Inbetriebsetzung |
|||
Navigation durch das Thema | |||
Wie so oft, über den Fortschritt der Arbeiten in den Werken wurde
wenig berichtet. Jedoch war bei den ersten
Lokomotiven noch ein Problem zu lösen, das es sonst bei
den Lokomotiven der Schweiz nicht gab. Der in Italien gefertigte Kasten
musste zur Endmontage nach Meyrin überstellt werden. Dabei musste aber die
Grenze passiert werden. In der Folge meldete sich der Staat und erhob die
üblichen Gebühren für den Zoll.
Danach konnte der Kasten zur SAAS überstellt werden, wo
schliesslich der Einbau der elektrischen Ausrüstung erfolgen sollte. Nach
dem Abschluss derselben, war dann der grosse Moment gekommen, denn die
Lokomotive musste erstmals eingeschaltet werden. Da
mittlerweile die
Fahrleitung
auch das Werk erreicht hatte, war das kein Problem mehr. So konnten noch
beim Hersteller die ersten wichtigen stationären Tests durchgeführt
werden.
Die ersten Gehversuche im Raum des Werkes endeten mit der
Überführung.
Dabei konnte mit eigener Kraft gefahren werden. Wo eine
Fahrleitung
vorhanden war, spielten mittlerweile auch die hohen
Achslasten
keine so grosse Rolle mehr. Der Grund war simpel, die
Staatsbahnen
erhöhten auf den
Hauptstrecken
zusammen mit der Fahrleitung auch gleich die zulässigen Achslasten. Doch
noch gab es Lücken, die bewältigt werden mussten.
Zur
Überführung
der ersten
Lokomotive mussten daher Dampflokomotiven ran. Diese
schleppten die neue Maschine über die Abschnitte ohne
Fahrleitung.
Jedoch gab es dort ein neuerliches Problem, denn die
Achslasten
der ersten Be 6/8 war für einige Strecken schlicht zu hoch. Hinzu kam,
dass es teilweise auch mit der
Meterlast
Probleme geben konnte. So war die Reise durch die Schweiz nicht so direkt,
wie man allgemein erwarten würde.
Achslasten
bis zu 20 Tonnen waren damals noch nicht auf allen Strecken zugelassen.
Diese Abschnitte mussten umfahren werden, was auch nicht immer möglich
war. Wo es nicht anders ging, wurde die Maschine daher als
Spezialtransport mit besonderen Bedingungen überführt. Daher kamen oft
Wagen als Entlastung zwischen die hilflose
Lokomotive und die arbeitende
Dampfmaschine.
In der Folge zog sich der Transport in die Länge. Die Maschine mit der Betriebsnummer 201 traf schliesslich am 17. Juni 1926 in Thun ein und wurde der BLS übergeben. Das war gegenüber der Reihe Be 5/7 anders, die erst in Spiez übergeben wurde.
Der Grund war simpel, denn die
Fahrleitung
erreichte den
Bahnhof
von allen Seiten. Den Umweg über den
Endbahnhof
Scherzligen ersparte man sich, denn die BLS-Gruppe
über-nahm damals die
Güterzüge
in Thun von den
Staatsbahnen. Vom Personal der BLS-Gruppe wurde die neue Lokomotive übernommen. Dieses war vorgängig schon beim Hersteller und wurde dort über die Ideen und deren Umsetzung unte-rrichtet.
Daher war die neue Maschine mit kundigem Personal be-setzt worden
und das machte sich gleich daran, die Num-mer 201 in Betrieb zu nehmen.
Sie wurde daher unmittelbar nach Ankunft unter
Spannung
gesetzt und nach wenigen Metern war klar, was man vor hatte.
Die nagelneue und nicht erprobte Lokomotive wurde nach der Ankunft vor einen 800 Tonnen schweren Güterzug ge-spannt.
Die Maschine musste zeigen, was sie konnte und kam daher nicht
nach Spiez, wo die Direktoren mit den Anzügen wichtigtuend um die
Lokomotiven schritten. Die formelle und immer wieder zu
einem besonderen Akt gemachte Übernahme gab es daher nicht. Das Teil wurde
für die Arbeit bestellt, also muss es arbeiten.
Es war eine klare Aufgabe. Die
Lokomotive hatte diesen Zug nach Frutigen zu führen. Bis
dort entsprach das Gewicht schlicht der verlangten
Normallast.
Man fuhr sogar am
Depot
Spiez vorbei, wo sicherlich ein paar gut informierte Arbeiter die neue
Lokomotive bei der Durchfahrt sehen konnten. Der
Güterzug
war im
Fahrplan
und dieser sah keinen Halt für Kontrollen vor. Ob die Fahrt erfolgreich
sein würde, wusste das Personal bei der Abfahrt noch nicht. Von einer geordneten Inbetriebsetzung konnte so-mit keine Rede sein, die Lokomotive wurde ange-liefert, eingeschaltet und dann fuhr man gleich los. Niemand konnte sicher sagen, ob der Zug über-haupt je Frutigen erreichen würde.
Stimmten die Einstellungen auf die Strecke und war der dauerhafte
Betrieb möglich. Das konnte so noch nicht geprüft werden. In einem Werk
hat es kaum Platz für schwere
Güterzüge
und Steigungen sind auch selten. Ein wichtiger Punkt der Versuchsfahrten waren die Laufeigenschaften. Diese konnten schon während der Überführung gemacht werden. Man wusste, dass das neue Teil nicht so schnell ab den Schienen fällt.
Ob die verlangten
Achslasten
eingehalten wurden, war klar. So ging es mit dem
Güterzug
eigentlich darum, die Umsetzung der
Zugkraft
zu prüfen. Eine kurze Angelegenheit, die so auch bei den
Staats-bahnen
praktiziert wurde.
Nach dem der
Güterzug
Frutigen erreicht hatte, wurde nicht etwa die
Lokomotive abgehängt und ins
Depot
überführt, sondern man reduzierte nur die
Anhängelast.
Mit 510 Tonnen am Haken musste sich die neue Lokomotive sogleich in die
27‰
Rampe
nach Kandersteg begeben. Auf die Anwendung einer
Zwischenlokomotive,
wie das sonst üblich war, wurde hingegen verzichtet. Man wollte die neue
Maschine fordern und da gab es keine Hilfe.
Somit könnte man diese Fahrt nun als
Lastprobefahrt
bezeichnen. Nur, es war im Zug keine zweite
Lokomotive, die helfen konnte. Die neue Baureihe Be 6/8
mit
Einzelachsantrieben
musste den Zug führen, egal was passieren sollte. Ein gewagtes Spiel, das
jedoch zeigt, wie verzweifelt die BLS-Gruppe
auf diese neuen Maschinen gewartet hatte. Es musste gearbeitet werden.
Prüfen und testen kann man zu einem späteren Zeitpunkt immer noch. Die nagelneue Lokomotive erreichte schliesslich mit dem Güterzug ihr Ziel in Brig. Danach wurde sie jedoch zur eigentlichen Inbetriebsetzung nach Spiez überstellt. Die Feuertaufe war bestanden und die Maschine er-füllte das Pflichtenheft auf dieser Fahrt ohne nen-nenswerte Schwierigkeiten.
Jetzt konnte man nachsehen, was das Teil leisten kann. Doch bis es
soweit war, kamen die Herren mit Anzug und Krawatte doch noch zu ihrer
Ehre. Das Vertrauen, das hier von der BLS-Gruppe dem Hersteller SAAS entgegengebracht wurde, war extrem gross. Andere Lokomotiven im Bestand des Unternehmens zeigten bereits, dass eine problemlose Inbetrieb-nahme nicht immer einfach war. Ich erinnere hier nur an die verbogenen Schlitzrahmen der Baureihe Fb 5/7.
Hier sollte man ncht nur einfach mehr Glück haben, sondern es gab
auch die Reihe
Be 4/7 am Gotthard.
Auf jeden Fall wurde nun geprüft und da sollte auch hier so einiges an den
Tag kommen.
Bei den nun anstehenden Versuchen, sollten die Eigenschaften der
neuen
Lokomotive bestimmt werden. Dazu gehörten auch die im
Gleis
erzeugten Kräfte. Erprobt wurden diese oft auf speziellen Abschnitten. Die
Versuchsstrecken
gab es bei der BLS-Gruppe
auch und so wurde so banal das klingen mag, geprüft, ob im
Bahnhof
Spiez auch jede Weichenstrasse befahrbar war. Dabei nutzt man diese
Fahrten auch gleich zur Schulung des Personals.
Jetzt wurden die einzelnen Komponenten bis ans Limit beansprucht
und untersucht, wie sich die
Lokomotive bei schlechtem Schienenzustand verhält. Dazu
verwendete man Anfahrversuche, die meistens in Betriebspausen auf dem
Kanderviadukt und in den
Kurven
danach erfolgten. Eine ideale
Versuchsstrecke,
da die Steigung auf der geraden
Brücke
an der oberen Grenze liegt. Die anschliessenden Kurven erhöhen den
Rollwiderstand. Dabei hielt der Versuchszug auf der Brücke an und wurde anschliessend be-schleunigt. Die Lokomotive musste nun die Zeitvorgaben einhalten und die Zielgeschwindigkeit erreichen.
Bei trockenen
Schienen
eine einfache Angelegenheit. War diese jedoch mit Schmierseife behandelt
worden, war die Anfahrt schon etwas schwerer. Sie sehen, oft musste man
den gewünschten schlechten Schienenzustand auf der Strecke künstlich
herstellen. Zum Abschluss dieser Anfahrversuche auf der Kanderbrücke konnte fest-gestellt werden, dass die im Pflichtenheft verlangten Werte erreicht wurden. Auch auf nassen Schienen gelang die Anfahrt. Jedoch war nun auch klar, dass es mit der Beschleunigung nicht so leicht war.
Oft wurde das Ende der
Brücke
und somit der Beginn der
Kurve mit Schritt-geschwindigkeit erreicht.
Die Fachleute sahen dabei zu, wie die
Räder
auf den
Quarzsand
reagierten.
Letztlich führte man mit der
Lokomotive
Erwärmungsversuche durch. Diese waren erforderlich um zu bestimmen ob im
Dauerbetrieb die
Kühlung
ausreichend bemessen ist. Das geht eigentlich ganz einfach, denn es wird
ein schwerer Zug angehängt und dann nimmt man die Steigung in Angriff.
Danach wird bei gewissen Punkten die Temperatur geprüft. Nur gab es
diesbezüglich bei der neuen Lokomotive mit der Nummer 201 ein kleines
Problem.
Die
Lokomotive wurde daher dauernd unter Last über die
Bergstrecke
geschickt. Nach neun Stunden brach man den Versuch schliesslich ab, da die
Lokomotive kaum an kritische Grenzen gestossen war. Das Ergebnis konnte
daher nicht ausgewertet werden. Die Maschine entwickelte tatsächlich kaum
Wärme. Besonders im Bereich des
Transformators
und der
Fahrmotoren
war das schon eine Überraschung, denn hier sollte es schnell warm werden. Gerade die letzten erwähnten Versuche zeigten deutlich, die neue Loko-motive der Baureihe Be 6/8 hatte Reserven und die mussten gewaltig sein, denn wenn nach neun Stunden Dauereinsatz mit schwersten Lasten keine Erwärmung festgestellt werden konnte, war die Maschine kaum ausgelastet.
Zum Vergleich dieser
Leistung
müsste ein Marathonläufer neun Stunden rennen und dabei nicht schwitzen.
Die Reihe Be 6/8 konnte das und hätte wohl ins-geheim gelächelt. Was man damals nicht erkennen konnte, waren die später erkannten Pro-bleme mit den Bremswiderständen. Wurde mit der Lokomotive nach der Tal-fahrt ein Stilllager eingelegt, wurde es gefährlich.
Da nach kurzer Zeit die Maschine ausgeschaltet wurde, entfiel die
Ventilation.
In der Folge kam es im Kanal zu einem Hitzestau, der dem Metall schwer
zu-setzte. Die
elektrische
Bremse sollte daher schnell zum Sorgenkind werden. Nun wusste man, dass man mit der Lokomotive durchaus auch mehr machen kann, als vorgesehen war. Wie das in solchen Fällen und bei Versuchen immer wieder der Fall ist, man ging einfach einen Schritt weiter.
Die
Anhängelast
wurde erhöht. Dabei musste man hier vorsichtig sein, denn die neue
Baureihe war für die
Zughakenlast
ausgelegt worden. Wer in diesem Fall zu viel erhöht, riskiert, dass es
schnell zur
Zugstrennung
kommt.
So ging es mit 550 Tonnen am Haken die 27
‰ Steigung hinauf. Ob die
Lokomotive nun eine leichte Erwärmung verspürte, wurde
nicht überliefert, denn mehr ging nicht mehr. Die
Zughaken
konnten nicht mehr halten. Die Lokomotive zog alleine ganze Züge bis zu
maximal zulässigen
Zughakenlast.
Damit war aber auch klar, man konnte die neue Maschine dem Betrieb
übergeben. Dieser wartete schliesslich sehnsüchtig auf das Teil.
Beide Lieferfirmen bewältigten die ihnen gestellte Aufgabe überaus
erfolgreich und lieferten eine
Lokomotive der Superlative ab. Die leistungsfähigste
Lokomotive jener Zeit übertraf die an sie gestellten Anforderungen bei
weitem. Die
Krokodile
der Schweizerischen Bundesbahnen SBB waren da ohne jede Chance und hätten
im direkten Vergleich wohl zurückstecken müssen. An der Baureihe Be 6/8
sollten sich die Lokomotiven noch lange die Zähne ausbeissen.
Betrachtete man bei der
Lokomotive das Gewicht in Bezug auf die installierte
Leistung,
ergab das für die Be 6/8 einen Wert von 31.4 kg pro PS
Stundenleistung.
Das war für die damalige Zeit schlicht und einfach die wirtschaftlichste
Konstruktion. Die BLS hatte wieder einmal eine Lokomotive, die jenen der
schweizerischen Bundesbahnen SBB bei weitem überlegen war. Nur die Reihe
Be 6/8 sollte nie die Bekanntheit der unterlegenen
Krokodile
erhalten. Die
weiteren drei
Lokomotiven der ersten Serie wurden keinen Versuchen
mehr unterzogen. Diese waren auch nicht mehr erforderlich, da sie ja
baugleich waren. Erst mit der Nummer 205 gab es bei der
Inbetriebsetzung
eine Abweichung, die wir uns ansehen müssen. Durch die Änderungen am
Kasten und die neuartige Bedienung wurde das Fahrzeug moderner. Das führte
dazu, dass die Maschine abkommandiert wurde.
In der Schweiz wurde eine Landesausstellung veranstaltet und dort
wurde die fabrikneue Maschine ausgestellt. So richtig bekannt werden
sollte das jedoch nicht, denn die Leute interessierten sich nur für eine
Lokomotive. Da war das grosse Teil, das mit angeblich
12 000 PS die stärkste Lokomotive der Welt sein sollte. Aber gegen
Doppellokomotiven hatte auch die neu als Ae 6/8 bezeichnete Baureihe so
oder so keine Chance.
|
|||
Letzte |
Navigation durch das Thema |
Nächste | |
Home | SBB - Lokomotiven | BLS - Lokomotiven | Kontakt |
Copyright 2022 by Bruno Lämmli Lupfig: Alle Rechte vorbehalten |