Persönliche Erfahrungen mit der Bm 4/4

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Das Depot Erstfeld war eines jener Depots, das eine einzelne Bm 4/4 besass. Die Lokomotive war für den Einsatz vor dem Hilfswagen bestimmt. Das bedeutete unweigerlich auch, dass das Lokomotivpersonal die Lokomotive kennen musste. Noch war die Zeit nicht gekommen, wo spezialisierte Teams diese Aufgabe übernahmen. Gerade die Tatsache, dass die Lok selten benötigt wurde, machte es schwer, die Lok zu kennen.

Trotzdem musste jeder Lokomotivführer des Depots Erstfeld auf dieser einzigen Bm 4/4 geschult werden. Daher war es nicht überraschend, dass die Einsätze auf der Maschine äusserst selten waren und man kaum die notwendige Praxis hatte. Dabei waren die jüngeren Lokführer sicherlich im Vorteil, kamen sie wenn auch selten zu Fahrten auf der Lok. Mit zunehmendem Dienstalter und der damit verbunden höheren Position in der Rangfolge verschwanden auch diese seltenen Einsätze von den Dienstplänen eines Lokführers.

Was für die Lokführer nach der Ausbildung hingenommen werden konnte, galt nicht für die Lokführer in der Ausbildung. Diese mussten diese einzige Diesellokomotive kennen lernen. Damit dies nicht nur in der Theorie erfolgte und sich der Dieselmotor auch einmal bewegen konnte, setzte man die Lok am Freitag als Ersatz für eine Ee 3/3 ein. So konnten die Anwärter erlernen, was sie später selten bis nie gebrauchen würden.

So übten wir in der Ausbildung mit der Bm 4/4 vor den schweren Wagen mit Armierungseisen und stellten bald einmal fest, dass die Lok durchaus enorme Zugkräfte entwickeln konnte. Ja, oft zu viel, so dass wir die erlaubte Geschwindigkeit nur im allerletzten Moment noch einhalten konnten. Die Lok marschierte einfach los, man musste keine Stufen nachschalten oder merkte, dass solche geschaltet werden. Nur konzentrierte Blicke auf den beidseitig eingebauten Geschwindigkeitsmesser konnte die Sache beruhigen.

Nach der Ausbildung wurde es wieder sehr ruhig um die Bm 4/4 und die Kenntnisse fingen an zu schwinden. Ja, ich konnte sogar Jahre erleben, in denen ich die Lok nie von innen zu sehen bekam. Wenn, dann aber war der Einsatz mit Hilfswagen gefragt. Die Lok musste also mit mangelndem Wissen bedient werden und dabei waren Einsätze vor dem Hilfswagen nicht immer einfach.

So traf es mich eines schönen Tages. Ich durfte nach Airolo reisen um dort die Bm 4/4 und den Hilfswagen nach Hause zu holen. Als ich ankam, waren die Mannen des Hilfswagens immer noch kräftig an der Arbeit und die Bm 4/4 musste verhindern, dass sich der Traktor, der sich auf einen Prellbock verirrt hatte, ungewollt bewegte. Letztlich hatte ich aber kaum etwas mit der Bergung zu tun.

Die Fahrt nach Hause, war dann schon mühsamer. Besonders den Gotthard hinab, denn das war eine Bewährungsprobe für die Bremsen der Lok und des Hilfswagens. Die Bm 4/4 konnte sich mit der elektrischen Bremse kaum selber halten und so musste der Hilfswagen mit der Luft gebremst werden. So stiegen die Temperaturen in den Widerständen und den Bremsklötzen des Wagens stetig an. Besonders letztere machten sich mit einem unangenehmen Geruch bemerkbar.

Der nächste Einsatz führte mich dann mit der Bm 4/4 und dem Hilfswagen am Haken in aller frühe nach Brunnen. Wie könnte es auch anders sein, der Hilfswagen wurde für die Bergung eines Zuges benötigt. Diesmal waren sich zwei Wagen in die Quere gekommen und waren mit den Puffern ineinander verhakt. Die Lok hatte in Brunnen ihre Arbeit vorerst getan, was natürlich auch für den Lokführer galt, der sofort in eine Funktion geworfen wurde, die er ohne entsprechende Ausrüstung erledigen musste.

Anschliessend wurde es wieder ruhiger und ich musste weder die Bm 4/4, noch den Hilfswagen bewegen. Diese Einsätze, war, wie diese zwei einzigen Vorfälle zeigen immer äusserst selten und dann war es sogar noch umgekehrt und die Bm 4/4 eilte zu mir, denn meine Bm 4/4 war so stark, dass der vergessene Hemmschuh auf der Lok nicht bemerkt wurde und dann der zweite Wagen, der auf dem Hemmschuh stand entgleiste.

Ebenso oft, wie ich mit dem Hilfswagen zu hilfslosen Fahrzeugen eilte, oder die Mannschaft abholte, wurde ich hilflos von einer Bm 4/4 abgeholt. Meist waren das Kurzschlüsse auf der Lok oder eine heruntergerissene Fahrleitung und deshalb ein Stromausfall. Die Bm 4/4 konnte aber mit Ausnahme des Hemmschuhs von oben immer ohne Hilfswagen kommen.

Es kamen aber auch ganz besondere Einsätze auf mich zu. So wurde ich im Jahre 1997 beauftragt, mit der Bm 4/4 von Erstfeld nach Bellinzona zu fahren. Am Haken sollte diesmal aber nicht der Hilfswagen, sondern ein nagelneuer Wagen für den IC 2000 angehängt sein. Dieser spezielle Doppelstockwagen sollte im Tessin zu den dort geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten reisen. Da die Gotthardstrecke jedoch nicht für Doppelstockwagen zugelassen war, ergaben sich daher Probleme mit der Überführung und die Bm 4/4 musste herhalten.

In erster Linie musste an einigen Stellen die Fahrleitung ausgeschaltet werden, da es sonst zu Kurzschlüssen auf den Wagen geführt hätte. Somit konnte der Wagen nicht mehr mit einer elektrischen Lokomotive befördert werden. Jede elektrische Lok, sieht ohne Strom recht alt aus. Das einzige Triebfahrzeug, das für diesen Einsatz überhaupt in Frage kam, war die Bm 4/4, die extra zu diesem Zweck nach Erstfeld geschickt wurde.

So startete ich mit der Bm 4/4 und dem neuen Doppelstockwagen zu einer aussergewöhnlichen Fahrt über den Gotthard. In der speziellen Fahrordnung wurde zudem angeordnet, dass ich mit dem Zug in den Kehrtunnel immer das äussere Gleis befahren muss. Daher musste ich öfters die Spurwechsel befahren um im nachfolgenden Abschnitt auf der richtigen Seite zu sein.

In Ambri-Piotta durfte ich zudem die Perrongleise nicht befahren, da es eventuell Probleme mit dem Perrondach gegeben hätte. Aber, was immer der Fall war, die meiste Zeit fuhr ich unter einer Fahrleitung, die keinen Strom führte. Ja, im Gotthardtunnel befuhr ich die eingeschaltete Schutzstrecke für einmal ohne mich darum zu kümmern. Frei nach dem Motto, bei Diesellokomotiven sind die Fahrleitungssignale ungültig und nicht zu beachten.

Letztlich erreichte ich Bellinzona, wo ein Kollege aus dem Tessin den Zug übernahm und damit nach Lugano Vedeggio fuhr. Es ist ja klar, dass diese Fahrt an einem Sonntagabend statt fand, da nur dann eine problemlose Fahrt ohne längeren Zwischenhalt möglich war. Die Talfahrt beeindruckte, denn mit einer Lok und einem Wagen hatte ich bis dahin noch nie die Sägezahnmethode anwenden müssen.

Der Grund lag bei der elektrischen Bremse, denn die vorhandene elektrische Bremse reichte im Gefälle des Gotthards nur mit Hilfe eines Tricks, zur Talfahrt mit der allein fahrenden Lokomotive aus. War dann noch der Hilfswagen oder etwas anderes, wie ein Doppelstockwagen am Haken angehängt, muss man des Öfteren die Klotzbremsen oder in diesem Fall die Scheibenbremsen des Wagens zur Hilfe nehmen.

Weitere Einsätze brachten mich mit Arbeitszügen nach FDR 54 auf die Bm 4/4 und so auch wieder einmal auf die Strecke. So wurden zwischen Intschi und Gurtnellen die Tunnel saniert. Für diesen Einsatz stand eine Bm 4/4 der Baudienste bereit. Da beim Personal des Baudienstes niemand bereit stand, der die Lokomotive hätte bedienen können, mussten oder durften die Lokführer aus Erstfeld antraben und mit der Lok fahren.

Mit der Lok ging es mit mehr oder weniger flotter Fahrt am frühen Morgen nach Gurtnellen. Dort wurde der Zug formiert und dann ging es auf die Talfahrt zu den Tunnels, die saniert wurden. Irgendwann am Tag kam dann die Ablösung und der Lokführer ging zu Fuss zur nächsten Haltestelle des Busses. Die Lok wurde am Abend benötigt um den Zug nach Gurtnellen zu ziehen und fuhr danach zum Nachtlager nach Erstfeld.

Die Einsätze waren im Hinblick auf die bei mir bevorstehende periodische Prüfung sehr lehrreich und daher nicht unbeliebt. Man bediente die Bm 4/4 wieder einmal, lernte diese wieder kennen und machte auch gleich die neu eingeführten Rangierbewegungen auf die Strecke. Alles waren in Erstfeld immer sehr beliebte Themen an der periodischen Prüfung. Was konnte schon besser sein, als das Ganze vorher in der Praxis zu üben. Meine Kenntnisse über die Bm 4/4 waren daher wie die Arbeitszüge an der Prüfung ausgesprochen gut.

Mit dieser Prüfung endeten diese Züge und auch meinen Einsatz auf dieser Lokomotive. Die Fahrten blieben in der Folge aus und eine Bm 4/4 sahen wir entweder im Zug geschleppt oder in den Bahnhöfen die Züge formieren. Unsere Zeit war jedoch vorbei und so gingen die massgebenden fünf Jahre ins Land. Das heisst, ich darf die Bm 4/4 mangels Kenntnisse nicht mehr bedienen.

Die Lokomotive stand in Erstfeld auch nicht mehr im Depot, sondern im Bahnhof fest an den Lösch- und Rettungszug oder an den Hilfswagen gekuppelt. Wenn die Lok nun losfährt, ist ein Lokführer der Betriebswehr damit unterwegs und es kann schlimmes passiert sein. Darum hofft jeder, dass die Lokomotive nicht bewegt wird und er beim Arbeitsbeginn die Lok im Bahnhof stehen sieht.

Ich könnte hier nun einfach behaupten, dass die Lokomotive für mich nie mehr zum Thema werden wird. Nur, wäre das gefährlich, denn nach all den Jahren, die ich mit der Bm 4/4 zu tun hatte, habe ich eines gelernt. Im Bezug zur Bm 4/4 sag niemals nie, denn die Lok tauchte plötzlich ganz unerwartet auf und dann war alles anders.

 

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