Alpenbahnen 1850 – 1899

Mit der Expertise von Stephenson begannen sich die Ideen um Projekte in den Alpen zu festigen. Die Ideen sollten umgesetzt werden und so begann man sich etwas intensiver mit dem Projekt einer Alpenbahn zu befassen. Somit startete die Lukmanierbahn sehr gut ins Rennen, denn in den Grundzügen bestand sie bereits. Die anderen Ideen mussten sich zuerst entwickeln und dann noch ein paar Interessenten finden. So gesehen, war 1850 klar, dass die Bahn über den Lukmanierpass erbaut werden soll.

Nur konnte sich die Schweiz trotz der finanziellen Stärken der Banken nicht für die Alpenbahn begeistern. Die Kosten für den Bau waren hoch und man musste diese wieder erwirtschaften. Hier befürchtete man, dass der Ertrag ausbleiben könnte. Zwar wusste man, wie viel am Gotthard transportiert wurde, aber das war für eine Bahnlinie keine grosse Menge. Man befürchtete, dass man die Kosten nie einfahren könnte und so schob man einen Entscheid auf die lange Bank.

Zudem gab es viele Risiken, die nicht bedacht wurden, denn man fuhr mit Bahnen bisher noch nicht im hochalpinen Bereich. Die bisher eingesetzten Lokomotiven waren dazu zu schwach und auch grössere Steigungen erachtete man bei der geringen Reibung auf den Schienen nicht als umsetzbar. Nur, wenn man durch die Alpen fahren wollte, kam man nicht an steileren Abschnitten vorbei, denn die Berge waren hoch und die Täler steil.

Die Projekte der Bahnen über den Splügen und den Lukmanier begannen sich trotzdem immer mehr abzuzeichnen und fanden besonders im Osten des Landes grossen Zuspruch. Wobei der Splügen nationalpolitisch keine grosse Bedeutung hatte, denn die Schweiz wollte eine Bahn ins Tessin und nicht nach dem Königreich Sardinien. Die Bahnen sollten nationalen Charakter haben und nicht internationale Probleme mit anderen Ländern schaffen. So hatte der Lukmanier eigentlich seinen letzten Gegner gleich zu Beginn abgeschüttelt.

Ergänzend kamen nun aber andere Projekte am Grimsel und am Simplon ins Gespräch. Der Run auf die Alpen war lanciert und die Projekte schossen aus allen Ecken des Landes. Ernsthafte Projekte gab es jedoch nur wenige. Das waren die Bahnen über den Lukmanierpass, über den Grimsel und schliesslich über den Simplon. Besonders die Variante Grimsel war spannend, denn damit wurde nur ein Teil des Alpenkamms überwunden und hätte keine komplette Lösung ergeben.

Die Bahnen, die nun überall den Alpenkamm durchbrechen sollten waren jedoch teuer und bargen Risiken, die man nicht abschätzen konnte. Niemand fuhr bisher auf Höhen über 1‘500 Meter mit einer Eisenbahn. Man wusste, dass dort der Winter zu einem grossen Problem werden konnte, und extreme Schneehöhen keine Seltenheit darstellten. Die Lokomotiven konnten in solchen Verhältnissen entgleisen und das hätte dazu geführt, dass die Bahnlinie im Winter hätte geschlossen werden müssen.

Gerade am Gotthard zeigte man, dass ein ganzjähriger Betrieb über einen Pass nur schwer möglich war. Die Kutschen konnten nicht verwendet werden und so zog man mit den Pferden Schlitten über den Pass. Aber die Passstrasse war gefährlich, denn immer wieder sorgten Lawinen dafür, dass die Strasse gesperrt werden musste. Nicht selten kam es auf diesen Abschnitten im Winter zu Unfällen und solche wollte man mit der Eisenbahn nicht riskieren.

Mit dem Verkehr ins Tessin war ein solches Projekt nicht zu finanzieren. Die Schweiz suchte daher nun auch nach internationalen Lösungen. Dazu wurde erneut eine Expertise über den Bau einer Alpenbahn erstellt. Nun aber mit dem Rückhalt von Preussen und dem Königreich Sardinien. Jetzt sollte die Bahn internationalen Charakter bekommen. Der Splügen holte damit gegenüber dem Lukmanier wieder auf und machte massiv Boden gut. Blieb letztlich aber wegen dem Königreich Sardinien auf der Strecke.

In die engere Betrachtung kamen so nur noch die Bahnen am Lukmanierpass und am Grimsel. Beide wären möglich gewesen und hätten gebaut werden können. Der Simplon, der auch immer wieder genannt wurde, fand in der Schweiz jedoch kaum Zustimmung, da er den ganzen Norden des Landes nicht berücksichtigte. Schliesslich sollte er ja durch das Rhonetal erschlossen werden und dieses führte gegen Westen und so in eine entfernte Ecke der Schweiz.

Besonders das Königreich Sardinien, das mit Österreich im Krieg stand, befürwortete eine möglichst westliche Variante und bodigte damit die Splügenbahn sehr schnell wieder. Auch der Lukmanier war nicht gerade beliebt, da ja auch die östliche Schweiz in den Krieg gezogen werden könnte. Aufwind bekam so der Grimsel, so dass sich nun Projekte am Lukmanierpass und am Grimsel abzeichneten. Eine dieser Bahnen sollte gebaut werden, da war man sich einig.

In Frankreich sprach man aber immer mehr für die Strecke über den Mont Cenis und allenfalls über den Simplon. Von den hier behandelten Alpenbahnen sprach damals mit Ausnahme des Simplons niemand. Besonders der Staat und die Stadt Bern traten dabei für die Bahn über den Grimsel ein. Unterstützt wurden sie von Sardinien. Damit war eigentlich klar, die Bahn sollte sich von der Bundeshauptstadt in Richtung Süden entwickeln. Erstmals geriet der Lukmanier in Rückstand.

Damit wäre die Finanzmetropole Zürich nicht an die Alpenbahnen gebunden worden. Das ging jedoch nicht, denn man wollte auch einen Weg in den Süden haben. In Zürich machte sich daher besonders Alfred Escher für den Bau einer Bahnlinie über den Lukmanierpass stark. Die Alpenbahnen waren damit in etwa auf gleicher Höhe. Gebaut werden sollte daher die Strecke über den Mont Cenis und über Grimsel oder Lukmanier. Doch das Blatt sollte sich nun wenden.

1851: Im Expertenteam war auch Gottlieb Koller. Koller war ein Ingenieur aus Winterthur und daher eher im Bunde von Zürich. Er brachte 1851 erstmals die Idee auf, dass man eine Bahnlinie über den Gotthard bauen könnte. So kam diese Bahnlinie schon sehr früh ins Gespräch und der Grimsel geriet plötzlich in Rückstand. In Zürich hoffte man jedoch immer noch auf den Lukmanierpass und so auf eine in den Augen von Escher vernünftige Lösung.

Nun war aber mit dem Gotthard erstmals ein Projekt vorhanden, das sowohl Preussen, als auch dem Königreich Sardinien gefiel und das zudem von der Region Zürich und somit von der finanziellen Hauptstadt leidlich unterstützt wurde. Dort war klar, dass man mit dem Gotthard leben könnte. So lange nicht die Grimselbahn gebaut würde, war Zürich dabei, auch wenn das Herz immer noch für den Lukmanier schlug. Man hatte nun also drei Projekte, die in die engere Auswahl kommen sollten.

Die Abklärungen für das Projekt Gotthardbahn wurden nun angekurbelt. Die Ideen im Osten des Landes, namentlich beim Projekt Lukmanierbahn gerieten ins Stocken. Damit wurde ein erstes genaueres Projekt für eine Bahn über den Gotthard erarbeitet. Die Aufgabe lag dabei an Gottlieb Koller. Wer die Idee hatte, musste auch das Projekt ausarbeiten und so die Bahn in den Grundzügen erbauen. Schliesslich musste man gegenüber den anderen Pässen nachholen.

Wenn wir uns einen Blick in das Projekt Koller werfen, erkennen wir, wo die Probleme am Gotthard waren und wie man diese Probleme lösen wollte. Auf der nördlichen Seite mussten daher der Raum Wassen und die Schöllenen überwunden werden. Beide Abschnitte sollten mit Spitzkehren und Drahtseilbahnen überwunden werden. Damit war aber auch klar, dass die Schöllenen mit der Bahn durchquert werden sollte. Die Steigungen waren mit 50‰ für damalige Verhältnisse sehr hoch und daher nur mit Seilen zu bewältigen.

Der Kanton Uri würde dann mit einem auf 1‘500 Meter über Meer liegenden Scheiteltunnel mit dem Tessin verbunden werden. Dort ging es mit vergleichbaren Steigungen hinunter, wo besonders bei Poittino und in der Biaschina Spitzkehren und Drahtseilbahnen gebaut werden mussten. Gerade in der Biaschina sollten die Züge mit dem Gleis seitwärts hochgezogen werden. Das dank dem dort gut passenden Gelände, keine grossen Schwierigkeiten bereiten sollte.

Die Steigungen von bis zu 50‰ sollten jedoch gemäss Koller auch keine Probleme darstellen, da man die Züge ja mit Seilen auf den steilsten Abschnitten sicherte. Die Probleme sah Koller in den erwähnten Bereichen. Vor allem bei Poittino und in der Schöllenen waren schier unlösbare Probleme vorhanden. Die er noch nicht lösen konnte. Das Projekt war daher noch nicht ausgereift, wurde aber trotzdem weiter verfolgt und so blieb der Gotthard im Rennen.

Je mehr man sich nun mit der Idee Gotthard befasste, desto schwerer hatten es die anderen Projekte. Besonders Bern war davon nicht beglückt, denn ohne Grimsel fehlte der direkte Zugang nach Süden für die Hauptstadt. Das führte dazu, dass sich die Idee Grimsel dort recht lange im Rennen behalten konnte und so das Projekt Gotthard von Bern noch ernsthaft in Frage gestellt wurde. Der komplizierte Aufbau stellte dabei das grösste Problem des Projektes dar.

Neuen Schwung in die Geschichte Gotthard brachte dann Pasquale Lucchini aus Lugano. Seine eigentliche Alpenbahn sollte in Göschenen und Airolo beginnen und über den Pass führen. Ein Tunnel war nicht vorgesehen. Mit Göschenen (1‘100 Meter über Meer) und Airolo (1‘140 Meter über Meer) war damit erstmals von den beiden Gemeinden die Rede. Nur von einem langen Tunnel wollte niemand etwas wissen, denn diese waren mit den vorhandenen Dampflokomotiven nur sehr kurz. Die Bahn sollte den Gotthard viel höher überqueren und zwar jetzt auf Höhe des Passes und somit auf über 2‘000 Meter.

In Bern standen nun aber die Fahnen auf Sturm. Man befürchtete, dass nun die Alpenbahn an Bern vorbei führen würde. Dafür sprach, dass besonders im Wallis immer weniger von Simplon gesprochen wurde. Man begann sich für den grossen Sankt Bernard stark zu machen. Damit geriet die Bahn über den Grimsel jedoch deutlich ins Hintertreffen. Bern schwammen buchstäblich die Felle davon. Die Fachwelt starrte fast ausschliesslich in Richtung Gotthard. Wohl mehr, weil die Projekte so wahnsinnig waren, als dass man wirklich daran glaubte, dass dort je einmal gebaut würde.

Der Weg für den Gotthard war somit eigentlich frei, nur das politische Zentrum in Bern musste noch überzeugt werden. Diese Unterstützung kam sogar von höchster Stelle so vertrat der spätere Bundesrat Jakob Stämpfli die Idee der Bahn über den Gotthard. Stämpfli war Berner, besass politischen Einfluss und so schwenkte die Landesregierung langsam zum Projekt der Bahn über den Gotthard über. Richtig Schwung in die Angelegenheit Gotthard sollte Stämpfli als Bundesrat bringen.

Die Lukmanierbahn, die so gut gestartet war, war nun in grosser Not, denn ausser Zürich und der Ostschweiz sah fast niemand mehr den Nutzen dieser Bahn. Man war von der Idee Gotthard geblendet und so machte dieser gegenüber den anderen Projekten schnell an Boden gut. Es begann sich abzuzeichnen, dass hier eventuell die grosse Alpenbahn der Schweiz entstehen könnte. Der Zwist zwischen den politischen und finanziellen Machtzentren war nun entbrannt.

Wie ernst die Lage für die Stadt und den Kanton Bern wirklich war, zeichnete sich erst im weiteren Verlauf der Geschichte ab. Die Bundeshauptstadt war daher gar nicht begeistert von einem alleinigen Projekt am Gotthard. Man wollte den eigenen Zugang in Richtung Süden erhalten und so nicht von der Alpenbahn abgeschnitten werden. Das Land hatte jedoch in erster Linie die Anbindung des Kantons Tessin im Visier und nicht die Wünsche der Region Bern, so dass sowohl die Stadt, als auch der Kanton Bern alleine am Grimsel klebten.

1853: Am 19. August 1853 fand unter dem Stichwort „Gotthardbahn“ eine von der Regierung des Kantons Luzern einberufene Konferenz statt. Luzern wollte nun für klare Verhältnisse sorgen und sich so die Alpenbahn vor der Haustüre sichern. Damit war man aber schon einen grossen Schritt in Richtung Alpenbahn am Gotthard gegangen. Erstmals wurde ernsthaft von einer ganz bestimmten Bahn gesprochen. Das Projekt Gotthard hatte einen Namen, der heute wie eine Legende klingt.

An der Konferenz teilgenommen hatten dabei Vertreter aus den Kantonen Basel Stadt und Landschaft, Bern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden sowie Solothurn. Auffällig war, dass in Luzern sowohl der Kanton Zürich, als auch der Kanton Tessin nicht teilgenommen hatten. Das löst Fragen zur Haltung des Kantons Tessin aus. Dort war man eigentlich nicht gross in der Zwickmühle, denn sowohl der Gotthard, als auch der Lukmanier wären ins Tessin gekommen und so konnte es dem Kanton Tessin eigentlich egal sein, welches Projekt verwirklicht würde.

Die Gotthardbahn war nun plötzlich an der Spitze der Projekte. Der Grimsel geriet in arge Bedrängnis und da nun selbst Bern teilnahm, war klar, eine Grimselbahn würde es wohl nicht geben. Die Befürworter des Projekts Grimsel schwanden und damit das Projekt, das nun in den Schubladen der Schreibtische landete und nicht mehr so schnell herausgeholt werden sollten. Die Gotthardbahn hatte den Grimsel ausgestochen.

So kämpfte eigentlich nur noch der Lukmanier mit Zürich und der Ostschweiz gegen den Gotthard. Rückhalt hatte man bei der Lukmanierbahn im Kanton Zürich und dort besonders bei Alfred Escher, der vehement für den Lukmanier eintrat, da dieser die Stadt Zürich optimal eingebunden hätte. Escher hatte viel Einfluss, da er den Bau von vielen Bahnen in der Schweiz förderte und sich damit einen guten Ruf in der Fachwelt erarbeitete.

Im Rennen waren nur noch zwei Projekte. Gebaut würde wohl die Bahn über den Lukmanier oder aber die Gotthardbahn. Die Vorteile lagen nun jedoch beim Gotthard, so dass die Regierung des Kantons Luzern wohl für den Mut belohnt werden sollte. Man konnte aber bereits einen drohenden Streit zwischen Escher und Stämpfli erkennen, die auch in anderen Fragen grundsätzlich anderer Meinung waren.

Da in Zürich Alfred Escher immer noch für die Bahn über den Lukmanier sprach. War man im Kanton Zürich nicht besonders von der Idee Gotthard angetan. Die Bahnlinie am Gotthard sollte dabei die Schweizerische Centralbahn von Basel aus nutzen und so eigentlich an der Stadt Zürich und der unterstützten Nordostbahn vorbei führen. Die Idee Gotthard hatte daher noch grosse Hürden zu nehmen, doch das Blatt hatte sich nun gewendet. Die folgenden Jahre sollten mit heftigen Kämpfen zwischen Zürich (Escher) und dem politischen Machtzentrum (Stämpfli) gekennzeichnet werden.

1863: Aus der Konferenz ging schliesslich im Jahre 1863 die grosse Gotthardvereinigung hervor. Dort war nun auch der Kanton Tessin vertreten. In Zürich begann sich nun das Blatt zu wenden, denn Alfred Escher, der bisher für den Lukmanier gesprochen hatte, änderte seine Meinung zu Gunsten des Gotthards. Der grösste Widersacher war nun an Bord und so konnte man ganz gut auf das Projekt Gotthard wetten, denn der Lukmanier verlor seinen Rückhalt und verschwand in den Schubladen. Die Kantone in der Ostschweiz hatten das Nachsehen.

Gerade Alfred Escher gab dem Lukmanierpass den Todesstoss. Escher setzte sich nun mit sehr viel Elan für die Gotthardbahn ein. Damit war er nun auf gleicher Ebene, wie Stämpfli. Damit war aber der Zwist zwischen diesen beiden einflussreichen Männern jedoch nicht vorbei. Die Frage der beiden Männer wurde erst nach deren Tod durch das Stimmvolk geklärt. Dazu werden wir aber später noch kommen, jetzt ging es für beide Herren nur noch um den Gotthard.

Damit kam es zum Umschwung, denn auch das grösste Projekt, das der Gotthardbahn hätte gefährlich werden können war nun vom Tisch. Die Gotthardbahn war Tatsache geworden. Noch fehlte aber das klare Projekt. Man hatte zwei Ideen zur Wahl und musste sich nun für eine entscheiden. Die Befürworter der beiden Ideen waren sich aber nicht einig, so dass man viele Gespräche führen musste und so viel Zeit verstrich in der man um Details stritt.

1865: Am 21. August 1865 fiel schliesslich in Italien das bisherige Projekt von Lucchini vom Tisch und somit die Querung auf Passhöhe. Die Gotthardbahn sollte daher einen Scheiteltunnel erhalten. Wo das war, stand nun bereits fest, denn das Projekt von Koller wurde von einer anderen Idee überflügelt, die zudem die Probleme in der Schöllenen umgehen sollte. Damit war es besser zu verwirklichen, was die Befürworter des Projekts Lucchini an Bord holte.

Die Bahn über den Gotthard sollte gebaut werden, aber man wollte nicht so hoch gehen. Die Ideen begannen sich nun um die Ortschaften Airolo und Göschenen zu drehen. Ein rund 15 Kilometer langer Tunnel sollte dazwischen gebaut werden. Die Schöllenen und den hochalpinen Bereich konnte man so umgehen. Der Betrieb wäre so das ganze Jahr über möglich, was sich bei den erwarteten Einnahmen positiv auswirken sollte.

So einen Tunnel gab es noch nicht und man war sich einig, die Kosten würden gigantisch werden. Man wollte schliesslich nichts anderes als den längsten Tunnel der Welt bauen. Die Geologie der Region kannte man dabei jedoch nicht. So gesehen war der Tunnel das grösste Problem, das gelöst werden musste. 15 Kilometer mit Dampflokomotiven hatte man noch nicht erlebt und man wusste, dass der Rauch gefährlich werden könnte. Aber trotzdem, die Idee mit dem Tunnel fasste Fuss.

Da man nun sowohl Zürich, als auch Bern im Boot hatte, blieben nur noch die Staaten übrig. Damit begann jedoch das Projekt Gotthard ganz neue Dimensionen zu erreichen, denn bisher waren die Staaten selten so intensiv einbezogen worden. Bedenken Sie, die erste Bahn wurde von den Kantonen Zürich und Aargau finanziert, was zwar auch zwei Staaten waren, deren Verbindung im Bundesstaat aber beschlossen war.

Erfahrungen hatte man, nur die Dimension war nun westlich grösser. Waren die Kanton Zürich und Aargau im offenen Staatenbund miteinander verbunden, waren nun gänzlich unabhängige Nationen im Spiel. Damit erwartete man auch grössere Probleme. Andere Lösungen gab es nicht und der Gotthard konnte nur so gebaut werden. So konnte man ernsthaft von einer Bahn am Gotthard träumen. Die Regierung der Schweiz war nun gefordert.

1869: Mit dem 1869 abgeschlossenen Gotthardvertrag verpflichtete sich die Schweiz beim Projekt Gotthard nicht nur die eigenen Interessen zu vertreten sondern auch die Interessen anderer Staaten treuhänderisch zu vertreten. Damit sollte den vertretenen Staaten ein Mitspracherecht bei der privaten Bahngesellschaft ermöglicht werden. Als Gegenleistung sicherte der schweizer Staat einen ganzjährigen Betrieb der Bahnlinie zu. Wichtig und später ein Problem war, dass die Bahnlinie keine zu grossen Gewinne abwerfen sollte. Die Staaten fürchteten hohe Transportkosten.

Dieser Vertrag war aber die Grundsteinlegung der Bahn über den Gotthard. Die Alpenbahn in der Schweiz sollte am Gotthard gebaut werden. Andere Lösungen waren endgültig abgehalten. Sowohl die Grimselbahn, als auch die Lukmanierbahn sollten nie gebaut werden, der Gotthard hatte gesiegt. Einzig der Simplon konnte sich in der Westschweiz noch halten, verlor aber die Zustimmung des Staates. Wer nun noch am Gotthard zweifelte, war alleine.

Finanziert werden sollte diese Bahn mit Geldern aus drei Staaten. Die Schweiz war dabei Vertreter der Staaten im Norden und im Süden. Die Gesellschaft Gotthardbahn würde den Betrieb übernehmen und so eine damals übliche Privatbahn ohne staatliche Interessen entstehen. Man finanzierte die Gotthardbahn mit privaten Geldern, die aus dem Raum Mailand, Zürich und aus Preussen stammten. Der Grundstein war gelegt und selbst das Projekt stand im Vertrag fest.

Im Vertrag wurden die Streckendaten festgelegt. Die Bahn sollte maximale Steigungen von 25‰ erhalten und der Kulminationspunkt sollte auf 1‘162 Meter über Meer in einem Scheiteltunnel zu liegen kommen. Mit Kurvenradien von 300 Meter sollten auch keine Drahtseilbahnen oder Aufzüge erstellt werden. Die Höhe sollte ausschliesslich mit Spitzkehren, die an den grossen Talstufen erstellt würden, erreicht werden.

Damit war klar, die Gotthardbahn sollte einen Scheiteltunnel von rund 15 Kilometer erhalten. Das war der längste Tunnel der Welt. Er sollte zwischen den Gemeinden Göschenen und Airolo entstehen und den Berg auf dem kürzesten Weg, also in einer geraden Linie durchqueren. Nur, so ein Tunnel wurde noch nie gebaut und man erwartete eine extrem lange Bauzeit. Die Gelder würden daher lange Zeit nicht erwirtschaftet werden können.

Spannend am Vertrag waren aber auch die Unterzeichner. Da es sich um einen Staatsvertrag handelte, waren die Vertreter der Staaten anwesend. So unterzeichneten die schweizerische Eidgenossenschaft (offizieller Name der Schweiz), der Norddeutsche Bund, das Grossherzogtum Baden, das Königreich Italien und das Königreich Württemberg. Alle natürlich mit dem Siegel der jeweiligen Staaten. So einen umfangreichen Vertrag für den Bau einer Bahn sollte es nie mehr geben.

1871: Am 06. Dezember 1871 wurde schliesslich in Luzern die Gotthardbahngesellschaft gegründet. Die Bahnlinie über den Gotthard hatte eine grosse Hürde genommen und nicht weniger als fünf Staaten unterstützten die Idee. Der Gotthardvertrag war somit auch der Todesstoss für die Projekte am Lukmanier und am Grimsel. Die Bahn sollte das Tessin mit der restlichen Schweiz verbinden und zugleich dem Transitverkehr dienen.

Mit der Gründung der Gesellschaft wurde der Vertrag erstmals geändert, denn das Projekt sollte nun ohne Spitzkehren gebaut werden. Dazu sollten neuartige Tunnel gebaut werden. Damit war nun das ganze Projekt festgelegt worden. Dem Bau der Gotthardbahn sollten keine Hürden mehr gegenüber stehen. Man konnte mit dem Bau der Bahnlinie und somit mit dem Bau des Tunnels beginnen.

Wie stand es nun um die anderen beiden Bahnen? Die Strecke über den Lötschberg kam bisher nie ins Spiel. In Bern war man für den Grimsel eingetreten. Mit dem Entscheid für den Gotthard, musste man im Kanton nun Leben. Die Zufahrt nach Luzern sollte zumindest indirekt einen Zugang zur Bahnlinie in den Süden ermöglichen. So wurden die Ideen einer Berner Alpenbahn vorerst auf Eis gelegt, jedoch waren sie noch nicht restlos vom Tisch.

Der Simplon war immer noch ein Thema in der Westschweiz, doch dort gerieten die Pläne ins Stocken, denn die nun beschlossene Bahnlinie sollte wirklich ein kleines Weltwunder werden. Besonders die Geldgeber fehlten daher beim Projekt Simplon, so dass es eher ruhiger wurde, als der Gotthard beschlossen wurde. Wir haben daher nun klare Regeln, denn der Gotthard sollte gebaut werden. Das war nun klar und die anderen Bahnen versanken in den Schubladen, wenn auch nicht immer so tief.

Das Projekt der Gotthardbahn sah mehrere Strecken vor, doch nur eine davon galt als die Gotthardbahn. Beginnen sollte die neue Strecke in der malerischen Stadt Luzern und somit an dem Ort mit der Direktion der Bahngesellschaft. Enden sollte die Strecke in Chiasso und somit am südlichsten Zipfel der Schweiz. Die Projekte der Tessiner Talbahnen wurden in die Gotthardbahn eingebunden und fortan, als Teil der GB angesehen. Neu kam die Querung des Monte Ceneri hinzu. Von Zürich her sollte eine Bahnlinie nach Goldau gebaut werden. Das entspricht ungefähr der heutigen Strecke.

Geplant wurde eine Doppelspur, mit dem grossen Scheiteltunnel. Die Bahn hatte also durchaus internationalen Charakter und gerade die geplante Doppelspur zeigte klar, dass man von einem umfangreicheren Transportvolumen ausging. Es bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen, die geklärt werden muss. Warum um alles in der Welt begann die fertige grosse Gotthardbahn in Immensee und nicht in Luzern, wie das geplant war oder Zürich? Die Gründe dazu wird die Geschichte zeigen.

Als sich das Projekt Gotthardbahn festigte, wurde unter der Leitung der SCB das Projekt Aargauer Südbahn ins Leben gerufen. Diese Bahnlinie sollte als direkter Zubringer zum Gotthard gebaut werden. Die Güterzüge aus Basel und so aus den deutschen Gebieten sollten über diese Bahnlinie zum Gotthard geführt werden. In Immensee sollte diese ASB dann zur Gotthardbahn stossen. Damit war der Anschluss im Norden an drei Stellen geplant worden.

Sowohl im Raum Basel, als auch im Raum Chiasso sollten die Strecken aus dem Ausland angeschlossen werden. So war die neue Alpenbahn gut an die bestehenden internationalen Netze angeschlossen. Für den Güterverkehr entstand daher eine Eisenbahnlinie durch die ganze Schweiz. Von Basel her ging es über die Schweizerische Centralbahn nach Aarau. Von dort über die Aargauische Südbahn über Lenzburg, Wohlen, Rotkreuz nach Immensee. Dort begann die Gotthardbahn, die bis Chiasso gebaut werden würde.

Basel und Luzern waren somit als einzige grosse Städte der Schweiz direkt an die Bahnlinie über den Gotthard angeschlossen worden. Für Zürich solle eine Anschlussstrecke von Thalwil über Zug nach Arth-Goldau gebaut werden. Somit war eigentlich klar, die Gotthardbahn sollte in Luzern beginnen und die Güter eigentlich in Immensee zu dieser Bahn stossen. Warum es nicht so kam, erfahren Sie später.

Bern sollte mit einer selber finanzierten Bahnlinie durch das Emmental mit Luzern verbunden werden. So hatte die Hauptstadt der Schweiz zumindest einen einigermassen direkten Zugang zur Gotthardbahn. Damit waren alle Strecken, die mit dem Projekt Gotthardbahn verbunden waren, festgelegt worden. Der Anschluss für Güterzüge erfolgte in Immensee, so dass diese nicht über Luzern geleitet werden mussten.

Damit war die Frage der Alpenbahn in der Schweiz geklärt. Die Bahn ins Tessin sollte über den Gotthard führen. Das Nachsehen, hatten Graubünden und Bern, die keinen direkten Anschluss erhalten hatten. Die Projekte am Lukmanier und am Grimsel verschwanden endgültig und für ewig in den Schubladen. Damit verlor der Simplon aber einen Teil seiner Geldgeber und kam nur noch zögerlich voran. Jetzt schaute alles auf den Gotthard, wo es nun schnell gehen sollte.

 

1872: Baubeginn am Gotthard

Nach nur vier Monaten, genau am 02. April 1872 wurde Robert Gerwig aus Karlsruhe zum Oberingenieur der Gotthardbahngesellschaft ernannt. Er sollte das Projekt, das von Wilhelm Hellwag ausgearbeitet wurde, umsetzen. Herzstück der Bahnlinie war ein 15 Kilometer langer Tunnel zwischen Göschenen und Airolo. Auf den Zufahrten sollten neuartige Tunnel zum Gewinnen von Höhe verwendet werden. Alfred Escher wurde zum Direktor der neuen Gesellschaft Gotthardbahn ernannt.

Einzelne Projekte sollten dabei an Unternehmer vergeben werden. Man war sich einig, dass der Scheiteltunnel die grösste Herausforderung darstellen würde. So suchte man dafür die entsprechenden Fachleute. Die Angebote, die eingereicht wurden, waren mit langen Bauzeiten bedacht worden, denn man ging von einer Bauzeit von bis zu 20 Jahren aus. Jedoch war darunter ein Angebot, das den Tunnel in weniger als der halben Zeit bauen wollte. Acht Jahre wurden dort als Bauzeit genannt.

Das Angebot, das von einem Schweizer eingereicht wurde, sah vor, dass man den Tunnel gleichzeitig von beiden Seiten aus bauen sollte. Damit verkürzte sich die Bauzeit, da nicht das ganze Ausbruchmaterial durch einen Stollen abgeführt werden musste und man zwei Stollen hatte, die gleichzeitig vorangetrieben werden konnten. Bisher hatte noch niemand die Idee gehabt, einen Tunnel solcher Länge von zwei Seiten zu bauen, denn man fürchtete, dass man sich nicht treffen könnte. Die Fachwelt stand daher ab der Idee etwas auf dem Kopf.

Für den Scheiteltunnel zeichnete sich daher der am 26. Januar 1826 geborene Louis Favre verantwortlich. Favre war ein Bauunternehmer und gelernter Zimmermann. Er stammte aus Genève und somit aus der Schweiz. Damit sollte ein Schweizer den Scheiteltunnel bauen. Die notwenigen Erfahrungen sammelte Favre in Frankreich beim Bau der Bahn Paris – Lyon – Mediterrane (PLM). Doch an so einem gigantischen Tunnel hatte er sich noch nie versucht. Trotzdem ging er davon aus, dass er den Tunnel in acht Jahren bauen würde.

Favre unterschrieb den Vertrag am 7. August 1872, ohne zu wissen, dass er damit seinen Ruin unterzeichnet hatte. Der Vertrag zwischen Favre und der Gotthardbahngesellschaft war knallhart. So sollte der Tunnel zu einem Betrag von 56 Mio. Franken in nur 8 Jahren erstellt werden. Bei Verzögerungen sollte Favre der Gotthardbahn eine Entschädigung zahlen. Eine Klausel, die höhere Gewalt beinhaltet hätte gab es nicht.

Wer ein Projekt verwirklicht, dessen Kernbereich ein 15 Kilometer langer Tunnel ist, muss jedoch mit Problemen rechnen. Schliesslich baute Favre den längsten Tunnel der Welt. Dagegen waren die Zufahrten nur Beigemüse, denn die ganze Welt blickte an jene Orte, wo das wahnsinnige Projekt begonnen werden sollte. Das gilt natürlich auch für uns, denn die Zufahrten können warten, jetzt geht es um den Tunnel und damit um die Helden des Gotthards. Dazu gehörte auch Favre.

Am 13. September 1872 begannen die Arbeiten in Airolo. In der kurzen Zeit seit der Unterzeichnung war kaum Zeit vergangen, so dass man davon ausgehen muss, dass die Vermessung des Tunnels auf sehr wackligen Beinen stand, denn für andere Projekte benötigte man für die Vermessung Jahre. Die hatte man nicht und an diesem Tag ging es mit Schaufel und Spaten los. Die dann schnell mit Hammer und Meissel fortgeführt wurden.

Auf dem Installationsplatz wurden die Baracken und Magazine für die Arbeiter und das Material erstellt. Es handelte sich dabei um notdürftig gezimmerte Bauten, die nicht über übliche Einrichtungen verfügten und die kaum isoliert wurden. Die Unterkünfte sollten den Arbeitern ein Bett bieten und die Magazine das Werkzeug schützen. Die Verpflegung war in speziellen Speiseräumen möglich. Dabei muss aber noch erwähnt werden, dass diese Bauten laufend ergänzt wurden.

Am 24. Oktober 1872 startete man in Göschenen, wo vergleichbare Gebäude gebaut wurden. Die Mineure, die den Tunnel bauen sollten, kamen zum grössten Teil aus Italien. So wurde der Bau von Deutschen geleitet, von einem Schweizer verwirklicht und von Italienern erstellt. Opfer sollten alle bringen, aber der Gotthard war international besetzt. Den schwersten Part hatten jene, die am grossen Tunnel beteiligt waren. Denn niemand hatte mit dem Gotthard gerechnet.

Schnell ging man zum mechanischen Vortrieb über. Dabei bohrte man mit auf Lafetten montierten und mit Druckluft betriebenen Bohrmaschinen Löcher in den Stein. Diese Löcher wurden anschliessend mit dem neuen von Alfred Nobel entwickelten Dynamit gefüllt und schliesslich der Fels weggesprengt, dann ging es ans Aufräumen des Schuttes. Gearbeitet wurde rund um die Uhr und Feiertage gab es keine. Die Zeit drängte, da war man sich von Beginn weg einig.

Obwohl Favre als verständnisvoller Chef von den Arbeitern geschätzt wurde, schnitt er bei der Arbeiterfürsorge sehr schlecht ab. Die Arbeitsbedingungen im Haupttunnel waren alles andere als gut. Wobei man das ruhig als schön geredet bezeichnen darf, katastrophal drückt es besser aus. Man darf sagen, wer bei den Arbeiten starb, wurde von seinen Qualen erlöst. Blicken wir deshalb in diese uns fremde Welt hinein. Eine Welt, die man heute kaum mehr verstehen kann, die aber nicht so lange her ist, wie man meinen könnte.

Die Arbeiter wurden in einer eigenen Währung bezahlt. Damit wurde verhindert, dass die Arbeiter das Geld beiseite legen konnten oder es in den gefürchteten Alkohol umwandelten. Die Arbeiter konnten daher nur in den firmeneigenen Läden einkaufen und so hatte man eine Regelung, die dafür sorgte, dass die Leute arbeiteten und sich nicht mit Alkohol benebelten. Das Öl für die Lampen mussten die Arbeiter selber kaufen und eine Krankenversicherung gab es nicht. Wer krank war, verdiente nichts!

Gekleidet waren die Mineure mit einfachen Kleidern aus Baumwolle. Die Kopfbedeckung bestand aus einem Hut und gearbeitet wurde mit den blossen Händen. Verletzungen an Kopf und Händen waren daher keine Seltenheit, denn Sie müssen wissen, der Stollen war nicht besonders hoch gebaut worden. Man konnte darin gerade aufrecht gehen und so musste man aufpassen, dass man nicht den Kopf im schwachen Licht anstiess.

Der Stein war hart, und im Tunnel herrschten Temperaturen von 30°C. Die Luft war zudem von den Sprengstoffen und Lampen schlecht. Zwar wurde der Tunnel belüftet, aber man erachtete diese Belüftung als unzureichend. Die Leute arbeiteten daher in stickiger warmer Luft und die Arbeit war hart, sogar sehr hart, denn der Stein war kaum zu brechen. Trotzdem wurden die Leute angehalten, die berechnete Tagesleistung zu erbringen. Schliesslich mussten die Termine eingehalten werden.

Wer diese Qualen überstanden hatte, musste nach getaner Arbeit mit den nassen und schmutzigen Kleidern die Unterkünfte aufsuchen. Dabei wurden die Betten von Spekulanten zu 25 Centesimi vermietet. Wobei dieser Betrag nur für ein Drittel Bett galt. Die Arbeiter legten sich ins Bett, das noch warm vom Vorgänger war. Natürlich wurde die Bettwäsche nicht täglich gewechselt und so war kaum guter Schlaf zu erwarten.

Wer Glück hatte, kam irgendwo in Göschenen unter, wo die Preise natürlich nicht unbedingt billiger waren. Zudem waren die Arbeiter Italiener, die sich nur schwer mit der örtlichen Bevölkerung in Göschenen verständigen konnte. So erwartete sie dort eine grosse Feindseligkeit. Als ob das nicht genug war, sorgen die netten Damen vom horizontalen Gewerbe dafür, dass auch der letzte Rest Lohn weg war. Dass es nicht zum grossen Konflikt kam, war nur Favre zu verdanken.

Ähnlich muss die Situation auch in Airolo gewesen sein. Dort galten schliesslich die gleichen Vorgaben. Einzig mit der Bevölkerung konnten sich die Arbeiter besser verständigen, denn im Tessin sprach man auch italienisch. Daher war dort vermutlich die Fremdenfeindlichkeit nicht so gross. Man muss das annehmen, da nur wenig über die Situation in Airolo bekannt wurde und sich die grössten Probleme fast ausschliesslich in Göschenen zeigten.

Der Berg zeigte sich zudem auf beiden Seiten als Herausforderung. Die Arbeiter hatten mit den harten Stein zu kämpfen. Der Bergdruck war gigantisch und als ob das nicht genug war, kamen immer wieder schwere Wassereinbrüche vor, die gedämmt werden mussten. Das führte aber dazu, dass viel Zeit für die Sicherung der Stollen aufgebracht werden musste. Oft mussten die hölzernen Einbauten nachträglich verstärkt werden, weil man den Bergdruck unterschätzt hatte.

Die Bohrmaschinen, die vom Mont Cenis übernommen wurden, kamen mit dem harten Gestein nicht zurecht. Es mussten neue bessere Maschinen angeschafft werden. Die Meissel, die in den Stein getrieben wurden, waren sehr schnell stumpf und mussten neu gerichtet werden. All das brachte die Arbeiten ebenfalls ins Stocken und so gab es Tagesleistungen die bei wenigen Metern lagen, um nicht zu sagen, dass man an Ort und Stelle blieb. Der Vortrieb kam ins Stocken.

All diese Probleme verzögerten jedoch den Bau, was die Firma Favre in arge Bedrängnis brachte. Das Geld reichte einfach nicht und auch die beschlossenen Sparmassnahmen brachten keinen Erfolg und verschärften die Situation besonders in Göschenen zusätzlich. Gut, die Sparmassnahmen merkten eigentlich nur die Huren, die keine Kunden mehr hatten, denn die Arbeiter verdienten zu wenig um überhaupt noch vernünftig Leben zu können.

Hunger und Krankheiten machten sich vor allem in Göschenen, wo sich die Arbeiter nur schlecht mit der Bevölkerung arrangieren konnten, breit. Schliesslich war die medizinische Versorgung auch schlecht, wenn der Arzt nicht verstand, was der Patient meinte, konnte er ihm auch schlecht helfen. In dieser Situation konnte jeder noch so kleine Fehler zu einer Katastrophe führen. Jedoch gelang es Favre immer wieder die Wogen zu glätten.

1875: Schliesslich kam es Ende Juli 1875 in Göschenen zu Arbeiterunruhen. Die Mineure weigerten sich, in der von Rauchgasen verpesteten Atmosphäre ihre Arbeit wieder aufzunehmen und verlangten Lohnaufbesserungen. Zudem fluchten sie über den harten Stein und die Unterkünfte. Welcher Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte, kann nicht restlos geklärt werden, aber Favre war zu dieser Zeit nicht anwesend.

Nur, das Geld in den Kassen fehlte und die Gesellschaft Favre war so gut wie pleite. Man konnte nicht mehr bezahlen, wenn man nichts mehr hatte. Eine Lösung war daher nicht leicht zu verwirklichen. Der Patron Favre war bei der Gotthardbahngesellschaft und versuchte Geld zu beschaffen und vor allem um mehr Zeit zu bitten, denn es ging beim Bau äusserst schlecht voran. Nur, benötigt hätte man ihn an diesem Tag in Göschenen.

Diese Unruhen sollten zum schwärzesten Tag in der schweizer Bahngeschichte führen. Die Führung der Unternehmung Favre in Göschenen war mit der Situation schlicht überfordert und war wohl auch verängstigt ab den entschlossenen Arbeitern. Man bestellte daher zur Niederlegung des Streiks, Truppen aus Altdorf. Eine Massnahme die wirklich nur schlecht enden konnte und die zeigt, wie dramatisch es in Göschenen an diesem Tag war.

Die Urner Regierung, die ebenfalls den Ernst der Lage nicht richtig erkannte, entsandte daraufhin eine halbe Kompanie militärisch geführter Milizen. Der Streik in Göschenen sollte damit niedergelegt werden. Ausgerüstet waren diese Milizen nur mit Schusswaffen. Die Angst muss wohl auf dem Weg nach Göschenen gross gewesen sein, denn die Männer wussten nicht, was sie dort erwartet.

Als diese Milizen schliesslich mit Steinwürfen begrüsst wurden, waren sie nicht mehr Herr ihrer Gefühle. Die Unerfahrenheit der Leute und die Entschlossenheit der Mineure führten dazu, dass die Milizen vermutlich aus lauter Angst von der Schusswaffe Gebrauch machten. Die Männer waren mit der Situation völlig überfordert und wussten vermutlich nicht was sie taten. Bei dem Gemetzel starben zwei unbewaffnete Arbeiter und viele wurden verletzt.

Die befürchtete Katastrophe war da und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zwei unbewaffnete Mineure, die nur um ihr Recht auf etwas mehr Lebensqualität kämpften, wurden Opfer einer Gesellschaft, die sich verspekuliert hatte und einer Regierung, die den Ernst der Situation unterschätzt hatte. Erst die eilige Rückkehr von Favre konnte vermutlich weitere Opfer verhindern und die Angelegenheit entschärfte sich. Zwei Mineure mussten den verdienten Streik jedoch teuer bezahlen.

Gerade dieser Streik und der daraus entstandene Konflikt zeigten auf, wie ernst die Lage am Gotthard wirklich war. Kaum jemand glaubte an den erfolgreichen Abschluss der Arbeiten. Die Geschicke des Patrons Favre, funktionierten nur, wenn er anwesend war und auch dann nur noch beschwerlich. So geriet aber die ganze Gesellschaft Favre in Schieflage und es drohte der Bankrott. Ein Scheitern drohte und dann der Streik, das war zu viel und so wurde geschossen, wo es schlicht nicht nötig gewesen wäre.

So tragisch dieser Streik auch endete. Die Bevölkerung von Göschenen wurde nun geweckt. Niemand im Dorf wollte oder konnte bisher die Not auf der Baustelle erkennen. Man begann nun damit, den Mineuren weniger feindselig gegenüber zu stehen und so konnten sich auch Beziehungen entwickeln, denn im Grunde waren die Mineure gute und schwer arbeitende Menschen, die auch ein wenig Zuneigung verdient hatten.

Wenn ich bisher von Göschenen sprach, heisst das eigentlich nicht, dass es in Airolo anders war. Dort waren die gleichen Probleme zu bewältigen. Hingegen blieb es dort etwas ruhiger, weil sich die Mineure mit der Bevölkerung verständigen konnten. Das löste Konflikte, bevor sie entstanden und so blieb es dort ruhiger, was jedoch nicht heisst, dass es besser war. Im Gegenteil, auch dort waren die gleichen Probleme mit Stein, Sprengstoff und Huren zu finden.

In Göschenen musste hingegen der französisch sprechende Favre zwischen den deutsch sprechenden Bevölkerung und den italienisch sprechenden Mineuren vermitteln. Bei so vielen Sprachen ist schnell etwas falsch verstanden. Favre hatte wohl eine beruhigende Stimme und konnte so mit dem Tonfall beruhigen. Diese schier unüberwindbaren Sprachprobleme verschärften die Situation natürlich zusätzlich.

Verlassen wir vorerst die Baustellen in Göschenen und Airolo. Denn noch im Jahr 1875 trat Wilhelm Hellwag vor die Direktion der Gotthardbahn. Die Zufahrten sollten nun gebaut werden. Für diese sah Hellwag neue Kehrtunnel vor. Diese gab es noch nicht und so wurden für die Tunnel der Gotthardbahn im süddeutschen Raum Prototypen gebaut. So erkannte man ob man richtig lag. Das galt auch für die neuen Kehrtunnel.

Als schliesslich Wilhelm Hellwag den Kostenvoranschlag für die Zufahrtsstrecken unterbreitete, war das Projekt der Gotthardbahn ernsthaft in Frage gestellt worden. War der Gotthard am Ende, bevor er fertig war? Ein Scheitern des Projekts stand kurz bevor und man musste schnell handeln, wollte man nicht scheitern. Göschenen hatte gezeigt, es lief vieles nicht so, wie geplant. Das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Favre und seine Leute zerbrachen am Fels. Hellwag hatte wegen den Problemen beim Gotthardtunnel vorsorglich etwas höher kalkuliert und so wurden die Zufahrten teurer als ursprünglich geplant.

Die Gotthardbahngesellschaft hatte ihre grösste Krise zu bestehen, denn nun ging das Geld wirklich aus. Die Kosten für den Gotthardtunnel waren aus dem Ruder gelaufen. Der Granit war einfach zu hart und der Bergdruck zu hoch. So konnte es nicht mehr weiter gehen. Die Gotthardkonferenz wurde daher erneut einberufen. Die Leute, die dort eingebunden waren, hatten zu regeln, was geregelt werden musste. Es konnte nur so weitergehen.

Die Ergebnisse hatten zur Folge, dass Alfred Escher als Direktor der Gotthardbahngesellschaft zurücktreten musste und dass die Zufahrten nur noch eingleisig gebaut würden. Escher wurde förmlich mit Schimpf und Schande weggejagt und sollte zum grossen Feindbild der Gotthardbahn werden. Er verstarb schliesslich 1882 als gebrochener Mann. Favre war jedoch überall beliebt, so dass er noch bleiben konnte und so sein Lebenswerk vollenden durfte.

Die Zufahrten aus Luzern und Zürich wurden zurückgestellt und so baute man nur noch die Strecke ab Immensee. Die Tessiner Talbahnen fuhren bereits und so gab es dort keine Änderungen mehr. Von Luzern reiste man daher über Rotkreuz zum Gotthard. Den gleichen Weg musste man auch ab Zürich nehmen. Einfach gesagt, sämtliche Städte, mit Ausnahme von Basel, wurden vom direkten Zugang abgeschnitten.

Die Kilometrierung der Gotthardbahn begann daher neu in Immensee. Der geplante Teil von Luzern über Meggen, der ursprünglich zur Gotthardbahn gehörte, wurde zur Anschlusslinie zurückgestuft und nicht mehr in die Kilometrierung der Bahnlinie aufgenommen. Damit löst sich nun das Rätsel über diese besondere Begebenheit mit Immensee. Die finanziellen Probleme führten dazu, dass die Gotthardbahn bei der Eröffnung im ländlichen Immensee beginnen sollte. Der Kilometer 0 liegt auch heute noch in Immensee.

Damit konnte weiter gearbeitet werden. Der Entscheid war wohl für das Projekt Gotthardbahn entscheidend, denn der Bau des Scheiteltunnels verschlag viele Summen. Die mussten beschafft werden und niemand konnte damals ahnen, dass man wirklich einer Goldgrube auf der Spur war. Doch nun fehlte das Geld und man musste zurückstecken. Die Gotthardbahn sollte mit nur einem Geleise gebaut werden. Einzige Ausnahme war der Gotthardtunnel, doch der war alles andere als fertig und niemand wusste genau, ob man sich treffen würde.

Im Tunnel gingen die Arbeiten voran. Schleppend kämpften die Mineure weiterhin gegen den harten Fels. Immer mehr Stimmen wurden laut, dass man sich doch längst hätte treffen sollen. Die Vermessung wurde angezweifelt und die Sorgen stiegen immer höher an. Nur, die Vermessung stimmte und man war scheinbar wirklich auf dem richtigen Weg. Nur der Stein gab nicht nach und so vergingen Jahre, in denen geschuftet wurde, ohne dass man noch Hoffnung hatte.

1878: Ein neuerlicher Vertag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Italien wurde im Jahre 1878 geschlossen. Dieser Vertrag regelte den Bau der Strecke über den Monte Ceneri. Obwohl dieser eigentlich schon immer im Zusammenhang mit dem Projekt Gotthardbahn genannt wurde, war der Ceneri ein eigenes Bauvorhaben. Die Strecke sollte die beiden Talbahnen im Tessin miteinander verbinden. Dazu war neben dem Scheiteltunnel auch eine steile Zufahrt zu erstellten.

Kernstück dieser Strecke bildete aber der Seedamm in Melide. Dieser sollte über den Luganersee führen und so die Umfahrung dieses verwinkelten Sees verhindern. Der Seedamm wurde in Melide gewählt, weil dort der See am schmälsten und nicht zu tief war. Man konnte die Landzungen von Melide und Bissone nutzen um den See zu überqueren. In der Mitte sollte eine Brücke gebaut werden. Somit war die ganze Strecke bewilligt und konnte gebaut werden.

1879: Ein schweres Jahr kam 1879 auf die Unternehmung Favre und auf den Bau der Scheiteltunnels zu. Die Arbeiten im Tunnel gingen immer noch schleppend voran und bei den Zufahrten hatte man gerade begonnen. Louis Favre begab sich deshalb auf einen Kontrollgang in den Tunnel. Dort erlag er am 19. Juli 1879 um 14.00 Uhr einem Herzschlag. Die Belastung für den Patron war einfach zu gross geworden. Seine grösste Sorge war jedoch, dass sie sich nie treffen würden, denn er vertraute seinen eigenen Berechnungen nicht mehr.

Für die Beerdigung von Favre ruhten die Arbeiten beim Tunnel auf beiden Seiten des Berges. Die Arbeiter nahmen Abschied vom grossen Mann, denn sie liebten und der ihnen Hoffnung gab. Favre wurde auf dem Friedhof in Göschenen unter Anteilnahme der Arbeiter und der Bevölkerung beigesetzt. In der Folge sollte ein einfaches Holzkreuz sein schlichtes Grab kennzeichnen. Louis Favre *26. I.1826 - † 19.VII.1879.

Trotzdem gingen nun die Arbeiten weiter. Die Mineure fühlten sich nun Favre verpflichtet und so war es nun ihr ernanntes Ziel, der Tunnel wird gebaut. So gingen die Arbeiten weiter, ohne dass sich in den nächsten Monaten an der Situation etwas bessern sollte. Die Mineure, die immer noch schlecht bezahlt gegen den Fels kämpften gaben die Hoffnung jedoch nicht auf und so musste man sich doch im Berg irgendwo treffen. Davon waren sie überzeugt und das wollten sie dem grossen Patron beweisen.

1880: Eigentlich hätte der Tunnel schon längst im Endausbau sein sollen. Doch noch war der Durchstich nicht geschafft. Es dauerte jedoch noch bis zum 28. Februar 1880 bis es so weit war. Nachdem Tage zuvor Klopfzeichen zu hören waren, wurde im Eifer geschaffen und der Bohrer aus dem Tessin fiel plötzlich ins Leere, das konnte nur der andere Stollen sein!

Favre war schliesslich der erste und der einzige, der an diesem Tag den Gotthardtunnel durchquerte. Wenn auch nur auf einem Bild. So erbrachten die Mineure ihrem grossen Helden die letzte Ehre. Die Qualen waren zu Ende und nur wenig Fels trennte die beiden Seiten voneinander. So wurde an diesem Tag, wohl zu Ehren von Louis Favre auf die Sprengung verzichtet. Damit kam es aber zur sonderbaren Situation, dass der offizielle Durchstich über ein besonders Datum verfügen sollte.

Am nächsten Tag, am Sonntag den 29. Februar 1880 um 11.10 wurde der letzte Meter des Tunnels weggesprengt. Der Gotthard war bezwungen. Die Freude im Tunnel, in der Schweiz und in halb Europa war gross. Die Meldung „Durchstich am Gotthard“ verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sowohl die anwesenden Ingenieure, als auch die Mineure umarmten sich mit Tränen der Freude in den Augen. Der Berg war bezwungen. Vergessen waren nun all die Strapazen, die erbracht werden mussten.

Die Arbeitsbedingungen änderten sich im Tunnel nun deutlich. Es entstand Zugluft und die Leute konnten zumindest etwas aufatmen. Die Ingenieure waren noch mit Messen beschäftigt. Schliesslich war klar, man hatte sich seitlich um 33 Zentimeter verfehlt. In der Höhe konnte die Abweichung vernachlässigt werden. Der erste von zwei Seiten gebaute Tunnel war durchbrochen worden und er hatte eine Länge von 14‘892 Meter. Weltrekord!

Der schwerste Teil am Gotthard war geschafft und der Durchstich brachte etwas Schwung in das Projekt am Simplon, denn was man dort schaffte, ging doch auch hier. So bewirkte der Gotthard nun, dass man sich auch an andere Projekte mit langen Tunneln wagte. Lange sollte der Gotthard daher diesen Weltrekord nicht halten können. Nur die Meisterleistung am Gotthard war mit den schnöden Zahlen längst nicht deutlich genug erwähnt worden.

 

Haupttunnel Gotthard Simplon Lötschberg
Bahngesellschaft Gotthardbahn    
Baubeginn Nord 24.10.1872    
Baubeginn Süd 13.09.1872    
Durchschlag 29.02.1880    
Länge 14‘892 m    
Opfer 177    
Eröffnung 01.06.1882    
Betriebsart Dampf    
Basislinie      

 

Vergleicht man die damaligen Vermessungsinstrumente mit der heute im Tunnelbau angewendeten Messtechnik (Laserstrahlen, elektronische Messgeräte, GPS), dann tönt der Prädikat „Präzise“ für die damalige Arbeit der Vermessungsingenieure fast schal. Die Angst Favres war unbegründet und er hatte einfach den harten Stein und die damit verbundenen Verzögerungen unterschätzt. Der Gotthard war ein Meisterwerk des Tunnelbaus und das konnte man ihm nicht mehr nehmen.

Nun, wo der Gotthard bezwungen war, kamen andere Bahnprojekte in den Alpen wieder etwas in Schwung. Nur registrierte man das damals schlicht nicht, denn die ganze Welt blickte nach Göschenen und Airolo und auf den Tunnel, der Wirklichkeit wurde. Ein Tunnel der viele Opfer forderte. Wie viele es sein würden, wusste man damals noch nicht, denn bei Unfällen und beim Streik starben bisher 30 Arbeiter, aber das sollten noch nicht alle sein.

Nur am Gotthard kamen neue schlechte Nachrichten an. In Turin stellte man bei einem vom Gotthard zurückgekehrten Arbeiter im Spital einen Eingeweidewurm fest. Diese als Anämie bezeichnete Krankheit grassierte in Göschenen und vor allem in Airolo. Die betroffenen Mineure hatten nur noch eine kurze Lebenserwartung. Nachweislich kam die Krankheit aus dem Tunnel, so dass sie noch heute von Mineuren gefürchtet ist. Letztlich wurden diese Opfer auch dem Tunnel zugeschrieben.

Der Haupttunnel hatte am Schluss 63 Mio. Franken gekostet. Die Firma Favre machte 14.7 Mio. Franken geltend. Die Strafen der Gotthardbahn waren mit 8.8 Mio. veranschlagt, mit allen Kosten, die noch offen waren, blieb letztlich der Unternehmung Favre ein Betrag von 760‘000 Franken übrig. Favre war gestorben und musste somit nicht miterleben, dass seine Familie pleite war, die Tochter jedoch erlebte diese Schmach am eigenen Leib.

Jedoch sollte der Gotthard mit anderen Zahlen berühmt werden, denn insgesamt starben beim Bau 177 Arbeiter. So viele Opfer sollte kein weiterer Tunnel in der Schweiz mehr fordern. So grausam die Arbeit im Tunnel war, so schwer es die Leute hatten, so klar war, dass diese 177 Personen die wahren Helden des Gotthards waren. Die Bosse der Gotthardbahn wurden gefeiert, geehrt wurden aber die Opfer. Hoffen wir, dass sich das Debakel Gotthard nie mehr wiederholen wird.

1882: Am 1. Januar 1882 fuhr der erste normalspurige Zug durch den Tunnel. Da die Strecke noch nicht fertig war und somit noch nicht behördlich abgenommen war, wurde nur die Post durch den Tunnel transportiert. Die weiteren Güter und die Personen mussten immer noch den beschwerlichen Weg über den Pass auf sich nehmen. Doch die Bauarbeiten der Zufahrten, kamen auch langsam dem Ende entgegen.

Bei den Zufahrten wurde erstmals eine neue Art von Tunnel gebaut. Mit Hilfe von Spiralkehrtunnel wurde die notwendige Höhe gewonnen. Nicht weniger als fünf solcher Tunnel mussten gebaut werden. Zudem wurde die Strecke im Raum Wassen mit Schleifen verlängert. Dabei kamen zwei halbe Kehrtunnels zur Anwendung. Damit konnten die Aufzüge umgangen werden und so entstand eine durchgehende Bahnlinie.

Die Steigungen der Zufahrtsstrecken betrugen zwischen 25 und 27‰, wobei eine offizielle Steigung von 26‰ angegeben wurde. Die Kehrtunnel waren etwas flacher ausgeführt worden. Hingegen fand man die steilsten Abschnitte unmittelbar nach Beginn der Rampe. Gerade hier befand sich wohl die grösste Meisterleistung beim Bau der Zufahrten, denn schafften die Dampfloks den ersten Aufstieg, blieben sie auf der weiteren Bergfahrt nicht stehen. Ähnliches galt auch für die Kehrtunnel.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die grossen Neuerungen am Gotthard der von zwei Seiten gebaute Scheiteltunnel und die Kehrtunnel waren. Beide Bauwerke wurden vorher noch nie erfolgreich angewendet. Krönend war dann noch, dass man den längsten Tunnel der Welt gebaut hatte. Doch nun war die Strecke fertig und man konnte sich freuen. Es war geschafft!

 

1882: Die Gotthardbahn wird eröffnet

Am 01. Juni 1882 wurde die Bahnlinie über den Gotthard mit umfangreichen Feierlichkeiten eröffnet. Am Tag zuvor wurde die Strecke von den Behörden freigegeben. Die Gotthardbahn war gebaut und konnte nun dem Betrieb übergeben werden. Das wurde natürlich mit einem grossen Fest gefeiert. Die Qualen der Arbeiter und die finanziellen Sorgen der Bauzeit waren vergessen, denn nun hatte man die erste Alpenbahn der Schweiz.

Nicht dabei waren die grössten Helden der Gotthardbahn. Das waren die verstorbenen Arbeiter, Louis Favre, der ebenfalls verstorben war und Alfred Escher, der entlassen wurde. Sie alle mussten dem Gotthard einen hohen Preis bezahlen und nur Escher konnte sich davon wieder einigermassen erholen, auch wenn er im gleichen Jahr verstarb. Er wurde bekannt, die wahren Helden gingen jedoch beinahe vergessen und deren Namen fanden sich in Urner Familien wieder.

Man wollte sich jetzt nicht mehr an die Marter im Tunnel erinnern. Besonders jetzt nicht, wo man durchfahren konnte. Jetzt war der Bau vollendet, wenn die Termine auch nicht gehalten werden konnten. Die Gotthardbahn gab es und das musste umfassend gefeiert werden. Zeit für nachdenkliche Stimmen war nicht vorhanden und man freute sich auf dem ganzen Kontinent. Selbst die Kritiker des Gotthards waren nun verstummt und feierten mit, ein Weltwunder war entstanden. In diesem Punkt war man sich damals wohl einig.

Viele Vertreter der Behörden waren anwesend und der Zug mit den Gästen machte überall in den Bahnhöfen Halt und die Bahn wurde im ganzen Land gefeiert und auch Europa war dabei, wenn man auch nur das Deutsche Reich und das Königreich Italien eingeladen hatte. Nur die Postillione der Kutschen sahen etwas wehmütig auf die Eröffnung der Bahn, denn sie wurden nun ihrer Arbeit beraubt und mussten sich neu orientieren.

In Luzern und Mailand wurde zur Feier der grossen Eröffnung Feuerwerk abgebrannt und eine feierliche Beleuchtung entzündet. Die Bewohner der Städte waren auf der Strasse und freuten sich über das vollende Bauwerk. Die Gotthardbahn war Wirklichkeit geworden. Nach einer Bauzeit von „nur“ 10 Jahren war man erst noch recht schnell gewesen, denn die Bahnlinie hatte eine Länge von über 200 Kilometer. Man hatte allen Grund zum Feiern und der planmässige Verkehr konnte noch warten.

Mit der Eröffnung ging man daran, die Nacharbeiten vorzunehmen. Dazu gehörte die Tochter von Louis Favre. Die Familie Favre war am Bau Bankrott gegangen und die Gotthardbahn sorgte im Friedhof von Göschenen nur für einen Grabstein mit dem Kopf von Louis Favre über seinem Grab. Ein Denkmal für den grossen Erbauer des Tunnels gab es ausserhalb des Friedhofes jedoch nicht. Hingegen zeigte man sich gegenüber der Tochter grosszügig und sprach ihr eine Rente von 10‘000 Franken jährlich zu. Sie verstarb schliesslich 1912, womit die Familie Favre bei der Gotthardbahn vergessen ging.

Jedoch brachte die Eröffnung des Gotthards etwas Schwung in das Projekt am Simplon. Ein Tunnel mit fast 20 Kilometer Länge sollte dort entstehen. Doch noch war man davon weit entfernt und in der Schweiz gab es wenig Rückhalt für diese Linie. Die Schrecken des Gotthards wirkten bei den Leuten, denn man befürchtete das gleiche Bild am Simplon. Die Gotthardbahn war da und damit sollte nun genug sein. Weitere Bahnen sah man nun nicht mehr als angebracht an.

Die Gotthardbahn stand nun aber vor neuen Problemen, denn der Verkehr benötigte Leute. Diese mussten jedoch schreiben und lesen können. Rechnen war auch nicht schlecht und so mussten Schulen gebaut werden. Man baute Kirchen und Badhäuser in den Gemeinden. Magazine boten vergünstigte Lebensmittel an. Die Gotthardbahn wurde nun ein sozial sehr kompetenter Arbeitgeber. Die Opfer vom Tunnel und die damaligen Zustände waren vergessen. Erst viele Jahre später wurde in Airolo ein Denkmal zu Ehren der Arbeiter erstellt. Jedoch ihre grosse Ehre fand in der Vollendung des Tunnels statt, denn nur sie hatten es ermöglicht.

Mit der Eröffnung änderte sich jedoch einiges dramatisch. Die Züge, die nun zum Gotthard kamen, machten der Gesellschaft immer grössere Probleme, denn nun war die Strecke zu gering geraten. Besonders die einspurigen Zufahrtsstrecken waren ein Hindernis, das nicht geplant war und den hohen Baukosten geopfert werden musste. Doch die Bahn startete sehr gut und man hatte nun Einnahmen, die verwendet werden konnten. Einfach gesagt, die Kassen waren randvoll, man sass im wahrsten Sinne der Worte auf einer Goldgrube.

1883: Hier lohnt es sich nun, wenn wir einen Blick auf die Zahlen dieser Bahnlinie werfen. Das Jahr 1882 kann dabei nicht genommen werden, denn man fuhr ja nur ein halbes Jahr. So blicken wir auf die Zahlen von 1883, dem ersten vollen Betriebsjahr der Gotthardbahn. So können wir uns ein Bild machen. Die nackten Zahlen zeigen dabei ein deutliches Bild:

 

  Reiseverkehr     Güterverkehr  
  1‘056‘000 Reisende     470‘000 Bruttotonnen  

 

In Anbetracht der damals verwendeten Lokomotiven eine gigantische Leistung, die heute nur schwer verstanden werden kann. Nur, was waren das für Lokomotiven? Die Maschinen die zur Zeit der ersten Bahn verwendet wurden, konnten wohl kaum verwendet werden. So lohnt es sich, wenn wir kurz auf die ersten Lokomotiven der Gotthardbahn blicken, denn nur dann wird die Leistung noch deutlicher, denn man war weit von dem entfernt, was wir heute kennen.

Für die Reisezüge wurden Tenderlokomotiven der Baureihe B1 verwendet. Diese hatten zwei Triebachsen und konnte gerade einmal 50 Tonnen schwere Züge auf der Bergstrecke befördern. Damit waren die Reisezüge oft auch mit Lokomotiven des Güterverkehrs bespannt. Diese Lokomotiven waren daher schnell mit dem aufkommenden Reiseverkehr überfordert. Sie zeigten aber, wie sehr man hier das Aufkommen unterschätzt hatte.

Im Güterverkehr kamen Lokomotiven der Baureihen C, C1 oder D zum Einsatz. Diese vermochten Züge mit bis zu 170 Tonnen Gewicht die steilen Rampen hoch zu ziehen. Jedoch waren sie langsam und konnten die Züge nur mit Geschwindigkeiten von rund 20 km/h befördern. Die Kraft musste der Geschwindigkeit geopfert werden. Wobei die Lokomotiven auch hier nicht immer ausreichten, so mussten die Züge mit zusätzlichen Lokomotiven bespannt werden. Schiebedienst am Gotthard war damals keine Seltenheit.

Doch damit waren die Strecke und das Rollmaterial bereits am Limit, so dass gleich mit dem Ausbau der Strecke begonnen werden musste. Die Gotthardbahn war von der ersten Sekunde an voll ausgelastet und musste dringend erweitert werden. Da war nichts mit einem verhaltenen Start und geringen Einnahmen. Im Gegenteil, die Lokomotiven der ersten Stunde wirkten nach Minuten schon zu klein für die Züge, die gezogen werden mussten.

Wer bisher noch Zweifel hatte, wurde nun eines besseren belehrt, denn die Gotthardbahn war ein grosser Erfolg. Die Bahn leistete im Vergleich zu den anderen Bahnen in der Schweiz immer wieder Pionierarbeit und wenn es eine grosse Lokomotive in der Schweiz gab, war es eine Lokomotive für die Gotthardbahn. Die Kassen waren trotz den Ausgaben für Ausbauten randvoll und die Zukunft schien für die Bahn am Gotthard zu sprechen.

Doch Probleme hatte man mit dem Scheiteltunnel, denn der dichte Verkehr verhinderte, dass die Rauchgase aus dem Tunnel entweichen konnten. Nur mit einer künstlichen Belüftung konnte das Problem verringert werden. Zudem wurde das Lokomotivpersonal mit klaren Weisungen versehen. Wer dagegen verstossen hatte, bekam harte Strafen. Trotzdem kam es immer wieder zu Problemen mit dem Betrieb auf der Strecke und vor allem mit dem Rauch im Haupttunnel.

Man richtete deshalb eine künstliche Belüftung des Scheiteltunnels ein. Damit sollte von der Witterung unabhängig ein Luftstrom durch den Tunnel vorhanden sein. Man erhoffte sich, dass so die giftigen Rauchgase besser aus dem Tunnel gezogen würden. Die Dampfloks fuhren mit maximalem Kesseldruck los, sperrten das Feuer ein und versuchten die Kuppe im Tunnel zu erreichen. Danach rollte man gegen das Ende des Tunnels, wobei der Druck im Kessel natürlich immer mehr sank.

Der Erfolg der Gotthardbahn brachte die anderen Gebiete der Schweiz wieder aufs Tablett. Besonders in der Ostschweiz war man davon überzeugt, dass man einen eigenen Zugang Richtung Süden verdient hätte. Nun kam der Splügen wieder ins Gespräch. Aus dem Raum St. Gallen sollte eine Bahn über den Splügenpass gebaut werden und so Italien erreichen. Etwas vom grossen Kuchen wollte man doch auch in der Ostschweiz abbekommen. Davon war man überzeugt. Die Gotthardbahn zeigte wie es geht.

Im Westen sah man das anders, denn hier war klar der Simplon der grosse Favorit. Bern wollte mit einer Berner Alpenbahn dazu stossen. Nur die finanziellen Mittel fehlten hier ebenso, wie in der Ostschweiz, denn der Staat zeigte kaum Verständnis für diese Projekte, denn man hatte die Alpenbahn, die man benötigt hatte und mehr sollte es auch nicht mehr geben. Davon war man im Bundeshaus überzeugt und die Projekte fanden wenig Gehör.

Die Gotthardbahn musste aber auch die zurückgestellten Zufahrten bauen. Alles in allem wurden jetzt die Bauprojekte, die zurückgestellt wurden, verwirklicht und der Ausbau auf Doppelspur begann mit dem ersten Betriebsjahr. Nur so konnte man dem Ansturm auf die neue Strecke gerecht werden. Die Gotthardbahn wurde in den folgenden Jahren zu einer grossen Baustelle und 1890 wurde der erste doppelspurige Abschnitt in den Rampen dem Betrieb übergeben.

1891: 1891 wurde schliesslich die Zufahrt über Meggen eröffnet. Die Gotthardbahn konnte nun Luzern auf den eigenen Gleisen erreichen. Obwohl die Bahnlinie nun in Luzern begann, verblieb der Kilometer null jedoch in Immensee und so erinnert noch heute ein einfacher Kilometerstein an die finanziellen Probleme der Gotthardbahn und daran, dass Immensee der Startpunkt der Bahn war. Die Gotthardbahn hatte die volle Streckenlänge erreicht, mehr sollte nicht mehr gebaut werden.

Die Zufahrt für Zürich, die von Thalwil her bis nach Arth-Goldau führte, wurde von der NOB gebaut. Damit konnte nun aber auch Zürich auf direktem Weg an den Gotthard gelangen. Die Bahn hatte nun alle Zufahrten erhalten und musste nur noch ausgebaut werden. Das erfolgte bereits, nur benötigte man dazu etwas mehr Zeit, denn Tunnel und Brücken mussten fertig gestellt werden. Das dauerte etwas und so kämpfte man mit dem Verkehr auf der Strecke.

Ebenfalls 1891 bekundete man beim Projekt des Simplontunnels grosse finanzielle Probleme. Die Investoren waren weg, denn nun gab es den Gotthard und man wollte sich nicht auf neuerliche Risiken einstellen. Man musste befürchten, dass nun kaum eine zweite Bahnlinie durch die Alpen gebaut werden würde. Sollte wirklich schon Schluss mit den Alpenbahnen sein? War der Gotthard das Damoklesschwert für die anderen Projekte? Befürchtet wurde es auf jeden Fall.

1892: Am 28. Mai 1892, also nur zehn Jahre nach der Eröffnung, wurde mit dem Abschnitt Wassen – Göschenen die letzte Lücke geschlossen. Die Gotthardbahn war nun fertig. Man hatte beinahe den kompletten Ausbau nun abgeschlossen und es fehlten nur noch die flacheren Abschnitte. Die durchgehende Doppelspur der Strecke sollte jedoch nicht mehr in diesem Jahrhundert eröffnet werden können. Die GB war in Betrieb und funktionierte gut, ja man konnte behaupten, der Bau habe sich gelohnt.

Die Verkehrszahlen waren vielversprechend und so musste man am Gotthard neue Lokomotiven beschaffen. Dazu gehörten neue Schnellzugslokomotiven mit drei Triebachsen und Güterlokomotiven mit mehr Zugkraft. Damit sollten erneut die stärksten Lokomotiven beschafft werden. Das Geld dazu war, trotz den umfangreichen Ausbauten vorhanden, den Geldsorgen gab es bei der GB schlicht nicht.

1895: Nun kam wieder etwas Schwung in das Projekt Simplon. Der Jura-Simplon – Bahn JS gelang es 1895 einen Vertrag der Schweiz mit Italien zu erstellen. Darin sollte der Bau des Simplontunnels geregelt werden. Die Bahnlinie aus dem Wallis nach Italien sollte doch noch finanziert werden können. Dabei reduzierte man das Projekt schon sehr früh, so dass man nur einen einspurigen Tunnel fertig bauen wollte. Parallel dazu sollte nur der Richtstollen entstehen.

Mit dem Aufflammen des Simplon, witterte man in Bern erneut frische Luft. Die Idee einer neuen Alpenbahn begann nun Fuss zu fassen. Die Hauptstadt sollte an den Simplon und so direkt an Italien angeschlossen werden. In der Ostschweiz fehlten die Verbündeten, denn Italien hatte an einer Splügenbahn kein Interesse, denn die war zu nahe bei Österreich-Ungarn und mit denen war man gar nicht gut zu sprechen. Das Projekt Splügen verschwand wieder in den Schubladen.

Zur gleichen Zeit kam die zweite Generation von Lokomotiven zur Gotthardbahn. Besonders die Tenderlokomotiven waren für die Schnellzüge zu schwach geworden. Deshalb liess die Gotthardbahn neue Lokomotiven für die Schnellzüge bauen. Diese sollten als Baureihe A3t geführt werden. Mit einer Anhängelast von 120 Tonnen vermochten sie mehr als doppelt so schwere Züge die steilen Rampen hoch schleppen. Der Betrieb wurde vereinfacht und die Reisezüge beschleunigt.

1896: Der Winter 1895/96 meinte es mit der Gotthardbahn gar nicht gut. Nachdem es in Airolo seit Tagen nur geschneit hatte, lagen im Bahnhof zwei Meter Schnee. Die von der GB verwendeten Schneepflüge mussten kapitulieren. Solche Schneehöhen hatte man in Höhen von 1‘500 Meter befürchtet und hatte seinerzeit den Tunnel tiefer gebaut. Doch nun zeigte die Natur, dass mit ihr nicht spekuliert werden kann. In Airolo brach das Chaos aus und die Strecke war mehrere Tage unterbrochen.

Bis die Strecke wieder frei geräumt werden konnte, vergingen mehrere Tage. Diese Lösung konnte es nicht sein und so musste eine Dampfschneeschleuder der Bauart Leslie beschafft werden. Die Hersteller bekamen dafür jedoch nur einen Sommer lang Zeit, denn im nächsten Winter sollte damit die Strecke geräumt werden können. Man erkannte, dass auch 1‘100 Meter hoch genug sein kann um einer Bahn das Fürchten zu lernen. Die GB lernte schnell und so musste die Rotary schnell her.

Seiher kam es nur noch selten zu längeren Unterbrücken wegen dem Schnee. Die Hauptprobleme stellten jedoch nach wie vor die Lawinen dar, denn obwohl man beim Bau die sicheren Seiten gewählt hatte, kamen diese der Bahn immer wieder gefährlich nahe. Die Durchlässe vermochten meistens den Schneemassen zu trotzen, aber trotzdem kam es immer wieder zu Unterbrüchen wegen den Lawinen. Mit Hilfe der neuen Dampfschneeschleuder war die Räumung jedoch schnell erledigt.

1897: 1897 wurde ein neues Eisenbahnsubventionsgesetz zur Diskussion gestellt. Das gab den Ideen einer Berner Alpenbahn neuen Schwung. Richtig Öl ins Feuer gegossen wurde, als sich abzeichnete, dass der Simplon nun gebaut werden würde. Jetzt hiess es nur noch, auch Bern braucht eine Alpenbahn. Doch wo die durchführen sollte, musste man zuerst herausfinden. Die Gotthardbahn war für Bern nicht mehr interessant, denn mit dem Simplon eröffneten sich ganz andere Möglichkeiten.

Die Projekte der Berner Alpenbahn suchten einen möglichst guten Weg zum Simplontunnel. Dazu standen diverse Varianten zur Verfügung. Entweder man wählte den Weg durch das Simmental und unterquerte den Wildstrubel, oder man suchte sich den Weg durch das Kandertal und durchbohrte den Lötschberg. Man hatte die Wahl, aber alle Projekte suchten möglichst direkt den Weg zum Nordportal des Simplontunnels, der nun definitiv gebaut werden würde.

Das Projekt der Simplonbahn, sah einen 20 Kilometer langen Tunnel vor, der aus dem Raum Brig ins italienische Iselle führen sollte. Von dort sollte denn mit einer Rampe Domodossola und somit der südliche Abschluss der Strecke erreicht werden. Abgesehen vom langen Tunnel sollte der Simplon das kürzeste Bauprojekt der Alpenbahnen sein. Besonders war, dass nun der Tunnel die Grenze zwischen zwei Ländern passierte. Erstmals sollte daher ein Zug grenztechnisch im Niemandsland verkehren.

Obwohl der Tunnel länger werden sollte, als der Gotthard, ging man von einer Bauzeit von 5,5 Jahren aus. Für 20 Kilometer war das eine kurze Bauzeit, aber am Simplon konnte man bereits von den Maschinen am Gotthard profitieren. Die Geräte waren daher bereits besser und so sollte eine kürzere Bauzeit möglich sein. Da man nur eine Röhre fertig ausbrechen wollte, sollte die Bauzeit weiter verkürzt werden.

Erneut suchte man wieder einen Unternehmer für den Bau des Tunnels. Die Wahl fiel nun auf eine Ingenieurunternehmung aus Hamburg. Die Firma Brandt + Brandau sollte den Simplon bauen. Neben den Vermessungen waren sie auch für die Bauausführung verantwortlich. Gerade die Tatsache, dass eine Firma aus Hamburg für den Bau vorgesehen wurde, rief die Skeptiker auf den Plan. Man befürchtete ein grosses Desaster.

 

1898: Baubeginn am Simplon

Am 22. November 1898 begann man am Simplon mit den Bauarbeiten im Raum Brig. Der Vortrieb für den Tunnel begann auf der Südseite am 21. Dezember 1898. Die Arbeiten am Tunnel waren nun gestartet und noch hoffte man, dass man den Simplon leichter bezwingen würde, als das am Gotthard erfolgt war. Die Bedingungen dort waren schrecklich gewesen und man wollte nun alles besser machen.

Parallel dazu begann die Suche nach einem möglichst guten Projekt der Strecke von Bern nach Brig. Diese sollte sich noch etwas in die Länge ziehen und von einem Beginn des Baus war kaum zu sprechen. Die Ideen mit Wildstrubel und Lötschberg teilten die Interessenten auf, so dass wir uns vorerst dem Simplon zuwenden können und nicht weiter auf die umfangreichen Projekte eingehen wollen. Die Bahn als Zufahrt für Bern sollte gebaut werden, da war man sich einig. Noch wusste man nicht wie und schon gar nicht wann und wo. Denn auch das Geld war nicht vorhanden.

Die Hoffnungen auf bessere Zustände wurden am Simplon schnell beerdigt. Die Mineure trafen besonders auf der Südseite auf heisse Quellen und auf gewaltige Wassereinbrüche, die den Stollen innert kurzer Zeit zu überschwemmen drohten. Besonders im südlichen Stollen verzögerte sich daher der Vortrieb und die Arbeiten gerieten ins Stocken. Oft betrug die Tagesleistung 0 Meter, weil man einfach nicht gegen das Wasser, das eindrang, ankam.

Bei kochendem Wasser, das einem mit hohem Druck entgegen spritzt, ist nicht schnell zu arbeiten. Besser trafen es die Mineure auf der Nordseite, so dass man hier etwas schneller vorwärts kam. Doch auch hier war man mehr damit beschäftigt zu verhindern, dass einem der Berg nicht auf den Kopf fällt, als dass man Weg machte. Diese Sicherungen nahmen wie am Gotthard viel Zeit in Anspruch. Man erkannte schon früh, dass die geplante Bauzeit nicht gehalten werden konnte.

Damit kamen aber die Finanzen wiederum aus dem Lot. Man musste sparen um den Tunnel bauen zu können. Gerade am Simplon baute man mit einem knappen Budget und so wurde auch hier die Südrampe zuerst einspurig gebaut. Die Direktion der JS verfügte zusätzlich Kürzungen bei den Löhnen. Somit setzte man hier die gleichen Massnahmen durch, wie man sie schon am Gotthard verwendet hatte. Die Betreiber hatten wohl nichts dazu gelernt.

Das Umfeld um die Baustelle war daher keineswegs besser, als das am Gotthard der Fall war. Die italienischen Mineure kamen kaum mit der Bevölkerung in Brig zurecht und die Spekulanten vermieteten wieder ihre Zimmer. Ach, und wäre das nicht genug, kamen auch die Damen des horizontalen Gewerbes mit, so dass die Krankheiten auch hier um sich griffen. Die erhofften besseren Verhältnisse gab es daher auch hier nicht. Im Gegenteil, es war fast schlimmer, als am Gotthard.

Es kam zu Streiks, Milizen und Soldaten wurden zur Niederlegung eingesetzt. Die Transporte des Sprengstoffes mussten bewacht werden. Nur war man besser vorbereitet und die Männer der Milizen waren besser geschult worden. Es blieb immer bei den Drohungen und die Schüsse von Göschenen wiederholten sich glücklicherweise nicht. Den Arbeitern gelang es so einige wenige Verbesserungen durchzudrücken. Grösster Streitpunkt war dabei die zugeführte Frischluft.

So war es doch etwas besser, aber von gut, war man weit entfernt und die Arbeiter kämpften immer noch um mehr Lohn und um bessere Unterkünfte. Die Situation in Iselle war nicht viel besser, aber ähnlich wie in Airolo, da auch hier die Bevölkerung die Sprache der Mineure sprach. Tunnelbau war damals wohl nicht mit vernünftigen Arbeitsbedingungen zu schaffen. Trotz all der Probleme wurde aber gebaut. Auf jeden Fall so gut es ging.

Die Mineure hatten eine ebenso schwere Arbeit zu erledigen. Im Gegensatz zum Gotthard war der Bergdruck um einiges höher. Die bisher verwendeten Abstützungen hielten nicht und man musste sie immer wieder verstärken, weil einem sonst der Berg auf den Kopf zu fallen drohte. Besonders die hohe Überdeckung führte zu diesem Problem, denn man hatte mehr als 2‘000 Meter Fels über dem Kopf.

Die Temperaturen im Tunnel stiegen erneut massiv an. Da man Werte von bis zu 42°C erwartet hatte, verbesserte man die Lüftung. Nur an der Stollenbrust wirkte die nicht sehr gut. Somit lagen diese Temperaturen hier noch einmal deutlich höher, als am Gotthard und erreichten bis zu 50°C. Hinzu kamen die heissen Wassereinbrüche, die bis zu 100°C heiss sein konnten. Besonders im südlichen Stollen hatte man daher immer wieder mit schweren Verbrennungen zu kämpfen. Bei einer schlechten medizinischen Versorgung, wirkte sich das natürlich sehr schlimm aus.

Wer sich noch an die Hoffnung klammerte, musste einsehen. Der Gotthard war harmlos. Die Strecke durch den Simplon wurde eine erneute Herausforderung und auch hier kämpfte man mit den finanziellen Mitteln und mit dem Leben der Mineure. Man versuchte dank dem zweiten Richtstollen zumindest die Frischluft etwas besser zuführen zu können. Damit war die Luft nicht ganz so stickig, wie am Gotthard trotzdem eine freudige Arbeit, war am Simplon nicht zu erwarten.

Doch man hatte erst mit dem Bau begonnen. Die Arbeiten sollten noch etwas andauern und die grössten Probleme sollten damit noch kommen, denn es war kaum zu erwarten, dass man im tieferen Fels weniger Probleme bekunden würde. Der Simplon war erneut ein Kampf von Menschen gegen den harten Fels der schweizer Berge. Die Geschichte vom Gotthard schien sich erneut zu wiederholen.

1899: Mit dem Baubeginn am Simplon haben wir die ersten 50 Jahre unserer Geschichte geschafft. Es ist nun Zeit, etwas inne zu halten und sich an die Tatsache zu erinnern, dass die erste Alpenbahn rund 20 Jahre lange geplant wurde und dass der Bau schliesslich viele Opfer brachte. Zudem waren erneut Bauarbeiten im Gang, die sich nicht von der besseren Seite her zeigten. Die Mineure brachten auch jetzt wieder grosse Opfer.

Die Strecke durch den Gotthard wurde zum grossen Erfolg für die Gotthardbahn, doch damit war man nicht fertig. Die Strecke hatte Erfolg und so kamen andere Projekte, deren Bau nun begonnen hatte. Am Simplon wurde nun gebaut und die Projekte der Berner Alpenbahn nahmen langsam Gestalt an. Bern sollte im nächsten Jahrhundert doch noch zu einem direkten Zugang gegen Süden kommen. Das war klar, aber wo durch, wusste man nicht.

Mit einer Tabelle wollen wir uns nun einen Überblick verschaffen. Alle Tunnel werden darin aufgeführt und mit den bereits erreichten Daten ergänzt. Die Tabelle soll uns auf dem weiteren Weg durch die Geschichte wie ein roter Faden begleiten und einen direkten Vergleich der Bauarbeiten ermöglichen. Die Alpenbahnen der Schweiz waren beim Bau nie von sehr viel Glück verfolgt, doch sehen Sie sich nun die Tabelle an, die noch grosse Lücken hat.

 

Haupttunnel Gotthard Simplon Lötschberg
Bahngesellschaft Gotthardbahn Jura – Simplon JS  
Baubeginn Nord 24.10.1872 22.11.1898  
Baubeginn Süd 13.09.1872 21.12.1898  
Durchschlag 29.02.1880    
Länge 14‘892 m    
Opfer 177    
Eröffnung 01.06.1882    
Betriebsart Dampf    
Basistunnel      

 

Soweit zu den bekannten Angaben Ende 1899. Die Gotthardbahn erbrachte nun jedes Jahr erneute Rekordwerte und dank neuen kräftigen Lokomotiven konnten grössere Lasten transportiert werden. Man machte sich daran, eine neue Lokomotive für den Güterverkehr zu entwickeln. Die A3t zeigten mittlerweile auch dort, dass sie ausgesprochen kräftig waren und so vielseitig verwendet werden konnten.

Am Simplon kämpften die Mineure um jeden Meter und scheiterten beinahe an den Bedingungen. Am Lötschberg war der grosse Kampf ausgebrochen, denn man war sich immer noch nicht einig, ob man den Lötschberg oder den Wildstrubel durchbohren sollte. Doch im Land begann sich nun eine ganz andere deutliche Änderung abzuzeichnen, denn die Privatbahnen sollten verstaatlicht werden. Die maroden Bahnen konnten nicht mehr vernünftige Arbeit leisten.

Das sollte direkte Auswirkungen auf den Simplontunnel und auf dessen Zufahrten haben. Auch die erfolgreiche Gotthardbahn kam nicht ohne Probleme durch die folgenden 50 Jahre. Doch wir werden nun auch turbulente Jahre erleben, denn die nächsten 50 Jahre brachten viel und veränderten das Land der schweizer Bahnen deutlich. Doch machen wir zuerst den Wechsel und sehen dann weiter. Willkommen im Jahre 1900.

 

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