Druckluft und Bremsen

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Es gab im System für die Druckluft zwischen den Lokomotiven der Baureihe Re 4/4 leichte Unterschiede. So wurden bei den Maschinen mit den Nummern 427 bis 450 nicht benötigte Leitungen entfernt. Jedoch bewirkten diese Anpassungen im Leitungssystem der Lokomotive keine grossen Veränderungen. Daher lohnt sich ein genauer Blick auf dieses System, das jedoch nur funktionierte, wenn Druckluft vorhanden war.

Erzeugt wurde die Druckluft in einem im Maschinenraum eingebauten Kompressor. Dieser Kolbenkompressor ent-sprach dem auf der Baureihe Ae 4/6 verwendeten Modell. Dieser Luftpresser wurde über eine automatische Regel-ung betrieben, so dass der Luftvorrat immer wieder er-gänzt wurde.

Dabei verdichte dieses Modell in Zylindern die Luft und entliess sie nachher in die angeschlossenen Leitungen. Dort verflüchtigte sich der Druck, wegen dem grösseren Volumen, jedoch wieder.

Da der Druckabfall dafür sorgte, dass die verdichtete Luft Feuchtigkeit ausschied, musste diese aus den Leitungen entfernt werden. Daher leitete man die Luft nun an einem Wasserabscheider vorbei.

Dort benetzte die Feuchtigkeit Bleche, womit das Wasser, wie auch enthaltene Schmiermittel, in den darunter mon-tierten Behälter floss. Dort konnte die Emulsion beim Un-terhalt in einer Werkstatt abgelassen und anschliessend entsorgt werden.

Einen Schutz bot das in der Leitung vom Kompressor eingebaute Überdruckventil. Dieses öffnete sich, wenn der Druck im Leitungssystem auf einen Wert von mehr als zehn bar anstieg. Fiel dieser wieder unter diesen Druck, schloss das Ventil wieder. Speziell war, dass wegen dem in der Leitung eingebauten Rückschlagventil nur die Leitung vom Kompressor betroffen war. Bei den Maschinen 401 bis 426 hätte daher in den Leitungen theoretisch ein höherer Druck vorhanden sein können.

Gespeichert wurde die Druckluft vom Kompressor in den zwischen den beiden Drehgestellen montierten Hauptluftbehältern. Diese bildeten einen Speicher, so dass der Kolbenkompressor nicht dauernd arbeiten musste. Jedoch waren diese Behälter auch dazu vorgesehen, dass die Druckluft bei abgestellter Lokomotive gespeichert werden konnte. Damit das funktionierte, mussten Absperrhähne in den beidseitigen Leitungen montiert werden.

Die Position der Hauptluftbehälterhähne war unterschiedlich ge-löst worden. Bei den Lokomotiven mit den Nummer 401 bis 426 befanden sie ich im Maschinenraum am zentralen Luftgerüst.

Bei den jüngeren Maschinen mit den Betriebsnummern 427 bis 450 befanden sie sich jedoch wieder, wie bei den älteren Bau-reihen, aussen unter dem Kasten im Bereich der Hauptluftbe-hälter. Auf die Funktion hatte das jedoch nur eine unterge-ordnete Auswirkung.

Das Luftgerüst der Baureihe Re 4/4 war eine Neuerung, die bei der Maschine der Reihe Ae 4/6 eingeführt wurde und weiterver-folgt werden sollte.

Sämtliche nicht an einen bestimmten Ort gebundenen Bauteile der Druckluft wurden an diesem Gerüst montiert. Bei Störungen des pneumatischen Systems musste das Lokomotivpersonal nur noch dieses Gerüst kontrollieren. Absperrungen und Abtrenn-ungen waren anhand der Stellung der Bedienhebel schnell zu finden.

Die von den Hauptluftbehältern entnommene Leitung wurde als Speiseleitung bezeichnet. Ihr Druck schwankte zwischen acht und zehn bar. Angeschlossen wurden hier Verbraucher, die nicht an einem bestimmten Druck gebunden waren.

Neben den Bremsen und der Sandstreueinrichtungen, waren diese Baugruppen der Hauptschalter und die Pfeife der Lokomotive. Letztere klang daher je nach Luftdruck in den Leitungen etwas anders. Wobei das Klangbild der Schweiz vom Lokführer erzeugt wurde.

Bei den Maschinen mit den Nummern 401 bis 426 wurde die Speiseleitung auch zu den beiden Stossbalken geführt und dienten so der Versorgung des Steuerwagens. Wobei diese bei den Maschinen, die ohne die Einrichtung zur Vielfachsteuerung ausgeliefert wurden, anfänglich noch nicht vorhanden war. Daher wurde die Leitung damals wirklich nur bei den Baureihen benötigt wurden, die vielfachgesteuert werden konnten.

Am Stossbalken verzweigte sich die Leitung, so dass zwei Schläuche vorhanden waren. Diese Luft-schläuche besassen unmittelbar beim Stossbalken ein-en weiss bemalten Absperrhahn. Auch die Kupplung-en, die in Halterung gehalten wurden, waren mit weisser Farbe bemalt worden.

So sollte verhindert werden, dass diese Leitung mit jener der Bremsen verwechselt wurde. Eine Verbind-ung wurde jedoch durch die unterschiedlichen Kupp-lungen verhindert.

Fehlte bei den Lokomotiven mit den Nummern 401 bis 426 die Druckluft, konnte der Vorrat, sofern eine pas-sende Maschine vorhanden war, über die Speiseleitung ergänzt werden.

Wichtig war dies, weil ohne Druckluft der Stromab-nehmer nicht gehoben werden konnte. Bei den Mo-dellen mit den Betriebsnummern 427 bis 450 blieb je-doch nur noch die unbeliebte Handluftpumpe übrig. Diese Pumpe werden wir später noch genauer an-sehen.

Über ein einfaches Reduzierventil wurde die Appara-teleitung an der Speiseleitung angeschlossen. Diese Leitung arbeitete mit einem Druck von sechs bar, der zudem stabil gehalten wurde.

Angeschlossen wurden hier einige mit Druckluft be-triebene Bauteile der elektrischen Ausrüstung. Dazu gehörten auch die beiden auf dem Dach montierten Stromabnehmer. Daher wurde für den Hebevorgang derselben, Druckluft von sechs bar benötigt.

War die Druckluft auf der Lokomotive nicht vorhanden, konnten die Stromabnehmer nicht gehoben werden. Damit war es nicht möglich die Maschine einzuschalten und so Druckluft zu erzeugen. Aus diesem Grund wurde in der Zuleitung eine Handluftpumpe eingebaut.

Mit dieser konnte von Hand ein Stromabnehmer gehoben werden. Ein Rückschlagventil verhinderte, dass in diesem Fall die komplette Leitung gefüllt werden musste. Trotzdem ein unbeliebte Tätigkeit für das betroffene Personal.

Zu den wichtigsten Verbrauchern der Druckluft gehörten jedoch die pneumatischen Bremsen. Von diesen gab es auf den Lokomotiven dieser Baureihe nicht weniger als drei unterschiedliche Varianten. Dabei war die Schleuderbremse noch sehr einfach aufgebaut, denn sie versorgte die Bremszylinder lediglich mit einem Druck von 0.8 bar. Mehr war da nicht mehr, denn dazu waren die beiden anderen Bremssysteme vorhanden.

Bei den vollwertigen Bremssystemen der Lokomotive gab es eigentlich keine grossen Überraschungen. Das galt insbesondere für die auf allen Maschinen vorhandene Regulierbremse. Diese direkte Bremse nach Westing-house arbeitete mit einem Druck von maximal 3.5 bar und sie wurde zu den Stossbalken geführt. Dort hatte die Regulierbremse ebenfalls zwei Schläuche, die spezielle Schlauchkupplungen mit Rückschlagventilen besassen, erhalten.

Dank den an den Stossbalken angebrachten Luftleitungen der Regulierbremse konnten auch angehängte Reisezugwagen abgebremst werden. Diese Bremse konnte jedoch auch, als von den Wagen unabhängige Bremse verwendet werden. War der Zug jedoch damit ausgerüstet, konnte die Regulierbremse auch als Betriebsbremse bei Fahrten in langen Gefällen verwendet werden. Jedoch war bei diesem Bremssystem keine Sicherheitsfunktion vorhanden.

Die Bremse mit der Sicherheitsfunktion funktionierte mit einer als Hauptleitung bezeichneten Leitung und wurde als automatische Bremse bezeichnet. Diese Leitung wurde zu den beiden Stossbalken geführt und stand dort in jeweils zwei Schläuchen zur Verfügung. Zur Kennzeichnung der Hauptleitung wurden die Absperrhähne und die Kupplungen mit roter Farbe gekennzeichnet. Umgekehrte Kupplung verhindern zudem das Risiko der Verwechslung mit der Speiseleitung.

Gefüllt mit dem Regeldruck von fünf bar wurde die Hauptleitung der auto-matischen Bremse ab einem Brems-ventil, das als Führerbremsventil be-zeichnet wurde.

Eine Entleerung der Leitung war durch die Sicherheitssysteme, das Brems-ventil und die Hauptleitung immer möglich. Jedoch konnte die Leitung nur durch das aktive Führerbrems-ventil gefüllt werden.

Die Bedienung dieser Leitung wird in einem anderen Kapitel vorgestellt wer-den.

Damit mit der automatischen Bremse eine Bremsung eingeleitet werden konnte, musste auf der Lokomotive ein spezielles Steuerventil verwendet werden.

Dabei kam hier jedoch nicht das auf der Baureihe Ae 4/6 sehr erfolgreich eingeführte Lst 1 zu Anwendung. Vielmehr verwendete man bei der Reihe Re 4/4 zur Reduktion der Ersatzteile ein Steuerventil das von den Leichtstahlwagen übernommen wurde. Es war daher ein Wagensteuerventil, das hier eingesetzt wurde.

Der Vorteil dieses Steuerventils war die Tatsache, dass es alle erforderlichen Drücke der neuen Hochleistungsbremse erzeugen konnte. Nachteilig war, dass mit diesen Steuerventilen jedoch nicht alle Versionen erzeugt werden konnten. So besass die Lokomotive der Baureihe Re 4/4 keine Güterzugsbremse. Mit fehlender G-Bremse und dem Wagensteuerventil, mutierte die neue Maschine jedoch vermeintlich zu einer halbherzigen Lokomotive.

Obwohl das Steuerventil von den Leichtstahlwagen übernommen wurde, waren bei den jeweiligen Bremsen auf der Lokomotive andere Drücke vorhanden. Bei der üblichen P-Bremse bedeutete dies, dass maximal 3.6 bar in die Bremszylinder geleitet wurden. Dieser Druck in den Bremszylindern reichte jedoch nur im unteren Bereich der Geschwindigkeiten für eine ausreichende Bremsung mit der Lokomotive dieser Bauart.

Fuhr die Lokomotive schneller, aktivierte sich ab 60 km/h die R-Bremse. Diese Bremse erhöhte den Druck in den Bremszylindern auf 6.8 bar. Da der Druck jedoch höher als jener der Hauptleitung war, musste das Steuerventil wegen der R-Bremse auch an die Speiseleitung angeschlossen werden. Unter 50 km/h wurde die R-Bremse automatisch deaktiviert und es wirkte wieder die übliche Personenzugsbremse. Diese Bremse entsprach daher jener der Baureihe Ae 4/6.

Speziell war die Situation nur, wenn die Lokomotive geschleppt verkehrte. Die nun als Wagen funktionierende Maschine konnte für die R-Bremse nicht mehr genug Druck erzeugen, da nur die Hauptleitung zur Verfügung stand. Aus diesem Grund durfte in diesem Fall nur die übliche Personenzugsbremse angerechnet werden. Das war klar ein Unterschied zu den Leichtstahlwagen, wo die R-Bremse lediglich die Hauptleitung benötigte.

Sämtliche pneumatischen Bremsen wirkten auf die gleichen zwei Bremszylinder. Dabei war die Zuleitung so aufgebaut worden, dass immer das stärker wirkende Bremssystem angewendet wurde.

So konnten Bremsungen der Regulierbremse ohne grosse Probleme mit der automatischen Bremse über-lagert werden. Ein wichtiger Punkt, wenn der Zug im Gefälle verzögert werden musste, denn dann kam die automatische Bremse zur Anwendung.

Der Bremszylinder wurde daher mit Hilfe der Druckluft in Bewegung versetzt und besass eine Feder, die den Kolben bei Wegfall der Druckluft wieder in den gelösten Anschlag verbrachte.

Die Rückholfeder darf jedoch nicht mit den heute üb-lichen Federspeicherbremsen verwechselt werden. Das Prinzip mit der Rückholfeder wurde damals bei sämtlichen eingesetzten Fahrzeugen der Schweiz-erischen Bundesbahnen SBB angewendet.

Am Bremszylinder in jedem Drehgestell war ein damals übliches Bremsgestänge angeschlossen worden. Dieses Gestänge besass zur Korrektur an die Abnützung der Bremsklötze, einen automatischen Gestängesteller der Bauart Stopex. Damit war eine automatische Anpassung vorhanden, so dass die Lokomotive immer über die gleiche Bremswirkung verfügte. Ein Punkt, der bei den hohen Geschwindigkeiten wichtig war.

Jedes Rad wurde von beiden Seiten mit jeweils zwei Bremsklötzen, die direkt auf die Lauffläche wirkten, abgebremst. Die Bremsklötze dieser Klotzbremse waren als Bremssohlen ausgeführt worden. Sie wurden jeweils zu zweit in einem speziellen Sohlenhalter befestigt. Dieser Sohlenhalter war letztlich mit dem Bremsgestänge und dem Bremszylinder verbunden. Auf die Funktion hatte das keinen Einfluss, jedoch konnte die Wartung vereinfacht werden.

Die von den Bremssohlen auf die Lauffläche ausgeführte Bremskraft war direkt abhängig vom Druck im Bremszylinder. Damit konnten die wirksamen Bremskräfte bestimmt werden. Um die Bremsrechnung jedoch zu vereinfachen, wurden die Werte der Bremskraft in kN so umgewandelt, dass von einem Bremsgewicht gesprochen wurde. Es handelte sich daher lediglich um eine rechnerische Anpassung und nicht um eine spezielle Form der Umwandlung.

Mit der Personenzugsbremse konnte im Bremszylinder ein maximaler Druck von 3.6 bar erzeugt werden. Das bewirkte bei maximalem Druck ein Bremsgewicht von 46 Tonnen. Bei der Bremsrechnung wurde daher bei Anwendung der P-Bremse bereits ein Bremsverhältnis von 80% erreicht.

Im Vergleich zu den anderen Baureihen hatte die Baureihe Re 4/4 damit bereits sehr gute Bremsen erhalten. Lediglich die Reihe Ae 4/6 hatte mit der R-Bremse einen besseren Wert.

Für die R-Bremse stieg der Druck im Bremszylinder auf einen Wert von 6.8 bar an. Damit veränderte sich das Bremsgewicht der Lokomotive deutlich. In diesem Fall wurde ein Gewicht von 73 Tonnen angegeben.

Bei einem Gewicht der Maschine von bis zu 58 Tonnen wurde ein Bremsverhältnis von 125% erreicht. Bei diesen hohen Bremskräften konnten lediglich noch die Personenwagen mithalten, womit die Lokomotive ideal für schnelle Reisezüge war.

Einen Nachteil hatte das so aufgebaute Bremssystem jedoch. Die mechanischen Bremsen wirkten nur, wenn der Bremszylinder mit Druckluft versorgt wurde. Fehlte diese Luft auf der Lokomotive, lösten sich die Bremsen wieder.

Damit war keine ausreichende Sicherung der abgestellten Maschine mehr möglich. Aus diesem Grund musste eine von der Druckluft unabhängige Bremse auf der Lokomotive eingebaut werden.

Direkt auf das Bremsgestänge des benachbarten Drehgestells wirkte die im darüber angeordneten Führerstand montierte Handbremse. Durch diese Spindelbremse konnte mit einer einfachen Kurbel das Gestänge so verändert werden, dass die Bremssohlen gegen die Lauffläche gedrückt wurden. Eine Arretierung verhinderte, dass sich diese Handbremse ohne fremde Hilfe lösen konnte. Daher war sie zur Sicherung der Lokomotive geeignet.

Das Bremsgewicht dieser Handbremse wurde mit 20 Tonnen angegeben. Das reichte für ein Verhältnis von 35%. Da jedoch in jedem Führerstand eine solche Feststellbremse vorhanden war, konnten die Werte zweimal gerechnet werden. So konnten auf der Maschine der Reihe Re 4/4 maximal 40 Tonnen mit allen Bremsklötzen erreicht werden. Mit einem Verhältnis von 70% konnte daher die Lokomotive überall auf dem Netz abgestellt werden.

 

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