Entwicklung und Beschaffung

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Lange Zeit liessen sich die Schweizerischen Bundesbahnen SBB nicht in die Karten blicken. Im Land war klar, dass neue Züge kommen müssen, was aber zu erwarten war, liess sich nicht erkennen. Das war schon besonders, denn sonst kommunizierten die Staatsbahnen neue Züge schon sehr früh. Nicht immer war das jedoch von Vorteil, denn bei der Entwicklung und dem Bau von Triebfahrzeugen ist regelmässig mit viel Wartezeit zu rechnen.

Geführt wurden die neuen Einheiten unter dem kaum aussagekräftigen Begriff FV Dosto. Es war eigentlich nur wichtig, weil zur gleichen Zeit von der Firma Stadler Rail neue Doppelstockzüge für den Regionalverkehr beschafft wurden.

Diese wurden als RV Dosto bezeichnet. Die Einheiten für den Fernverkehr unterschieden sich vom Namen her nur durch einen Buchstaben. Jedoch sollten diese nichts weiter mit einander zu tun haben.

Vermutlich wusste man eigentlich nicht so genau was man wollte und der Katalog musste zuerst erstellt werden. Gerade die Tatsache, dass es Züge für den lukrativen Fernverkehr sein sollten, ergab fragen. Sollten die neuen Fahrzeuge eher auf den Strecken der Interregio verkehren, oder sollten es Modelle werden, die für den hochwertigen Verkehr mit Intercity gebaut wurden. Als das war anfänglich noch sehr unsicher.

Im Bereich der Interregio benötigten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB neue Züge, denn es waren jene Verbindungen, die zum Teil mit den Einheitswagen IV abgedeckt wurden. Engpässe bei der Kapazität verlangten nach Doppelstockwagen. Daher sollten es eher Interregio sein. Hier könnte man aber auch frei werdende IC 2000 einsetzen. Dann würde das neue Flaggschiff wohl eher für den hochwertigen Verkehr gebaut werden.

Es war sicherlich nicht leicht, den Katalog zusammen zu stellen. Viele Bereiche nahmen auf diesen Einfluss. So will die Infrastruktur schnell wissen, ob Ausbauten benötigt werden. Der Verkehr will so früh wie möglich den Fahrplan auf die Züge anpassen. Es war klar, es mussten Triebzüge sein und die maximale Länge durfte 400 Meter nicht überschreiten. Ausbauten waren vom Tisch, und so blieb nur noch der Fahrplan.

Erst als dieser Katalog und damit die geleistete Arbeit der Fachleute im Jahre 2009 mit der Ausschreibung veröf-fentlich wurde, konnte man sich ein Bild über den neuen Triebzug FV Dosto machen.

Wer etwas genauer hinsah, rieb sich zuerst die Augen, denn was erwartet wurde, war auch von Fachleuten nicht so leicht zu verstehen. Wusste der Besteller wirklich was er wollte, denn die Frage war nach dem Studium der Unterlagen berechtigt.

Man könnte sich den Vergleich erlauben, dass man sich wie ein Kleinkind verhielt. Dieses vor dem grossen Fest mit einem Katalog versehen, will auch alles, was darin zu finden ist. Was beim kleinen Kind noch spassig ist, ist bei einer Eisenbahn schon fast beängstigend. Wollte man wirklich neue Züge, oder nur mal umsehen, was den Herstellern für Ideen kommen. Wir blicken daher in den Katalog und den in diesem benannten Wünsche.

Um die kürzeren Fahrzeiten zu verwirklichen, sollten sich die Kasten des Fahrzeuges aktiv gegen die Innenseite neigen. Neigetechnik mit einem Doppelstockzug? Nicht unmöglich, aber äusserst fraglich, denn es mussten auch Tunnel in Kurven befahren werden. Diese waren oft so aufgebaut worden, dass die Überhöhung für das Profil genutzt wurde. An der Wand entlang schleifende Züge machen nicht nur ein unangenehmes Geräusch.

Dessen war man sich bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB bewusst und so sollte nicht der übliche Neigungswinkel von acht Grad angestrebt werden. Die Idee war, dass mit einem Winkel von nur zwei Grad etwas höhere Geschwindigkeiten ermöglicht wurden.

Wegen der fehlenden Neigung sollten die auf den Reisenden wirkenden Kräfte erhöht werden. Niemand wusste, wie diese diesen Umstand aufnehmen würden.

Der Neigewinkel war zu gering, dass man von einer Neige-technik sprechen konnte. Dank der Technik gerieten in den Kurven die Wagen nicht mehr ins Wanken. Dieser Effekt war bekannt und er wurde bei der Bestimmung der Profile berück-sichtigt.

Diese Toleranz sollte daher ausgenutzt werden. Wie das erfolgen sollte, war den Herstellern überlassen worden. Man hatte die Idee, die Lösung mussten andere suchen.

Diese Neigevorrichtung wurde als WAKO bezeichnet. Die Abkürz-ung stand für den Begriff Wankkompensation. Mit anderen Worten, der Zug sollte stabiler um Kurven fahren. Das sanfte und angenehme Schwanken der alten Wagen sollte verschwinden.

Sänften waren etwas aus der Urzeit und an das musste sich der Reisende gewöhnen, denn die Schläge beim Befahren von Wei-chen wurden so direkter auf den Kasten übertragen.

Der Vorteil dieser Wankkompensation war auf Seiten des Betrei-bers. Auf Grund der Kräfte konnte auch mit einem Doppelstockzug schneller um Kurven gefahren werden. Jedoch wirkten hier die Fliehkräfte als Behinderung. Je mehr der Kasten nach aussen zog, desto eher bestand die Gefahr, dass der Radsatz entgleisen konnte. War man noch schneller kippte der Zug einfach. Die Fahrgäste wurden in dem Fall mächtig durchgeschüttelt.

Dank der neuartigen und nicht erprobten Wankkompensation konnten aber in den Kurven Geschwindigkeiten gefahren werden, die um 10 bis 15 km/h über dem sonst üblichen Wert lagen. Das reichte um die Fahrzeit zwischen Bern und Lausanne auf unter eine Stunde zu drücken. Das musste der Triebzug können, denn das war eine Forderung der Schweizerischen Bundesbahnen SBB und daher mussten sich die Hersteller fügen.

Neben diesen erwähnten Forderungen gab es natürlich noch weitere Hinweise zum Komfort und zu technischen Belangen, die wir hier ausblenden können. Es waren oft Punkte, die eigentlich klar sein sollten, aber in einer Ausschreibung aufgeführt werden müssen.

Von einem Hersteller in China konnte man nicht erwarten, dass er genau wusste, wie die Bahnen in der Schweiz technisch aufgebaut sind. Der Katalog wurde so immer dicker.

Damit war man aber noch nicht am Ende, denn der neue Triebzug sollte mit den Zulassungen für die Schweiz, Deutschland und Österreich versehen sein. Zumindest wurde verlangt, dass die Züge für diesen Einsatz vorbereitet sein müssen.

Wie man sich den Einsatz vorstellte, stand in den Sternen, denn gerade im internationalen Verkehr waren die Kapazitäten ausreichend. Zudem war der Zug mit dem Tempo von 200 km/h schlicht zu langsam.

Weiter sahen fachlich informierte Leute ein Problem mit den Stromabnehmern. Für Fahrten in diesen Ländern waren unterschiedlich breite Schleifleisten erforderlich. Mit je einem Ersatz versehen, ergab das vier Bügel auf dem Dach. Dort war jedoch wegen dem verlangten Durchgang im oberen Deck schlicht kein Platz vorhanden. Auch hier waren also die Ideen der Hersteller gefragt und Lösungen gab es schlicht noch nicht.

Wenn das noch nicht genug war, dann wurden die schier unlösbaren Forderungen noch mit einer extrem knappen Lieferfrist versehen. Der Einsatz mit den Zügen sollte im Dezember 2013 beginnen. Vier Jahre für die Entwicklung und den Bau der benötigten Anzahl war wirklich nicht viel. Wenn man die Versuchsfahrten noch einberechnet, schlicht unmöglich. Selbst ein neues Auto benötigt eine grössere Zeit bis es auf den Markt kommt.

An diesem extrem kurzen Zeitplan für einen Trieb-zug, der nicht aus der Schublade gezogen werden konnte, hielten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB jedoch fest.

Das obwohl man noch nicht wusste, ob nicht noch rechtliche Schritte erfolgen könnten. Diese waren zu erwarten, da der Triebzug zu allem Übel noch so aufgebaut sein musste, dass er von behinderten Personen ohne fremde Hilfe benutzt werden konn-te.

Damit auch der dümmste Hersteller wusste, wie ernst dem Besteller diese Termine waren, wurden Konventionalstrafen aufgeführt. Je nach Art der Verzögerung und der Dauer konnten sie zu einem Preisnachlass von bis zu 40% führen.

So sollte der Druck erhöht werden. Wie sich diese Strafen auswirken sollten, erfahren wir später, denn nun waren die Hersteller gefragt und es war zu erwarten, dass sich da nicht sehr viele melden würden.

Eingereicht wurden Angebote der Hersteller Bombardier, Siemens und Stadler. Die Reihenfolge ist alphabetisch und daher keine Wertung. Das machten genug andere Leute und da man das erwarten konnte, wurden die Angebote geheim gehalten. Niemand wusste daher im Vorfeld, was zu erwarten war. Also niemand, der nicht direkt involviert war. So wollte man verhindern, dass Hersteller auf Grund eines Angebotes nachbesserten.

Es nun Sache der Schweizerischen Bundesbahnen SBB die Angebote zu prüfen. Dazu waren die Kriterien in der Ausschreibung aufgeführt worden. Welche es waren, ist jedoch für uns nicht so wichtig, denn wir trauern nicht der verpassten Chance nach, sondern sehen uns das Ergebnis an. Auch wenn noch niemand wirklich wusste, was das sein würde. Die Spannung auf den Zug war gross und einige Hersteller liessen etwas durchsickern, aber auch nicht mehr.

Am 12. Mai 2010 wurde schliesslich die Vergabe des Auf-trages an Bombardier bekannt gegeben. Diese war jedoch noch nicht rechtskräftig, denn den unterlegenen Anbieter stand nun der Weg offen um Rekurs zu führen.

Das war zu erwarten, ging es bei diesem Auftrag wirklich um einen grossen Posten. Wer will nicht den grossen Kuchen für sich beanspruchen. Jedoch verstrich die Zeit-spanne sehr zur Verwunderung vieler Leute ohne Einspruch.

Wenn man bei Siemens nachfragte, wurde mitgeteilt, dass man die Vergabe innert der Frist geprüft hätte, dann jedoch auf einen Rekurs verzichtet hätte. Man gab also einfach auf und so stellt sich die Frage nach dem Warum.

War der Auftrag vielleicht doch zu gross? Eher ursächlich war, dass man nicht sicher war, ob man die Vorgaben der Schweizerischen Bundesbahnen SBB auch umsetzen konnte. Gerade die Zulassung war ein Problem.

Die in der Schweiz ansässige Firma Stadler Rail gab nur zu Protokoll, dass man natürlich über den Entscheid enttäuscht war.

Mehr auch nicht, denn das Werk in Bussnang war gut aus-gelastet und man kann annehmen, dass man sich in der Ost-schweiz auf andere Bereiche konzentrieren wollte. Unmögliche Lösungen, wie der Doppelstockzug waren vermutlich auch für die innovative Firma zu gross. War das neue Wunderding wirklich so schlimm?

Am 15. Juli 2010 wurde schliesslich der Werkvertrag unterzeichnet. Nun war klar, der neue Triebzug für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB wurden von der Firma Bombardier geliefert. Dort wurde der Triebzug als Twindexx bezeichnet. Bedingt durch die Verzögerungen und Anpassungen bei den Firmen wurden die letzten Einheiten von der Firma Alstom geliefert. Auf den Triebzug FV Dosto hatte das keine Auswirkungen.

Es wir nun Zeit, dass wir uns ansehen, was den bestellt und was geliefert wurde. Die Bestellung umfasste ins-gesamt 59 Triebzüge. Im Werkvertrag waren noch Op-tionen auf weitere Einheiten umschrieben worden.

Sollten diese eingelöst werden, würde der Bestand auf über 100 Triebzüge ansteigen. Ob diese eingelöst würden, war aber schon bei den ersten Einheiten nicht sicher zu beantworten, denn es fehlte schlicht am Einsatz.

Aufgeteilt wurden die Einheiten in drei Konfigurationen. Im Rahmen dieser Vielfalt wurde mit den Begriffen IC 200, IR 200 und IR 100 gesprochen. Dabei gaben die Zahlen lediglich die Länge der Züge an.

Wir hingegen müssen etwas genauer in diese Aufteilung sehen, denn nur mit den Begriffen ist diese und deren Sinn nicht so leicht zu erkennen. Dabei beginne ich bei der Reihenfolge, wie ich die Triebzüge aufgeführt habe.

Von den IC 200 wurden 20 Einheiten bestellt. Wegen dem geplanten Einsatz als Intercity waren diese Triebzüge mit einem Speisewagen zu versehen. Hinzu kam, dass hier noch ein Gepäckabteil verbaut werden musste. Diese Einheiten wurden daher als RABDe 502 geführt und sie bekamen die Nummern 502 001 bis 502 020. So beschriftet wurden sie jedoch nicht mehr, denn die Bezeichnung erfolgte nach den Vorgaben der TSI.

Die Zügen wurden daher korrekt als RABDe 94 85 0 502 001-6 CH-SBB und folgende bezeichnet. Bedingt durch die Verzögerungen bei der Auslieferung kam es bei diesen Zügen zu einer Änderung. Statt das die fälligen Rabatte gewährt wurden, erfolgte die Lieferung von drei zusätzlichen Triebzügen in der Konfiguration als IC 200 auf Kosten des Herstellers. Das hatte zur Folge, dass davon bei der ersten Lieferung 23 Einheiten übergeben wurden.

Damit kommen wir zu den Einheiten, die als Interregio konfiguriert wurden. Hier wurde sowohl auf den Speise-wagen, als auch auf das Gepäckabteil verzichtet. Das hatte zur Folge, dass diese Triebzüge das grösste Platzangebot hatten.

Dazu werden wir später noch weiter eingehen. Wir sind noch bei der Auslieferung und da waren diese Triebzüge mit 30 Einheiten die grösste Teilserie, die gebaut werden sollte und das wirkte sich aus.

Bezeichnet wurden die 30 Interregio mit der Baureihe RABe 502 201 bis 230. Damit gab es hier zu den Intercity einen gut erkennbaren Unterschied. Diesen werde ich weiter nutzen, denn im Artikel steht RAB(D)e, wenn beide Konfigurationen gemeint sind, ansonsten erfolgt die korrekte Bezeichnung. Auch hier kam die Bezeichnung nach den Normen der TSI zur Anwendung und wir haben die Einheiten RABe 94 85 0 502 201-2 CH-SBB und folgende erhalten.

Spannend ist die vorhandene Lücke zu den IC 200. Diese war vorhanden, damit nicht neue Bezeichnungen erfolgen mussten, wenn die Optionen eingelöst wurden. Auch wenn man damit von bis zu 200 Triebzügen der Baureihe RABDe 502 ausgehen könnte, so viele sollte es nicht geben, es war also eine genug grosse Lücke erschaffen worden und das galt auch für die noch fehlenden verkürzten Einheiten, denn diese waren wirklich speziell.

Die als IR 100 bezeichneten verkürzten Triebzüge bildeten nur im technischen Bereich eine Einheit mit den anderen Modellen. Es war geplant mit diesen Triebzügen keine Verbindungen abzudecken. Vielmehr sollten diese Einheiten dazu genutzt werden, die anderen Triebzüge zu verstärken. Sie übernahmen daher die Funktion der bei Pendelzügen eigeführten Verstärkungsmodule. Das wiederum wirkte sich auf die Bestellung aus.

Von den IR 100 wurden nur neun Züge gebaut. Sie haben es richtig gelesen, es waren davon nicht einmal zehn Stück vorhanden. Das zeigt, wie speziell deren Einsatz geplant war. Sie erhielten die Bezeichnung RABe 94 82 0 502 401-8 und folgende.

Daher war auch hier eine genug grosse Lücke vorhanden, falls die Option über weitere Triebzüge von den Schwei-zerischen Bundesbahnen SBB eingelöst wurde und diese konnte auch IR 100 umfassen.

Im Werkvertrag wurde die Lieferung des letzten Trieb-zuges auf den Dezember 2019 festgelegt. Somit sollten die bestellten 59 Triebzüge innerhalb von neun Jahren aus-geliefert werden.

Da jedoch noch die Entwicklung und die Zulassung dazu kam, war der Zeitplan sehr ambitioniert und dabei wurden allfällige rechtliche Punkte nicht einmal berücksichtig. Nach dem die anderen Hersteller darauf verzichteten, war man sich sicher.

Jedoch meldeten sich die Organisationen der Behinderten. Diese meldeten sich, als die Pläne öffentlich wurden. Mit zum Teil utopischen Ideen wollten sich diese einen Namen machen.

Damit man deren Einspruch ernst nahm, wurde die Klage bis zur letzten Instanz weitergezogen. Das führte letztlich zu den drei zusätzlichen Zügen, auch wenn sich der Hersteller hinter den Klagen verstecken konnte, denn auch dort lief es nicht rund.

Auf diesen Punkt werden wir bei der Inbetriebsetzung näher eingehen. Der letzte Triebzug sollte im Jahre 2022 ausgeliefert werden. bis zu diesem Zeitpunkt war noch keine der Optionen eingelöst worden. Diese waren damals auch nicht mehr zu erwarten. Warum es dazu kam, wollen wir nun im folgenden Artikel erfahren. Dabei blenden wir die Ideen von speziellen Organisationen und auch die Emotionen aus und bleiben sachlich.

 

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