 500 zeigten deutlich, dass auch Neigezüge optimal funktionieren können.

Zwar gab es auch dort anfänglich grosse Schwierigkeiten, die aber schnell behoben werden konnten. So funktionierten die mit einem mechanischen Stellantrieb ausgerüsteten Züge schnell sehr zuverlässig. Für den ETR 470 war das jedoch schlecht, da jetzt mit dem ICN verglichen wurde und dagegen schnitt er schlecht ab.

Will man diese beiden Züge jedoch direkt vergleichen, stellt man schnell fest, dass sie eigentlich nicht in die gleiche Generation der Züge gehören. So wurde der ETR 470 mit einer älteren Technik bestückt, die erst mit den mechanischen Antrieben und deren guten Funktion, als veraltet angesehen werden kann. Auch hier fehlte der Cisalpino AG vielleicht der Mut zur neuen Technik und damit zu einem fortschrittlicheren Zug.

Als ob das alles nicht genug war. Die in den beiden Ländern entwickelten und einge-führten Zugsicherungen vertrugen sich nicht. Gerade das neuere System RS4 der FS, reagierte mit Fehlern auf die Sender von ZUB 121.

Die Folge war, dass dieses ausgeschaltet werden musste. Warum ZUB 121 im Modus für Italien nicht durch die Steuerung deaktiviert wurde, ist wohl das Geheimnis des Her-stellers, der das hätte wissen müssen.

Je länger die ETR 470 im Einsatz mit den Problemen, die aus mangelhaftem Unterhalt und zu schwachen Teilen bestanden, zu kämpfen hatten, desto mehr verloren sie an Ansehen.

Die Bezeichnungen Pannolino und Schrottolino zeigen sehr gut auf, wo der allgemeine Bürger die Probleme des Zuges sah. Besser informierte Kreise sahen vielleicht noch die Bemühungen der Firma Cisalpino AG, die wirklich mit den Ersatzteilen kämpfte.

Die Schweiz, die sich eine nahezu perfekt funktionierende Eisenbahn leistete, konnte sich nie mit dem italienischen Zug anfreunden. So stellten die Fahrgäste schnell fest, dass im Wagen bestimmte Kanten nicht stimmten, die Tische etwas durchhingen und dass man schnell wusste, was für ein Geschäft auf dem WC verrichtet wurde. Zudem hatte die allgemeine Luft den typischen italienischen Charme, den auch nicht alle begrüssten.

So konnte sich bei den Leuten die grosse Liebe nie so richtig entfalten. Entweder hasste man den Zug oder man verteufelte ihn, wenn man ihn nur schon sah. So gab es gespaltene Lager bei den Fahrgästen. Jedoch war die Verteilung klar zu Gunsten der negativen Äusserungen. Will man einem Zug diese Deutung abnehmen, muss man ihn perfekter als perfekt betreiben. Das war bei der komplizierten und nicht besonders geeigneten Technik nicht leicht.

Die vielen Mängel, die der Neigezug während der Betriebszeit hatte, konnten nie endgültig gelöst werden. Immer wieder waren es andere Probleme, die dem Zug Schaden zufügten.

Kommt es dann bei einer ungewünschten Stelle zu einem Brand, kann man, ob man will oder nicht, dem Zug kein gutes Zeugnis ausstellen.

Nur, Brände bei Zügen gab es immer wieder und diese en-deten teilweise für die Züge folgenschwer.

So kann man dem Zug durchaus auch etwas Positives zugestehen, denn die Brände, die oft viel Rauch erzeugten, aber nicht an der Struktur Schaden anrichteten, waren glimpflich.

Passieren solche Vorfälle innert kurzer Zeit, werden schnell Forderungen gestellt, die natürlich nicht umgesetzt werden konnten. Wer stellt einen nahezu neuen Zug ab, der einfach mal mit einer Bremse Probleme hatte? Niemand, denn dann würden keine Züge mehr fahren.

Die relativ kurze Betriebszeit der Züge verhinderte, dass sie in eine umfassende Erneuerung kamen. Dort hätte man Mängel beseitigen können und womöglich ein gut funktionierendes Fahrzeug schaffen können. Nur kam es nicht dazu, weil die Schweizerischen Bundesbahnen SBB unter dem Kapitel einen Strich ziehen wollten. Weg mit den Zügen, die nur Sorgen machen und andere Lösung anbieten. Nur so leicht war das nicht.

Was die FS mit ihren Zügen machte, interessierte in der Schweiz niemand. Man liess verlauten, dass man sie in Italien einsetzen würde. Dort funktionierten die ETR 470 seit Beginn einwandfrei. Wenn dann eine etwas höhere Spannung und erst noch Wechselstrom kam, begann die Technik schwächen zu zeigen. Es war klar zu erkennen, dass man zwei Stromsysteme nicht so leicht verbinden konnte, denn das wurde hier noch versucht.

Persönlich gesehen kann ich dem Zug jedoch kein schlechtes Zeugnis ausstellen. Zwar konnte ich mich nie so richtig mit dem Aussehen anfreunden. Wobei hier sicherlich auch andere Meinungen zulässig sind.

Mich störten dabei die wenigen auf dem Dach vor-handenen Aufbauten und die Front, die nicht so recht zur Farbgebung passen wollte. Das sahen andere natürlich anders und man könnte hier lange diskutieren.

Meine Reisen mit dem Zug waren nicht selten und sie funktionierten immer und von Pannen oder ernsthaften Störungen bekam ich im Zug nichts mit. Dabei verkehrte der Zug in den meisten Fällen sogar pünktlich und kam auch rechtzeitig am Ziel an.

An die durchhängenden Tische gewöhnte man sich mit der Zeit und die Fugen, die nicht genau passten, tolerierte man. Als Reisender gelte ich jedoch durchaus als zufriedener Fahrgast.

Es gab bei mir aber auch die andere Seite, die als Berufsmann und die sieht dann immer wieder anders aus. Wer mit einem Güterzug im Bahnhof warten muss, weil sich weit hinten der verspätete Neigezug nähert, ist nicht voller Lob darüber.

Schliesslich hing nicht selten der Feierabend davon ab. Anders gesehen, konnte man aber auch zufahren, weil der Zug eben zu spät war und nicht vorgelassen werden muss.

Ab und zu bemerkte man die Störung des Zuges und dann stand alles still. Schliesslich passierte es gerade im einspurigen Abschnitt. Diese Wartezeit nervte immer wieder und wurde auch entsprechend kommentiert. Nur, man ist auch nur Mensch und der ist, wie der Neigezug vom Typ ETR 470 nicht ganz vollkommen. Aber im Gegensatz zu den unvollkommenen Menschen endete die Zeit der Neigezüge vom Typ ETR 470 jedoch recht schnell.

 

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