Erstfeld - Luzern - Erstfeld - Zug - Erstfeld

Es ist kurz nach 4 Uhr, als ich durch den Wecker aus dem Tiefschlaf gerissen werde und aus dem Bett steige. Trotz den mittlerweile recht hohen Tagestemperaturen sind die Nächte noch recht kühl. So frisch dem warmen Bett entstiegen, bemerkt man es sehr schnell.

Besonders in den Bergen bleiben im Frühjahr die Nächte lange kalt, denn die Luft aus den Bergen senkt sich in der Nacht in die Täler ab. Im Sommer ist das dann auch hier anders, die lauwarmen Nächte haben dann auch hier Einzug, aber im Frühjahr ist es am frühen Morgen noch unangenehm frisch. Es sei denn, der Föhn bringt die Temperaturen durcheinander.

Die obligaten Gänge im Haus laufen ab, wie in Routine. Das geht im Halbschlaf noch recht gut. Im Bad schnell den Kopf waschen, dann die Vorarbeiten in der Küche erledigen. Schliesslich noch der Blick auf das Natel. Nein, es kam keine SMS, die mir mitteilt, dass ich eigentlich hätte länger schlafen können.

Ist auch gut so, denn wer hat es schon gerne, wenn es mitten in der Nacht, wobei 4 Uhr bei uns schon human ist, aus dem Bett steigt und dann erfährt, dass er nicht zur Arbeit erscheinen muss und eigentlich hätte ausschlafen können. Die Begeisterung über solche Regelungen, die von den Gewerkschaften ausgehandelt wurden, ist sehr gering.

Bevor ich mir aber den frisch zubereiteten Kaffee gönne, begebe ich mich zum Briefkasten. Um diese Zeit ist es noch angenehm zum Briefkasten zu gehen, ausser der Zeitung befindet sich nichts darin. Einzig die kühle Luft sorgt für ein erfrischendes Erlebnis. Ein Blick zum Himmel verrät mir, sternenklar, keine Wolke zu sehen, es wird ein schöner Tag geben.

Noch ist es dunkel und die Nacht hat die Gemeinde im Tal noch fest im Griff, einzig die Bergspitzen sind bereits ein wenig heller, aber sonst noch nichts. In den meisten Häusern brennt auch kein Licht, aber in einem Eisenbahnerdorf ist immer irgendwo ein Licht zu sehen, das angeht oder erlischt. So richtig Ruhe gibt es im Dorf nicht oder nur selten.

Zurück beim Frühstück lese ich die Zeitung. Das machen viele, denn dank der Frühzustellung kann man das Heute, käme die Zeitung mit der Post, hätte ich sie erst nach dem Feierabend lesen können. Aber so geht das jetzt am frühen Morgen noch druckfrisch. Dank dem, dass die Zeitung bei mir schon sehr früh im Briefkasten liegt, kann ich das auch kurz nach 4 Uhr.

Es sind immer die gleichen Themen und irgendwie wirken sie einem Fremd, irgendwo auf der Welt schlagen sich die Leute den Kopf ein. Jeder meint dann, dass er im Recht ist. Ja, machen das Länder nennt man es Krieg, aber immer mehr liest man von Jugendlichen, die sich die Köpfe einfach zum Spass einschlagen. Einfach so und ohne Grund, aus lauter Langeweile.

Einige Zeilen lese ich genauer, denn es gibt immer einen Artikel, der etwas aus der Reihe tanzt. Dazu gehört auch der Wetterbericht. Im Lauf der nächsten Woche soll sich das Wetter ändern. Die Wetterfrösche sagen Regen und Gewitter voraus. Das Wochenende soll aber noch schön bleiben. Die Temperaturen erlauben es, die leichten Kleider und eine dünne Jacke zu tragen.

Einzig das Rätsel aus der Zeitung nehme ich mit zur Arbeit, der Rest wandert unverzüglich ins Altpapier, gelesen ist gelesen. Heute Samstag ist es ein Rätsel der Sorte sehr schwer und das löst man nicht so schnell neben dem Frühstück. Eine zweite Tasse Kaffee findet ihr Ende in meinem Magen und ein Blick auf die Uhr verrät, es ist Zeit zum aufbrechen.

 

Durch die Strassen der Gemeinde

Die Sicherheitsschuhe und die Arbeitskleider habe ich am Vorabend zurecht gelegt, ich kann sie nun anziehen und mich aus dem Haus begeben. Bevor ich aber aufbreche, kontrolliere ich, ob auch alles dort ist, wo es sein sollte. Die Agenda und das Handy sind bei einem modernen Lokführer unverzichtbare Teile. Ja, ohne Handy ist man schon stark handicapiert, da kontrolliert man halt schnell nach.

Die Schlüssel sind noch im Schloss. Sie sind das letzte Teil, das ich noch brauche. Die Jacke beendet meine Vorbereitungen und ich verlasse meine Wohnung. Im Treppenhaus begegnet mir noch ein Nachbar, auch er ist Heute ausserordentlich früh unterwegs. Ein paar Worte später weiss ich, er will auf eine Bergtour und muss so früh los. Nur kurz ist das Gespräch, jeder geht wieder seinen Weg.

Die Strassen sind an einem Samstagmorgen um diese Zeit noch menschenleer. Ja, die meisten Leute nutzen den freien Samstag um auszuschlafen und beginnen den Tag ein paar Stunden nach mir. Ihr Pech, denn die Szenen, die ich zu sehen bekomme verpassen alle. Ein Vorteil im Gebirge sind die am frühen Morgen rot leuchtenden Bergspitzen. Oft habe ich es schon gesehen und es fasziniert mich immer wieder.

Dieses Bild hebt die Laune auch bei Leuten, die nicht so gerne früh aus dem Bett gehen. Besonders dann, wenn man mit der Arbeitswoche beginnt. Auch der Frühdienst hat seine schönen Seiten. Gegen Ende dieser Arbeitswoche sehe ich diese Szenen nicht, denn dann bin ich um diese Zeit schon in Basel und habe die Hälfte der Arbeit schon geschafft.

Noch ist es zu früh, um in den Läden Licht zu sehen. Ja, an einigen Geschäften geht die zeitgesteuerte Werbebeleuchtung an. Nur der Lastwagen der Post fährt an mir vorbei. Die Zeiten in denen die Post am Morgen früh mit dem Zug ankam sind definitiv vorbei, Heute regiert auch hier der Lastwagen. Kein Briefträger, der durch die dunkeln Strassen vom Bahnhof zur Poststelle fährt und die ganze Post auf dem Anhänger hat.

Es ist der einzige Lastwagen, der um diese Zeit durch Erstfeld fährt, denn seine Kollegen dürfen um diese Zeit noch gar nicht arbeiten. Nachdem er vorbei gefahren ist, höre ich wieder das morgendliche Lied der Vögel, zudem rieche ich frisches Brot. Ja, in der Bäckerei wird auch schon gearbeitet, denn die Leute wollen ja am frühen morgen frisches knuspriges Brot geniessen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, es ist kurz vor 5 Uhr. Mittlerweile ist die Szene hoch oben an den Bergspitzen perfekt. Die Berge leuchten in einem wunderbaren Licht, der Schnee in der Höhe scheint rötlich zu sein und das ganze wird durch die dunklen Hänge eingerahmt. So schön das auch ist, ich habe leider nicht die Zeit mich länger daran zu erfreuen. Meine Arbeit ruft und Lokführer sind pünktlich. In Kürze erreiche ich auch das Depot und dann geht es los.

Auch die Lokomotive auf dem Sockel ist noch ins dunkle Licht gehüllt, die Rostflecken sind so nicht zu sehen. Eigentlich Schade um diese Lokomotive, aber letztlich zeigt sie zu gut, dass alles irgendwann zu Ende geht. Wie ich, war auch sie nur ein kurzer Begleiter der Gotthardbahn in ihrer Geschichte. Irgendwann von der Welt und den Leuten vergessen, einfach nur ein kleiner Teil der grossen Bahn durch die Alpen.

Hier im Depot ist das Leben schon voll erwacht. Lokführer machen Feierabend, andere sind schon lange am arbeiten und begeben sich zur Pause. Wieder andere kommen gerade mit dem Auto an, und machen es wie ich, sie beginnen mit der Arbeit. Es gibt kaum eine Zeit, in der niemand hier ist. Am Montag bin ich dann der zweite Lokführer des Depots, der zum Dienst erscheint.

So schnell ist man in der Arbeitswelt. Die Bahn arbeitet immer und so ist hier kaum einmal Ruhe, meine Arbeitswoche beginnt Heute mit einer Tour, die Reisezüge enthält. So ist es halt, mein Montag ist am Samstag. Wenn die meisten Leute Montag haben, ist meine Arbeitswoche schon bald vorbei. Ein Vorsprung, der mit dem Arbeitssonntag bezahlt werden muss.

 

Vorarbeiten am Zug

Nach einem Wochenende müssen zuerst einmal die Daten der LEA aktualisiert werden. Mit dem neuen Gerät sollte das dann automatisch erfolgen, aber dazu kursieren viele Gerüchte. Ja, sogar der Weg zurück zu den Papierfahrplänen wird anscheinend wieder überlegt. Ja, wenn es so weiter geht, wird die Zukunft wieder Dampfloks an den Gotthard bringen.

Nun, egal wie es weiter geht, ich nehme mein Gerät, stecke es an die Schnittstelle und beginne mit dem laden der Daten. Noch geht es nur so, und was die Zukunft bringt weiss ich nicht. Die Daten können auch auf mein Gerät übermittelt werden, wenn ich nicht hier sitze. Ein kurzer Blick ins Einteilungssystem lässt mich erkennen, meiner Tour ist ein Kommentar hinzugefügt worden.

Eigentlich weiss ich, was für ein Kommentar es ist. Trotzdem schaue ich nach, es könnte ja eine Änderung gegeben haben. Nein, es ist, wie ich es vermutet habe. Der Kommentar besteht nur aus fünf Buchstaben. FLIRT steht da. Ich werde meinen heutigen Arbeitstag mit einem Flirt beenden. Klingt schön, wenn man nicht weiss, dass damit ein Zug gemeint ist.

Nur kurz ist der Weg zu Leitstelle. Noch ist sie da, und man kann persönlich nachfragen, ob denn auch alles planmässig verläuft. Auch hier soll es in Zukunft Veränderungen geben. Seit Jahren werden wir von einer Veränderung in die andere geworfen, langsam sehnt man sich nach Ruhe und einer Konsolidierung. Einfach ein paar Jahre Pause, dann könnte auch die Zufriedenheit wieder besser werden.

Alles ist normal, die Reisezüge verkehren, es war ja auch nichts anderes zu erwarten. Zeit für ein ausgiebiges Gespräch bleibt nicht, das Telefon klingelt, der Mitarbeiter auf der Leitstelle muss sich um andere Aufgaben kümmern. Kaum vorstellbar, wie das klappen sollte, wenn hier niemand mehr sitzt. Alles läuft dann über das Telefon, der persönliche Kontakt verschwindet.

Schnell überfliege ich die Anschläge, nein, Neues gab es nicht. Zurück bei der LEA sehe ich, sie hat die Daten verarbeitet und ich kann sie vom Netz trennen. Noch zuklappen und dann in die Mappe. Danach geht es los und mein Weg führt mich zuerst in die Remise zum Schaltwärter. Ein kurzer Blick auf die angeschlagene Liste verrät mir, dass ich Heute das SBB-Handy Nummer zwei nehmen muss.

Der Schaltwärter übergibt mir das Gerät eine kurze Kontrolle, es ist eingeschaltet und ich kann weiter gehen. Erkundigen nach einer Lok muss ich mich nicht, denn am frühen Morgen ist in Erstfeld bei den Reisezügen alles klar, ich muss den einzigen NPZ nehmen, der im Bahnhof steht, das ist einfach und Verwechslungen gibt es auch nicht. Die Pläne sind zu klar aufgeteilt.

Das zweite Handy benötigen wir, wenn wir Reisezüge führen. Es hat einige Funktionen, die wir mit unserem Gerät nicht nutzen können. Die ersten beiden Zugnummern habe ich eingetippt und nun mache ich mich auf den Weg, es ist höchste Zeit, denn auch der Morgenzug muss pünktlich starten. Vorbei geht es am kleinen Museum mit den besser erhaltenen Maschinen. Gut, das stimmt nicht ganz. Irgendwo „verschönerte“ ein Verrückter wieder mal eine Re 4/4 II.

Es überrascht eigentlich, dass die Farbe aus der Spraydose auf dem ganzen Schmutz haftet. Auf jeden Fall wird die Lok so nicht mehr eingesetzt und die Arbeiter des Depots werden wieder mit dem entfernen eines Graffitis beschäftigt sein. Es sei, der „Künstler“ wurde geschnappt, dann ist es seine Arbeit. Eine bessere Strafe gibt es kaum, denn wer entfernt schon gerne sein „Kunstwerk“.

Mein NPZ steht neben dem Pendelzug mit dem RBe 540. Dort wird gerade die obligatorische Bremsprobe durchgeführt. Ja, hier sind die Arbeiten schon weiter fortgeschritten, aber letztlich ist es auch der erste Zug. Ich werde mit dem zweiten Zug an diesem Samstag Erstfeld verlassen. Der Kollege auf dem RBe 540 wird mir dann am Mittag den RABe 523 bringen.

Die Arbeiten beginnen nun auch auf dem NPZ. Bei einem Pendelzug sind mehr Arbeiten zu machen, als bei einer normalen Lok. Zuerst begebe ich mich auf den Triebwagen. Die täglichen Prüfungen der Sicherheitseinrichtungen sind schnell abgeschlossen. Mit dem entsprechenden Schalter schalte ich die Beleuchtung der Abteile auch noch ein.

Ein Wechsel auf den Steuerwagen steht nun an. Dazu verlasse ich den Zug jedoch nicht, beim durchqueren des Zuges öffne ich jede Türe, kontrolliere die Heizung und die Beleuchtung. Als ich endlich auf dem Steuerwagen bin, kontrolliere ich, ob sich alle Türen wieder geschlossen haben. So ist es, die Türen funktionieren.

Da ich nun auf der richtigen Seite bin, kann ich mich auch gleich einrichten. Die Daten für die Zugsicherung muss ich nur bestätigen, denn die haben sich nicht geändert. Die vor dem ersten Einsatz vorgeschriebene Hauptbremsprobe kann ich auf dem NPZ mit Hilfe der Bremsprobetaste durchführen. Dazu brauche ich keine Hilfe. Im Gegensatz dazu beim RBe 540, der gerade losfährt.

Die Uhr bleibt nicht stehen und so muss ich langsam daran denken, den Zug ins Abfahrgleis zu stellen. Ich rufe den Fahrdienstleiter am Funk und melde mich bereit. Kurze Zeit später öffnet sich das Zwergsignal vor mir. Ich kann den Zug zum ersten Mal bewegen. Ich beschleunige den Zug auf ungefähr 30 km/h und lasse dabei das Pedal der Sicherheitssteuerung los.

Es kommt, wie ich es erwartet habe. Nachdem die Warnung abgelaufen ist, wird der Zug automatisch gebremst. Da ich nicht nur den Triebwagen, sondern noch 3 weitere Wagen im Zug habe, gelingt es mir nicht, die Bremsen vor dem Stillstand vollständig zu lösen. Ein paar Meter fehlen noch, bis ich die Fahrrichtung wechseln muss. Der Test ist auf jeden Fall erfolgreich abgelaufen.

Es dauert einen kurzen Moment, bis ich am richtigen Ort stehe. Ich verlasse den Triebwagen durch das Gepäcktor und beleuchte das Zugschlusssignal. Jetzt kann ich nach vorne gehen und auch noch das Ansagesystem einstellen. Das auf den NPZ verwendete System verlangt am Morgen die Zugnummer. Danach funktioniert es automatisch. Auch diese Angaben sind gemacht und der Zug ist knapp 5 Minuten vor Abfahrt bereit. Eine kleine Pause, bevor die Fahrt beginnt.

 

Erstfeld – Luzern ohne Arth-Goldau?

Pünktlich kann ich abfahren. Soweit ich es beobachten konnte, bin ich alleine unterwegs. Scheinbar hatte in Erstfeld niemand vor, so früh nach Luzern zu reisen. Auch in Altdorf ändert sich daran nichts, denn kein Mensch ist zu sehen. Ich kann nach Flüelen fahren, wo die ersten Reisenden bereit stehen. Ab jetzt habe ich wenigstens Reisende im Zug.

So geht es weiter und langsam beginnen sich die Abteile des Zuges zu füllen. Ja, es gibt noch andere Leute, die am Samstag zur Arbeit müssen. In Schwyz hat es schon sehr viele Leute und so dauert es etwas länger, bis ich die Fahrt fortsetzen kann. Es geht ungehindert weiter bis Steinen, wo auch ein paar Frühaufsteher warten. Ja, einige haben es wirklich eilig, denn gemütlich suchen sie die passende Tür.

Mit dem verriegeln der Türen stutze ich. Spinne nun ich oder das System, denn das System meldet mir den nächsten Halt in Immensee. Wo ist denn Arth-Goldau geblieben? Ein Blick in den Fahrplan verrät mir, dass ich mich nicht geirrt habe, auch dieser Zug hält in Arth-Goldau. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ein Kollege hat davon berichtet und gemeint, er habe es vergeblich zu korrigieren versucht.

So lasse ich die Finger davon, es wird schon irgendwie klappen denke ich mir, die Leute sind ja aus der Gegend und kennen sich besser aus, als das System auf dem Zug. Zu meiner grossen Verwunderung höre ich, wie hinten der nächste Halt angesagt wird. Es stimmt alles, nächster Halt ist Arth-Goldau, nur meine Anzeige besteht auf Immensee.

Gespannt bin ich, denn wenn auch der letzte Gast den Weg zur Türe gefunden hat, verriegle ich und dann sollte eigentlich kein Wechsel nach Küssnacht erfolgen, denn jetzt kommt wirklich Immensee. Nein, es bleibt bei Immensee, irgendwie ist einfach die Anzeige für Arth-Goldau verschwunden. Es funktioniert alles normal. Und So erreiche ich ungehindert Meggen.

Die nächste Haltestelle befindet sich nur kurz nach dem Bahnhof. Mit dem Zug muss ich nicht gross beschleunigen, denn kaum habe ich die Geschwindigkeit erreicht muss ich wieder bremsen. Da die Strecke hier nun leicht sinkt, kann ich den Zug nach dem Halt noch nicht lösen. Würde ich das tun, könnten sich die Wagen bewegen und die Leute verunsichern. Nur frage ich mich, welche Leute, keine Türe öffnet sich und niemand steigt ein oder aus.

Es geht weiter nach Luzern Verkehrshaus. Ach ja, jetzt heisst es ja nicht mehr Würzenbach und eine Dienstation ist es auch nicht mehr. Luzern Verkehrshaus ist zu einem richtigen kleinen Bahnhof geworden. Luzern Verkehrshaus hat sogar ein Anschlussgleis, was andere Bahnhöfe nicht haben. Ein ganz besonderes Anschlussgleis ist es schon, denn es ist ein Museum daran angeschlossen. Die Exponate können vom Zug aus gesehen werden. Mittlerweile hat es dort Lokomotiven, die ich zu gut kenne.

Auch die letzte Etappe nach Luzern verlief ohne nennenswerte Probleme. Ja selbst die Einfahrt in Luzern verlief bestens, wäre da nicht dieses Ansagesystem. Zwar gibt es mir die richtige Zugnummer an, der Endbahnhof stimmt auch, nur warum wurde jetzt plötzlich aus Luzern Wolhusen? Heute scheint die Elektronik zu spinnen.

 

Luzern (Wolhusen) – Arth-Goldau – Luzern

Zwar habe ich Luzern erreicht, nur eine Pause kann ich nicht machen, ich muss mich sofort auf die andere Seite begeben, denn in wenigen Minuten fahre ich mit dem Zug wieder nach Arth-Goldau. Ich verlasse den Führerstand, beleuchte das Zugschlusssignal und begebe mich auf den Weg ans andere Zugsende.

Auf dem Weg blicke ich in den Zug, ja, es sind schon die ersten Personen eingestiegen. Die Jugendlichen scheinen gut abgefüllt zu sein. So wie es aussieht befinden sie sich auf dem Heimweg. So ein schöner Morgen und die sehen nichts davon, denn die letzten Tropfen Alkohol stehen vor ihnen auf dem kleinen Tischchen. Eine bekannte Whiskeymarke mit einer roten Etikette.

Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, dass wir bei den letzten Zügen zu einem richtigen Bierleichen-Transport werden. Aber mit den Morgenzügen ist das noch neu. Man kann richtig Angst bekommen, wenn man bedenkt, dass aus diesen Leuten die Nachfolger werden sollen. Schliesslich will ich auch einmal mein Alter geniessen können und auf meinen Ausflügen einen seriösen Lokführer erwarten.

Nun, viel Zeit mich mit den sozialen Problemen des Landes zu befassen habe ich nicht, denn das Signal vor mir zeigt bereits Fahrt und ich kann in Wolhusen äh, Luzern abfahren. Mit dem verriegeln der Türen erscheint auf meiner Anzeige Luzern Verkehrshaus. Aha, es geht doch den richtigen Weg.

Den Halt in Luzern Verkehrshaus hätte ich mir sparen können, denn keine Seele steigt aus und das Perron ist menschenleer. Ich kann meine Fahrt wieder fortsetzen ohne dass sich eine Türe je geöffnet hätte. In Meggen Zentrum steigen die ersten Leichen, äh jugendlichen Passagiere aus und laufen in einem etwas unsicheren Schritt davon.

Ich muss noch warten, denn das Signal vor mir zeigt immer noch rot. Da Meggen über keine Unterführung verfügt, müssen bei den Zügen spezielle Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Der erste Zug muss auf dem näher zum Bahnhof liegenden Gleis einfahren. Gleichzeitige Einfahrten sind nicht erlaubt. Und da ich sehe, dass ein Pendelzug mit Einheitswagen IV einfährt, weiss ich, dass ich noch einen Moment warten muss.

So, auch mein Signal zeigt Fahrt und ich kann in Meggen einfahren. Wie es sich gehört hinter dem Gegenzug. Die Fahrgäste finden den Weg erst zu mir, wenn der andere Zug den Bahnhof verlassen hat. Meine nicht mehr ganz klar denkende Kundschaft scheint das noch nicht ganz kapiert zu haben, denn die Türe des Gegenzuges wird geöffnet.

Zu dumm, dass sich der Zug nahezu im gleichen Moment in Bewegung setzt. Jetzt verstehe ich, es geht gleich wieder nach Luzern in den Ausgang. Meggen musste vermutlich einfach rasch besucht werden um zu schauen ob es noch existiert. Ein lachen kann ich nicht unterdrücken. Einsteigen will niemand, und so kann ich die Fahrt fortsetzen.

Ein paar Minuten Verspätung habe ich, aber die Fahrzeit reicht aus, damit ich in Küssnacht am Rigi zur rechten Zeit abfahren kann. Obwohl ich bereits abgefahren bin, spurtet eine junge Frau vor meinem Zug durch um vermutlich zu schauen, ob im anderen Gleis wirklich kein Zug steht. Es reichte gerade noch, aber einen Pfiff mit der Lokpfeife kann ich nicht unterlassen.

Es musste sein, obwohl die gute Frau zusammenfährt, als hätte sie der Leibhaftige persönlich angesprochen. Eine Lehre sollte es auch sein, denn in Zukunft wird sie hoffentlich die Augen etwas öffnen. Seit der Bahnhof so hergerichtet wurde, kommt es immer wieder zu solchen Situationen. Es war keine gute Idee nur einen Leichtumbau zu machen.

In Arth-Goldau steht schon der nächste Wechsel an, denn der Zug endet hier und es geschehen noch Wunder, das System für die Ansagen hat richtig gearbeitet. Zielbahnhof ist Luzern und starten werde ich in Arth-Goldau. Den Weg kenne ich ja. Nur, in 7 Minuten muss ich am anderen Ende fahrbereit sein, da kann ich leider keine grossen Auskünfte erteilen, aber um den nächsten Anschluss zu erklären reicht es gerade noch.

Als ich den Führerstand betrete, ist das Signal vor mir schon auf Fahrt. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es ist noch nicht Zeit. Erst in einer Minute muss ich fahren und bis dann habe ich alle notwenigen Arbeiten erledigt. Es wurde knapp, ja sogar sehr knapp, aber letztlich starte ich erfolgreich und pünktlich.

Die Fahrt nach Luzern verlief ohne jegliche Probleme, ja es war überraschend ruhig, denn kaum Leute, die meine Dienste beanspruchen wollten. So erreicht man den Endbahnhof spielend leicht. Die Fahrt mit einem NPZ ist einfach und kein Vergleich mit den Re 4/4 I, mit denen ich vor einigen Jahren meine Lokführerlaufbahn begonnen hatte.

Die Einfahrt ins Gleis 2 war damals auch noch nicht möglich, aber Heute. Es ist ein viel kürzeres Gleis. Aber für meinen knapp hundert Meter langen Zug ist es genug lang. Trotzdem, auch hier gilt. Halt vor dem Prellbock und das gelingt ganz gut. Da ich bei der Einfahrt eine Taste gedrückt habe, sollte am Zug nun „Bitte nicht einsteigen“ angeschrieben sein.

 

Der Zug muss ins Depot!

Obwohl der Zug mit „Bitte nicht einsteigen“ angeschrieben ist, versucht ein älterer Herr einzusteigen, was ihm auch gelingt. Ich frage mich, ob er nach „Bitte nicht einsteigen“ reisen will. Ich habe meine liebe Mühe dem Herrn beizubringen, dass dies nicht der Zug nach Olten sei, und dass er doch so nett sein solle. Nein, das scheint ihn nicht zu kümmern, denn er beharrt darauf, dass er mit diesem Zug nach Olten reisen will.

Meine kleine Pause löst sich so endgültig in Wunschdenken auf und mit meinen Nerven bin ich auch bald am Ende. Noch einmal, der Zug bleibt in Luzern und wird weggestellt. Der Zug nach Olten fahre auf dem Gleis nebenan. Langsam muss ich etwas energischer werden. Keine Reaktion, dann bleibt mir nichts anderes übrig, ich nehme das Mobiltelefon zur Hand.

Ein letztes Mal erkläre ich ihm, dass er freundlicherweise den Zug verlassen solle, ansonsten müsste ich die Bahnpolizei rufen, dann könne er mit den Polizisten verhandeln. Nach Olten komme er so auch nicht. Das scheint gewirkt zu haben, denn er erhebt sich, brummelt etwas von sturem Beamten und macht sich auf den Weg. Der Zug nach Olten ist natürlich über alle Berge.

Mit der Verriegelungstaste verhindere ich, dass noch mehr Leute, die nicht lesen können, in den Zug steigen. Ich melde mich beim Stellwerk. Ja, der Zug wird weggestellt, ins Gleis 202. Oh, denke ich, 202 das ist doch… Das Zwergsignal geht auf Fahrt und ich setze den Zug in Bewegung, nicht ohne im Rückspiegel zu erkennen, wie eine junge Frau die Hände verwirft. Auch jemand, der nicht lesen kann.

Es ist zu dumm, dass ich mit dem Zug noch einmal an den Perron muss, denn so haben weitere Personen die Gelegenheit die Drucktasten zu betätigen. Nein, ich bin nicht bis an den Prellbock gefahren, sondern nur so weit, dass ich hinter dem Zwergsignal stehe. Aber schliesslich haben die Leute ja Beine und mit einem Spurt kommen sie auch ans Ende des Gleises und zum Zug, der nach „Bitte nicht einsteigen“ fährt.

Ungeachtet der wütigen Handbewegungen fahre ich mit dem Zug ins Depot. Das ist sogar wörtlich zu nehmen, es geht ins Depot. Seit hier der Schaltwärter gestrichen wurde, kam das bei mir noch nie vor, aber ich konnte meine Kollegen aus Luzern beobachten und mache es nun genauso. Gemütlich fahre ich ins Depot und halte an. Ein Mitarbeiter teilt mir mit, dass der Zug eingeschaltet bleibe.

Eine schnelle Kontrolle, denn durch den Ärger mit dem älteren Herrn und das aufwendigere Manöver bleibt mir nicht viel Zeit. Der Weg ist zudem noch lang genug. Aber, es reicht. Ich kann mir noch schnell einen Kaffee kaufen, aber es reicht nur für einen Kaffee zum mitnehmen. Auf dem Weg nach vorne trinke ich ihn langsam aus.

 

Mit dem IR geht’s schneller

Mein gemütlicher Gang scheint im hektischen Luzern nicht allen zu gefallen, denn ein Jugendlicher auf seinem Skateboard rempelt mich fast über den Haufen. Zum Glück habe ich einen guten Stand. Etwa an der Stelle, wo ich das Ende des Zuges erwarte, bleibe ich stehen und trinke die letzten Tropfen Kaffee. Lange wird es nicht mehr dauern, bis der Zug aus Olten ankommt. Ob der Herr nun nach Olten reist? 

Viele Leute stehen weiter vorne als ich. Entweder laufe ich nach vorne, oder aber sie zurück, denn ich bin sicher an der Spitze. Aber lassen wir den Zug erst einmal kommen. So ist es auch, die Ansage erklingt und schon rollen die Wagen an mir vorbei. Zu dumm, ich stehe an der richtigen Stelle und die Leute sprinten dem Zug nach.

Es überrascht immer wieder, wie die Leute auf die Züge spurten, dann lange warten müssen, bis er fährt. Gerade hier ist das unnötig, denn die abgehende Lok fährt erst an den Wagen an. Mit geübtem Auge kontrolliere ich, ob auch alles sorgfältig gekuppelt wurde. der Rangierarbeiter teilt mir mit, wenn das Signal „Bremen lösen“ erscheine, könne ich die Heizung einschalten.

Entlang der Re 4/4 II mache ich mich auf den Weg ganz an die Spitze. Der Kollege aus dem Tessin hat die Lok schon eingeschaltet und meint, dass alles in Ordnung sei. Er habe die Belastung noch nicht erhalten. Ich weiss, denn die wurde mir vor wenigen Augenblicken durch das Zugpersonal in die Finger gedrückt. Ich klettere in die Lok und übernehme nun die Arbeit. Der Kollege aus dem Tessin kann zu seiner verdienten Pause gehen.

Als das Signal „Bremsen lösen“ erscheint, schalte ich auch noch die Heizung ein. Es dauert nicht lange, leuchtet das Signal „Bremse gut“ auf. Der Zug ist fahrbereit. Das SBB-Telefon programmiere ich nun mit der neuen Zugnummer und lege es beim Geschwindigkeitsmesser hin. Es bleibt jetzt auf dem Zug, denn der Kollege, der den Zug in Erstfeld übernimmt hat auch kein persönliches Exemplar.

Vorne ist bereits das Signal auf Fahrt gegangen und im Lautsprecher erklingt die Durchsage, dass der Zug abfahre. Wenige Augenblicke später ist es dann soweit. Ich kann den Zug in Bewegung setzen. Alle Signale sind vorhanden und die Türen sind geschlossen. Ich habe gerade die ersten Stufen geschaltet, als ich im Rückspiegel erkenne, wie man versucht den Zug einzuholen.

Pech, ich bin doch schneller. Diesmal führt mein Weg über Ebikon – Rotkreuz, denn mit den Interregio geht es immer dort entlang. Nur wenige Minuten sind seit der Abfahrt vergangen, als ich die maximale Geschwindigkeit von 140 km/h erreiche. So kommt man schnell vorwärts. Zusätzlich lasse ich natürlich einige Stationen aus und fahre dort durch.

Die Haltestelle mit dem neuen Namen Root D4, ist bevölkert. Gesittet stehen die Leute zurück als ich komme. Ein Zug, der sich mit 140 km/h nähert, macht Eindruck. Die Ohren werden zugehalten und schon ist der ganze Spuk vorbei, Root D4 gehört für Heute der Vergangenheit an.

Nach Rotkreuz wird es gemütlicher, ich erreiche Arth-Goldau nachdem ich auch den Bahnhof Immensee ohne Halt passiert habe. Nichts ist aussergewöhnlich nur die Durchsage für den Anschlusszug aus Zürich habe ich nicht richtig verstanden. Aha auf Italienisch kommt es und jetzt verstehe ich, der Zug fährt bis nach Venezia Santa Lucia. Habe mich vorher doch nicht verhört.

Der Zug ist lange, die Re 460 steht weit vor mir, der Kollege musste bis zum Signal fahren. Die Leute, die nun den Wagen entsteigen, beginnen, wie könnte es auch anders sein mit dem Spurt. Die Zeit reicht, auch ohne Spurt, denn mein Zug ist nicht so lange, auch wenn man von der Spitze zum Schluss gehen muss.

Eine junge Mutter hält kurz inne, blickt zu mir hoch und fragt. „Ist das der Interregio nach Locarno? Es ist der Interregio nach Locarno und ja, er hält in Göschenen. Das nächste, das ich höre ist. „Kommt Kinder wir müssen uns beeilen“ Klar, schliesslich fahre ich in drei Minuten, denn der Cisalpino fährt soeben los. Mein Signal kann nicht eher auf Fahrt gehen.

Die Fahrt nach Erstfeld verlief ganz normal, ohne dass ich mich sonderlich über das Verhalten der Leute wundern musste. Doch, da war ja noch jener, der in Brunnen in der Türe rauchte und so die Abfahrt ein wenig verzögerte. Aber daran haben wir uns gewöhnt, so etwas nennt man Suchtverhalten.

Da Heute der erste Samstag im Monat ist, hat es sehr viele Leute auf dem Perron und alle sind mit einem Fotoapparat bewaffnet. SBB Historic bewegt die alten Loks, das zieht viele Leute an. Doch nun stelle ich fest, die alten Loks sind nicht mehr spannend, denn die zwei Lokführer, die den Wechsel machen, sind zum Objekt der Begierde geworden.

Da wird geknipst und gefilmt, man könnte wirklich der Meinung sein, dass das eine Sensation sei, aber dabei ist es nur reine Routine und die Zeit ist zudem noch kurz, da kann man sich nicht um die Fotografen kümmern. Es stehen wichtigere Aufgaben an. Noch schnell auf den Bahnsteig und schon ist mein erster Einsatz beendet. Jetzt steht die Pause an.

 

Pause zu Hause

Erst kurz vor 12 Uhr muss ich wieder beginnen. Genug Zeit um eigentlich nach Hause zu gehen und dort etwas zu kochen. Ich verstaue die Mappe in einem der dafür vorgesehenen Schränke und überlege kurz. Ja, ich gehe nach Hause. Das Menü im Personalrestaurant entspricht nicht gerade meinen Vorstellungen. Die Zeit reicht ja.

So begebe ich mich auf den Weg durch das Dorf, die Ruhe von Heute Morgen ist verschwunden. Es ist regelrecht was los in der Gemeinde. Die Einkäufe müssen gemacht werden. Schliesslich steht Heute ein Wagen mit Fahrer zur Verfügung. So kommt es, dass die lieben Frauen ihre Männer durch den Laden zerren. Obwohl die sich gerne an einem Kaffee erfreuen würden.

Im Briefkasten liegen sie normalerweise, die Rechnungen. Heute nicht, denn der Kasten ist leer, es scheint im Lastwagen heute Morgen nichts für mich gehabt zu haben. In der Küche beginne ich sogleich mit dem zubereiten der Speisen. Ich kann gemütlich essen. Muss aber aufpassen, dass ich nicht zu spät losgehe, denn noch habe ich nicht Feierabend.

Trotzdem, dass wir zu Hause Pause haben, ist selten, oft haben wir zwar Pause am Arbeitsort, dann reicht die Zeit nicht um nach Hause zu gehen. Dafür haben wir ja das Personalrestaurant, das uns mit den notwendigen Kalorien versorgt, dass wir konzentriert arbeiten können.

Meine Pause neigt sich dem Ende zu, ich mache mich wieder auf den Weg. Obwohl es bald Mittag ist, an der Hektik im Dorf hat sich nichts geändert. Noch immer fahren die Wagen vor den Läden vor und versuchen den letzten Parkplatz zu ergattern. Ungeachtet finde ich den Weg zurück zum Bahnhof.

 

Zug und zurück im Easy-Modus

Pünktlich fährt der Flirt in Erstfeld ein. Der Kollege hält genau dort wo ich stehe. Ist mit dem Zug auch nicht schwer und zudem stimmt mein Standort mit dem normalen Halteort. Durch das Fenster reicht er mir das Mobiltelefon zu. Ab sofort bin ich wieder im Besitz eines SBB-Handy und zwar der Nummer 1. Weiter höre ich noch die Worte „alles Gute“.

Ich mache mich auf den Weg zum anderen Zugsende. Die ersten Passagiere steigen bereits ein, andere geniessen noch die Sonne vor dem Zug, denn dort wo jetzt der Zug steht, hat es halt Schatten. Scheinbar scheint niemand in der ersten Klasse gewesen zu sein, denn das Trittbrett des Abteils ist noch nicht ausgefahren worden.

Auch jetzt ist das Abteil noch leer. Wunderbar, der Kollege hat den KESO-Verschluss nicht ganz geschlossen, so kann ich mir die mühsame Übung mit dem Schlüssel ersparen. Zwar habe ich mit meinem Schlüssel nicht die Probleme, wie einige meiner Kollegen, aber auf Experimente will ich mich nicht einlassen. So komme ich durch die Türe in den Führerstand.

Da man im Flirt in der Mitte sitzt, muss ich um den Sitz herum gehen, bevor ich mich setzen kann. Mit dem Schlüssel nehme ich den Führerstand in Betrieb und beende die Parkstellung. Die Prüfung der Notbremsanforderung läuft ab und das dazu gehörende Alarmsignal erklingt. Am Bildschirm erkenne ich, dass der Test erfolgreich abgeschlossen wurde.

Nun stehen die Bremsproben, die Eingabe der ZUB-Daten und das Platzieren der LEA auf dem Programm. Beim Flirt werden beide Bremssysteme geprüft. Nachdem ich die Prüfungen abgeschlossen habe, beende ich den Bremsprobemodus und löse die Federspeicherbremse. Der Zug ist fahrbereit. Um die korrekte Beleuchtung muss ich mich nicht kümmern, denn der Zug macht das automatisch.

Langsam rückt der Zeiger der Uhr immer näher zur Abfahrzeit. Das automatische Ansagesystem teilt den Leuten mit, dass sie sich in der S2 nach Zug befinden und dass sie von den SBB begrüsst werden. 30 Sekunden später verriegle ich die Türen und sehe im Rückspiegel, wie die Schiebetritte eingezogen werden. Erst jetzt kann ich den Zug in Bewegung setzen.

Herrlich, wie der Zug beschleunigt, da kann man nur neidisch werden. Ja, selbst der NPZ von Heute Morgen war lahm dagegen. Eigentlich war die Fahrt mit dem alten RBDe 560 schon sehr mühsam, denn der RABe 523 lässt sich mit einer Hand steuern. So nähere ich mich dem Bahnhof Altdorf. Ich höre die Ansage und beginne zu bremsen.

Mit der rechten Hand bremse ich, die Linke habe ich an den Steuerungstasten für die Türen. Der Zug verzögert hervorragend und ich muss leicht Bremskraft wegnehmen, damit ich nicht zu früh zum stehen komme. Es ist schwer mit dem Zug schön fein anzuhalten. Mit zunehmender Erfahrung geht es immer besser. Einzig der Einschuss der Luft kurz vor dem Halt macht es nicht ganz perfekt.

Die Fahrt geht weiter und Flüelen wird schnell erreicht, zu schnell, denn ich bin zu früh. Der Zug wird fast 2 Minuten hier stehen, das hindert die Leute aber nicht daran zu spurten. Letztlich hüpfen sie völlig ausser Atem in den Zug und wundern sich, dass es nicht weiter geht. Jetzt ist es soweit, die Zeit hat mich eingeholt und ich kann weiterfahren.

Die beiden letzten Haltestellen Zug Friedbach und Zug Postplatz habe ich auch gemeistert und nähere mich Zug, dem Endbahnhof. Der letzte Halt von dieser Seite aus. Ich kann den Zug wieder in Parkstellung verbringen und gemütlich ans andere Ende gehen. In der ersten Klasse sitzen bereits wieder die ersten Reisenden. Meine freundlichen Grüsse werden nur zum Teil erwidert.

Obwohl es einfach wäre hier durch den Zug auf die andere Seite zu wechseln, entscheide ich mich für den Weg aussen herum. Eine Familie hat sich auf dem Bahnsteig eingefunden und versucht vermutlich aus den Anzeigen zu erkennen, wo der Zug hin fährt. Wie gut, denken sie sich vermutlich, gibt es den da von der Bahn und schon kommt die Frage.

Ja, die S2 Hält in Altdorf. Es sind halt nicht alle Halte angeschrieben. Ja, Ja, sie können ungeniert einsteigen und sich setzen, der Zug werde aber noch nicht so schnell losfahren. Freundlich danken die Leute, nehmen die Kinder an der Hand und steuern den Zug an. Mein Weg geht klar in Richtung Spitze. Bei der vordersten Türe drücke ich auf den Schalter, der sie öffnet.

Aha, wieder jemand im Zug, der nicht lesen kann. Die Tasche, die vor meiner Türe steht muss ebenso weg, wie der Kinderwagen. Widerwillig wird mein Wunsch befolgt. Mit dem Hinweis, dass im Notfall die Tasche in den Kinderwagen fliegt, ob das Kind darin liegt oder nicht, entschwinde ich nach vorne. Warum nur missachten die Leute die entsprechenden Hinweise. Es ist die einzige Lebensversicherung für den Lokführer, dass die Türe geöffnet werden kann.

Nun, Illusionen mache ich mir keine, ich glaube, dass alles schon wieder dort steht, wo es vorher stand, denn wenn es um die Sicherheit anderer geht kümmert das die Leute herzlich wenig. Auch jetzt erklingt die Warnung der Notbremsanforderung und ich kann die notwendigen Arbeiten aufnehmen, als ich den Schlüssel drehe.

Da hier in Zug die Wendezeit grösser ist, als in Erstfeld, mache ich eine Probe. Ich gehe nach hinten und öffne die Türe. Die Tasche fliegt, trifft aber den Kinderwagen nicht. Die Mutter machte sich anscheinend mehr sorgen als der nette Herr mit dem Laptop auf den Knien. Jetzt hat er es vermutlich kapiert, warum ich ihn vorher gewarnt habe. Damit es nicht so nach Prüfung ausschaut gehe ich nach draussen und kontrolliere die Stirnbeleuchtung, was ich ja nicht müsste.

Bei der Rückkehr ist auch die Tasche nicht mehr dort wo vorher. Es geht, nur Schade, dass nicht der gesamte Inhalt im Wagen verstreut wurde. Ein letztes Mal schliesse ich die Türe und ich setze mich hin. Ein paar Minuten geht es noch, bis die Fahrt nach Erstfeld aufgenommen werden kann.

Wo sich die Tasche verabschiedet hat, konnte ich nicht erkennen, der Kinderwagen stieg auf jeden Fall schon in Zug Friedbach aus. Auch sonst war kein Problem auf dem Heimweg aufgetreten. Selbst die Kreuzung in Walchwil, die oft für Ärger sorgt, klappte wunderbar, der Zug fuhr sich fast von selber. Kaum einmal, wo ich mich aus dem Easy-Modus lösen musste.

Jetzt stehen noch die letzten Kilometer an. Noch schnell hoch auf 140 km/h und dann geradeaus nach Erstfeld. Noch ein letzter Halt und ich kann, wie vor zwei Stunden ebenfalls das Handy dem Kollegen übergeben und ihm erklären, dass alles perfekt funktioniert hat. Die Fahrt mit dem Flirt hat für mich und den heutigen Tag ein Ende gefunden, doch bereits am Montag fahre ich wieder mit einem Flirt, dann starte ich aber mit dem RBe 540 am Morgen.

 
Feierabend um 14.00

Ein Vorteil hat es auch, wenn man früh aus dem Bett muss, Feierabend gibt es dann mitten am Mittag. Noch muss ich den Weg ins Depot auf mich nehmen. Aus Prinzip verstaue ich die Mappe immer in meinem Kasten. Morgen geht es dann nach Basel und wieder zurück. Mit Güterzügen, ohne störrische Reisende und ohne Kinderwagen.

Ich verlasse das Depot, bestaune die vielen Leute, die sich freudig mit Fotoapparat dem Geschehen im Depot annehmen. Auch ich gehe nicht direkt nach Hause, denn als in angekommen bin, sah ich einen Vereinskollegen, der an der Anlage gebastelt hat. Ich statte ihm einen kurzen Besuch ab. Nur ein kurzer Besuch, denn irgendwann muss ich ins Bett, ich habe morgen ja einen frühen Tag vor mir.

Mit dem letzten Besucher, so etwa 2 Stunden später verlasse ich das Klublokal und gehe endgültig auf den Weg nach Hause. Danach wird nicht mehr viel gemacht werden, ein paar Minuten werde ich noch brauchen um die Daten und Notizen des heutigen Tages im Computer zu vermerken.

Was ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, in einer Woche werde ich dann eine Anweisung im Kasten haben. Ich muss eine Meldung erstellen, denn der ältere Herr in Luzern hat reklamiert. Ich muss mich rechtfertig, weil er nicht lesen kann. Ja, ich werde alles niederschreiben, das meinem Chef übermitteln, letztlich wird der ältere Herr von den SBB darauf hingewiesen, dass es sich um einen Zug gehandelt hat, der nicht zugänglich war.

Nun, solchen Ärger kann man sich ja ersparen, man lässt den Leuten einfach ihre Meinung, sie finden sich dann im Depot wieder und vielleicht haben sie ja Glück, fährt der Zug in ein paar Tagen dorthin wo sie wollen. Letztlich gilt ja auch bei uns der Kunde hat immer recht. Gute Taten zählen in der heutigen Zeit halt nichts mehr. Nun, ein Vorteil hat es, denn meistens fahren wir ja mit Güterzügen und bisher hat sich noch kein Container beschwert, weil es nicht so ging wie es sein sollte, oder zumindest wie er meinte, dass es sein soll.

 

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