DIE GOTTHARDBAHN Teil 3

                       

Airolo – Biasca

Wir verlassen den Bahnhof von Airolo nun in Richtung Süden. Die besten Plätze finden Sie nun auf der linken Seite des Zuges. Das, obwohl es anfänglich nicht so aussieht. sie müssen mir nun einfach vertrauen.

Unmittelbar nach der Ausfahrt des Bahnhofes Airolo beginnt das Gefälle der Südseite. Im Gegensatz zur Nordseite liegt hier aber der Bahnhof noch nicht im Gefälle, sondern liegt komplett im ebenen Bereich. Das liegt daran, dass Airolo nicht die Bedeutung hat, wie Göschenen, denn die Züge aus Süden fahren hier meistens durch. Der Grund ist dabei ganz einfach, denn die Züge Süd - Nord sind leichter und benötigen daher selten Hilfe.

Wir haben nun den längsten Abschnitt ohne Pause vor uns. Daher auch der neue Start hier, denn die nun folgende Strecke kann sich mit den grössten Bahnen der Welt messen, denn jetzt beginnt einer für die Technik schlimmsten Abschnitte in der Welt. Daher bestehen hier, wie natürlich auch auf der anderen Seite des Gotthardtunnels spezielle Vorschriften, die wir kurz ansehen sollten.

Bevor ein Zug die Gefälle des Gotthards befahren darf, muss sich der Lokführer davon überzeugen, dass die Bremsen des Zuges optimal arbeiten. Das heisst, im Gotthardtunnel wird zwingend mit der Luftbremse gebremst und so kontrolliert, ob diese auch richtig arbeitet. Nur schon jetzt kann erahnt werden, was der nun folgende Abschnitt von den Fahrzeugen verlangen wird. Doch damit nicht genug, denn auch die Funktion der Lokomotive muss geprüft werden.

Was für die Luftbremse des Zuges gilt, gilt auch für die elektrische Bremse der Lokomotive. Diese muss funktionieren, ansonsten darf man das Gefälle nicht mehr befahren. Strecken mit solchen Vorschriften sind sehr selten, denn in den meisten Fällen begnügt man sich damit, dass die automatische Bremse funktioniert. Hier am Gotthard muss, wie am Lötschberg die elektrische Bremse zwingend funktionieren.

Unser Zug hat den Beginn des Gefälles in Angriff genommen. Auf der anderen Seite waren die Fahrmotoren gefordert. Dies ändert sich nun nicht sonderlich, nur dass diese bei der Lokomotive nun als Generatoren zu arbeiten beginnen. Die meisten Lokomotiven, die hier fahren, arbeiten als kleines Kraftwerk und speisen in die Fahrleitung. Drei talwärts fahrende Züge befördern so einen Zug den Berg hoch.

Die Strecke folgt nun der linken Talseite um dann in einem Bogen abzudrehen. Fast unbemerkt haben wir sogar den ersten Tunnel der Südseite passiert. Mit neun Metern war er der kürzeste bisher, aber es soll noch kürzer gehen. Bei nur neun Metern kann man den schnell verpassen, was dann bei den Strichen zum Fehler führt. Also merken. Nach Airolo kommt ein kurzer Tunnel.

Nun dreht der Zug ab und begibt sich daran, die Talseite zu wechseln. Die grosse Brücke sorgt dafür, dass der Zug die tosenden Fluten des Ticino schadlos überqueren kann. danach folgt der Tunnel durch die Felswand. Ein Felskopf, der den Fluten im Weg stand, so dass hier eine kleine Schlucht entstand. Der Zug quert sie einfach und lässt sie unter sich liegen. Mehr erlebt man im Zug nicht von der Schlucht von Stalvedro.

Wir befinden uns nun auf der rechten Talseite und so haben nun die Leute auf der linken Seite des Zuges einen wunderbaren Blick in die Talebene, die weit unten zu sehen ist. Gut, so wunderbar ist der Blick nicht, denn im engen Tal macht sich die Autobahn mit den beiden Raststätten breit. Noch scheint alles unscheinbar. Auch die Strecke schlängelt sich einfach den Hang entlang zum nächsten Bahnhof herunter.

Da sich die Gefälle hier im Bereich von 26 - 27‰ bewegen, sind die Bremsen gefragt. Ein Zug beschleunigt in solchen Gefällen nur mit Hilfe der Schwerkraft. Das bedeutet, dass er immer schneller wird. Dagegen muss man sich nun etwas einfallen lassen. Zuerst beginnen die Lokomotiven der Züge mit der elektrischen Bremse und arbeiten so als Generatoren. Nur, das reicht wegen geltenden Beschränkungen nicht immer aus.

Die Züge müssen deshalb zusätzlich noch mit der pneumatischen Bremse arbeiten. Das heisst, dass die Wagen auch einen Teil der Bremsleistung erbringen müssen. Da aber nicht dauernd gebremst werden darf, muss eine spezielle Bremsmethode gewählt werden. Nur so ist es überhaupt möglich diese Gefälle ohne Schäden zu befahren. Noch arbeiten wir ja mit frischen Bremsen und so ist die Fahrt über diesen Abschnitt nicht so schwer.

Dank den hohen Gefällen erreichen wird die Hochebene genau im Bahnhof von Ambri-Piotta. Wir befinden uns nun auf einer Höhe von 989 Metern über Meer und haben bereits 152 Metern an Höhe verloren. Dazu benötigten wir gerade einmal sieben Kilometer. Doch nun ist dieser erste Abstieg bewältigt und wir haben mit Ambri-Piotta den ebenen Bahnhof erreicht. Doch auch die Ebene haben wir erreicht, so beginnen nun flache Abschnitte.

Ambri ist dabei eine interessante Gemeinde, da dort trotz bescheidenen wirtschaftlichen Erfolgs ein erfolgreicher Eishockeyklub vorhanden ist. Obwohl Ambri nur eine kleine Ortschaft ist, bietet sie spezielle Einblicke. Im Winter, ist das Gebiet um den Bahnhof Ambri-Piotta und die Gemeinde immer lange mit Schnee oder Raureif bedeckt. Die Sonne schafft es hier in den Wintermonaten nicht hinter den Bergen hervor und scheint daher auch bei schönem Wetter nicht.

Der Zug folgt nun weiter dem Gelände. Da wir uns hier auf einer Ebene befinden, ist das Gefälle gering und der Zug kann rollen. Das schont die Bremsen für den nun folgenden Abschnitt. Durch die Bäume hindurch kann der Flugplatz erkannt werden, der hier in Ambri erstellt wurde. Seinen militärischen Nutzen wird längst nicht mehr benötigt, so dass darauf allerlei Aktivitäten stattfinden. Uns soll das aber nicht sonderlich bekümmern, denn vor uns tun sich nur noch Felswände auf.

Am unteren südlichen Ende der Hochebene liegt der Bahnhof von Rodi-Fiesso. Da die Gefälle nur gering waren, haben wir auch nicht viel an Höhe verloren. Die Gefälle haben nur kurz vor dem Bahnhof angezogen und gingen im vollen Gefälle in den Bahnhof rein. Es wird nun auch für uns Zeit, sich auf die bevor stehenden Landschaften vorzubereiten. Ob links oder rechts, spielt auf den folgenden Abschnitten keine zu grosse Rolle.

Bevor es aber soweit ist, müssen wir zusehen, dass wir diesen Kessel verlassen können. Der Fluss hat sich hier eine enge Schlucht gegraben. Die ist so eng, dass gerade einmal die Passstrasse durch passt. Für Zug oder Autobahn reicht der Platz einfach nicht mehr aus. Daher verschwinden beide, nachdem sie den Ticino überquert haben, in den Felswänden. Die Autobahn von Links nach rechts und die Eisenbahn rechts nach links. Das heisst, beide wechseln genau hier die Talseite und kreuzen sich nahezu über dem Fluss.

Das Landschaftsbild ändert sich wieder grundlegend, denn der Zug befährt nun das enge Dazio Grande. Diese Schlucht zeichnet sich durch sehr enge Verhältnisse und ein steiles Gefälle aus. Diesem Gelände konnte man mit der Eisenbahn schlicht nicht mehr folgen, so dass man sich hier mit einer künstlichen Verlängerung behelfen musste. Daher befährt der Zug schon kurz nach der Einfahrt ins Dazio Grande den ersten Kehrtunnel.

Dabei ist der erste Kehrtunnel zugleich der längste Tunnel der Südrampe. Mit einer Länge von 1'568 Metern ist der Freggio zugleich der längste Kehrtunnel der Gotthardbahn. Bevor der Zug in ihm entschwindet, kann man auf der rechten Seite unten in Talkessel das Gleis nach dem Tunnel erkennen. Der Freggio beschreibt daher einen vollen Kreis im Berg und kommt dann rund 25 Meter tiefer wieder an das Tageslicht.

Das Trassee ist nun auf der Höhe des Geländes angekommen und überquert nun auf einer relativ kleinen Brücke erneut den Ticino. Wer dies nicht weiss, könnte hier sogar meinen, dass es sich um einen Seitenfluss handeln müsste, denn die Schlucht ist so verwinkelt. Wir befinden uns nun also wieder auf der rechten Seite des Tales. Was aber vorerst nicht zu erkennen ist. Denn der Zug verschwindet nach der Querung des Ticino erneut in einem Tunnel.

Das erkennt man erst, nach diesem Tunnel, denn dann öffnet sich die Schlucht wieder auf der linken Seite des Zuges. Nur befindet sich dieser schon wieder hoch über dem Tal, was die Steilheit des Geländes verdeutlicht. Lange dauert das aber nicht mehr, denn schon entschwindet der Zug im nächsten Tunnel um dann noch einmal kurz in der Schlucht zu erscheinen.

Der zweite notwendige Kehrtunnel steht nun an und der Zug beschreibt im 1'560 Meter langen Prato erneut einen vollständigen Kreis. Was den Zug wieder nahezu auf Höhe des Talgrundes bringt. Das Dazio Grande ist nun geschafft, denn nach dem Tunnel öffnet sich das Tal leicht und wird wieder breiter. Die Schlucht ist also geschafft. der zu Tale stürzende Ticino hat nun etwas mehr Platz bekommen. Was aber die Bahnlinie nicht nutzen kann.

Nun trennen sich die beiden Geleise kurz. Während das talseitige und ältere Gleis den freien Blick auf die folgende Brücke und den tosenden Ticino frei gibt, benutzt das andere Gleis einen kurzen Tunnel. Dieser Tunnel war nötig, weil beim Ausbau auf Doppelspur die Felsnase nicht mehr abgetragen werden konnte. Sicherlich ein gutes Beispiel, wie eng es hier wirklich war.

Die Strecke überquert erneut den Ticino auf einer grossen Steinbogenbrücke um dann auf der anderen Talseite erneut in einem Tunnel zu entschwinden. Nach dem Tunnel steht bereits die Einfahrt in Faido an. Der Bahnhof von Faido liegt auf einer Höhe von 755 Meter über Meer. Wir haben also in der Schlucht erneut fast 200 Meter Höhe verloren. Die Bremsen des Zuges sind nun schon arg beansprucht worden, aber die Talfahrt ist noch lange nicht beendet, denn wir haben erst die Halbzeit.

Wir sind nun wieder im Bereich einer Hochebene. Im Gegensatz zur oberen Ebene, ist sie jedoch steiler und der Zug hat es nicht ganz in den Talboden geschafft. So kann das Trassee dem Gelände nun mit dem maximalen Gefälle folgen. Tunnel oder grössere Brücken gibt es hier nicht mehr. Die ganze Zeit haben also die Leute auf der rechten Seite den freien Ausblick. Dabei merkt man gar nicht, dass der Zug eine steile Gefällefahrt absolviert. Nur kurz vor dem nächsten Bahnhof flacht das Gefälle etwas ab.

Wir haben nun Lavorgo erreicht. Dort können wir auf der rechten Seite die Anlagen zur Stromerzeugung erkennen. Diese dienen aber nicht den Zügen, sondern hier wird auch Elektrizität für die Bevölkerung erzeugt, denn das Tal bietet eine wunderbare Kaskade für die Energieerzeugung. Das gilt natürlich auch für die Lokomotive, die nun seit rund 25 Minuten mit der elektrischen Bremse am arbeiten ist und so Energie erzeugt. Nur, rasten wollen wir nicht und daher passieren wir den Bahnhof von Lavorgo ohne Halt.

Nach der Durchfahrt in Lavorgo wird das Tal erneut enger und die Autobahn und die Eisenbahn rücken immer näher zusammen. Dabei hat jede Strecke ihre eigene Talseite gewählt. Könnten wir nach vorne blicken, würden wir die Felswand sehen, die sich nun in den Weg stellt. Für Sie im Zug ist das nun das Startsignal, sich auf die rechte Zugseite zu konzentrieren. Denn die Landschaft ändert sich in wenigen Augenblicken dramatisch. Doch bevor es soweit ist, folgt ein Tunnel, der verschleiert die sich nun bietende Situation ein wenig. Die Spannung steigt an.

Nach dem Tunnel befährt der Zug in einem Bogen nach links eine grosse Brücke. Es öffnet sich nun der freie Blick hinunter ins Tal. Dort erkennen wir die beiden Abschnitte, die noch vor uns liegen und bemerken fast nicht, dass wir eine Autobahnbrücke unterquert haben. Lange Zeit, uns an diesem berauschenden Blickfeld zu erfreuen, haben wir nicht, denn das Trassee führt direkt gegen den Berg. Wir hatten den ersten kurzen Einblick in die Biaschina.

Der Zug verschwindet im 1'508 Meter langen Pianotondo. Der Kehrtunnel ist der kürzeste der Südseite. Dabei beschreibt er ebenfalls einen vollen Kreis. Im Tunnel unterqueren wir die Autobahn erneut und drehen dann wieder gegen die Brücke zu. Nach dem Kehrtunnel folgt dann erstmals ein kurzer Blick in die Schlucht des Ticino, die wirklich nur ein kurzer Engpass bildet. Doch dann folgt erneut ein Tunnel, der den Zug aufnimmt.

Die Brücke der Autobahn wird nun erneut unterquert. Wo können Sie noch mit einem Zug zwei Mal von der gleichen Seite her eine Autobahnbrücke unterqueren? Nur bemerken das nicht viele, denn die Landschaft, die sich nun erneut öffnet, lässt kaum Blicke für die Technik zu. Das gilt auch für die Eisenbahn, denn nicht alle bemerken, dass nun vorne die schwer arbeitende Lokomotive zu erkennen ist, denn der Zug befährt eine Kurve nach rechts um dann sofort wieder nach links zu drehen.

Mit dem Portal befahren wird den 1'547 Meter langen Travi. Es ist der letzte Kehrtunnel der Gotthardbahn, denn weiter südlich wird es keine solchen Tunnel mehr geben. Es wird daher Zeit, sich mit diesen Kehrtunneln zu befassen. Die Neigungen hier sind etwas flacher, aber immer noch weit über 20‰. Das war bei den Dampflokomotiven noch hilfreich, spielt heute aber keine grosse Rolle mehr.

Nach dem verlassen des Kehrtunnels, der zugleich der letzte Tunnel der Südrampe ist, wird der Ticino ein weiteres Mal überquert. Wir befinden uns nun wieder knapp über dem Fluss und so reicht eine kurze Brücke. Jetzt befindet sich die Autobahnbrücke auf der rechten Seite des Zuges. Wir haben also deren Fuss erreicht. Seit der ersten Unterquerung der Autobahnbrücke haben wir mit dem Zug 97 m an Höhe verloren. Der Zug fährt ab jetzt wieder den Hängen entlang und wählt dazu vorerst die rechte Seite, so dass sich nun links die Landschaft öffnet.

Eine flache Stelle folgt nun. Diese war früher eine Station, denn ab hier gibt es keine Tunnel mehr, und was auf der Nordseite zwischen Erstfeld und Amsteg gilt, war natürlich hier auch wichtig, darum war hier der Bahnhof von Giornico gebaut worden. Es war mehr ein betrieblicher Bahnhof, der dann sehr schnell aufgehoben und komplett zurück gebaut wurde. Noch sind wir nicht unten, das obwohl wir uns seit gut einer halben Stunde im Gefälle befinden.

Wie stark die Bremsen auf dieser Südrampe belastet werden, zeigt ein Blick auf die montierten ZKE-Messanlagen. Am Gotthard gibt es davon vier Anlagen. Die südlichste befindet sich hier in Giornico, also kurz vor Ende der Talfahrt. Diese Anlage hat höhere Alarmwerte eingestellt und erfasst nicht alle Alarme der anderen Anlagen. Der Grund ist verblüffend einfach, denn was an anderen Orten schon eine Gefahr bedeutet und einen Alarm auslöst, ist hier schlicht normal.

Jetzt beginnt auch der steilste Abschnitt der Gotthardbahn, denn hier beträgt die Neigung auch auf längeren Abschnitten 27‰. Dabei fahren wir durch die Gemeinde Giornico und die drei Kirchen, die dort im Lauf der Jahrhunderte gebaut wurden. Bei den Kirchen dreht der Zug nun links weg und quert das Tal. Dazu war eine 120 Meter lange Brücke über den Ticino notwenig. Wir befinden und nun aber wieder auf der rechten Talseite.

Die Strecke wird nun etwas flacher, die steilsten Abschnitte haben wir mit einer kleinen Ausnahme geschafft. Der Zug benötigt aber immer noch die volle Bremskraft, denn noch sind wir nicht unten und das Gefälle ist immer noch steil. Das sich aber immer mehr öffnende Tal lässt erkennen, dass es nicht mehr lange gehen wird und wir unten sein werden. So ist es auch, denn wir haben den Bahnhof von Bodio erreicht.

Der Bahnhof von Bodio befindet sich auf einer Höhe von 315 Meter über Meer. Das heisst, der Zug hat seit dem verlassen des Bahnhofs Airolo 827 Höhenmeter verloren. Die Fahrzeit für diesen 39 Kilometer langen Abschnitt beträgt rund 35 Minuten. Solche ein Gefälle gibt es in Europa nicht mehr, alle anderen vergleichbaren Strecken sind kürzer und daher ist dieser Abschnitt bei Versuchen immer wieder beliebt.

Nach Bodio beginnt wieder ein flacher Abschnitt, wie wir ihn schon von der Nordseite her kennen. Jetzt überquert die alte Strecke aber die Südportale des neuen tiefer liegenden Basistunnels durch den Gotthard. Dabei muss der Zug aber kurz mit der maximalen Steigung ansteigen, um dann sofort wieder mit der gleichen Steigung zu sinken. Die Bremsen des Zuges können sich nun aber erholen, denn nun sind wir in der Ebene angekommen.

Alles, was Sie jetzt zwischen den Bahnhöfen Erstfeld und Bodio gesehen haben, wird mit der NEAT für die schnellsten Züge zur Geschichte werden. Keine Kirche von Wassen, kein Dazio Grande und keine atemberaubende Biaschina. Vielleicht macht dann ein historischer Zug Fahrten, die an die Zeit vor der NEAT erinnern, wie das die Postkutsche über den Pass jetzt macht. Man kann sich nun natürlich fragen, wer dann der letzte Lokführer von St. Gotthard sein wird und wie er das besingen wird.

Der Zug fährt nun auch wieder etwas schneller gegen den Bahnhof Biasca. Dieser auf 293 Meter über Meer liegende Bahnhof soll das Ziel dieser Etappe sein. Wir haben die Fahrt den Gotthard hinunter geschafft und stehen nun bald in Biasca. Bevor das sein wird, folgt noch einmal eine Brücke und dann die Kurve, die den Zug in den Bahnhof bringt. Das Ziel ist erreicht.

Biasca ist auch der Bahnhof, wo die Züge halten, wenn die Bremsen zu stark belastet wurden und die Anlage einen Alarm ausgelöst hat. Man kann nun nachsehen und den Schaden beheben. Dabei kommt es aber immer wieder vor, dass kein Schaden vorhanden ist und die Bremse einfach nur einen Tick stärker als üblich belastet wurde.

Hinter dem Bahnhof von Biasca befindet sich das alte Depot. Es erinnert an jene Tage, als man hier noch, wie in Erstfeld zusätzliche Lokomotiven vor die Züge spannte. Diese Tage sind jedoch vorbei und das einst stolze Depot Biasca ist Geschichte. Die ausgedehnten Anlagen des Bahnhofs sind ebenfalls ein Zeuge dieser Zeit. Nur eben, die moderne Eisenbahn kommt ohne Biasca aus und so fahren auch wir gleich weiter.

 

Biasca – Bellinzona

Bei der Durchfahrt in Biasca erkennen wir auf der linken Seite des Zuges einen imposanten Wasserfall, der in der Nacht zudem beleuchtet ist und sehr eindrücklich hinter dem Depot zu Tale stürzt. Besonders daran war bis vor wenigen Jahren, dass sich das Wasser so in die tiefe stürzte, dass es sich überkreuzte. Seit einem Unwetter ist das aber leider nicht mehr der Fall.

Hier beginnt nun der schnellste Abschnitt der Südseite, denn die schnellsten Züge geben jetzt wieder richtig Gas um auf Tempo zu kommen. Der Bahnhof von Biasca ist dabei nur das Startfeld. Dabei steigen die Geschwindigkeiten bei konventionellen Zügen jedoch nicht auf mehr als 125 km/h an. Somit war der Abschnitt Flüelen - Erstfeld mit 140 km/h der schnellste Abschnitt der Gotthardbahn. Aber das wird sich mit der NEAT ändern.

Nach der eindrücklichen Fahrt über die Rampen des Gotthards befindet sich der Zug nun wieder auf einer schnellen und flachen Strecke. Viele Attraktionen bietet dieser Abschnitt nicht, denn die berühmte Gotthardbahn wird nun wieder zu einer Strecke, die durchaus auch an anderen Orten sein könnte. Zwei Tunnel sind für lange Zeit die grösste Abwechslung. Die kleinen Dörfer entlang der Bahnlinie fliegen nur so am Zug vorbei.

So fliegen die Stationen Osogna-Cresciano, Claro und Castione-Arbedo nur so am Zug vorbei. Dabei ist Castione-Arbedo jene Station, die am meisten Abwechslung aus Sicht eines Eisenbahners hat. Castione ist der Endpunkt der S-Bahn und ist daher mit umfangreichen Perronanlagen ausgerüstet worden. Zudem zweigt hier die Museumslinie in Richtung San Bernardino ab.

Die schmalspurige Stichbahn führte früher von Bellinzona aus in das Tal hinein und sollte einmal mit der RhB verbunden werden. Dazu kam es jedoch nie. Trotzdem wurde die Bahngesellschaft in die RhB aufgenommen. So kam es dann dazu, dass die Gotthardbahn in Castione-Arbedo auf die Rhätische Bahn stiess. Leider konnte sich der Verkehr auf dieser Bahnlinie nicht entwickeln, so dass immer mehr Abschnitte stillgelegt wurden. Ein Verein bemüht sich aber um die Erhaltung dieser Strecke.

In Castione-Arbedo bremst der Zug der Gotthardbahn merklich ab, denn es folgen nun wieder ein paar engere Kurven. Bevor es aber soweit ist, überquert der Zug die letzte Brücke unserer Fahrt nach Bellinzona, denn die 85 Meter lange Stahlbrücke über die Moesa bedeutet auch, dass wir uns kurz vor Bellinzona befinden. Nun folgt aber der ultimative Kick, denn eine Rampe, die selbst die steilsten Abschnitte der Bergstrecke schlägt, steht vor uns.

Sie ist aber nur sehr kurz und stellt daher an die Lokomotiven keine grossen Probleme. Die offiziellen Unterlagen der Strecke geben diesen Abschnitt nicht an. Die in den Profilen angegebenen Steigungen gelten immer für Abschnitte von mehr als einem Kilometer Länge. Wenn das nicht möglich ist, wird der Durchschnitt der ganzen Strecke angegeben.

Der Bahnhof von Bellinzona ist sehr langgezogen und so passieren wir bei der Einfahrt zuerst den Rangierbahnhof San Paolo und erreichen erst danach den Bahnhof von Bellinzona. Wir haben nun die Hauptstadt des Kantons Tessin erreicht. Die Fahrt seit Immensee war gut 150 Kilometer lang. Dabei haben wir den Hauptalpenkamm durchfahren und grosse Steigungen absolviert. Es ist Zeit für einen Pause und den Weg durch Bellinzona.

 

Bellinzona

Der Bahnhof Bellinzona liegt auf 241 Meter über Meer und ist der Knotenbahnhof der Gotthardbahn. Hier halten alle Reisezüge, die von oder nach dem Norden unterwegs sind. Die Anschlüsse werden hier meist von den S-Bahnen abgenommen und so ist der Bahnhof sehr stark mit Reisenden ausgelastet. Der Güterverkehr wickelt seine Aufgaben in nördlich gelegenen Rangierbahnhof an Paolo ab, so dass die Bereiche optisch getrennt sind.

Wir haben uns für eine Pause entschieden und geniessen ein wenig das südliche Ambiente. Bellinzona ist wie schon gesagt der eigentliche Knotenpunkt der Gotthardbahn, hier teilen sich die Strecken Richtung Süden. Nicht weniger als drei Linien werden nun den Weg nach Süden einschlagen. Diese gehörten früher zu den Tessiner Talbahnen, die dann in der Gotthardbahn integriert wurden. So kamen diese Strecken zur SBB, die nun damit besorgt ist den touristischen Verkehr zu bewältigen.

Bellinzona bietet jenen, die nicht auf Eisenbahn-Tour sind vieles. Obwohl hier schon der Hauch des Südens herrscht, hat Bellinzona noch das vertraute Bild der Städte nördlich des Gotthards. Es ist weder Italien, noch ist es das Sinnbild der restlichen Schweiz. Bellinzona ist etwas eigenes, wie das Tessin, das Tor der Schweiz nach Italien. So sind auch die Bewohner stolze Schweizer und fühlen sich mit dem Teil nördlich den Alpen näher verbunden, als dem italienischen Nachbar.

Besuchen Sie doch die drei Burgen, die majestätisch über der Stadt thronen und Zeugnis über den früher umkämpften Ort ablegen. Damit die Welt auch weiss, wer letztlich die Kriege gewonnen hat, tragen die Burgen die Namen der letzten Eroberer von Bellinzona. Die Burgen Uri, Schwyz und Unterwalden erwarten heute als Weltkulturerbe die Besucher. Ein Erbe, das es zu besuchen gilt und von dem aus man wunderbar über Bellinzona blicken kann.

Noch haben wir die grossen touristischen Zentren des Tessins nicht erreicht. Bellinzona, das halt noch etwas den kühlen Charme der Städte nördlich des Gotthards repräsentiert, ist daher viel eher die Stadt, die zum Zentrum für die einheimische Bevölkerung wurde. Touristen verirren sich nicht zu oft aus dem Bahnhof, das schafft hier den eigenen Charme einer Hauptstadt. Auch wenn es die einzige südlich der Alpen ist, Konkurrenz bräuchte sie nicht zu fürchten.

Auch für die Eisenbahn wurde Bellinzona wichtig, denn das gleich neben dem Bahnhof gelegene moderne Depot zeigt deutlich, dass wir hier einen wichtigen Knoten haben. Die Anlagen lassen es auch zu, dass ganze Kompositionen gewartet werden können. Besonders die Wartung an Einrichtungen, wie den Bremsen ist natürlich auf solch einer Bahnlinie wichtig. Dabei kann das Depot sicherlich den Verschleiss an dazu bestimmten Bauteilen beheben, aber keine grossen Schäden beheben.

Die Gotthardbahn erstellte nach vielen Verhandlungen die Hauptwerkstätte hier in Bellinzona. Vom Zug aus sind diese Hallen nicht zu erkennen, da sie unterhalb des erhöht liegenden Bahndammes angeordnet wurden. Die Gotthardbahn hatte dringend eine eigene grosse Werkstätte benötigt, denn die speziellen Lokomotiven waren einem grösseren Verschleiss ausgeliefert und mussten daher häufiger gewartet werden.

Die SBB übernahmen dann das Gelände und führten die Werkstätte weiter. An den Aufgaben hatte sich nicht viel verändert, denn immer noch waren die Arbeiten an den Lokomotiven des Gotthards Hauptbestandteil der Arbeit. Auch wenn sich mittlerweile der Name zum Industriewerk gewandelt hat, die Arbeit ist immer noch identisch, denn die arg strapazierten Lokomotiven benötigen auch schweren Unterhalt.

Es wir Zeit, sich wieder von Bellinzona zu verabschieden. Wir sind noch nicht am Ende unserer Reise angelangt. Es ändert sich nun aber etwas, denn nun trennen sich die Linien. Die Bahnstrecken sind also nun zu trennen. Nur, logisch wäre, dass wir nun der Gotthardbahn folgen und so den Weg nach Chiasso einschlagen. Nur, viele reisen aber nach Locarno und möchten sicherlich auch dort etwas von der Strecke erfahren.

Bevor wir aber getrennte Wege gehen, will ich die bisherige Strecke etwas Revue passieren lassen. Nicht, dass ich hier lange Worte schreibe, aber ein paar technische Hinweise sollten schon sein, um Ihnen die notwenigen Hinweise zu geben. Damit können Sie an Ihrem Stammtisch glänzen oder aber, Sie lassen sie so stehen, es ist alles eine Frage der Interessen.

 

Technische Daten Immensee – Bellinzona

Streckenlänge: Seit Immensee 149'750 m
Eröffnung:   01. Juni 1882
Anzahl Brücken: Regelgleis Nord - Süd 17
Anzahl Brücken: Regelgleis Süd - Nord 18
Längste Brücke: Chestelenbach 127 m
Anzahl Tunnel: Regelgleis Nord - Süd 39
Anzahl Tunnel: Regelgleis Süd - Nord 45
Längster Tunnel Gotthard 15'003 m

Mir bleibt somit eigentlich nichts anderes übrig, als Ihnen die Wahl zu überlassen. Wollen Sie nun nach Chiasso weiterreisen und der Gotthardbahn folgen, oder wählen Sie den Weg nach Locarno? Es ist alles nur noch eine Frage Ihrer Wahl, darum wählen Sie jetzt, denn nun trennen sich die Wege. Wir machen es hier also genau so, wie die Leute, die mit den Interregio, den Intercitys oder den schnellen Neigezügen hier ankommen, wir wählen unseren Weg.

 

                       
Weiterfahrt nach Locarno Weiterfahrt nach Chiasso
                       

Die Gotthardstrecke in Bild und Ton

 

Die hier virtuell beschriebene Gotthardstrecke auch in Bild und Ton erleben!

„GOTTARDO“, 150  Jahre  Schweizer Eisenbahnen 1997 am Gotthard

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