Entwicklung und Beschaffung

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Im Hinblick auf die um 1960 geplante S-Bahn Zürich wurde von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB ein neues Fahrzeug gesucht. Wie bei anderen Baureihen auch, sollte dazu ein Pflichtenheft erstellt werden. Auch wenn die Beschaffung dringlich war, die Ausarbeitung wurde von den Fachkreisen mit bedacht vollzogen. Dabei verschlossen sich die Staatsbahnen auch nicht komplett neuer Ansätze beim Bau von Fahrzeugen.

Wie seriös gearbeitet wurde, zeigt nur schon die Tatsache, dass für die Entwicklung der Baureihe RBe 4/4 weniger Zeit vorhanden war. Jedoch konn-te dort auf den Erfahrungen der BLS-Gruppe mit der Reihe Ce 4/4 aufgebaut werden.

Die neuen Triebzüge für die S-Bahn mussten aber komplett neu entwickelt werden. Daher lohnt es sich, wenn wir etwas genauer hinsehen, denn die Zeit, die am Anfang verloren ging, sollte später auf-geholt werden.

Dieses neue Triebfahrzeug sollte zum Beispiel als dreiteilige Einheit formiert werden. Von der Lösung mit Pendelzügen wurde damit trotz den grossen Erfolgen mit dem Kabel III, Abstand genommen. Ein Vorgang, der sicherlich auf den Erfahrungen bei den S-Bahnen im Ausland basierte. Wir müssen bedenken, dass es damals in der Schweiz schlicht noch kein System gab, das mit den S-Bahnen im Ausland vergleichbar war.

Dort wurde mit solchen Einheiten gearbeitet und das durchaus sehr erfolgreich. Trotzdem gaben die Schweizerischen Bundesbahnen SBB auch Hinweise auf den geplanten Einsatz. Nötig war das, weil auch die angeschriebenen Hersteller noch keine Erfahrungen mit S-Bahnen sammeln konnten. Mit der Angabe zur Strecke konnte aber der Charakter aufgezeigt werden. Ein Triebzug für Vororte ist nicht gleich, wie für das Gebirge.

So sollten diese Triebzüge im Regelverkehr auf der Strecke Zürich – Meilen – Rapperswil und somit an der Goldküste eingesetzt werden. Gerade dort war der Bedarf an solchen Fahrzeugen sehr gross, denn die einspurige Strecke war sehr gut ausgelastet. Auch ohne die S-Bahn konnte dort ein annähernd ähnlicher Betrieb erfolgen. Doch die Staatsbahnen wussten auch, dass es an Wochenenden zu grösseren Stilllagern kommen konnte.

Daher wurde im Pflichtenheft auch erwähnt, dass die Triebzüge am Wochenende für Einsätze als Vor- oder Nachläufer verwendet werden sollten.

Zudem sollten die neuen Modelle am Wochenende auch mit Lokomotiven bespannte Züge auf dem restlichen Netz ersetzen.

Wobei die Fahrzeuge kaum eine grosse Verbreitung bekommen sollten, da sie wegen dem regulären Einsatz im Raum Zürich eine Heimat finden sollten.

Auch wenn das Pflichtenheft letztlich recht umfang-reich war, auf die Angabe einer genauen Leistung des mit bis zu 125 km/h verkehrenden Triebzuges, wurde bewusst verzichtet.

An deren Stelle trat eine Forderung nach bestimm-ten Werten bei der Beschleunigung und der Ver-zögerung.

Hier wurde daher ein Wert von 0.85 m/s2 verlangt. Das war möglich, weil an den Fahrzeugen keine weiteren Wagen angehängt werden sollten.

Ein Wert, der bei Triebzügen ebenfalls wichtig ist, war die maximal mögliche Steigung. Diese wurde auf die Strecken im Zürcher Oberland abgestimmt und dort gab es durchaus Neigungen, die mit den Rampen des Gotthards verglichen werden konnten. Daher erscheint es nicht so speziell, dass gerade diese Bergstrecke als Massstab angenommen wurde. Mit anderen Worten, der Triebzug sollte auch starke Gefälle befahren.

Um die Adhäsion auch bei schlechtem Zustand der Schienen optimal umzusetzen, sollten alle Achsen mit einem Antrieb versehen werden. So sollten geringere Zugkräfte pro Radsatz entstehen. Zudem sollten Abteile der beiden Wagenklassen und ein Gepäckraum eingebaut werden. Somit wurde die Bezeichnung als RABDe 12/12 geführt. Womit auch klar war, dass die Zugreihe R für diese Modelle verlangt wurde.

Gewisse technische Errungenschaften beim Aufbau der Antriebstechnik wurden im Pflichtenheft nicht ausge-schlossen. Mit anderen Worten, auch eine Lösung mit den neuen Halbleitern war durchaus möglich.

Diese wurden aber mit der Forderung nach einer elek-trischen Nutzstrombremse wirksam verhindert. Mit der damals verfügbaren Technik war diese Bremse nur mit klassischen Seriemotoren möglich und man hatte auch dort grosse Leistungen umgesetzt.

Ausgesprochen umfangreich waren die Hinweise zur Steuerung der Züge. Gerade in diesem Punkt wollten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB mit den Triebzügen neue Wege beschreiten. Ein wichtiger Punkt dabei war die Forderung nach einer automatischen Kupplung.

Diese sollte die Vielfachsteuerung von bis zu vier Einheiten erlaubten. Damit war auch klar, dass die bei den letzten Modellen noch verlangte freie Kombination nicht vorge-sehen war.

Dass man sich bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB durchaus gewissenhaft vorbereitet hatte, zeigt die Tat-sache, dass auch Hinweise zu den pneumatischen Bremsen erwähnt wurden.

Dabei wurden die bei automatischen Kupplungen immer wieder entstehenden Schläge und Stösse erwähnt. Ein Hinweis, der nicht auf eigenen Erfahrungen basieren konnte, denn bei den Staatsbahnen in der Schweiz gab es diese Kupplungen bisher gar nicht.

Um die Stösse auf den automatischen Kupplungen zu minimieren, sollte eine elektropneumatisch angesteuerte Bremse verbaut werden. Mit dieser EP-Bremse erhoffte man sich auch bei längeren Zügen eine ausgeglichene Bremswirkung, da die Reaktionszeit deutlich geringer war, als bei der automatischen Bremse. Das waren durchaus durchdachte Ideen, die ebenfalls klar auf den Erfahrungen von anderen Bahnen basierten.

Auch bei der Bedienung wollten die Schweizeri-schen Bundesbahnen SBB neue Wege gehen. Auf dem mit den Triebwagen RBe 4/4 eingeführten Führerstand mit einer Befehlsgebersteuerung sollte nun eine Geschwindigkeitssteuerung, umgesetzt werden.

Diese passte besser zur hektischen S-Bahn. Dazu sollten elektronische Bauteile angewendet werden. Deren Programmierung erfolgte jedoch noch auf Basis der Hardware.

Ein Teil der neuen Regelung war die Vorgabe, dass bestimmte Werte bei der Beschleunigung und bei der Verzögerung vom Fahrpersonal eingestellt wer-den konnten.

Auch das war auf den Einsatz einer S-Bahn ausge-legt worden und sollte das Personal bei schlechtem Zustand der Schienen entlasten. Gerade bei sich oft folgenden Haltestellen war das durchaus ein Vor-teil, den das Lokomotivpersonal zu nutzen wusste.

Bleibt noch zu erwähnen, dass auch Bedingungen an das Aussehen gestellt wurden. Dazu wurde er-wähnt, dass die Merkmale der Einheitswagen für die Kasten galten. Bei der Front sollte sich diese an den Triebwagen RBe 4/4 orientieren.

Da auf den Personenübergang verzichtet wurde, konnten die entsprechenden Anpassungen vorge-nommen werden. Jedoch war klar zu erkennen, auch die neuen Triebzüge mussten optisch in den Bestand passen.

Das Pflichtenheft wurde der einschlägigen Industrie übergeben. Diese sollten nach den Angaben erste Muster ausarbeiten. Wobei hier eine intensive Zusammenarbeit unerlässlich war. Wie das zu verstehen war, zeigt sich nachher bei der Entwicklung dieser neuen Triebzüge. Der Entscheid sollte letztlich für ein Fahrzeug fallen, das von einem Konsortium angeboten wurde und das die Bedingungen der Staatsbahnen optimal erfüllte.

Die Kasten wurden bei zwei Firmen gebaut. Das waren die Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein FFA und die Schindler Waggon Pratteln SWP. Letztere lieferte auch die Drehgestelle. Dabei fällt auf, dass die sonst üblichen Firmen fehlten.

Jedoch war damals das Werk der SLM mit dem Bau neuer Lokomotiven gut ausgelastet. Das galt auch für die Firma SWS, die eine grosse Anzahl Einheitswagen an diverse Bahnen liefern konnte.

Zu diesen Zuliefern gesellte sich als Elektriker auch die Firma Brown Boveri und Co BBC in Münchenstein. Hier lag das Problem gleich, wie bei der SLM, denn es waren die Fachleute in Münchenstein, die mit der Aufgabe einer Lokomotive mit hoher Leistung und Zulassung zur Zugreihe R beschäftigt waren. Wir erkennen deshalb ganz gut, dass die Schweizerischen Bundesbahnen SBB darum bemüht waren die Arbeiten zu verteilen, das sollte die Lieferfristen verkürzen.

Zu den erwähnten Zuliefern gehörten weitere Firmen, die kleinere Baugruppen an das Fahrzeug beisteuerten. Die Endmontage der neuen Züge sollte in Meyrin bei der Firma Société Anonym des Ateliers de Sécheron SAAS erfolgten. Die SAAS steuerte zudem den elektrischen Teil an das Fahrzeug bei. Damit war klar, dass auch die MFO nicht beteiligt sein sollte. Dort waren jedoch auch noch Lokomotiven im Bau, so dass das kein Problem war.

Vom diesem Angebot wurden von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB in einer ersten Bestellung im Jahre 1963 vorerst 20 Exemplare geordert. Auf die Entwicklung von Prototypen sollte zu Gunsten eines vorgezogenen Fahrzeuges verzichtet werden. So erhielten die Staatsbahnen für die S-Bahn Zürich passsende Triebzüge. Da diese jedoch nicht beschlossen wurde, wurden diese Triebzüge schnell zum «Goldküsten-Express».

Die Nummern für die Triebzüge lauteten 1101 bis 1120. Eine weitere Bestellung erfolgte jedoch nicht mehr, da die S-Bahn nicht kam, und man ausserhalb der Goldküste mit den normalen Baureihen arbeiten konnte.

Zumal sich auch die neue Lokomotive als Re 4/4 II erfolgreich präsentieren konnte. Die Triebzüge RABDe 12/12 wurden zu Exoten in einem Bestand, der immer einheitlicher werden sollte, denn alte Baureihen verschwanden.

Da die Lieferzeit kurz war, und weil nur ein Fahr-zeug der Serie vorgezogen wurde, mussten im Vorfeld gewissen Schlüsselkomponenten erprobt werden. Das war schon immer so, aber bei den hier vorgestellten Triebzügen ging man auch jetzt einen Schritt weiter. So sollten während dem Bau die automatische Kupplung und die neue EP-Bremse erprobt werden. Dazu sollten bestehende Fahrzeuge aus dem Bestand der Staatsbahnen verwendet werden.

Gebaut wurde die automatische Kupplung von der Firma Georg Fischer. Diese wurde mit Bauteilen für die Vielfachsteuerung ergänzt. Daher wurde der Typ als GF/S-Bahn bezeichnet. Wie bei allen so gelagerten Kupplungen musste die Funktion in Bezug auf die Gleisanlage geprüft werden. Dabei standen Punkte im Vordergrund, die bestimmte Stellungen bei den Fahrzeugen ergaben. Somit mussten zwingend mehrere Fahrzeuge umgerüstet werden.

Daher wurde der Triebwagen Be 4/6 mit der Nummer 1615 umgerüstet. Dazu gesellten sich die beiden Wagen B4ü 5527 und AB4ü 3741. Die so formierte Komposition verkehrte ab 1963 auf der Strecke Zürich – Turgi – Koblenz. Dabei musste der Triebwagen in den Endbahnhöfen immer wieder umgesetzt werden, so dass die automatische Kupplung oft gelöst und verbunden wurden. Eine durchaus gute Betriebserprobung für die Kupplung.

Wenn der kurze Zug nicht für den regulären Verkehr genutzt wurde, erfolgten andere Versuche. So mussten die Kupp-lungen auch in den engen Bögen des Bahnhofes Zürich einwandfrei kuppeln.

Besonders die bei den Erbauern von automatischen Kupp-lungen gefürchteten engen S-Bogen stellten ein grosses Problem dar. Mit dem Musterzug konnten so allenfalls noch Anpassungen an der Kupplung vorgenommen werden. Nach den Versuchen wurde der Zug jedoch wieder normalisiert.

Die dabei frei werdenden Kupplungen flossen die die Fertig-ung der hier vorgestellten Züge ein. So waren die gemach-ten finanziellen Aufwendungen nicht verloren. Natürlich wurden die automatischen Kupplungen revidiert und die bei den Versuchen gemachten Verbesserungen umgesetzt.

Ein kompletter Neubau konnte so aber verhindert werden. Ein Punkt, der zeigt, dass bei den Staatsbahnen durchaus auf geringe Kosten geachtet wurde.

Eine weitere Schlüsselkomponente war die neue elektro-pneumatische Bremse. Erste Erfahrungen mit diesen EP-Bremsen hatten die Staatsbahnen bei der Reihe Re 8/12 schon gemacht.

Jetzt sollte diese aber die normale Hauptleitung nutzen. Fachlich wurde in dem Fall von einer indirekten EP-Bremse gesprochen. Eine Lösung, die es erlauben sollte, den defekten Triebzug auch ohne diese Bremse mit einer normalen Hilfslokomotive abzuschleppen.

Bei der EP-Bremse lag der Fokus auf deren Durchschlagsgeschwindigkeit. Diese sollte deutlich höher sein, als das bei der normalen Hauptleitung der Fall war. Die Druckluft bewegte sich annähernd mit Schallgeschwindigkeit. Die elektrischen Signale der EP-Bremse wurden jedoch nahezu mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt. Mit einem kurzen Zug wären die Unterschiede nicht zu erkennen gewesen. Daher musste eine längere Komposition verwendet werden. 

Als Versuchsträger wurde im Fall der EP-Bremse ein Pendelzug ge-nommen. Die Wahl fiel auf die Lokomotive Re 4/4 I mit der Nummer 10024. Sie war in einem Pendelzug bestehend aus den Leichtstahl-wagen DZ, 5B, A und Abt 1726 eingeteilt.

Mit den acht Wagen wurde der Zug rund 200 Meter lang. Damit konnten die Unterschiede beim Absprechverhalten erkannt werden. Auch wenn es sich nur um Sekunden handeln sollte, die Ergebnisse waren klar.

Es wurde zudem darauf geachtet, dass dieser Pendelzug in Dienstplä-nen blieb, die keine mit Zusatzwagen versehenen Züge enthielten. Technisch hätten diese kein Problem ergeben, aber die Messungen wurden gestört. Man wollte die Wirkung prüfen und nicht die mögliche Kombination mit anderen Fahrzeugen. Die Verstärkungen am Schluss hätten dafür gesorgt, dass die Vorteile schlicht verloren gingen. Daher der klare Einsatz.

Die Erprobung der EP-Bremse begann am 24. April 1964. Dabei sollte der Pendelzug die Erfahrung in der Praxis liefern. Im Hinblick, dass diese Bremse auch bei anderen Zügen angewendet werden könnte, waren diese Versuche sinnvoll. Um auch Erfahrungen bei hohen Geschwindigkeiten zu machen, wurde auch der Triebzug RABDe 8/16 mit dieser Bremse versehen. Zwischen Münsingen und Wichtrach erfolgten dann Fahrten mit bis zu 150 km/h.

Auch der Pendelzug wurde nach den Versuchen wieder mit der normalen Bremse versehen. Die gemachten Erfahrungen konnten aber genutzt werden, so dass diese 20 Triebzüge zwischen dem 15. September 1965 und dem 10. November 1967 an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB übergeben wurden. Es wird Zeit, wenn wir uns die Triebzüge der Baureihe RABDe 12/12 genauer ansehen. Dabei beginnen wir auch hier mit dem Kasten.


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