Im Bann des Gotthards

 

Dem Nebel werden oft mystische Eigenschaften nachgesagt, einen besseren Einstieg gibt es kaum

                       

Einleitung

Schon oft wurde ich gefragt, wo ich denn arbeite. Bei den SBB. Nur das reichte niemandem und so wurde nachgefragt, wo denn genau. Auf der Nord-Süd-Achse zwischen Basel und Chiasso. Es dauert dann nicht lange, bis es kommt. Ja, in dem Fall auf der Gotthardbahn! Ein Lokführer der Gotthardbahn, das ist etwas besonders. Nur, wenn wir ehrlich sind, gibt es seit 1909 keine Gotthardbahn mehr.

Nein, bevor mich meine Kollegen wütig beschimpfen, Lokführer am Gotthard sind nicht etwas besonders, sie sind nur ein wenig anders. Sie werden von den Leuten als etwas Besonderes betrachtet. Besonders in einem Jahr, wo diese Strecke ein Jubiläum feiert, wird man vom normalen Lokführer zum Gotthard-Lokführer, und zum Helden schlecht hin. Rein nur ein Gefühl der Leute, jedoch keine besonderen Fähigkeiten.

Nur, warum bloss begnügen sich die Leute nicht mit der Nord-Süd-Achse mit Basel und Chiasso. Kaum jemand meint dann, ach so, sie fahren von Italien nach Deutschland. Nein, jeder kommt immer mit aha, am Gotthard. Wir haben aber auch Strecken nach Basel in unserem Aufgabenbereich. Aber das interessiert niemanden, denn die ganze Sache wird einfach nur auf den Abschnitt Erstfeld – Biasca reduziert, den Gotthard.

 

Die erfolglose Suche nach dem Gotthard

Suchen musste ich nicht lange, ich fand den Gotthard schnell. Wer mit dem Auto von Basel durch die Schweiz fährt, kann auf der Autobahn A2 immer wieder Gotthard lesen. Aha, es muss einen Ort mit dem Namen Gotthard geben, warum sonst steht er auf den Wegweisern? Einen Gotthardtunnel gibt es, dann ist es ein Berg? Und eine Gotthardbahn wurde auch gebaut. Dann ist es wohl ein kleiner Staat?

Wie, Staat, Berg oder Ort. Jetzt wurde das Chaos aber gewaltig, denn ich kenne weder einen Ort, der Gotthard heisst, noch einen Staat. Gut, ein Berg könnte es dann noch sein, schliesslich gibt es ja auch eine Pilatus- oder eine Rigibahn. Das würde passen. Nur, dann passt der Wegweiser auf der Autobahn nicht mehr, denn nirgends habe ich einen Wegweiser Matterhorn gefunden.

Beim schreiben dieser Seite nahm ich eine sehr gute Karte der Schweiz und begann darin zu suchen. Doch plötzlich begann ich zu zweifeln, habe ich mich vertan oder habe ich eine schlechte Karte erwischt, denn nirgends war ein Gotthard zu finden. Auch beim gefunden Gotthardtunnel nichts, weit und breit kein Gotthard. Halt, es könnte ja sein, dass der ganze Spuk im italienischen Sprachgebiet zu suchen ist. Ein erneuter Versuch begann deshalb mit Gottardo.

Es hat geklappt, beim Dorf Duna wurde meine Suche belohnt. Duna, meine Geografiekenntnisse scheinen etwas eingerostet zu sein, wo liegt das. Einige Nachbarorte konnte ich erkennen, doch keiner der Namen half mir weiter und einen Tunnel gab es da auch nicht. Man kann ja zoomen, bis man fündig wird. Ich fand dann den Lago Maggiore und den Lago di Lugano. Ein guter Anhaltspunkt, doch bei diesem Duna ist nichts von einer Bahn zu sehen, und der Gottardo ist ja nur ein kleiner Fluss, der zufällig bei Duna vorbeifliesst.

Die Suche war wohl nichts, aber da ich mich schon öfter mit dem Gotthard befasst habe, fällt mir ein, dass die Sache auf italienisch doch san Gottardo heisst. Die Suche verlief noch schlimmer, kein Bach, kein Berg, einfach nichts. Es blieb leer auf meiner Karte. Es gab keinen Gotthard und keinen san Gottardo. Auf deutsch hatte ich nur einen Teil der Reuss und den Bahntunnel gefunden. Es schien keinen Gotthard zu geben, trotzdem meint alle Welt, dass es sogar einen Gotthard-Mythos gibt.

Ich suchte aber einen grossen Staat, eine Gemeinde oder einen Berg, schliesslich erwachsen um diese, Mythen und Geschichten. Wie, sie glauben mir nicht, dann denken Sie nur mal an die Reichenbachfälle. Dort soll Sherlock Holmes gestorben sein. Ein Mythos, der sich wacker hält, obwohl man weiss, dass dieser Holmes nur eine Romanfigur ist. So real diese Reichenbachfälle sind, so unmöglich gibt es einen Gotthard. Aber auch eine versunkene Stadt mit dem Namen Atlantis.

Das Internet, das globale Netzwerk wird ja wohl den Gotthard kennen. Aha, es gibt sogar ein regelrechtes Massiv, das Gotthard genannt wird. Jetzt habe ich etwas, um das ich einen Mythos aufbauen kann. Kein Berg, kein Staat und kein Ort, sondern ein richtiges Gebirgsmassiv. Vergleiche mit den Anden, dem Ural und den Rocky Moutains fielen mir ein.

Weiter las ich, dass dieses Massiv dank einem Pass seinen Namen erhielt. Der Gotthardpass gab den Namen. Die Berge hiessen Dammastock (3’630m), Oberalpstock (3’328m), Rheinwaldhorn (3’402m) und Pizzo Rotondo (3’192m). Kein Gotthard, nur diese vier Berge, die wohl kaum einer problemlos aufzählen könnte. Kein Schüler auf der Welt musste sie kennen, doch sie waren der einzige Anhaltspunkt. Doch niemand spricht von einem Damma-Mythos. Schliesslich ist er der höchste der vier Berge. Man kennt das Matterhorn, den Eiger und viele Berge wie die Rigi. Nur niemand spricht vom Dammastock, sondern nur vom Gotthard.

 

Das Gotthardmassiv

Ist das Gotthardmassiv das Zentrum der Alpen? Der höchste Punkt? Nein, der Höchste Punkt ist beim Mont Blanc in Frankreich. So hoch sind die Alpen beim Gotthardmassiv gar nicht. Trotzdem meinte man viele Jahre, dass hier der höchste Punkt der Alpen sein muss. Aber warum kam man denn nur auf diese Idee?

Es sind die Flüsse, die hier entspringen. Neben vielen kleineren Bachläufen, gibt es hier vier Flüsse, deren Namen vielen bekannt sind. Rhein, Reuss, Rhone und Ticino muss man nicht gross erklären. Was aber speziell an diesen Flüssen ist? Sie fliessen in alle vier Himmelsrichtungen ab. Letztlich erreicht einer davon mit dem hier schon gebrauchten Namen das Meer. Schliesslich heisst die Rhone hier noch Rotten. Erst später wird dann aus dem Rotten eine Rhone, die ins Mittelmeer fliesst.

Im Altertum glaubte man, dass das nur an der höchsten Stelle möglich sei, doch der Gotthard beweist, dass dem nicht so sein muss. Am höchsten Punkt war man nahe bei Gott. Der Mythos war geboren. Aber gerade hier am Gotthard scheinen die Alpen besonders schmal zu sein. Denn nur am Gotthard konnte man die Alpen mit einem Aufstieg überqueren. Das führte schon früh dazu, dass der Verkehr über den Gotthard stetig stieg. Dieser Pass muss den gläubigen Leuten wie ein Geschenk Gottes vorgekommen sein, woraus vermutlich auch der Name entstammt, aber das gehört auch zu den grossen Geheimnissen des Gotthards.

Der Pass wurde bekannt. Schnell bemerkten auch die Einwohner der Gegend, dass der Gotthard ein wichtiger Punkt in Europa sein muss. Einige mutige Männer fanden sich dann, an einem geheimen Ort mit dem Namen Rütli. Sie leisteten einen Eid, der sogar in einem Bundesbrief niedergeschrieben wurde. Geboren waren die Eidgenossen, die Urschweizer.

So eroberten die Eidgenossen die Südseite des Passes, so dass er gänzlich unter ihrer Herrschaft war. Spätestens jetzt wurde der Gotthard zum innersten der Schweiz, zum Herzen. Der Gotthard musste mit allen erdenklichen Mitteln verteidigt werden. Daran änderten auch die Jahre nichts, selbst bis zum Ende des kalten Krieges vor wenigen Jahren war der Gotthard die grösste Festung der Schweiz. Würde die Schweiz angegriffen, hätte man den Gotthard bis aufs letzte verteidigt. Der Mythos war besiegelt.

 

Der Gotthardpass

Schon die Römer kannten den Pass, jedoch nannten sie ihn noch Aduli Mons und die Schlucht der Reuss war nicht zu überwinden. Deshalb nutzten sie ihn nicht häufig. Nur Hannibal überquerte den Pass mit seinen Elefanten, was anscheinend auch die Geschichtsschreiber der damaligen Zeit beeinflusste.

Erst mit dem aufkommenden Handel wurde der Pass wichtiger. War über ihn doch ein einfacher Handel zwischen Nord und Süd möglich. Die Träger überquerten schwer beladen den Pass mit Pferden und Maultieren. Dabei verlangten dann die Eidgenossen überall Wegzölle und finanzierten sich so. Viele Leute verdienten hier gutes Geld. Jedoch war die Reise immer gefährlich und der Durchgang durch die Schöllenen das grösste Problem.

Der Teufel soll da die Brücke gebaut haben. Dies jedoch nur, nachdem er mit den Urnern einen Handel abgeschlossen hatte. Er forderte die erste Seele, die, die durch ihn erbaute Brücke überquert. So hatten die Urner eine Brücke auf deren einen Seite sie standen und auf der anderen Seite der Teufel wartete.

Ein Ziegenbock letztlich besiegelt die Pattsituation. Der Teufel hatte da jedoch andere Vorstellungen, so dass er die Brücke mit einem grossen Stein zerstören wollte. Doch der Stein verfehlte sein Ziel und landete bei Göschenen. Diese Mär aus der Urzeit hielt sich lange. Noch Heute kann der Teufel in der Schöllenen gesichtet werden und der Teufelsstein bei Göschenen ist ein Zeuge, dass das tatsächlich so gewesen sein könnte.

Nun stand dem Verkehr nichts mehr im Weg. Jedoch bietet die Schlucht der Reuss hier noch viel interessanteres, denn mitten im Herzen der Schweiz liegt Russland. Nicht das ganze grosse Reich, sondern nur ein kleiner Flecken Land mit einem Denkmal. Russischer Boden mitten im Herzen der Schweiz, General Suworoff machte es möglich.

Der Verkehr entwickelte sich erfreulich und mit den Jahren kamen auf den ausgebauten Strassen Postkutschen zum Einsatz. Die Reise in den Süden dauerte dabei mehrere Tage und die Querung des Gotthards war vor allem im Sommer einfach geworden. Der Winter blieb ein Problem und wegen den Lawinen auch gefährlich.

Die Eidgenossen von früher hatten Verbündete bekommen, so dass im Jahre 1848 ein neuer Staat entstanden ist, der nach einem der Urkantone genannt wurde. Die moderne Schweiz war geboren. Von nun an lag der Gotthard in der Obhut des neuen Bundesstaates.

 

Die Gotthardbahn im Bau

Als die Bahnen die Schweiz zu erobern begannen, kamen schon früh Gedanken auf, auch die Alpen damit zu durchqueren. Erste Ideen sahen eine Bahn über den Lukmanierpass vor. Niemand wollte sich an den Gotthard wagen. Doch, die Lukmanierbahn kam nie und schon früh wurde vom Gotthard gesprochen.

Alfred Escher aus Zürich war letztlich die Person, die der Gotthardbahn zum Durchbruch verhalf. Er war der unermüdliche Förderer der Bahn über den Gotthard. Von den Projekten wurde dann dasjenige gewählt, das einen Tunnel von knapp 15 Kilometern Länge vorsah. So ein langer Tunnel wurde bis dahin noch nie gebaut, geschweige denn mit Dampflokomotiven befahren.

Ein Industrieller aus Genf mit dem Namen Louis Favre erklärte sich letztlich bereit den Tunnel zu bauen. Der Vertrag war mörderisch, die Bedingungen waren so hart, dass sie nicht eingehalten werden konnten. Trotzdem unterschrieb Favre den Vertrag, der ihn letztlich ins Grab und seine Familie in die Armut treiben sollte.

Von beiden Seiten des Massivs wurde gegraben. Zuerst mit Hammer und Schaufel. Später dann mit Bohrmaschine und Sprengstoff. Die Arbeiter, die das Bauwerk bauten kamen aus Italien. Während sich die Italiener in Airolo gut eingliedern konnten, begegnete ihnen in Göschenen eine gewisse Ablehnung.

Die Angst der Einwohner in diesem Weiler war möglicherweise begründet, denn den knapp 200 Einwohnern stand plötzlich eine Armada von mehreren Tausend italienischen Arbeitern gegenüber. Die Angst, dass man die eigene Identität verlieren könnte, ist für Fremdenhass ein guter Nährboden. Das Fremde veränderte die Einwohner.

In Göschenen hatte die absolute Mehrheit eine italienische Muttersprache. Der Urner Dialekt verschwand fast gänzlich. Die Einheimischen wurden zur Minderheit. Wie es aber immer wieder der Fall ist, das einheimische Gedankengut überlebte, die Fremden passten sich an und wurden zu eingefleischten Schweizern. Einige von ihnen fürchten sich nun selber von den Fremden, die sie angeblich bedrohen.

Die Arbeiter auf der Baustelle wurden ausgenützt wo es nur ging. Das mit der harten und gefährlichen Arbeit verdiente Geld, mussten sie gleich in den firmeneigenen Läden und bei Miethaien abliefern, die die Betten gleich Schichtweise vermieteten. So konnte die Miete 3x kassiert werden und drei Arbeiter teilten sich ein Bett, das immer belegt war. Zum sparen blieb nichts mehr übrig. Eine gefährliche Situation, ein Pulverfass, das jeden Augenblick explodieren konnte. Jedoch gelang es Louis Favre überraschend gut, die Leute im Griff zu halten. Ja, sie vergötterten den Patron, der ihnen das Geld aus dem Sack zog.

Klar konnte das auf Dauer nicht gut gehen. Wer würde sich da nicht auflehnen. Das geschah auch und die Arbeiter legten die Arbeit nieder. Sie forderten bessere Arbeitsbedingungen. Wer kann sie nicht verstehen, denn schliesslich wollten sie nur überleben. Louis Favre war zu diesem Zeitpunkt nicht in Göschenen, so dass die anwesenden Bauführer mit der Situation überfordert waren und die Wogen nicht glätten konnten.

Sie baten dann den Kanton Uri zu Hilfe. Dieser, beziehungsweise dessen Regierung, war mit der Situation ebenso überfordert und entsandte, wie könnte es auch anders sein, eine Bürgerwehr, die der Situation nicht gewachsen war. Es kam wie es kommen musste, in Göschenen fielen Schüsse und einige Arbeiter fanden im Kugelhagel den Tod. Ein Aufstand, der blutig niedergeschlagen wurde. Alles nur, weil ein paar Arbeiter leben wollten und die Regierung mit diesem Wunsch überfordert war.

Erst Favre brachte die Arbeiter wieder zur Vernunft, so dass der Tunnel doch noch weiter gebaut wurde. Für Favre war aber klar, dass bei seinen Berechnungen etwas nicht stimmen konnte. Der Termin rückte immer näher und immer noch kämpften die Arbeiter mit dem harten Gestein. Kein Knall war von der anderen Seite zu hören, obwohl Favre davon überzeugt war, dass sie sich schon lange hätten treffen sollen.

Favre scheiterte dann persönlich am Gotthard, als er im Tunnel verstarb. Einer der wenigen, die im Tunnel einen natürlichen Tod fanden. Die meisten Opfer kamen bei Unfällen ums Leben. Letztlich als der Tunnel fertig war lautete die Bilanz knapp unter 200 Tote für nur einen einzigen Tunnel. Das gab es noch nie und hat es zum Glück auch nie wieder gegeben. Seither hält sich hartnäckig der Vorwurf, dass der Gotthard auf dem Blut der Arbeiter gebaut wurde.

Wenige Zeit nach dem Tod Favres hörten die Arbeiter einen Knall von der anderen Seite. Nun waren sie nicht mehr zu halten, sie bohrten und sprengten, alle Strapazen waren so kurz vor dem Ziel vergessen. Welche Freude muss wohl die Arbeiter erfüllt haben, als der Bohrer ins leere bohrte, weil da kein Fels mehr war, sondern die Tessiner Luft. Sogleich wurde der erste Mensch, der den Gotthard durchquert hat durch das Loch in den Süden geschickt, es war Favre auf einem Foto. Der widerspenstige Gotthard war bezwungen.

Der Tunnel wurde aber massiv teurer als geplant, so dass bei den Zufahrten gespart wurde, wo man nur konnte. Der Gotthard hat sich als härter erwiesen, als man das gedacht hatte. Die gigantischen Kostenüberschreitungen zwangen schliesslich auch Alfred Escher, die Gotthardbahn zu verlassen. Ein weiterer grosser Name war am Gotthard gescheitert, weil er von seinen Verbündeten im Stich gelassen wurde.

Die Bahn wurde fertig und es wurde mit einem grossen Fest die Vollendung gefeiert. Schliesslich erreichte am 1. Juni 1882 der Eröffnungszug Göschenen und im ganzen Freudentaumel vergassen alle, die, die am Gotthard verloren hatten. Keiner kümmerte sich um einen gescheiterten Alfred Escher, einen Louis Favre oder um die vielen toten Arbeiter. Die, die den höchsten Preis für das Projekt bezahlt hatten, wurden erst viel später geehrt.

Die Bahn veränderte das Tal der Reuss. Man reiste nun bequem im Zug durch die Alpen. Die Säumer verloren ihren Erwerb und mussten sich neuen Aufgaben stellen. Einer meinte sogar, dass er der letzte Postillion vom Gotthard sei. Er sollte sich irren, denn auch 125 Jahre später kann man den Gotthardpass gemütlich in der Postkutsche überqueren, den letzten Postillion am Gotthard gibt es immer noch.

Was war mit den Überlebenden des Baus? Viele zogen an andere Baustellen oder gingen nach Hause, wo sie dann an einer dem Gotthard zu verdankenden Krankheit starben. Opfer, die in keiner Statistik erwähnt werden und die bei allen Feiern immer wieder vergessen wurden. Andere blieben im Kanton Uri, weil sie hier die grosse Liebe gefunden hatten. Auch heute noch gibt es bekannte Urner, die einen italienisch klingenden Namen haben.

Die Gotthardbahn Heute

Im Laufe der Jahre wurde die Gotthardbahn ausgebaut, so dass es heute eine leistungsfähige Bahnstrecke ist, die sich im internationalen Vergleich nicht verstecken muss. Der Mythos vom Gotthard übertrug sich auf die Bahnlinie, die das Massiv unterquert.

Auf der ganzen Welt wird sie bewundert, die Linie, die auf die ungewöhnliche Weise um eine kleine Kirche fährt, die wohl ebenso bekannt ist, wie das Münster in Bern. Wie, Sie kennen das Münster in der Schweizer Hauptstadt nicht? Jedoch wussten Sie vom ersten Satz an, dass ich von der Kirche von Wassen spreche? Eine Kirche, die wohl zu einer der vielen Dorfkirchen in der ganzen Welt gehören würde, wenn ihr die Züge nicht dreimal die Aufwartung machen würden.

Ja, das kennt man, die Strecke, die so schön in die Landschaft gebetet wurde, dass sie an gewissen Stellen kaum zu erkennen ist. Die Linie, die so tollkühn durch zwei enge Gebirgstäler geführt wurde, dass man beinahe vom Meisterwerk schlechthin sprechen möchte. Auch heute hört man immer wieder „Guck mal, die Kirche von Wassen“. Aber, der Gotthard hat auch die andere Seite.

Tagtäglich überqueren schwere Güterzüge diese Strecke und lassen die Leute der Täler in der Nacht nicht in Ruhe schlafen. Andernorts wird der letzte Lokführer einer Strecke damit beauftragt, den Bahnhauptschalter zu betätigen und alles auszuschalten. Die Strecke ruht, bis am Morgen der erste Arbeiter erscheint. Nur, der Gotthard beginnt nun richtig zu arbeiten, zur Ruhe kommt er kaum.

Nachts, wenn man entlang der Bahn schlafen möchte, folgen sich die Güterzüge in Abständen, die bis auf 3 Minuten reduziert wurden. Ruhe ist da nicht zu erwarten. Klar, dass es Stimmen gibt, die diese Bahn am besten gleich und endgültig stilllegen würden. Aber, so gerne auch die Lokführer in der Nacht schlafen möchten, der Gotthard lässt sie nicht, und so wird gearbeitet, statt geschlafen.

Die Leute der Täler erhalten aber einen Verbündeten. Genau, der Gotthard hilft ihnen, denn durch die steilen Steigungen können die Züge nicht beliebig schwer formiert werden. Denn schon bei kleinen Lasten muss mit kräftigen Maschinen im Doppelpack gearbeitet werden. Ja, es kommt sogar soweit, dass am Schluss des Zuges noch eine Lokomotive eingereiht werden muss. Einen Güterzug mit 3 Lokomotiven gibt es in Europa nicht so schnell wieder, es sei denn, man wolle die Alpen überqueren.

Sind es auf der einen Seite die Lokomotiven, die gefordert werden, beginnen die Bremsen auf der Talfahrt zu schwitzen. Durch die Gefälle werden die Bremsbeläge der Wagen bis zu 200 °C warm. Einen Wert, der an anderen Stellen in Europa schon kritischer betrachtet wird. Am Gotthard gehört das zum Alltag. Nirgends in Europa werden die Bremsen der Wagen stärker belastet, als auf der Fahrt von Airolo nach Biasca. Verständlich, denn innerhalb von 45 Minuten werden 848.6 Höhenmeter überwunden. Das ohne die Hilfe eines Zahnrades, sondern nur mit den Bremsen der Lokomotiven und der Wagen, die auf einem schmalen Stück Eisen stehen.

So wie die Strecke tagtäglich den Ausnahmezustand testet, so bemühte man sich Jahrelang um einen ebenbürtigen Ersatz. Nicht weil sich die Bergstrecke nicht bewährte, sondern einfach weil man sie entlasten wollte. Man suchte nach Lösungen, die Jahrelang als unmöglich betrachtet wurden.

 

Die Gotthardstrecke in Bild und Ton

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Der lange Weg zum Basistunnel

Lang und steinig sollte er werden, der Weg zu einem Bauwerk, das die bisherige Bergstrecke in den Schatten stellen sollte. Schon früh stellte man fest, dass die einzige Lösung ein Tunnel sein sollte, der das Alpenmassiv unterquert. Dabei sollte das so flach wie nur möglich vollzogen werden.

Erste Pläne wurden erstellt, ja, es wurden Maschinen beschafft, die explizit für den Gotthard-Basistunnel angepasst wurden. Der Tunnel kam jedoch nicht und die Lok macht sich seither am Berg mehr als nur nützlich. Bitte sehr, sehen Sie sich doch die Lok an, die den Basistunnel erobern sollte. Ein Klick hier genügt.

Es sollte lange Jahre wieder ruhig werden, bis die Schweizer Regierung ein von vielen Leuten als blödsinnige Idee bezeichnetes Projekt vorstellte. Kern dieses Projekts waren zwei Alpentunnel von 34 und 57 Kilometer mit Zufahrtsstrecken. Einen Namen gab es auch schon, denn das ganze sollte unter dem Label Neue Eisenbahn Alpentransversale NEAT bekannt werden.

Während die Vertreter der Landesregierung für die neue Eisenbahnlinie Werbung betrieben, formierte sich der Widerstand. Oft kam es bei dieser Werbetour zu komischen Situationen. Beispiele dafür gibt es viele. Aber die besten sind jene, die bei der Eröffnung einer Doppelspur klar davon sprach, dass man diese neue Linie nicht mehr braucht, weil man einen Tunnel baue. Aber auch international wurde dafür Werbung betrieben.

So fuhr man mit den Verkehrsvertretern aus Europa zu einer kleinen Kirche im Herzen der Schweiz. Dort, bei den Toten der Gemeinde, sollte die Verkehrsproblematik der Schweiz erläutert werden. Während der Vertreter der Schweiz seine Ideen und Forderungen bekundete, vergnügten sich die Herren aus Europa an den Zügen auf der Gotthardbahn. Der Mythos hat zugeschlagen.

Jedoch wurde beharrlich für das Projekt gekämpft. Dabei wurde erst später festgestellt, dass die Tunnel, hauptsächlich der am Gotthard viel teurer werden, als geplant. Es mussten Sparmassnahmen ins Leben gerufen werden. Völlig ins Abseits gelangten die Zufahrten zu den neuen Alpentunneln. Wann die gebaut werden, weiss niemand, denn ein entsprechendes Projekt gibt es nicht mehr.

Die Arbeiten am Basistunnel begannen und der aufmerksame Betrachter stellt fest, dass sich die Zeit wiederholt. Immer teurer wird der Tunnel, immer mehr Geld fordern die Erbauer vom Besteller und der Bautermin wird schon lange nicht mehr erreicht. Der Gotthard stellt sich erneut quer. Und so soll der neue längste Tunnel der Welt im Jahr 2017 eröffnet werden, wenn sich nicht wieder jemand am Gotthard verrechnet hat.

 

Die Zukunft der Bergstrecke

Man kennt es, wenn eine neue Verbindung gebaut wird, verkommt das alte Bauwerk. Es wird nicht mehr benötigt und oft kommt der Abbruch. Die Kirche von Wassen wird dann wieder zu dem, was sie schon immer war, zu einer ganz normalen Dorfkirche. Kein Kind wird sie in der Schule auf der Karte suchen und sie steht in einem Tal, das kaum jemand kennt.

Aber, und das ist nun die Frage, die sich stellt, passiert das auch dem Gotthard. Ja oder Nein, welche Antwort Sie bekommen, hängt davon ab, wen Sie fragen. Während die einen von einem Ausbau träumen, beschleichen die anderen Alpträume mit dem Abbruch. Es werden Forderungen gestellt und man spricht von Schutz.

Muss man nun alles irgendwie schützen oder unter staatliche Aufsicht stellen? Nein, denn man soll auch mal vom alten Abschied nehmen und sich neuem zuwenden. Wer mag es den Bewohnern von Erstfeld, Silenen, Amsteg und all den anderen Gemeinden nicht gönnen, in Ruhe zu schlafen? Ein Recht, das Sie für sich beanspruchen, wollen auch die Leute im Kanton Uri.

Nein, die Gotthardstrecke wird gebraucht, denn wenn der Basistunnel gesperrt werden muss, müssen die Züge über den Berg fahren können. Die Strecke muss auf den aktuellsten Stand der Technik ausgebaut werden. Denn der neue Tunnel reicht bei weitem nicht aus.

Zwei Meinungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während bei den Fans, das Herz blutet, wenn sie sich nur die Zukunft ohne diese Strecke vorstellen müssten, beschleichen andere ungute Gefühle, wenn sie daran denken, dass die neue Strecke nicht ausreicht.

Auf wen kann man sich verlassen, muss man nun wirklich schnell handeln um diese Strecke zu schützen oder soll man damit zuwarten. Ideen, die Strecke als Weltkulturerbe von der Unesco bezeichnen zu lassen, kommen auf. Sehr zur Freude von vielen. Es gibt aber auch Kritiker. Denn, und das ist eine Tatsache, der man sich nicht verschliessen sollte, die Gotthardstrecke von Heute entspricht keineswegs mehr jener von 1882. Aber warum ist das so?

 

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Europa und die Gotthardbahn

Zuerst wollte ich hier den Titel „Die Gotthardbahn und Europa“ verwenden, doch der Mythos holte nun auch mich ein. Ich musste ändern, ob ich nun wollte oder nicht. Gut, man hat sich damit abgefunden, dass das Gotthardmassiv nicht das Zentrum der Alpen ist. Dann ist es das Zentrum von Europa. Sicher, man muss nur mit den entsprechenden Ecken messen und schon bringt man den Gotthard in die Mitte von Europa. Geografisch klappt das nicht so, wie wir es möchten.

Es ist so, jetzt glaube ich es auch, der Titel ist so richtig. Was wäre Europa ohne Gotthard? Ein Kontinent auf der Erde, der wirtschaftlich an der Weltspitze dabei ist. Nur, der Kontinent wird durch die Alpen in zwei Teile getrennt. So gibt es einen sonnigen und warmen Süden und einen kalten wasserreichen Norden. Solche gänzlich unterschiedliche Gebiete verursachen automatisch Verkehre in beide Richtungen.

Im Süden konnten im Frühling schon früh Früchte angebaut werden, die im Norden erst viel später oder gar nicht angebaut werden konnten. Der Norden hatte aber Wasser und dessen Kraft konnte zum Bau von Maschinen genutzt werden, welche dann die Gewinnung der Früchte vereinfachten. Dummerweise verhindern nun die Alpen, dass ein Handel zwischen den Gebieten aufkommen kann. Die Waren müssen mit Schiffen um den Kontinent herum transportiert werden.

Eine Schifffahrt ist schön, und wenn Sie schon mal auf einem Schiff über einen See gefahren sind und die Landschaft in ruhiger Fahrt an Ihnen vorbeigezogen ist. Im Güterverkehr gibt es aber Probleme. Die Früchte aus dem Süden bleiben nicht endlos lange geniessbar, aber die Schiffsreise ist lange und gefährlich. Vernünftig gehandelt werden konnte so nicht, denn die benötigten kurzen Verkehrswege fehlten.

Diese Feststellung ist nicht nur auf die Neuzeit zurückzuführen, denn schon im Altertum wurden Waren über die Alpen transportiert. Ein Handel fand statt, nur war der Fussweg mühsam und die Reise lang. Ein schwungvoller Handel konnte nicht ermöglicht werden. Bei den vielen Pässen der damaligen Zeit entwickelten sich diese Verkehre. Blieben die meisten davon jedoch nur mit regionalem Charakter oder verschwanden gar von der Bildfläche, wurde der Gotthard zum internationalen Handelsweg.

Die Pfade wurden zu Strassen ausgebaut, so kam der Handel zwischen Nord und Südeuropa langsam in Schwung. Einziges ernstes Hindernis blieben die Alpen und der Gotthard. Im Winter konnte kaum gehandelt werden. Mit aufkommender Industrie wurden zudem die gebauten Teile immer schwerer und der Transport über die steilen Strassen war nicht mehr möglich. Diese Bauteile mussten um den Kontinent herum geführt werden.

Als schliesslich in England die Eisenbahn erfunden wurde, war klar, diese Erfindung muss auch im restlichen Europa genutzt werden. Besonders der Beginn mit der Eisenbahn in der Schweiz zeigt deutlich, wie wichtig sie beim schnellen Güterverkehr war. Die Nord – Ost – Bahn NOB kennt kaum jemand. Aber die Spanischbrötlibahn ist in aller Munde.

Nur, warum wurde die Bahn denn zur Spanischbrötlibahn und nicht einfach zur NOB. Es war der Zweck des Bahnbaus. Die reichen Leute aus Zürich reisten zur damaligen Zeit gerne in die Bäderstadt Baden. Dort wurde ihnen ein spezielles Gebäck angeboten, die Spanisch-Brötli. Nach dem Bad in Baden vermissten die Zürcher jedoch dieses köstliche Gebäck, das nun mal in Baden, in einem anderen Kanton zu Hause war.

Die Reise nach Baden war jedoch mühsam, man musste stundenlange Fahrten mit der Kutsche absolvieren und der Grenzübertritt zwischen Aargau und Zürich benötigte auch seine Zeit, bis die Dokumente geprüft waren. Dieser Aufwand für nur ein paar Brötchen. Die Brötchen hätten ja nach Zürich reisen können, nur die Fahrt in der Kutsche bekam ihnen nicht.

Die Lösung war klar, man baut zwischen den beiden Städten eine Eisenbahn. Diese ermöglicht es den Leuten bequem nach Baden in die Bäder zu reisen. Gleichzeitig konnte der Zug aber auch die Spanisch-Brötli mit nach Zürich nehmen. Der Handel kam mit der Bahn erst richtig in Schwung, die Brötchen fanden den Weg zum Verbraucher.

Auf diesem Prinzip wurden dann die Wege mit der Bahn aufgebaut, und in einem Tal kam erst richtig Schwung in die Wirtschaft, wenn der erste Zug ankam. Es wurden viele Bahnen gebaut. Was nun in der Schweiz funktionierte, war im restlichen Europa schon lange im laufen, auch dort wurden schnelle Verkehrswege mit der Eisenbahn erstellt.

Es ging aufwärts mit Europa. Nur, dem endgültigen schwungvollen Handel fehlt am Schluss nur noch ein Teil. Die Fahrt durch die Alpen. Schon früh wurde geplant und wieder verworfen. Erstellt wurde letztlich die Gotthardbahn, welche dann den Handel zwischen Nord und Süd vereinfachte.

Daher kann ganz klar festgestellt werden, dass das Europa von Heute durch die Gotthardbahn geprägt wurde. Wäre die Linie noch nicht gebaut worden, sie müsste zwingend erstellt werden, damit man zwischen Nord und Süd schnelle Verkehre ermöglichen kann. Europa und die Gotthardbahn passt somit wunderbar. Nur, was ist nun mit meinem ursprünglichen Titel?

 

Die Gotthardbahn und Europa

Es ist eine Binsenwahrheit, wer etwas erstellt, verändert etwas. So auch hier. Durch den Bau der Gotthardbahn bekam Europa seine Verbindung in den Süden. Aber durch die Verbindung in den Süden bekam die Gotthardbahn ihren Verkehr. Es könnten nun alle so bis in alle Ewigkeit zufrieden sein. Europa hat den gewünschten Verkehrsweg und die Gotthardbahn den gewünschten Verkehr.

Nun stellt die Schweiz Europa einen neuen Verkehrsweg zur Verfügung, der den Verkehr noch weiter vereinfacht. Die Züge kommen mit den Gütern schneller in den Süden. Die beschwerliche Fahrt über die Alpen entfällt. Man hat eine flache Verbindung zwischen Nord und Süd.

Aber, die alte Strecke, die nun bedroht ist, darf nicht einfach in Vergessenheit geraten. Die Unesco soll für den notwendigen Schutz sorgen. Klar, die Unesco schützt wirtschaftlich bedrohte Gegenden und der Gotthard ist stark bedroht. Aber, was ist, wenn sich die Unesco gegen den Gotthard wendet?

Dann liegt der Ball klar bei Europa. Nachdem die Gotthardbahn Jahrelang im Dienst von Europa stand, dürfte sich Europa erkenntlich zeigen. Die Gotthardbahn wäre ein Anfang. Schaffen wir ein Europäisches Schutzlabel und beginnen damit bei der Gotthardbahn. Dabei sollen keine politischen Hindernisse in den Weg gestellt werden. Die Gotthardbahn gehört zu Europa, auch wenn sie nicht im politischen Europa zu Hause ist.

 

                       

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