Druckluft und Bremsen

Letzte

Navigation durch das Thema

Nächste

Längst konnte bei einem Triebfahrzeug nicht mehr auf Druckluft verzichtet werden. Mit den elektrischen Modellen wurde diese sogar noch wichtiger, als das bei den Dampfmaschinen bereits der Fall gewesen war. Auch hier musste zur Sicherung des Vorrats die Druckluft auf dem Fahrzeug hergestellt werden. Genauer ausgedrückt wäre jedoch, dass die Druckluft unter dem Triebwagen hergestellt und gespeichert wurde.

Der für die Erzeugung von Druckluft benötigte Kompressor wurde am Boden des Kastens unmittelbar vor dem Dreh-gestell zwei eingebaut. Das hier verbaute Modell war neu und für die Baureihe Ae 3/6 I der Schweizerischen Bundes-bahnen SBB entwickelt worden.

Der grosse Vorteil dieses Kompressors war, dass er wenig Platz benötigte und dennoch die Leistung ausreichte. Das erlaubte es den Rotationskompressor unter dem Fahrzeug aufzuhängen.

Ein weiterer Vorteil dieses neuen Modells war, dass er deutlich weniger Vibrationen erzeugte, als das bei den älteren Kolbenkompressorn der Fall war.

Bei diesem zweistufigen Rotationskompressor wurde die vom Gerät angesaugte Luft in zwei Schritten verdichtet. Um zu verhindern, dass Schmutz in das System gelangen konnte, war in der Zuleitung ein feiner Filter eingebaut worden.

So gelangte saubere Luft in die ersten Kammer, wo ein Luftdruck von zwei bar erzeugt wurde. Erst in der zwei-ten Stufe wurde dann der Druck auf einen Wert von bis zu acht bar verdichtet.

Nach dem Kompressor gelangte die Luft in ein Leit-ungssystem. Wegen dem dort in den meisten Fällen vor-herrschenden geringeren Luftdruck wurde die vom Kompressor kommende Luft wieder entspannt. Als Folge dieser Entspannung wurde die Luftfeuchtigkeit ausgeschieden. Dieses Kondensat vermengte sich mit dem vom Rotationskompressor mitgerissenen Schmiermittel. Im Leitungssystem konnte diese Emulsion besonders im Winter gefährlich werden.

Um das Wasser zu entfernen war nach dem Kompressor ein Ölabscheider eingebaut worden. In diesem wurde die Emulsion aus der Luft genommen und in einem Behälter gesammelt. Im Unterhalt, konnte dann die Feuchtigkeit mit einem Ablasshahn entnommen und entsorgt werden. Weitere solche Hähne waren auch an anderen Stellen vorhanden. So konnte auch dort das Gemisch entnommen und dann entsorgt werden.

Die vom Kompressor kommende Leit-ung endete in den ebenfalls am Boden aufgehängten Luftbehältern. Dazu nutzte man den Platz zwischen den beiden Treppen zum Einstieg der Fahrgäste.

Diese Behälter sorgten dafür, dass ein grosses Volumen vorhanden war. Wurde kurzfristig viel Druckluft benö-tigt, konnte aus diesem Vorrat die Luft bezogen werden. Als Nebeneffekt kam es auch dazu, dass der Kompressor nicht dauernd lief.

Ein Problem war jedoch die Tatsache, dass vom Kompressor deutlich mehr Luft in die Leitung gelangte, als bezogen wurde.

In der Folge stieg der Luftdruck immer weiter an. Die Leistung des Rotations-kompressors war jedoch so gross, dass ein Wert erreicht werden konnte, der für die Bauteile gefährlich wurde. Im normalen Betrieb wurde dieses Problem durch die Steuerung verhindert, denn diese regelte den Luftdruck auf einem bestimmten Wert.

Es war jedoch möglich, die Steuerung zu überbrücken. In diesem Fall stieg der Druck immer mehr an. Damit die Leitungen nicht unkontrolliert platzten, war ein Überdruckventil eingebaut worden. Dieses öffnete sich, wenn der Luftdruck den eingestellten Wert von acht bar erreicht hatte. Damit entwich die Druckluft ins Freie und die Bauteile waren geschützt. Da das lautstark erfolgte, war auch ein Hinweis auf das Problem vorhanden.

Während bei der Zuleitung vom Kompressor ein Rückschlagventil vorhanden war, montierte man in den von den Hauptluftbehältern abgehenden Leitungen spezielle Absperrhähne. So konnte die sich in dem Behälter befindliche Luft gespeichert werden. Nötig war dies, weil der Triebwagen ohne Druckluft nicht eingeschaltet werden konnte. Das musste jedoch erfolgen, damit überhaupt die Druckluft erzeugbar war.

Da auch trotz den Absperrhähnen der Vorrat nicht gesichert war, musste eine andere Lösung für das Problem gefunden werden. Mit einer Handluftpumpe wurde die Druckluft für die wichtigen elektrischen Bauteile erzeugt. Damit nicht das ganze Leitungssystem gefüllt werden konnte, war die Pumpe direkt in der Zuleitung zum Stromabnehmer eingebaut worden. Damit sind wir aber bereits bei den Verbrauchern angelangt.

Auf dem Fahrzeug gab es zwei Hauptgruppen. Die meisten Baugruppen waren eher unempfindlich, bei Schwankungen des Luftdruckes. Andere Bereiche hingegen benötigten für die korrekte Funktion einem stabilen Luftdruck. Diese fanden sich in erster Linie bei der elektrischen Ausrüstung. Die vom Luftbehälter abführende Leitung wurde daher auf einen Druck von sechs bar reduziert. Bezeichnet wurde sie als Appa-rateleitung.

Bei der zweiten Leitung wurde der Druck nicht weiter aufbereitet. Hier waren die meisten Verbraucher angeschlossen. Bereits kennen gelernt haben wir die Sander und die Scheibenwischer. Jedoch gab es noch mehr Baugruppen, die an dieser einfachen Speiseleitung angeschlossen wurden. Es waren jedoch nicht nur die Bremsen, wie der damals verwendete Begriff «Speisung Bremse» vermuten lässt. Einige davon sehen wir uns an.

Wenn wir die hier angeschlossenen Baugruppen der elektrischen Ausrüstung ausklammern, dann blieben wirklich nur noch die Bremse. Wobei so schnell dürfen wir nicht zu diesen wechseln, denn auch an der Speiseleitung angeschlossen wurden die akustischen Signalmittel des Triebwagens. Diese müssen wir uns noch ansehen, erst dann können wir zu den Druckluftbremsen und somit zum grössten Verbraucher wechseln.

Als akustisches Signalmittel wurde über jedem Führerstand auf der Seite des Lokführers eine einfache Pfeife montiert. Diese Lokpfeife stammt noch von den alten Dampflokomotiven und sie erzeugte je nach Luftdruck einen leiseren oder lauteren Klang. Auch die Tonlage veränderte sich so. Wie das Klangbild aussah, war in den meisten Fällen vom Geschick des Lokführers und von der aktuellen Situation abhängig.

Musste voller Panik ein auf das Gleis verirrtes Tier verscheucht werden, dann wurde die Lokpfeife mit dem maximalen Luftdruck betrieben. Auch wenn nun ein lauter Ton vorhanden war, gegenüber den Dampflokomotiven war der Triebwagen deutlich leiser unterwegs. Der Grund fand sich beim Luftdruck, der tiefer war, als das beim Dampfdruck vorhanden war. In den meisten Fällen wurde aber mit der Tonfolge gespielt.

Mit der unterschiedlich lauten Lokpfeife haben wir es endlich geschafft und wir können zu den Bremsen wechseln. Die Druckluftbremsen des Triebwagen waren die grössten Verbraucher und gerade hier konnte es sein, dass kurzfristig viel Luft benötigt wurde. Daher auch die Vorratsbehälter, denn mit fehlendem Luftdruck arbeiteten die Bremsen nicht mehr korrekt. Es lohnt sich also, dass wir in diesem Bereich etwas genauer hinsehen.

Eingebaut wurde die Doppelbremse nach Westinghouse. Damals waren solche Systeme bei Lokomotiven, aber auch bei den Reisezugwagen üblich. Bei dieser Doppelbremse waren jedoch zwei unterschiedliche Bremssysteme enthalten. Neben der direkt wirkenden Regulierbremse kam noch die Westinghousebremse zum Einbau. Diese war auch dafür verantwortlich, dass von der Doppelbremse gesprochen wurde.

Wir beginnen die Betrachtung der beiden von Westinghouse gelieferten Bremsen mit der einfacher aufgebau-ten Regulierbremse. Diese Bremse wirkte direkt auf den Bremszylinder.

Wurde beim entsprechenden Brems-ventil der Luftdruck in der Leitung erhöht, hatte das unmittelbar den glei-chen Effekt beim Bremszylinder, der so ausgestossen wurde.

Reduzierte sich der Druck wieder, verringerte sich auch die Bremskraft.

Das hier verwendete Regulierbrems-ventil erlaubte es den Luftdruck in der Leitung sehr genau einzustellen.

Maximal konnte jedoch ein Wert von 3.5 bar im Bremszylinder erreicht werden. Die Möglichkeit den Luftdruck genau einzustellen, gab dieser direkt wirkenden Bremse auch den Namen Regulierbremse und sie war nicht nur auf dem Triebwagen verfügbar. Es war eine Bremsleitung, die auch durch die Wagen geführt wurde.

Damit das möglich war, wurde die Regulierleitung zu den beiden Stossbalken geführt. Dort teilte man diese und letztlich endete die Leitung in einem am Balken montierten Absperrhahn. An diesem wiederum war der Luftschlauch mit dem bei dieser Bremseinrichtung verwendeten Kupplungen vorhanden. Speziell war, dass damals die ersten Schläuche mit Rückschlagventil kamen, aber zur Sicherheit der Hahn immer noch vorhanden war.

So einfach die Regulierbremse im Aufbau auch war, sie hatte ein Problem. Kam es zu einer Zugstrennung, konnte nur noch das Triebfahrzeug gebremst werden. Bei den Wagen wurde die Leitung entleert und damit die Bremse gelöst. Die Folgen waren von der Neigung abhängig, aber es war in jedem Fall sicher, dass es zu einem Unglück kommen würde. Daher musste eine Sicherheitsbremse verbaut werden.

Diese Sicherheitsbremse wurde durch das zweite Bremssystem erzeugt. Die-se wurde als Westinghousebremse be-zeichnet und sie arbeitete mit einer Leitung, die als Hauptleitung bezeich-net wurde.

Um diese automatische Bremse jetzt lösen zu können, musste diese Leitung mit Druckluft befüllt werden. Dazu war im Führerstand ein Bremsventil vorhanden.

Mit der von der Speiseleitung bezo-genen Druckluft wurde ein Luftdruck von fünf bar erzeugt.

Auch die Hauptleitung wurde durch den Triebwagen zu den beiden Stoss-balken geführt und dort geteilt.

Wie schon bei der Regulierbremse war hier am Balken ein Absperrhahn vor-handen. Geändert wurde jedoch die am Luftschlauch befindliche Kupplung. Diese besass einen Bajonettverschluss, der die Leitung bei einer Zugstrennung ohne Schaden trennte. Da hier keine Rückschlagventile vorhanden waren, entleerte sich die Hauptleitung.

Mit dem Druckabfall wurde schliesslich die Bremskraft erzeugt. Das war jedoch nicht auf dem direkten Weg üblich und daher sprach man hier von einer indirekten, oder automatischen Bremse. Wir haben nun das Problem, dass in einer sich leerenden Leitung Druckluft für den Bremszylinder gewonnen werden musste und daher war zwischen der Hauptleitung und dem Zylinder ein Steuerventil eingebaut worden.

Fiel der Luftdruck in der Hauptleitung, steuerte dieses Ventil um und so konnte die in einem Hilfsluftbehälter enthaltene Druckluft in den Bremszylinder strömen. Maximal konnte so in dem Zylinder ein Wert von 3.9 bar erreicht werden. Stieg jedoch der Luftdruck in der Hauptleitung wieder, steuerte das Ventil erneut um und die Bremse wurde gelöst. Das erfolgt unabhängig vom in der Hauptleitung vorhandenen Druck.

Es handelte sich daher um ein einlösiges Steuerventil von der Firma Westinghouse und aus diesem Grund wurde auch von der Westinghousebremse gesprochen. Zusammen mit der Regulierbremse entstand die Doppelbremse. Jedoch stellt sich uns die Frage, wie hier wieder eine Bremsung erzeugt werden konnte, wenn kurz zuvor die Bremse gelöst wurde. Das musste möglich sein, denn nur so können wir bei dieser Bremseinrichtung von einer Sicherheitsbremse sprechen.

Der maximale Luftdruck im Bremszylinder wurde bereits erreicht, wenn die Hauptleitung  um 1.5 bar abgesenkt wurde. Entleerte sich diese Leitung nach dem Lösevorgang jedoch wieder, steuerte das Ventil erneut um und es stand die volle Bremskraft wieder zur Verfügung. Jetzt musste das Bremssystem jedoch vor der Fahrt aber wieder aufgefüllt werden und dieser Effekt führte dazu, dass mit dieser Bremse keine Abstellung möglich war.

Mit der Lösung das Fahrzeug auch ohne die Druckluft zu bremsen, sind wir aber in den Bereich der mechanischen Bremsen gekommen. Dazu wurde am Bremszylinder ein Bremsgestänge angeschlossen. Dieses Gestänge konnte jedoch mit der im Führerstand vorhandenen Handbremse auch bewegt werden. So konnte die Bremse auch ohne Druckluft angezogen werden und das galt ausschliesslich für das benachbarte Gestänge.

Bei jedem Drehgestell war ein eigener Bremszylinder mit dem Gestänge vorhanden. Das führte dazu, dass mit der Handbremse alle damit versehenen Achsen an der Drehung gehindert werden konnten. Das wurde durch die an diesem Bremsgestänge angeschlossene Klotzbremse vorgenommen. Diese besass bei jedem Rad der Triebachsen zwei Bremsklötze, die durch die Kraft im Bremsgestänge gegen die Lauffläche gepresst wurden.

Da die Bremsklötze aus Grauguss aufgebaut wurden, kam es bei der Reibung zur Situation, dass die Klötze und nicht die Bandage abgenützte. Der Abrieb wurde als Bremsstaub um das Fahrzeug verteilt.

Dabei konnten auch hohe Temperaturen entstehen, denn jetzt wurde die Reibung ja nicht mit einer Schmierung verringert und daher waren diese Bremsfunken glühend heiss. Jedoch kühlten sie auch schnell wieder aus.

Die Abnützung der Bremsklötze hatte nun aber ein Problem. Der Weg, der benötigt wurde vergrösserte sich mit zunehmender Abnützung immer mehr. Das hatte zur Folge, dass die Bremswirkung schlechter wurde.

Um diesen Effekt zu verhindern, war im Bremsge-stänge ein Gestängesteller vorhanden. Dieser konnte jedoch nur im Unterhalt nachgestellt werden. Daher musste der Triebwagen regelmässig in ein Depot ge-stellt werden.

Ein weiteres Problem der Klotzbremse bestand darin, dass diese nach dem Wegfall der Bremskraft nicht von der Lauffläche gehoben wurde. Auch wenn nun keine Kraft mehr vorhanden war, die Reibung war immer noch hoch genug.

Die Bremsklötze wurden erwärmt. Wurde das nicht verhindert, konnte die Hitze so gross werden, dass der Triebwagen in Brand geraten konnte. Beim hier verbauten Holz war das nicht gut.

Um die Bremsklötze sicher von Rad abzuheben, war beim Bremszylinder eine als Rückholfeder bezeichnete Feder vorhanden. Diese wirkte nicht nur, wenn der Bremszylinder entlüftet wurde, sondern auch, wenn die Feststellbremse gelöst wurde. Der Grund war das gemeinsame Bremsgestänge. Eine Lösung, die seit Jahren sehr erfolgreich umgesetzt wurde und daher hatte der Triebwagen eine damals übliche Bremse erhalten.

Abgebremst werden konnten jedoch nur die vier Triebachsen. Die hier noch verbaute Laufachse war hingegen ungebremst. Das war nicht besonders, denn in der Schweiz waren Laufachsen grundsätzlich nicht gebremst. Speziell war hier nur, dass die Laufachse durchaus ohne grosse Probleme auch mit einer Bremse hätte versehen werden können. Es war also nur der Grundsatz, der verhinderte, dass alle Achsen gebremst wurden.

 

Letzte

Navigation durch das Thema

Nächste
Home SBB - Lokomotiven BLS - Lokomotiven Kontakt

Copyright 2024 by Bruno Lämmli Lupfig: Alle Rechte vorbehalten