Betriebseinsatz Teil 2 |
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Ab dem
Fahrplanwechsel 1998 wurden die
Neigezüge, die
Zürich erreichten, nicht mehr gewendet, sondern auf die Reise nach
Stuttgart geschickt. Dank der extrem optimierten Fahrlage hinter dem
Nahverkehr
dauerte die Fahrt nach Venedig ewig. Auch wenn die klugen
Köpfe bei der Firma Cisalpino AG noch so genau rechneten, es fehlte
schlicht an der Anzahl benötigter
Triebzüge. Oft mussten alle neun Stück
an die Arbeit.
Nur so konnte Stuttgart und Venedig in den Fahr-plan der Neigezüge aufgenommen werden. Das Pro-blem dabei, es gab schlicht keine dafür geeigneten Neigezüge. Die
erfolgreichen
ICN
der Schweizerischen Bundes-bahnen SBB war nicht für
Italien geeignet. Um die versprochenen Verbindungen doch noch anbieten zu können, mussten einige Züge mit kon-ventionellem Material abgedeckt werden. Da es schlicht keine Triebzüge gab, die von der Schweiz nach Italien verkehren konnten, mussten dazu normale Reisezugwagen verwendet werden. Diese wurden sowohl von der FS, als auch von den Schweizerischen
Bundesbahnen SBB gemietet und danach mit einer passenden Folie beklebt. Der Zug hatte man, nun wurde eine
Lokomotive gesucht.
Der Wechsel derselben an der Grenze war schlicht nicht vorgesehen, da so
zu viel Zeit verloren ging. Es musste somit ein
Triebfahrzeug her, dass
sowohl mit
Wechselstrom, als auch mit
Gleichstrom eingesetzt werden
konnte. Weder die FS, noch der
Personenverkehr bei den Schweizerischen
Bundesbahnen SBB besassen ein passendes Modell und so sollte es eine
spezielle Lösung geben. Gemietet wurde die
Lokomotive für diese Züge bei SBB
Cargo. Deren Baureihe
Re 484 war sowohl in der Schweiz, als auch in
Italien zugelassen und konnte so die Grenze ohne Probleme passieren.
Nachteil war, dass sie mit 140 km/h für einen internationalen
Reisezug
zu
langsam war. Probleme damit sollte es nur im Wallis geben, wo lange
Strecken mit mehr als 140 km/h befahren werden konnten. Nur der
Zeitverlust war gering.
Dieses sollte an den
neuen
Neigezügen der Baureihe
ETR 610 auch verwendet werden. Diese
glänzten aber aktuell nur mit einer massiv verspäteten Auslieferung.
Mitunter auch ein Grund, warum bei der Cisalpino AG die
Neige-züge fehlten. Bezeichnet wurden diese Züge als Eurocity und sie wurden auf allen Verbindungen eingesetzt. Lediglich nach Stutt-gart wurde nur mit Neigezügen gefahren. Der Grund war der sonst in Singen am Hohentwiel erforderlichen Wechsel der Lokomotive. Scheinbar wusste bei der
Cisalpino AG niemand, dass auch die Fahrrichtung in diesem Bahnhof
änderte. Eine extrem leichte Übung die
Lokomotive zu wechseln. Vermutlich
sogar schneller als der Spaziergang über 240 Meter. Die
Neigezüge nach Venedig hatten grosse Probleme mit
dem
Fahrplan. Trafen diese nur wenige Minuten zu spät in Venedig ein,
konnten sie wegen dem kurzen geplanten Aufenthalt im Bahnhof
nicht mehr
pünktlich fahren. Bei der Rückfahrt geriet der schnelle
Reisezug
schliesslich hinter einen weiteren
Regionalzug und wurde zusätzlich
verspätet. Letztlich reichte er auch in Zürich nicht mehr auf die
Gegenleistung. Ein Teufelskreis, den man nicht so leicht lösen
konnte. Es war wichtig, dass die Züge pünktlich verkehrten. Das war jedoch
nicht möglich, weil das
Lokomotivpersonal immer wieder mit Störungen zu kämpfen
hatte. Dabei waren diese auf einer breiten Palette angeordnet und so
gesehen muss gesagt werden, dass die Reihe ETR 470 fehlerhaft konstruiert
wurde und sich nun die Probleme zeigten. Der
Neigezug alterte schnell.
Sondern waren die knappen Wendezeiten
verantwortlich. Das mittlerweile erfahrene
Lokomotivpersonal wusste, wie
eine Störung zu beheben ist, noch bevor diese auftrat. Der Spruch Übung
macht den Meister, passte, auch wenn viele etwas weniger üben wollten. Kam der Zug im
Endbahnhof
an und ging auch der
Lokführer auf den nächsten Zug über, was noch oft der Fall war. Dann hiess
das, schnell alles einpacken und dann auf den Sprint über 240 Meter. Dort
den Zug aufrüsten und hoffen, dass die Zeit ausreichend war. Wer dann in
der Hektik noch die Jacke vergessen hatte, musste diese durch den
Zugführer holen lassen. Wenn es dann ein wichtiges Teil war, kam der
nächste Sprint. Der angeschlagene ETR 470 konnte sich am Gotthard, wo
das Problem gigantisch war, durch den
Fahrplan schummeln. Leidtragende
waren oft die
Güterzüge. Doch dann kam der Bahnhof
von Arth-Goldau und die
einspurige Strecke nach Zug. Dort reichten wenigen Minuten um in der
Zentralschweiz den kompletten
Fahrplan aus den Fugen zu heben. Der
Betriebsführung passte das natürlich nicht und so wurde schnell
umgeleitet. Über die
Bahnöfe Rotkreuz und Wohlen war der Weg
länger. Zudem konnte die
Bahnlinie
auch nicht bogenschnell befahren
werden. Als ob das nicht alles wäre, kam es in Othmarsingen oft zu einem
längeren Halt, weil der Verkehr aus dem Westen Vorrang hatte. Indessen
lasen die Leute in Zürich, die nach Stuttgart wollten an den Anzeigen die
übliche Anschrift, dass der Zug unbestimmt verspätet sei.
Um zumindest der Taktfahrplan einhalten zu kön-nen, schickten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB einen ICN auf die Reise. Dieser durfte ebenfalls bogenschnell fahren, musste aber in Chiasso
anhalten, da er nicht nach Italien verkehren konnte. In der Schweiz fuhr
der Zug. Eine Lösung für diese Probleme war, dass man den Neigezug gar nicht mehr bis zum vorgesehenen Endbahnhof fahren liess. Traf der Zug mit zu gros-ser Verspätung in Arth-Goldau ein, fuhr er nicht mehr nach Zürich und wartete im Bahnhof, bis er wieder in seine Leistung Richtung Süden passte. Damit die
Verbindung nach Zürich rechtzeitig
erfol-gen konnte, wurde ein Dispozug aus Zürich ver-wendet. So konnte man
zumindest eine
Verbindung noch retten. Eigentlich waren nicht die Verspätungen das gröss-te Problem. Das war klar die Tatsache, dass es nach all den Jahren kaum zu einer Verbesserung kam. Statt den Unterhalt zu verbessern, wurden die
Neigezüge einfach auf neue Strecken geschickt. Das mit einem Umlauf, der
vermutlich mit der Stoppuhr berechnet wurde. Damit war klar, die Cisalpino
AG sah nur Einnahmen und nicht das Problem, das verursacht wurde. Das Problem mit den Zügen wurde in der Schweiz sogar
zu einem Politikum. So mussten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB für
den Gotthard auf den Druck aus der Politik Notfahrpläne entwerfen. Es ist
nicht gut, wenn die Politiker aus Bern heimreisten und dann in Zürich
feststellen mussten, dass der
Neigezug nach dem Tessin ausfällt und man
doch mit dem Ersatzzug fahren solle. Im Sommer mit
Einheitswagen II, keine
Freude.
In diesem
speziellen Punkt waren die Mechaniker und Hand-werker in Italien
ausgesprochen gut. Der mit einem Klei-derbügel geflickte
Triebzug,
vermochte in der Schweiz, wo korrekt gearbeitet wurde, nur noch
Kopfschütteln verur-sachen. Hatten die Triebzüge ETR 470 bei den leidgeplagten Reisenden bereits einen faden Nachgeschmack hinterlassen, fluchte das Personal innerlich vor sich hin. Das zeigt zum Beispiel ein Gespräch zweier Zugführer der DB. So hatte einer davon die
Leistung mit dem ETR 470
mit folg-enden Worten kommentiert: «Dann ging das Scheissding in Flammen
auf und es kam ein Ersatzzug von uns, wo einwandfrei funktionierte.» Mehr
gibt es da nicht mehr zu sagen. Auch mit zunehmender Dauer des Verkehrs, änderte sich
mit den
Neigezug wenig. Die Kinderkrankheiten gingen ohne Unterbruch in
die Altersbeschwerden über und der
Fahrplan war immer noch so angespannt,
wie seit Jahren. Mit anderen Worten, der Neigezug ETR 470 hatte wirklich
auf der ganzen Linie versagt und dabei begann sich die Bemühungen doch
noch langsam bemerkbar zu machen. Es soll Fahrten ohne Störung gegeben
haben. Ausgesprochen dumm war hingegen, wenn im Winter in
den Alpen die Gefahr von Lawinen anstieg. Gerade am Gotthard konnten diese
trotz den zahlreich vorhandenen Verbauung auch bis zur Strecke gelangen.
In diesen Fall führten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB auf der
Bergstrecke besondere Vorschriften ein. An der Spitze der Züge durften nur
noch
Lokomotiven verkehren, die eine
Achslast von 20 Tonnen hatten. Der
Neigezug ETR 470 wurde in diesem Fall zu einem
ausserordentlichen Halt in Erstfeld gezwungen. Dort wurde dann eine
passende
Lokomotive vorgespannt. Die Fahrt konnte so fortgesetzt werden.
Natürlich fuhr die
Vorspannlokomotive nicht mehr bogenschnell
nach
Zugreihe N,
sondern nach
Zugreihe R. Der
Fahrplan geriet völlig aus den Fugen. Zumindest konnte die Lokomotive den
Zug auch bei einem Defekt bis zum Ziel in Bellinzona schleppen. Pünktlich
war er jedoch nicht mehr.
So sollte der Wechsel schneller erfolgen. Dass dazu aber
zuerst die Schlüssel gezügelt werden mussten, sah niemand ein. Der
Lokführer musste daher auf seinen Kollegen warten, der das wichtige Teil
brachte. Die Verspätungen führten immer öfters zu Spannungen zwischen der Schweiz und Italien. Dabei beschränkte sich der Knatsch nicht nur auf die Bahnen, die einfach eine etwas anderer Philosophie hatten. Was
in Italien mit 15 Minuten ankam, war noch pünktlich. Das dadurch aber die
Rückleistung auch verspätet ging, war nicht das Problem der FS, denn die
brachte den
Neigezug bekanntlich pünktlich an den
Endbahnhof. In der Schweiz war man da schon etwas genauer. Ein Zug, der mit einem Rückstand von drei Minuten ankam, war bereits zu spät unterwegs. Der Fahrplan im Land der Eisenbahnen war auf die Sekunde genau getaktet. Da passte das Teil aus dem Süden nicht mehr hinein. Bei 15
Minuten wurde daher lautstark über die FS geflucht, auch wenn sich diese
keiner Schuld bewusst war. So konnte es nicht weitergehen. Es kam, wie es kommen musste, ein neuer Notfahrplan
wurde ins Leben gerufen. Diesmal sahen die Schweizerischen Bundesbahnen
SBB vor, dass zumindest der in der Schweiz geltende
Taktfahrplan
gesichert
werden muss. Um trotzdem die
Fahrordnung einhalten zu können, mussten die
Neigezüge der Baureihe
RABDe 500 genommen werden. Um diese frei zu
bekommen, mussten andere Strecken über die Klinge springen.
Auch kannte hier niemand das Schaukeln, das beim ETR 470 eher einem
Fischkutter, als an einen mo-dernen
Neigezug erinnerte und das für die
Pro-bleme sorgte. Waren bisher die Störungen der Neigezüge ETR 470 meisten nur ärgerlich, gingen sie zunehmend von den Kinderkrankheiten zu den normalen Beschwer-den über und so wurde es gefährlich. Wer böse Zungen hatte, sprach davon, dass der Teppich in den Zügen durch die Mechaniker abge-nutzt wurde. Diese müssen bekanntlich mit dem Werkzeug immer ans
andere Ende gehen, um wieder mit der Repa-ratur zu beginnen. Wer glücklich war, dass ihm im ETR 470 nicht schlecht
wurde, pilgerte oft mit einem kleinen Hun-ger in den
Speisewagen. Dort
angekommen und auf eine warme Speise hoffend, kam die Überraschung. Heute
gäbe es nur kalte Küche, weil in der Küche der
Strom ausgefallen sei. Das
erhoffte kühle Bier, war dann natürlich lauwarm. Trinker von Kaffee
mussten jedoch unverrichteter Dinge abziehen, da die Maschinen streikte.
Die
Umrichter litten unter dem mangelhaften Unterhalt.
Wenn dann das
Kühlwasser nicht mehr konnte, war es um die empfindlichen
Bauteile auch geschehen. Eine Triplette konnte dann beerdigt werden. Immer öfters wurde davor gewarnt, dass es mit dem Zug einmal zu einer grösseren Katastrophe kommen könne. Schliesslich befuhr man mit dem anfälligen und nicht besonders zuverlässigen Zug die längsten Tunnel der Alpen. Jedoch waren die Pannen bisher auch nicht besonders
gefährlich gewesen. Doch auch das sollte sich ändern, denn die
Triebzüge
zeigten mit zunehmendem Alter neue Schwächen auf, die kaum behoben wurden. Am 11. April 2006 verliess der Cisalpino Zürich HB mit Ziel Mailand. Die Abfahrt in Zürich HB erfolgte dabei ohne nennenswerte Probleme und sogar im Fahrplan, was eine Seltenheit war. Einer erfolgreichen Reise über den Gotthard nach Mailand stand daher nichts mehr im Weg. Der frisch abgefahrene Zug fuhr kurz nach dem Bahnhof Zürich HB in den Zimmerbergtunnel ein und beschleunigte. Nichts sprach gegen diese Fahrt. Kurze Zeit nach der Einfahrt in den Tunnel, wurde im Zug Rauch festgestellt und beim Zug kam es zu den ersten nennenswerten Störungen. Ein Brand im
Tunnel
war ausgebrochen und das gehörte zum
Albtraum vieler Leute. Letztlich ging es nicht mehr und der brennende Zug
kam vier Kilometer vor dem
Portal
in Thalwil zum Stehen. Die Fahrt konnte
nicht mehr fortgesetzt werden und die Leute verliessen den Tunnel durch
einen Fluchtstollen. Es war ein Wunder, dass bei diesem Vorfall keine
Panik ausbrach und die Evakuierung der Reisenden geordnet verfolgen
konnte. Für den Zug, der bisher immer durch harmlosere Pannen auffiel, war
das ein schwerer Schlag, denn nun wurde auch in der Öffentlichkeit von den
Pannen berichtet und die Firma Cisalpino AG an den Pranger gestellt. Nur,
wer ehrlich war, meinte damals, dass das bei jedem Zug hätte passieren
können.
Da alles etwas schnell gehen musste, war
bei einem Teil des Zuges die Farbe noch nicht aufgetragen worden. Daher
waren die Spuren, die beim ausschneiden Der Fenster entstanden leicht zu
erkennen. Viele meinten, dass das wohl nicht gut sein konnte, wenn es
schon im
Prototyp brannte. Das alles war natürlich nach dem Vorfall im
Zimmerbergtunnel schnell geklärt. Wer jedoch etwas ängstlich war, sah
auch, dass es keinen besseren
Tunnel
treffen konnte. Die Überdeckung war
nur gering und es gab die erwähnten Fluchtstollen. In einem Tunnel, wie
dem
Gotthardtunnel
war das nicht möglich. Zudem waren deutlich längere Varianten
im Bau. Diese sollten bis zu 57 Kilometer lang werden und dann sah es
anders aus. Natürlich kann man bei einem Zug, der über viele
Pannen verfügte, behaupten, dass ein Brand nur die logische Folge dessen
war. Wenn man aber die Vielzahl der Störungen objektiv betrachtet, traten
diese immer wieder an unterschiedlichen Stellen auf. Selbst in der
Fachpresse wurde der Unterhalt der Züge immer mehr angegriffen. Nur fehlte
es oft an den notwendigen Ersatzteilen und der Zug musste raus, obwohl er
nicht fertig war. Hatte der
Neigezug ETR 470 bisher vielleicht noch ein
paar Freunde gefunden, änderte sich das nun zusehends. So konnten in
Arth-Goldau immer wieder Leute beobachtet werden, die mit schwerem
Reisegepäck in den
Interregio umstiegen und so ins Tessin reisten. Der
schnelle Zug wurde gemieden, wenn es nur ging. Vermutlich halfen auch die
Gebete vieler Leute, dass der Neigezug ohne Probleme aus dem
Tunnel
kam.
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