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Für viele Leser kommt vermutlich nun der spannendste Teil. Doch
beginnen wir ganz am Anfang und das war der 26. April 1941. Nach einer
sehr langen Bauzeit, bei der man nach jedem bisschen Metall suchen musste,
konnte mit der Nummer 10 801 die erste
Lokomotive
der Baureihe Ae 4/6 ausgeliefert werden. Im Vorfeld wurde auch durch die
Schweizerischen Bundesbahnen SBB sehr viel Werbung für das neue
Meisterwerk gemacht. In einer Zeit, wo in Europa viele Menschen starben und in der Schweiz die Armee das zivile Leben übernommen hatte, war die in der Frühjahrssonne glänzende Maschine sicherlich ein Lichtblick.
Sie zeigte der Bevölkerung auch, dass es trotz der grossen Not im
Land weitergehen sollte und dass eine grossartige Zukunft zu er-warten
war. Dazu war das Wunderding auf den
Schienen
ideal. Kein Wunder war, dass es überall den Fotografen vorgestellt wurde.
Ein Besuch auf der Waage sollte zeigen, wie gut man gerechnet
hatte. Schliesslich mussten beim Bau überall Einsparungen vorgenommen
werden. Da
Lokomotiven
immer Achsweise gewogen wurden, erhielt man gleich die
Achslasten.
Bei den beiden
Laufachsen
wurden Werte von 13 Tonnen erfasst. Das war für eine Laufachse viel,
jedoch lag man mit dem Wert innerhalb der Vorgaben des
Pflichtenheftes,
was ein Erfolg war.
Bei den
Triebachsen
gab es innerhalb der vier
Achsen
leichte Unterschiede. Die
Achslasten
bewegten sich zwischen 19.7 und 19.8 Tonnen. Eine sehr geringe Differenz,
die durchaus gut war, denn es gab schon grössere Abweichungen. Auch hier
durfte man die Lasten 20 Tonnen nicht überschreiten. Damit war die
Maschine zwar schwer, hatte jedoch die geforderten Werte eingehalten. Eine
Freigabe für die
Streckenklasse
C war kein Problem mehr.
Jedoch war die
Lokomotive
nicht als Ausstellungsstück gebaut worden. Daher musste sie sich den
obligatorischen
Versuchsfahrten
stellen. Da die neue Lokomotive für das ganze Land vorgesehen war, fanden
die Versuche an unterschiedlichen Orten statt. Dazu gehörten neben dem
Gotthard auch schnell befahrene Linien im Mittelland. Beginnen wollte man
mit den Versuchsfahrten jedoch im neuen Heimatdepot der Lokomotiven
Erstfeld. In Erstfeld ging es an den Gotthard. Jetzt konnte die neue Maschine erstmals ihre Muskeln spielen lassen. Die Anforder-ungen waren gigantisch. Schon bei den ersten Versuchen stellte man fest, dass die Ausnutzung der Adhäsion nicht optimal war.
Auf trockenen
Schienen
konnten die ge-wählten Lasten oft nur mit sehr viel Mühe beschleunigt
werden. Bei Regen brach die
Zugkräft
jedoch gänzlich ein und man konnte nur mit Hilfe losfahren. Das war nicht erwartet worden, denn eigentlich hätte sich hier die Lokomotive von der besten Seite zeigen können. Die erforderliche Anfahrzugkraft war vor-handen und auch sonst hatte sie die Muskeln für einen solchen Kraftakt.
Doch viel war da nicht zu hohlen. Schaltete man zu, bäumte sich
die
Loko-motive
auf und die vorderste
Triebachse
drehte durch. Der
Schleuderschutz
ver-hinderte mit der Reduktion der
Zugkraft
schlimmeres.
Letztlich mussten die
Normallasten
der Baureihe Ae 4/6 reduziert werden. Bei führender
Lokomotive
wurden lediglich 375 Tonnen zugestanden. Verkehrte die Maschine jedoch
nicht an der Spitze eines Zuges im
Zwischendienst,
konnten die Normallasten auf 400 Tonnen erhöht werden. Es zeigte sich,
dass eigentlich mehr möglich gewesen wäre, aber das
Adhäsionsverhalten
bei nassen
Schienen
schlicht ungenügend war.
Ebenfalls am Gotthard wurden die Führungskräfte im
Gleis
erfasst. Diese waren wichtig, wollte man nach der
Zugreihe R
fahren. Jedoch konnte sich die Maschine auch hier nicht durchsetzen, denn
die radiale Einstellung des
Java-Drehgestelles funktionierte nicht so gut, wie bei den grossen
Schwestern der Baureihe
Ae 8/14. An eine
Zulassung
an die Zugreihe R war schlicht nicht zu denken. Das Ziel war somit nicht
erreicht worden. Hier muss erwähnt werden, dass die Führungskräfte durchaus mit jenen der Baureihe Ae 3/5 vergleichbar waren. Im Depot Erstfeld wo es enge Radien gab, mein-te man förmlich zu hören, wie das Gleis aufstöhnte und sich letztlich der Lokomotive fügte.
Am Gotthard klemmte die Maschine oft so sehr, dass sie mit
gelöster
Bremse
stehen blieb. Das fand in Gefällen bis 26‰ statt. Gar kein guter Wert, vor
allem dann, wenn man schneller um die
Kurven
will. Was man damals noch nicht erkennen konnte, waren die Kräfte in den Achsen. Befuhr die Maschine eine Kurve, würgte sich die führende Achse in die Kurve.
Dadurch gab es leichte Differenzen bei den Drehzahlen. Bei
Problemen mit der
Adhäsion
waren ähnliche Effekte zu erkennen, wenn ein
Rad
besser greifen konnte, als jenes auf der anderen Seite. So entstanden
innerhalb der
Achse
kräftige Torsionsbewegungen, die Scherkräfte erzeugten.
Die Ursachen für die Probleme mit den Kräften in den Steigungen
des Gotthards, erkannte man bei der Entlastung der vorlaufenden
Achsen.
Daher wurden die bestellten
Lokomotiven
der ersten Serie mit einem
Adhäsionsvermehrer
versehen. Jedoch fehlten der Lokomotive für die gigantische
Leistung
so Merkmale, wie eine
Tiefzugvorrichtung.
Erst diese erlaubte eine weitere Steigerung der
Zugkräfte,
die Reihe Ae 4/6 hatte hier sicherlich verloren.
Am 26. Mai 1941 kam dann bereits die zweite Maschine. Diese
verschob man vorerst nach Olten. Das sollte nur temporär der Fall sein,
denn die neue Baureihe sollte dem
Depot
Erstfeld anvertraut werden. Der schwere Unterhalt war in der Werkstätte
Bellinzona vorgesehen. Jedoch gab es bei Versuchen immer wieder
Verschiebungen. Je nach den anstehenden Versuchen, suchte man bei den
Schweizerischen Bundesbahnen SBB die passenden Strecken. Auf den geraden Strecken im Mittelland, insbe-sondere auf der Linie nach Biel, sollten die Ver-suche mit schneller Fahrt erfolgen. Das Programm war klar, denn erreicht werden sollten mit der Maschine Geschwindigkeiten von bis zu 140 km/h.
Das war
Höchstgeschwindigkeit
plus 10%. Am Gotthard wurden diese Werte damals schlicht nicht erreicht,
daher die Abwanderung ins flache Gebiet um Olten. Dazu konnte man nun die
zweite Ma-schine nutzen. Die Versuche fanden somit an zwei unterschied-lichen Orten statt. Daher konnten die ersten beiden Lokomotiven schlicht nicht in Vielfachsteuerung getestet werden. Die vorgesehenen Programme, brachten die beiden Maschinen nie so nahe zusammen, dass man die Kabel hätte auspacken können.
Daher musste man damit warten, bis eine weitere
Lokomotive
vorhanden war. Doch nun zum Pro-gramm im
Flachland und zu den hohen Geschwin-digkeiten.
Schnellfahrversuche beginnt man immer langsam. Dabei steigert man
die gefahrenen Geschwindig-keiten immer höher. Solche Fahrten werden auch
Hochtastfahrten genannt und sie sind nervig, so dass man diese gerne etwas
abkürzen möchte. Bei der Baureihe Ae 4/6 war das nicht anders und mit
etwas Mut, konnte man etwas schneller fahren, als das im Programm
vorgesehen war. Dabei war es wirklich eine Frage des Mutes.
Je schneller die
Lokomotive
fuhr, desto unruhiger lief sie. Das war eigentlich erwartet worden, jedoch
nicht in dem Ausmass. Bereits bei 100 km/h geriet die Maschine so ins
Schlingern, dass selbst den tapfersten Männern der Mut ausging. Höhere
Geschwindigkeiten waren so nicht zu erreichen. Wer damit 140 km/h fahren
wollte, musste zuvor sein Testament gemacht haben. Kritisch wurde es mit
der Rumpelkiste ab etwa 110 km/h. Die Nachforschungen ergaben, dass die Führung mit den beiden inneren Triebachsen einen sehr kurzen festen Radstand ergaben. Die Führung der Triebachse im Java-Drehgestell war ungenügend.
So kam es, dass diese
Achse
durch die hohe Geschwindig-keit zu einem Sinuslauf angeregt wurde. In der
Folge schüttelte und rüttelte die
Lokomotive.
Auch den
Schienen
gefiel dieses Verhalten natürlich nicht, denn der
Spurkranz
schlug immer wieder an die Schienen.
Durch die Schläge und
Es muss wirklich keine angenehme Fahrt mit der Maschine gewesen
sein. Da fand sich niemand, der auch nur ansatz-weise schneller gefahren
wäre.
Vorerst wurde die Baureihe Ae 4/6 für Geschwindigkeiten bis 100
km/h zugelassen. Zusammen mit der Industrie suchte man nach Lösungen für
dieses Problem. Eine Änderung des
Laufwerkes,
sollte die Lösung bringen, denn die 125 km/h waren kein Scherz, die hätte
man mit der
Lokomotive
wirklich erreichen wollen. Auf jeden Fall musste nachgebessert werden und
das sollte bei den nächsten acht Maschinen der Fall sein.
Mit der dritten
Lokomotive
kamen am 14. Juni 1941 erstmals zwei Ae 4/6 so nahe zusammen, dass es sich
lohnte die Kabel auszupacken. Es ging an den Test der
Vielfachsteuerung.
Eigentlich konnte man einen Lichtblick gebrauchen, aber hier war Neuland
betreten worden. Auf jeden Fall, war extrem viel zu verbinden. Drei
Leitungen, zwei Kabel und natürlich um nicht vergessen zu gehen, die
Kupplung,
die dafür sorgt, dass die beiden auch beisammenbleiben. Danach wurde das Gespann einge-schaltet. Vermutlich hielten sich einige die Ohren zu, weil sie nun den grossen Knall erwarteten. Jedoch war davon nichts zu hören. Die beiden Maschinen zeigten sich von der besten Seite und schalteten anstands-los ein.
Auch die ersten Fahrversuche im
Bahn-hof
stimmten zuversichtlich, denn so wie es aussah, das Ding mit dem Kabel
schien einwandfrei zu funktionieren. Ein Licht-blick der mühsamen
Testphase. Mutig ging es an den ersten Zug und damit die Rampe des Gotthards hoch. Das funktionierte und somit konnte man schnell der Vielfachsteuerung grünes Licht geben. Hatte man vorschnell gehandelt? War die Einrichtung wirklich gelungen? Fragen, die nicht beantwortet wurden.
Bei der Industrie hatte man in diesem Punkt wirklich gute Arbeit
geleistet, denn die späteren Probleme konnte man jetzt noch nicht
erwarten.
Bereits anlässlich der Versuche mit der ersten
Lokomotive
am Gotthard gingen deren Shunts zu den Wendepolen nach einer kräftigen
Bremsung in Flammen auf. Die
Feuerlöscher
verhinderten einen schlimmeren Schaden an der neuen Lokomotive. Als diese
Störung auch später erneut aufgetreten ist, wurde auch hier eine Änderung
bei der Konstruktion vorgenommen. Damit sollten die nächsten acht
Maschinen der Serie gut funktionieren können.
Als schliesslich am 31. August 1944 die erste Maschine mit dem
veränderten
Laufwerk
ausgeliefert wurde, war die Presse nicht mehr vorhanden. Die Leute hatten
andere Sorgen und die Fachpresse wunderte sich über eine Idee der
Direktion bei der BLS. Dort wollte man eine vierachsige
Lokomotive
hoher
Leistung
ohne
Laufachsen
und mit
Drehgestellen
beschaffen. Doch noch bestand diese
Drehgestelllokomotive
nur auf dem Papier und dort gab es viele wunderbare Maschinen.
Es ging wieder an Versuche. Nun musste die Maschine zeigen, was
sie konnte. Bei der Ausnützung der
Zugkraft
schnitt die Maschine auch trotz
Adhäsionsvermehrer
nicht besser ab. Im Gegenteil, sie schien schlimmer zu sein, weil sich der
Bock noch mehr aufbäumte. Die Baureihe Ae 4/6 hatte damit schlicht zu viel
Leistung
bekommen und diese konnten mit den vorhandenen Mitteln unmöglich auf die
Schienen
übertragen werden. Bis zur Idee mit der Tiefzugvorrichtung sollte es noch ein paar Jahre dauern, die Reihe Ae 4/6 konnte aber die unbändige Kraft schlicht nicht auf die Schienen bringen. Besonders wenn Petrus seine Schleusen geöffnet hatte.
Bei Regen rutschte die Maschine schlicht aus. Sand in rauen Mengen
sollte helfen, den nächsten rettenden
Tunnel
zu erreichen. Nur bis Gurtnellen war es sehr weit und die Tun-nel sehr
kurz. Mit Müh und Not erreichte man den
Bahnhof. Richtig Mitleid haben musste man mit dem Gleis. Die modi-fizierte Lokomotive setzte diesem kräftig zu. Ab und zu konnte man in der Lokomotive hören, wie Metall abgetragen wurde. In den engeren Radien ging kaum etwas.
Mit hoher
Zugkraft
konnte man den Bock zwar um die
Kurve
würgen. Wer abschaltete stand jedoch sehr schnell wieder still. Es klemmte
einfach überall und am Gotthard waren die älteren Maschinen sogar noch
besser. Die Maschine wurde für Versuche ins Mittelland verschoben. Jetzt ging es an die schnellen Fahrten. Mit gemischten Gefühlen steigerte man die Geschwindigkeiten über 100 km/h.
Jedoch schaltete der Lokführer schnell wieder ab, denn es bockte
und rumpelte zu kräftig. Es brauchte immer noch sehr viel Mut, denn viel
besser war die neue
Lokomotive
auch nicht. Man musste resigniert feststellen, dass die Baureihe Ae 4/6 zu
grosse Behinderungen hatte.
Das Zeugnis für die Konstrukteure der erfolgreichen
Lokomotivindustrie war nicht gut. Die Laufeigenschaften und das
Adhäsionsverhalten
mussten schlicht mit schlecht benotet werden. Weder die
Zugkraft
noch die Geschwindigkeit entsprachen annähernd dem
Pflichtenheft.
Ein gut bis sehr gut, konnte man der elektrischen Ausrüstung und der
Vielfachsteuerung
geben. Damit ging es nun aber mit der missratenen
Lokomotive
in den planmässigen Verkehr.
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