Tour 6: RBL - Romanshorn - RBL

Manchmal ist es als Lokführer nicht so einfach. Die letzten Tage waren in der Schweiz sehr heiss. Das führte unweigerlich dazu, dass unser Arbeitsgerät dabei mitmachte und sich erwärmte. Wer dann, wie ich, das Pech hat, dass ausgerechnet seine Maschine eine der drei defekten Klimaanlagen hat, kommt kräftig ins Schwitzen. Viele meiner Kollegen beklagen sich deswegen, aber ich kenne diese Situation noch von früher.

Wer in Chiasso seine Lokomotive im Depot überneh-men musste, hoffte inständig, dass sie noch nicht lange da war. Bei der Übernahme kam dann mei-stens die Ernüchterung. Im Maschinenraum die Häh-ne auf, dann schnell raus.

Ja nicht den Transformator ansehen, denn dort stand am Gotthard im Sommer immer ein Wert, den niemand sehen wollte. Was der Zeiger genau zeig-te, weiss ich nicht, aber oft stand er kurz vor der Zahl 60 oder oft auch darüber.

Im Führerstand sah die Welt nicht viel besser aus. Die Sonne brannte durch die Scheiben und die Tem-peratur steig. So ging es dann an den Zug und kaum eine Kühlung trat ein, denn im Gleisfeld war es nicht viel kühler.

Heute frage ich mich, wie wir die drei Stunden Fahrt nach Hause mit diesen Maschinen überstanden haben, wenn heute Lokomotiven wegen einer de-fekten Klimaanlage aus dem Verkehr genommen werden.

Wobei seit meiner letzten Fahrt ohne eine funk-tionierende Klimaanlage durch den Basistunnel am Gotthard, kann ich die Kollegen verstehen. Einmal und dann nie wieder.

Als ich endlich aus dem Tunnel kam, war es im Führerstand unerträglich heiss. Nachdem ich dann ausgestiegen bin, kam die kühle Brise der Nacht. Die Folgen waren klar, die Muskulatur im Rücken machte nicht mehr mit. Es dauerte lange, bis ich keine Schmerzen mehr hatte. Schlimmer war, dass ich mich nicht mehr an die letzten gefahrenen Kilometer erinnern kann.

Heute geht es zum Glück an den Bodensee. Der Frosch quakte im Fernseher etwas von wechselhaftem Wetter mit Schauer und Gewitter. Das war nach diesen heissen Tagen zu erwarten, denn die Feuchtigkeit, die im Boden fehlt, sammelte sich in der Luft an. Daraus bilden sich dann Quellwolken. Diese wiederum reiben sich an den Molekülen und die Spannung steigt an. Ein Lichtbogen sorgt dann dafür, dass diese Ladungen ausgeglichen werden.

Wir kennen alle dieses Phänomen und wir nennen es Gewitter. Die ersten sind bereits über das Land gezogen, haben es jedoch wunderbar geschafft, meine Gegend zu umgehen. So blieb es warm und als die erhoffte Abkühlung eintraf, meldete sich dieser blöde Wecker. Ein Schlag lässt ihn verstummen. Doch nach fünf Minuten wieder dieses nervige Tüt, tüt, tüt. Also nicht das vom Song in der Hitparade, sondern vom Wecker.

Ich muss heute um 10 Uhr anfangen. Eigentlich keine so frühe Zeit. Nur, ich bin auf der Spätgruppe und dann ist das Frühdienst. Ich habe eine Woche davon und das sind drei Tage. Das reicht, zumal sich mein Chef mit der Nummer 19 angekündigt hat. Er will eine Begleitfahrt und die 19 trägt er, weil ich bei den Staatsbahnen bisher so viele Vorgesetzte hatte. Auf Jobsuche verschweige ich das lieber, denn es wirft kein gutes Licht auf den Angestellten.

Ich will diese Begleitfahrt eigentlich nicht, denn ich bin es mir nicht gewohnt, wenn mir der Chef über die Schulter schaut. Dabei notiert er pingelig jeden kleinsten Fahler in seinem Protokoll. Die Abrechnung folgt dann am Ende der Tour und dann weiss man wieder, wie schlecht man seine Arbeit angeblich macht. Anders gesehen, habe ich kaum etwas zu verbergen, denn ich verstehe mein Handwerk und als Lokführer bin ich sicherlich nicht nur Mittelmass.

Nach dem zweiten Versuch gab ich beim Wecker auf. Das Ding kann nervig sein und zwar gewaltig. Dumm dabei ist, dass es jedes Mal gewinnt. So kämpfe ich mich aus dem Bett, warum immer aus den angenehmen Träumen? Diesmal lag ich irgendwo unter Palmen an einem Strand, mit dem kühlen Bier in der Hand. Keine Lokomotive Re 6/6, die in Andermatt mit der Zahnstange Probleme bekundet. Ich finde das wesentlich angenehmer.

Nun, ist ein Kaffee die letzte Hoffnung, denn der Tag beginnt mit dem schwersten Teil. Ich muss mich am Vormittag mit dem Auto über die eidgenössischen Autobahnen kämpfen. Blinker sind kaum bei den Wagen vorhanden und wenn dann noch komische Nummern dazu kommen, wird es kritisch. Ist ja klar, der Aargauer kann nicht Auto fahren und der Züricher hat zu wenig Hirn. Vorurteile, mit denen ich leben muss, denn aus UR wurde wieder AG.

Auf jeden Fall habe ich den Weg in den Rangierbahnhof, wie durch ein Wunder, geschafft. Es war nicht leicht und die Autos hatten Abstände, wo kaum meine Hand Platz gefunden hätte. Jetzt bleiben die Züge von sich fern. Auf jeden Fall gehe ich, wie jeden Tag meiner Laufbahn, davon aus. Ich mag meinen Job, denn es macht Spass durch die Schweiz zu fahren. Dumm ist nur, wenn das mein Chef weiss, muss ich womöglich noch Vergnügungssteuer bezahlen.

Die Updates sowohl bei der LEA, als auch auf dem Handy sind gemacht. Neu müssen dieses täglich ausgeführt werden. Bei mir spielt das keine Rolle, denn ich komme aus dem Wochenende. Auf der LEA gebe ich zudem meine zugeteilte Zugnummer ein. Die Daten zum Zug erscheinen und ich erkenne, dass eine Re 620 vorgesehen ist. Es gibt keine andere 120 Tonnen schwere Lokomotive, und in den Genuss einer Ae 6/6 komme ich vermutlich kaum.

Nach ein paar Handlungen an den Computern erkenne ich, dass meine Lokomotive im Depot steht. Daher greife ich zum Telefon und rufe die Leitstelle an. Überall sonst ist das der Schaltwärter, aber hier nicht. Langsam gewöhne ich mich daran, die Leitstelle ist im Depot, die Dispo in Olten. Zwei meiner wichtigsten Nummer, wobei jene von Olten nicht mehr so oft benutzt wird, wie das am Gotthard der Fall war, als täglich etwas änderte.

Vorbei sind die Zeiten, wo das nackte Chaos über eine Bahnlinie hergefallen ist. Bei den neuen Touren ist es viel ruhiger und entspannter. Oft genug muss ich noch ins Tessin. Wobei viele Kollegen meinen, dass dies freiwillig sei. Niemand hat mich gefragt und so muss ich durch diese blöde Betonröhre. Nächste Woche gleich doppelt und das sogar noch nacheinander. Diesmal mit funktionierender Klimaanlage, denn es ist wirklich verdammt heiss in diesem Bauwerk.

Doch nun wird es Zeit für die Fahrt nach Romanshorn. Dabei führt der Zug zusätzlich noch Last für Frauenfeld und Sulgen. Doch noch fehlt die Lokomotive und die will ich nun. Von der Leitstelle erfahre ich, dass es sich um die Re 420 mit der Nummer 420 245 handelt. Eine Lokomotive mit ETCS und dann erst noch mit jenem von Siemens. Das System, bei dem der Zeiger nicht mit der analogen Geschwindigkeit übereinstimmt. Es ist einfach ein blödes Gefühl.

 

RBL – Romanshorn

Nach mehrmaligem Wechseln des Führerstandes und der jedes Mal obligatorischen Bremsprobe, erhalte ich letztlich vom Visiteur die Nachricht, dass die Bremse gut sei. Eigentlich müsste er ja den Abschluss der Zugvorbereitung melden. Doch er fragt, ob ich die Daten bekommen hätte. Die habe ich, aber da stimmt was nicht, denn dort ist immer noch die Re 620 vermerkt. Das muss geändert werden, weil sonst die Daten nicht stimmen.

Das Vorgehen ist in diesem Fall immer das Gleiche, es wird den betreffenden Stellen gemeldet, die passen die Daten an und der Zug kann dann fahren. Würde das nicht erfolgen, würde mein Unternehmen für 40 Tonnen Gebühren bezahlen, die gar nicht genutzt wurden. Zudem würde von der Infrastruktur für den zu leichten Zug noch eine Meldung erstellt und letztlich dem Unternehmen eine Busse ausgestellt. In Erstfeld blieb der Zug deswegen sogar stehen.

Wie das ging? Ganz einfach, die Schiebeloko-motive war mit einer Re 420 geplant, diese fehlte und kurzfristig änderte man den Dienst und eine Re 620 wurde eingesetzt. Diese fuhr dann an den Zug, die Bremsprobe wurde ge-macht und die Fahrbereitschaft gemeldet.

Dann kam die Antwort, dass die Daten nicht stimmen. Der Lokführer musste dann dafür sor-gen, dass diese geändert werden. An wen es sich wenden musste, war dabei oft nicht klar.

Das ist die moderne Eisenbahn. Es wird ein grosser Aufwand betrieben für die Erfassung und Kontrolle der Daten. Diese wiederum wer-den von vielen Stellen kontrolliert und dabei immer wieder geprüft.

Nur schnell eine Lokomotive von einem Bahn-hof zum anderen zu verschieben ist nahezu unmöglich geworden. Jeder hat Angst, dass er nicht das bekommen wird, was ihm zusteht. Jetzt ist meine Maschine in den Daten noch 84 Tonnen schwer.

Damit ist der Zug fahrbereit und die Fahrt kann doch noch pünktlich beginnen. Bei aus der Richtungsgruppe ausfahrenden Zügen ist darauf zu achten, dass es in einigen Geleisen Bremsen gibt. Bei mir ist das nicht der Fall und ich kann normal losfahren. In der Ferne ist das Signal grün geworden. Die Kontrolle des Fahrweges bis zu meiner Lokomotive stimmt auch. Daher kann die Reise nun losgehen. Eine Reise, die sich hinziehen wird.

Bis nach Zürich Altstetten verlief die Fahrt nach dem Fahrplan. Nun aber steht die Steigung an. Bis nach Oerlikon steigt die Strecke mit 12‰ an. Mit den auf einem kurzen Zug verteilten 615 Tonnen, wird die Re 420 etwas Zeit brauchen, bis die Geschwindigkeit erreicht wurde. Es wäre schön, wenn man hier mit Schwung kommen könnte, aber der dichte Fahrplan mit den S-Bahnen lässt das schlicht nicht zu. So stark sind hier die Strecken ausgelastet.

Ein nächstes Mal zum Stehen komme ich in Kloten. Dort muss ich auf den Gegenzug warten. Eine Wartezeit, die im Fahrplan vorgesehen ist, die aber in absehbarer Zeit entfallen könnte. Das zweite Gleis nach dem Dorfnest ist schon fertig gebaut. Die Signale sind angeschlossen und die Fahrleitung montiert. Nur Züge fahren noch nicht darüber. Vermutlich sind noch nicht alle Protokolle von den verantwortlichen Leuten unterschrieben worden.

Fahrplanmässig geht die Fahrt weiter in Richtung Winterthur. Auf Grund meiner schon erlangten Kenntnisse zum Fahrplan dieser Gegend, weiss ich, dass ich Ab Winterthur dem Nahverkehr folge. Daher reagiere ich auch nicht überrascht, als ADL eine Empfehlung ausgibt. Doch bevor ich dieser Folge leisten kann, muss ich mich um die aktuellen Besonderheiten des Bahnhofes Winterthur kümmern, denn aktuell wir hier gebaut.

Aus diesem Grund wurde eine Langsamfahrstelle eingerichtet. Diese ist gemäss dem Eintrag in der LEA mit der Geschwindigkeit überwacht und lässt 50 km/h zu. Der vom Fahrdienstleiter jedoch eingestellte Fahrweg führt ausgerechnet in diesem Bereich über ablenkende Weichen. Diese lassen nur eine Geschwindigkeit von 40 km/h zu, daher ist die Baustelle im Moment für mich nicht so wichtig. Ich muss nur bei der Beschleunigung aufpassen.

ADL nimmt mir dieses Problem, denn ich werde noch weiter gedrosselt. Hier sehe ich jedoch die Gefahr von ADL. Kommt die Meldung, dass die Lenkung beendet ist, muss gut aufgepasst werden, dass Einschränkungen, die man nicht beachten musste, nicht vergessen werden. Der Schluss des Zuges könnte sich noch in einer Langsamfahrstelle befinden und dann würde der letzte Wagen die Stelle zu schnell befahren. Doch auch damit gibt es aktuell kein Problem.

Frauenfeld nähert sich und seit ich den Scheitelpunkt bei Rickenbach passiert habe, muss ich mit der elektrischen Bremse die Geschwindigkeit einhalten. Es geht hier recht steil bergab. Das ist bei der Einfahrt in Frauenfeld zu beachten, denn die Neigung endet kurz vor dem Einfahrsignal. Das heisst unweigerlich, dass die Wagen den Zug beim lösen der Bremsen wieder beschleunigen könnten. Da der Zug nur 180 Meter lang ist, ist das heute auch kein Problem.

Bei der Einfahrt steht das Rangierpersonal schon bereit und gibt mir mit der Hand ein Zeichen, wo ich anhalten soll. Seit die neuen digitalen Funkgeräte LISA im Rangierdienst eingeführt wurden, werden wir in solchen Fällen immer wieder aufgerufen. Das Problem dabei ist, dass wir bei Fahrt auf ein rotes Signal nicht antworten dürfen. Das Personal möchte jedoch wichtige Mitteilungen abgeben. Eine Zwickmühle, die jetzt elegant gelöst wurde.

Viel wird nicht abgehängt, denn anhand der Wagenliste weiss ich, dass der grösste Teil der Last bis zum Ende an der Lokomotive bleibt. Auch die Zugreihe ändert sich nun auch. Neu kann ich nach der Zugreihe A verkehren und muss nicht mit 80 km/h fahren. Wobei eigentlich ändert sich nichts, denn ich starte hier hinter dem schnellen Zug. Dank der Tatsache, dass diese alle 30 Minuten fahren, bleibt den Güterzügen kaum Platz.

Der Grund ist simpel einfach. Bei einem grösseren Bahnhof halten die Züge des Fernverkehrs. Die Leute steigen hier auf den Nahverkehr um. Dieser startet unmittelbar nach dem schnellen Zug, denn die Leute wollen schlanke Anschlüsse. Diesem folgt der Güterzug mit gemütlichen 50 – 60 km/h. Da fragt man sich, ob bei der Eingabe der Zugdaten wirklich 120 km/h als Höchstgeschwindigkeit eingetragen werden soll.

Da nun aber im Kanton Thurgau an der Anlage gebaut wird, wurde der Nahverkehr gestrichen. Ärgerlich für die Leute, aber gut für mich, denn so komme auch ich an mein Ziel. Der einspurige Abschnitt ist lang und wenn ein Gleis ausgewechselt werden muss, dauert das. Danach können die Züge dann schneller fahren, also jene, die zum umstrittenen Fernverkehr gehören. Dort geht dann in Zukunft im Thurgau die Post ab. Mit Zugreihe D bleibt es bei 80 km/h.

Eine Fahrt durch die weiten Felder und Äcker lässt erkennen, dass es eine fruchtbare Gegend sein muss. Das benötigte Wasser stammt dabei aus dem Fluss, der dem Kanton seinen Namen gegeben hat. Ich überquere in bei Müllheim-Wigoltingen und strebe anschliessend Weinfelden zu. Da ich nun einmal mit mehr als 80 km/h fahren kann, ist die neue Bahnhofsgeschwindigkeit ein kleines Problem. Aber das wird sofort abgenommen. ADL 50 km/h ist deutlich.

Immer weiter in Richtung Osten führt die Fahrt. Nach Wein-felden kam dann noch Bürglen. Also nicht jenes im Kanton Uri, sondern jenes im Kanton Thurgau. Bei den Fotografen ist dieses wohl besser bekannt.

Die Kurve mit dem Kanal und der Kirche, war schon oft zu sehen. Für mich bedeutet diese jedoch, dass bald der näch-ste Halt ansteht. In Sulgen muss ein Wagen abgehängt wer-den. Zudem steigt hier der am Ziel benötigte Rangierar-beiter zu.

Ein kurzer Halt, der gerade reichte um die Daten der Loko-motive zu korrigieren, und schon geht es weiter dem Ziel entgegen. Kurz nach Sulgen stehen dann schon die ersten Fotografen neben der Strecke.

Die sind kaum wegen mir da, denn ganz in der Nähe, hat ein bekannter Hersteller von Eisenbahnen ein Werk. Vermutlich stehen heute Versuchsfahrten an und da können die Leute manche exotische Komposition auf Bild bannen.

Bei der Durchfahrt in Erlen riskiere auch ich einen Blick in das Werk. Es stimmt, einige Exoten sind zu sehen. Im Werk stehen zwei Züge, die wohl nach England geliefert werden sollen.

Erkennbar sind diese an der besonderen Form der Kästen und auch am dort bekannten, bei uns eher ungewöhnlichen Anstrich. In die Halle blicken kann ich nicht, da sie im Rücken ist. Alle Züge sind für den Personenverkehr bestimmt.

SBB Cargo arbeitet mit Lokomotiven, die älter sind als ich. Dabei gehöre ich auch nicht mehr zu den jungen Wilden. Nur, das Problem ist, dass es für diese guten Maschinen kaum Ersatz gibt. Bei meiner Re 420 ist das noch eher möglich, aber bei der grossen Re 620 gibt es schlicht nichts Vernünftiges. Ob dereinst in Erlen neue grosse Lokomotiven für den Güterverkehr die ersten Schritte machen? Wäre schön, wenn in der Schweiz wieder Lokomotiven gebaut würden.

Doch lange kann ich mich nicht mit diesen Gedanken befassen, denn die Strecke beginnt nun zu fallen. Ich muss die Höhendifferenz zum Bodensee ausgleichen. Das geht hier mit einem ansprechenden Gefälle. Von St. Gallen aus, fühlt man sich schon fast an die alten Zeiten am Gotthard erinnert. Doch nun kommt langsam Romanshorn in die Nähe und da fahre ich nicht an der üblichen Stelle ein, denn dort findet der Güterzug keinen Platz.

Vielmehr nutze ich die Umfahrung um in den südöstlichen Teil zu gelangen. Dort verzweigen sich die Strecken nach St. Gallen und dem See entlang nach Rorschach. Für mich heisst es jedoch anhalten, denn ich habe mein Ziel erreicht. So glorreich kann die Ankunft in Romanshorn sein, denn hier gibt es keine Bahnsteige. Jedoch hat dies den Vorteil, dass meine Wagen richtig stehen, denn nun müssen diese noch weggestellt werden.

Rangierdienst Romanshorn

Da es in Romanshorn kein Rangierteam gibt, stieg in Sulgen der Arbeiter zu und die anstehenden Arbeiten werden mit der Lokomotive des Zuges erledigt. Damit diese Arbeit geordnet geht, arbeiten wir mit Funk. Dabei kommt die neue digitale Lösung zur Anwendung. Der Rangierarbeiter wurde dazu mit der LISA ausgerüstet. Ob er damit zu Hause mit der Frau auch die Probleme hat, wie anfänglich die Lokführer, als sie von der LEA schwärmten?

Es wäre so schön, der Lokführer meldet sich bei der Rangiergruppe mit seinem Gerät an und dann läuft alles, wie beim analogen Funk. Das Problem, die Hersteller haben es bis heute noch nicht geschafft, dass dies mit unseren Lokomotiven möglich ist. Das führt dazu, dass der Rangierarbeiter meine Zugnummer eingeben muss und dann eine Konferenz erstellt. Diese muss ich bei dem Gerät der Lokomotive quittieren und dann sollte es klappen.

Soweit steht es in den Unterlagen. Meine Erfahrung mit den Konferenzen zeigen jedoch ein leicht anderes Bild. Auf der Schiebelokomotive wurde die Konferenz benutzt. Das klappte sogar recht gut. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als die Schiebelok den Fahrdienstleiter aufrufen musste. Wer jetzt nicht aufpasste und aus Gewohnheit den Hörer auflegte, erlebte die Überraschung. Alle Verbindungen wurden gekappt und das sollte nicht sein.

Ein Funksystem für den Rangierdienst sollte einfach aufgebaut sein. Beson-ders dann, wenn rückwärtsgefahren wird. Ich erlebte es selber schon, dass die Verbindung blieb, aber vom Arbei-ter kein Ton zu hören war.

Wie durch ein Wunder hat es damals keinen Unfall gegeben. Experimente mit Zügen gehen ja noch einigermas-sen, aber in Rangierdienst wird das schnell ungemein gefährlich. Auf jeden Fall habe ich nun eine Konferenz, ob die bleibt?

Wie gut das funktioniert, weiss ich in wenigen Minuten und wenn es nicht klappt, dann wird es gefährlich und ich meine wirklich gefährlich, denn es geht rückwärts los.

Ich erhalte daher die Aufforderung rückwärts zu fahren. Das bestätige ich und nun lege ich den Höher wieder auf. Bleibt die Konferenz erhalten? Bei der Schiebelokomotive in Erstfeld klappte es nie so richtig und hier scheint die Verbindung zu bleiben und der Kontrollton ist zu hören.

Soweit ist die Welt noch in Ordnung, wenn aber die Konferenz bei meiner Quittierung der Massangaben aufgelöst wird, dann muss ich schnell handeln und anhalten. Doch es scheint, als ob es heute wirklich klappt. Um die Ecken herum fahren wir in den Bereich mit Handweichen. Als ob es hier nicht schon genug unübersichtlich ist, hat der Baudienst ebenfalls vor, hier seine Arbeiten zu erledigen. Das macht uns die Arbeit nicht leicht.

Wie eng es werden kann, sollte ich wenige Minuten später erfahren. Ich erhielt am Funk den Auftrag vorwärts bis zum Zwergsignal zu fahren. Hätte ich das gemacht, wäre die Schlagzeile sicher gewesen. SBB Cargo hätte den Baudienst mit seinem Traktor zur Seite gelegt. Auf die Titelseite kann ich jedoch verzichten und Bilder von Traktoren, die sich schlafend gelegt haben, sind auch nicht gut. Daher müssen wir warten.

Natürlich reicht dazu die Zeit nicht aus. Besonders dann nicht, wenn die noch lange im Weg stehen. Doch es geht wieder vorwärts, der Traktor räumt das Feld. Jetzt muss ich verflucht gut aufpassen. Haben die an der Handweiche etwas verändert? Steht die noch für mich? Etwas gemütlicher fahren und in den verschränkten Weichen nach einer Falle suchen. Dazu noch der Traktor beobachten, der nicht so weit vom Profil entfernt angehalten hat.

Es ist geschafft, Zeit um durchzuatmen fehlt, denn es geht sogleich rückwärts. Wenn ich da nur an die neusten Lokomotiven denke. Ein Panzer, bei dem der Lokführer nur nach vorne blicken kann. Ich hätte keine Ahnung gehabt, wo der Traktor steht und auch sonst, sind diese Maschinen nicht für solche Aufgaben gebaut worden. Dumm, wenn man nur in der Schweiz mit der Lokomotive der Strecke solche Arbeiten erledigt.

Das hat Tradition. Mit der Re 420 bin ich daher sehr gut bedient. Vor und zurück und schliesslich stehen die beladenen Wagen vor der Halle des Kunden und die leeren Wagen sind an meiner Lokomotive angehängt. Langsam kommen wir zu einem Ende und nun stellt sich die Frage, ab wo der Zug die Reise beginnt. Zurückstellen in den Bahnhof, dann könnte sofort losgefahren werden. Geplant ist aber die Fahrt ab der Anlage SE und dann muss die Lokomotive noch ans andere Ende.

Die entsprechende Anfrage des Rangierleiters wurde vom in der Ferne arbeitenden Fahrdienstleiter niedergeschmettert. So umfahren wir noch. Die Zeit dazu reicht und ich mache den Job lange genug, dass ich weiss, einfach ist etwas für andere, bei der Eisenbahn sucht man den komplizierten Weg. Sonst würde der Betrieb ja noch funktionieren und die Züge beschleunigt werden. Aber eben, seit 28 Jahren hat sich das nicht geändert.

Mit der Lokomotive um den Zug und dann den Führerstand wechseln. Zudem habe ich mit dem Rangierleiter abgemacht, dass ich danach mit der neuen Zugnummer angemeldet bin. Jetzt muss die Bremsprobe gemacht werden und die Daten des Zuges müssen erfasst werden, denn bei der LEA sind diese noch nicht erfasst worden. Es wird noch ein paar Minuten dauern, bis der Zug fahrbereit ist und es zurück nach Sulgen geht.

Kaum habe ich die Konferenz mit den Rangierleiter aufgebaut, kann ich die Bremsen anziehen. Der Funk meldet sich. Es wird kompliziert. Der Fahrdienstleiter ruft mich. Die nun folgende Aktion nennt sich makeln. Der Rangierleiter wird gehalten, der Fahrdienstleiter angenommen. Die Frage ist schlicht genial, denn er will wissen, ob der Zug schon fahrbereit sei? Äh, ich habe wirklich keines der hier verkehrenden «Bluemecheschtli», das wird noch ein paar Minuten dauern.

Die nächste Frage, wie lange denn der Zug sei. Keine Ahnung, ich habe noch keine Daten. Während dieser Zeit will der Rangierleiter, dass ich die Bremse löse. Das kann ich machen, aber wegen dem nervigen Fahrdienstleiter nicht quittieren. Was zum Teufel spielt die Länge jetzt für eine Rolle, denn der Zug ist schlicht noch nicht fahrbereit. Ohne Zugdaten fährt diese Lokomotive keine zehn Meter. Langsam fühle ich mich genervt.

Wie ich später erfuhr, hatte der Rangierleiter mit der einfacheren Lösung ab Bahnhof gerechnet und musste den Zug noch drehen. Also im System die Reihenfolge ändern. Wichtig ist das, weil sonst die Rechner im RBL keine Ahnung haben, wo die Wagen hingeleitet werden müssen. Das dauert aber seine Zeit, die nervigen Fragen führen eigentlich nur dazu, dass es noch etwas länger dauert bis der Zug fahren kann. Das scheint nicht überall bekannt zu sein.

Die Daten sind gekommen! Ich kann diese dank ETCS eingeben, während der Fahrdienstleiter immer noch Angaben haben will, die ich wirklich noch nicht habe. Multitasking ist nicht immer leicht, zumal der Rangierleiter auch noch etwas jammert von quittieren. Einen muss ich nun verärgern und so würge ich den Fahrdienstleiter mit den Worten ab, wenn er noch lange eine Fragerunde veranstalte, werde sich der Zug nie bewegen.

Romanshorn – Sulgen

Der Rangierarbeiter steigt wieder zu und meint, ob mich der Fahrdienstleiter auch genervt habe? Hat er, aber was kann man erwarten, die sitzen in einem Raum, blicken den Flugzeugen nach und müssen Züge regeln. Dabei haben sie keine Ahnung mehr, was bei einem Güterzug erledigt werden muss, bis er fährt. Das geht nicht von heute auf morgen. Doch jetzt ist die Vorbereitung der Daten abgeschlossen und ich kann die Lokomotive füttern.

Bei der ETCS-Ausrüstung von Siemens ist die neuste Eingabelösung vorhanden. Daher kommen nun die Zugdaten an die Reihe. Es folgen Zugreihe A, Bremsstellung P/R, Bremsprozente 105, Höchstgeschwindigkeit 100 km/h. Der Bremsmodus, ist FP 3, die Länge mit der Lokomotive beträgt 65 Meter und die Achslast liegt bei 20 Tonnen. Erste Kontrolle ok - Bestätigen. Zweite Kontrolle ebenfalls ok und mit ETCS-Taste bestätigen. Wer hier nicht schnell genug ist, beginnt das Programm von vorne.

Nur noch Start drücken und erneut mit der ETCS-Taste bestätigen. Damit bin ich fahrbereit. Mit zunehmender Erfahrung geht das relativ schnell über die Bühne. Da in dieser Zeit nebenan dem ungeduldigen Fahrdienstleiter in Kloten die Bereitschaft gemeldet wurde, steht das Signal bereits auf Fahrt, als ich nach vorne blicke. Scheinbar eilt es heute, denn 20 Minuten vor dem Fahrplan ist gar nicht üblich, denn sonst wir immer erklärt, dass fahrplanmässig gefahren wird.

Zumindest auf der ersten Etappe führt der Weg auf der gleichen Strecke zurück. Vorbei an Amriswil und Oberaach. Die Sonne hat sich mittlerweile hinter ein paar Wolken verzogen, dicken und schweren Wolken. Der angekündigte Regen könne bald kommen. Gut nach den vielen heissen und trockenen Tagen, ist es für die Natur gut, wenn es wieder regnet. Auch für die Leute ist es gut, denn so träumen sie nicht vom letzten Urlaub.

Definitiv keine Träumer sind im Werk des Her-stellers in Erlen am Werk. Das Areal platz fast aus allen Nähten. In dieser Richtung kann wunderbar durch die offenen Tore geblickt werden.

Neben den Zügen für England ist in den Hallen auch ein RABe 501 zu erkennen. Doch mehr Zeit habe ich nicht, denn die Signale sind wichtiger für mich und ich muss auch den Scheibenwischer einschalten. Die schwarzen schweren Wolken brachten Regen.

Nicht viel, es reicht, dass auf der Scheibe ein Ge-schmiere entsteht und dieses mit der Waschanlage entfernt werden muss. Zudem haben sich die im Feld vor Sulgen stehenden Fotografen auch unter einen Schirm gestellt.

So viel brachte das aber nicht, denn kaum hatte ich die Scheiben so sauber, dass ich das Vorsignal zur Einfahrt in Sulgen erkennen kann, hört der Regen-schauer schon wieder auf. Auch gut, denn langsam steht die Pause an.

Bevor es so weit ist, muss ich die an der Lokomotive befindlichen Wagen wegstellen. Die kommen an den Schluss des Zuges, der hier mit zusätzlicher Last versehen wird. Last die von einer nahen Konservenfabrik eines Grossverteilers stammt, muss an der Spitze sein. Das führt dazu, dass etwas mehr rangiert werden muss. Aber da gut gearbeitet wird, ist der Teil der Arbeit schnell erledigt. Am Schluss steht der Zug richtig formiert im Abfahrgleis.

Auch jetzt ist wieder eine Bremsprobe erforderlich. Diese wird im üblichen Stil ausgeführt und danach kann ich mich langsam in die Pause begeben. Sicherlich nicht das Highlight dieser Tour. Schöner wäre es schon am Ufer des Sees, aber dort fehlt der Platz. Hier ist die Pause jedoch zwingend, weil ich langsam an die vom Gesetz erlaubte Arbeitszeit ohne Pause komme und daher sicherlich nicht mehr gefahren werden kann.

Der Rangierarbeiter ist, als ich zurücklaufe, mit den Eingaben der Zugdaten beschäftigt und er erklärt mir, dass der TKC die Wagen noch begutachten müsse. Ich weiss, dass der Technische Kontrolleur Cargo kommt, aber ich muss in die Pause. Zur Zeit sei ich auch wieder vor Ort. Bis dann sind vermutlich auch meine Zugdaten fertig. Jetzt kann ich schlicht nichts machen, ausser mich dem Zug zuwenden, der gerade in den Bahnhof fährt.

So besonders ist die Re 420 eigentlich nicht. Spannender wird es, wenn man deren Anhängelast ansieht. Ich denke, das ist eines der Objekte, der Fotografen. Zwischen zwei Kupplungswagen befindet sich einer der Triebzüge für England. Da deren System nicht zu jenem der Schweiz passt, müssen die ersten Fahrten zur Inbetriebsetzung so erledigt werden. Die besondere Form des Kastens ist auch von weither zu erkennen, denn sie ist ungewohnt.

Als ich mich mit meinem Snack und einem Getränk eingedeckt habe, kann ich wieder zurück. Bei dieser Tour lohnt es sich nicht, eine üppige Mahlzeit einzunehmen. Der Feierabend ist zu den normalen Zeiten, was für mich den Heimweg nicht leicht machen könnte. Doch noch muss ich den Weg zu meinem Zug finden, denn der ist plötzlich verschwunden. Also er steht schon noch dort, aber davor das Doppelpack mit den RABe 501.

Die Probefahrten mit dem «Giruno» laufen auf Hochtouren. Eigentlich benötige ich für meine Homepage davon noch Innenaufnahmen. Das bringt nichts, denn die vorhandenen Sitze sind mit Plastik überzogen. Noch ist das Fahrzeug neu und ich habe die Zeit, die Technik bei den Drehgestellen zu studieren. Bei meiner Lokomotive muss man einem neuen Lokführer erklären wo sich die Dämpfer befinden. Hier kann man sie zählen.

Auch der TKC ist angekommen. So viel Verständnis wie ich, hat er für den neusten Zug des Personenverkehrs nicht. Da dieser im Weg steht und er seine Arbeit machen muss. Die markigen Worte, die über die Lippen kommen, lassen mich erkennen, dass er wohl noch nie am Gotthard gearbeitet hat, denn dort ist es üblich, dass ein kleiner Umweg gemacht werden muss. Nun muss er warten, doch das will er nicht und die Türe ist mit der Umgehung schnell offen.

Die andere ist jedoch störrisch, so dass er nach einigen erfolglosen Versuchen mürrisch wieder aussteigt. Vermutlich hat sich nun einer an der Spitze des 400 Meter langen Zuges ebenfalls genervt, denn wegen der offenen Türe konnte er mit dem Zug nicht losfahren. Mit etwas Geduld wäre die Arbeit so einfach. Aber das ist nicht jedem Menschen gegeben. Nach ein paar Sekunden Verzögerung ist der Weg zum Güterzug auch wieder frei.

Während der TKC den Zug abgeht, kann ich es gemütlich nehmen. So lange ich dessen Zustimmung nicht habe, kann ich damit nicht losfahren. Zudem sehe ich die dritte Versuchsfahrt, die den Bahnhof von Sulgen erreicht hat. Diesmal sind es zwei neue Lokomotiven, die von der Infrastruktur für die grossen Rangierbahnhöfe bestellt wurden. In wenigen Wochen soll der Probeeinsatz im RBL beginnen, dann sind dann die Am 6/6 schnell Geschichte.

Sulgen – RBL

Kurz bevor ich losfahren kann, beginnt es wieder zu regnen. Das war vor mir am Himmel zu erkennen und daher begab ich mich auf die Lokomotive, bevor es so richtig los ging. Auch der TKC hat seine Arbeit noch rechtzeitig abschliessen können, das obwohl ihm der Zug im Weg stand. Doch nun habe ich die Meldung, dass die Zugvorbereitung abgeschlossen sei. Damit bin ich, da ich die neuen Daten schon eingeben habe, fahrbereit.

Pünktlich geht die Fahrt los in Richtung Heimat. Da ich mit der Lokomotive das Abschnittsignal beim Manöver überstellen musste, beginne ich die Fahrt nun anhand des vor mir sichtbaren Ausfahrsignales. Eine gefährliche Situation, da ich unmittelbar vor dem Zwergsignal anhalten musste. Nötig war dies, weil sonst der Zug im Gleis den notwendigen Platz nicht gefunden hatte. Auch mit der Neuen Lösung im Güterverkehr gibt es das noch.

Die Zwergsignale stehen ebenfalls für meinen Zug und das bis zu meiner Lokomotive. Daher kann ich mit 40 km/h losfahren. Wer hier nicht aufpasst, kann böse auf die Schnauze fallen. Ich hätte natürlich auch nasse Kleider einhandeln können und hinter mir beim Signal nachsehen. Dann hätte ich schneller ausfahren können und nötig ist es auch nur, wenn ich kein anderes Signal erkennen kann. Vor mir leuchtet dieses jedoch grün.

Erst die letzten Weichen erlaubten eine höhere Geschwindigkeit. Da der Zug nun schwer ist, ist die Beschleunigung dank den nassen Schienen nicht besonders gut. Die in den zusätzlichen Wagen verladenen Konserven des Grossverteilers sind schwer und daher wurden die Wagen bis zur Grenze der Belastung beladen. Da bei neuen Wagen so bis 22.5 Tonnen Achslast zulässig sind, bedeutet das, dass ich mit dem Zug nur noch nach Zugreihe D fahren darf.

Auch sonst muss ich keine grosse Eile an den Tag legen. In der LEA erkenne ich, dass für meinen Zug im Bahnhof von Müllheim-Wigoltingen eine Durchfahrt mit unterschiedlicher Minutenzahl vorhanden ist.

Die modernen Worte in den Unterlagen sind komplizierter, als der frühere bedingte Halt. Nur kannte man diesen Begriff nur in der Schweiz und da alles der EU angepasst werden muss, dürfen wir Lokführer in der Schweiz monatlich neue Wörter lernen.

Bereits in Weinfelden kann ich wieder in die Bremsen stei-gen. Auch wenn der ab hier normalerweise vor mir ver-kehrende Nahverkehrszug wegen der Baustelle gestrichen wurde, passte ich nicht durch den Bahnhof.

Der Grund ist ein Zug der Thurbo, der sich auf deren Stammstrecke in Richtung Kreuzlingen auf den Weg macht. Dazu muss er den ganzen Bahnhof queren. Es käme nicht gut, wenn ich dann auch noch angerollt käme. Schlagzeilen, die niemand will.

Gute Zeitungsredakteure in einem Land, wo nichts passiert, wären vermutlich froh, wenn die Meldungen über dürre Felder aufgelockert würden.

Gut, auch die armen Bürolisten, die in ihrem Büro mit leichten Schuhen, kurzen Hosen und leichtem Hemd vor einem PC sitzen, kämen dann nicht mehr zur Ehre. Ich trage Sicherheitsschuhe, habe freiwillig lange Hosen an und muss eine Warnweste oder das Überkleid tragen. Ergänzt mit einer zweifelhaften Klimaanlage, rundet dies das Paket ab.

Besonders die neuen Überkleider bereiten mir nicht nur Freude. Entweder sind diese behandelt worden, oder aus einem neuen Stoff. Auf jeden Fall schwitzt man darunter wie ein Schwein. Es findet kaum ein Austausch der Körperwärme statt. Wichtig ist, dass diese gegen Säure und gegen Feuer einen Schutz bieten, aber gegen einen Hitzschlag helfen sie wenig. Durchgeschwitzt in den Führerstand, der auch 50°C hat ist nicht lustig.

Gejammert wird bekanntlich nicht und der starke Regen, der nun eingesetzt hat, lässt den Scheibenwischer an den Rand seiner Fähigkeiten bringen. Der Antrieb der Marke volle Power und Stillstand knallt jedes Mal an den Rand der Scheibe. Schon oft blieb dann ein Wischerblatt zurück, das nur noch Schrott war. Die Teile aus dem Autobedarf sind scheinbar nicht unbedingt für den rauen Alltag bei der Bahn gedacht. Es könnte auch beim über 60 Jahre alten Antrieb liegen.

In Müllheim-Wigoltingen kam ich letztlich zum Stehen. Der Regenschauer ist durch und der Himmel klar wieder auf. Ich kann hier die Landschaft bewundern, denn so lange der Gegenzug nicht angekommen ist, wird das Signal nicht grün. Ich kenne den Fahrplan einigermassen, daher weiss ich, dass nun der Interregio angerollt kommen sollte. Ein Pendelzug mit Einheitswagen IV und schiebender Re 460 erkenne ich in der Annäherung.

Es geht auch für mich weiter. Die Langsamfahrstelle, die dem Kollegen vom Reisezug bereits einige Kopfschmerzen bereiten kann, ist für mich kein Problem, ich dürfte auch sonst nicht schneller fahren. Aber wenn ein Schnellzug mehrere Kilometer deutlich langsamer fährt, wirkt sich das auf den Fahrplan aus. Daher gilt aktuell ja der Sommerfahrplan. Aus diesem Grund habe auch ich eine andere Zugnummer, auch wenn sonst alles normal ist.

Vorbei an den Feldern, die zum Teil künstlich bewässert werden, führt meine Fahrt immer weiter und so nähere ich mich langsam dem Bahnhof von Frauenfeld. Dort kann ich dann die Geschwindigkeit erhöhen, da für meine Achslast höhere Tempi zugelassen sind. Diesmal kann ich mit dem Zug hier durchfahren, denn die Wagen werden mit einem anderen Lokführer abgeführt. Viel hätte ich nicht mitnehmen können, denn die Re 420 ist gut ausgelastet.

Nach dem Bahnhof beginnt die lange Steigung zur Kantonsgrenze. Auch wenn die 12‰ alles andere als weltbewegend sind, bekundet die Lokomotive etliche Mühe. Das Tempo steigt, jedoch gemächlich und auch der Versuch, dem Wähler noch ein bisschen mehr Strom zu entlocken, klappt nicht. Jetzt könnte ich den Booster der Re 620 brauchen. Wobei damit wäre das Gewicht auch sonst kein zu grosses Problem. Doch das G im Güterverkehr steht bekanntlich für gemütlich.

Es ist eine ungehinderte Fahrt. Diesmal habe ich es in eine der Lücken geschafft, die gut passen. Doch langsam kommt Winterthur immer näher. Auch wenn ich nichts gegen die Bewohner dort habe, der gleichnamige Knoten ist etwas mühsam. Geschwindigkeitsschwellen, die kaum signalisiert sind, können zur Falle werden. Wichtig ist, dass sie mit ZUB überwacht werden. Wer hier mit mangelnder Kenntnis kommt, fällt voll auf die Schnauze.

Solche Tretminen gibt es überall und die muss man im Griff haben. Daher müssen Lokführer ja Streckenkunde machen und hier fuhr ich dabei mindesten acht Mal durch. Wobei es hier durchaus möglich wäre, die Strecke auch ohne diese Kenntnisse zu befahren. Das können aber nur die guten Lokführer der Dienstleister, wie diese Unternehmen mit Mietlokführer genannt werden. So verwundert es nicht, dass diese immer wieder für fragende Gesichter sorgen.

Auch sonst harzt nun die Weiterfahrt. Die hier in alle er-denklichen Richtungen startenden S-Bahnen bieten dem Güterzug auf der Strecke schlicht keinen Platz. Das be-deutet unweigerlich ADL, Warnungen und Bremsungen.

Es steht der Flaschenhals nach Effretikon an. Zwei Gelei-se, wo nun jeder Zug durchfahren muss. Der Fernverkehr und die S-Bahn in Richtung Zürich ebenso, wie der schwe-re Güterzug mit den Konserven, die in die ganze Schweiz verteilt werden.

Es ist sinnvoll, wenn man sich hier an den Fahrplan hält. Besonders dann, wenn ADL, wie jetzt, beginnt durchzu-drehen. 75 km/h bis Effretikon, dann ADL END und eine Minute später ADL 65 bis Hürlistein.

Bei der hier vorherrschenden Steigung konnte ich mit dem Güterzug schlicht nicht reagieren. Ich lies ihn daher auf die 65 km/h fallen. Bis ja, bis in Effretikon wieder ADL END kam, um sogleich von 60 km/h bis Bassersdorf abgelöst zu werden.

Bei der Einfahrt in Bassersdorf kam dann noch 55 km/h bis Bassersdorf. Langsam bin ich verwirrt, denn das System sollte Energie sparen, doch nun hätte ich diesmal Be-schleunigungen mit hohen Strömen mit der Vollbremsung ablösen müssen. Auch wenn jetzt ADL END kommt, bis Kloten wird nicht mehr beschleunigt. Das ist, wie man so schön sagt, Energieverschwendung. Diese soll ja gespart werden und mit guten Lokführern klappt das auch ohne komplizierte Programme.

Zumindest dann, wenn sie wissen, was zu tun ist, können Lokführer sparen. Nur die früher am Gotthard erfolgten Info an Züge der Bergfahrt, dass sie nicht vor einer bestimmten Zeit in einem Bahnhof sein sollten, sind nicht mehr gefragt. Damals wusste jeder, dass er sich so einrichten muss, dass es klappt, denn sonst hätte in der starken Steigung wieder Fahrt aufgenommen werden müssen. Eine einfache Lösung, die funktionierte und ausser einem Funk nichts benötigte.

Heute hat man auf jeder Lokomotive ein Funkgerät, das auch SMS empfangen kann. Lokführer haben Handy und eine E-Mail-Adresse. Alle erdenklichen Lösungen für die Kommunikation. Genutzt wird diese nur spärlich, besonders der Funk wird kaum benutzt. Aber, wie war es nun mal. Wir sind ein Transportunternehmen und keines für die Kommunikation. Daher ist es leider zu viel verlangt, dass die Mitarbeiter miteinander ein Ziel anstreben.

Auch wenn auf der Strecke nach Zürich Seebach jetzt kein Zug unterwegs ist, muss ich warten. Der Fahrplan sieht das so vor und ich weiss, dass in ein paar Minuten ein Güterzug vom RBL kommend, einfährt und das zweite Gleis mit Bahnsteig blockiert. Dann kommt noch die Re 420 mit den Steuerwagen ohne Seitenfenster. Der Bahnhof Kloten ist damit blockiert. Aber bei keinem Zug wird das Signal grün. Im Gegenteil fünf Minuten passiert nichts.

Dann kann ich unvermittelt losfahren. Das erfolgt sicherlich nicht, weil die Strecke frei wurde, sondern einfach, weil es im Fahrplan so vorgesehen war. Für mich hat das fast den Anschein, dass der Computer nun die Signale steuert. Das macht er nach dem Fahrplan und so bleibt man sinnlos stehen. Klar wurde mir erklärt, dass dies wegen der S-Bahn in Seebach sei. Kurz darauf stand ich dann dort, weil diese S-Bahn vor mir nicht losfahren konnte.

Vor Jahren hätte mich dies genervt, aber nun ist es mir eigentlich egal. Ich fahre mit dem Zug und wenn ich rechtzeitig ankomme ist die Sache in Ordnung. Optimierungen beim Fahrplan sind nicht mehr gefragt. Leidtragend sind nicht wir Lokführer, sondern unsere Kunden, die auf die Produkte warten. Gut, Konserven haben es nicht so eilig, wie andere Produkte. Die Transportkette ist ja das neuste Wort, das wir nun lernen mussten, und die ist einzuhalten.

Auch jetzt kommt kurz nach Seebach wieder ADL. Dist. erscheint auf der LEA. Eine spitzenmässige Angabe. Ich fahre daher noch mit 35 km/h durch die Gegend. Vorbei an Bahnübergängen mit Leuten, die den Kopf schütteln und Ambulanzen, die es vermutlich eilig haben. Wie lange ich das mache, weiss ich schlicht nicht, aber an ADL müssen wir uns halten. Auch wenn dieses System für den Lokführer keine brauchbaren Informationen liefert. Der Chef kontrolliert die Einhaltung pingelig genau.

Als erfahrender Lokführer könnte man sich hier die Haare ausreissen. Da die bei mir von selber ausfallen, muss ich nicht noch nachhelfen. Studierte Leute haben viel Geld verdient, um ein System zu schaffen, dass kaum seinen Zweck erfüllt. Nur, was machen jene schlauen Leute, wenn im Bereich Transport plötzlich erkannt wird, dass mit einer vernünftigen Kommunikation mehr erreicht würde. Auf jeden Fall wird es spannend, wenn auch der Computer fährt.

Dann sind alle Züge pünktlich und der Reisende wird mit den aus der Luftfahrt bekannten Tüten versehen werden. Der Computer kann viel, aber erkennt er mit seinem Gefühl, wie sich der Zug verhält? Vorne das Gewicht, hinten leere Wagen sind anders zu führen, als wenn diese umgekehrt eingereiht wurden. Oh, ich muss mich wieder konzentrieren, denn die Meldung ADL End erscheint. Wie schnell darf ich hier nun fahren?

Ein Blick auf die Uhr verrät den Grund. Der Güterzug wurde gedrosselt, damit er die Kreuzung, die eigentlich in Otelfingen geplant war, in Buchs-Dällikon ausführen konnte. Ein geschickter Schachzug, der zwar dafür sorgt, dass die Autos in Otelfingen am Bahnübergang nicht warten müssen. So können sie noch in den Laden einkaufen. Dumm nur, wenn dann die Regale leer sind, weil die Transportkette nicht eingehalten werden konnte.

Die restliche Fahrt in den Rangierbahnhof verlief ohne grosse Probleme. Ich denke zudem, dass die Verspätung von fünf Minuten keine grossen Probleme verursachen könnte. Doch da habe ich mich geirrt, denn ich erfahre, dass ein grosser Teil der Last mit mir in den Ost geleitet werde, da die Wagen direkt auf den nächsten Zug übergehen. Fünf Minuten hier und weitere fünf dort, die Befüllung der Regale steht auf dem Spiel.

Natürlich könnte ich mich nun über den verspäteten Feierabend aufregen. Das bring jedoch nicht viel, weil der nächste Lokführer auf die Lokomotive wartet. Auch er sollte pünktlich fahren. Probleme, die beim Güterverkehr alltäglich sind und die dafür sorgen, dass der Strassenverkehr Vorteile hat. Wobei nun auch der LKW nicht vorwärts kommt, denn auf der Autobahn gibt es Stau. Nach Feierabend wollen alle schnell nach Hause.

Alpträume der Strasse

Die Arbeit ist getan. Der Abend steht bevor und bei diesen Diensten bin ich einer jener Leute, die sich von Zürich in den Aargau quälen. Es stellt sich hier immer wieder die Frage, ob man in den Stau fährt, oder zuerst etwas isst und dann den Stau in Angriff nimmt. Ich entscheide mich für die direkte Variante. Die Erfahrung lernte mich, dass ich nicht so viel Zeit verliere, weil ich mich bereits mitten im Stau einreihen kann.

Die besagte Grenze zwischen den beiden Kantonen quere ich noch im Rangierbahnhof. Danach kommt jedoch schnell der normale Wahnsinn, der sich Feierabendverkehr nennt, auf mich zu. Mehr oder weniger elegant geht das meistens bis zur Autobahn. Dank Kreisverkehr und direkten Spuren, die ich zudem nicht wechseln muss, ist das eine leichte Angelegenheit. Doch ich befinde mich hier noch in der Randzone.

Auf die Autobahn zu kommen, war dann schon etwas schwerer. Dank Lücken im Stau konnte ich mich einreihen. Seither geht es stetig aber schleppend voran. Es ist volle Konzentration gefragt und daher kann ich nicht verstehen, wie die Dame neben mir, das Handy bedienen kann, während sie mit dem Kleinwagen gerade einmal fünf Meter hinter dem Vordermann ist. Ich fände das doch etwas gar riskant, aber ich bin ja auch auf Sicherheit getrimmt worden.

Auf der Spur ganz links, steigen sie in die Eisen. Mit quietschenden Reifen reichte es auch dem Hintermann. Für die Abstände, ist die Geschwindigkeit recht hoch. Ein Wunder, dass es nicht mehr Unfälle gibt. Gerade in diesen Situationen, wo jeder das Gefühl hat, dass er mit einem Wechsel der Fahrspur schneller am Ziel ankommen könnte. Ist die Lücke so lange, wie der Wagen, wird eingebogen. Ist nur zu hoffen, dass der Hintermann kein Handy in der Hand hat.

Mittlerweile leicht vor mir, wird weiterhin die gesamte Korrespondenz des Tages während der Fahrt erledigt. Daher merkt sie etwas spät, dass der stockende Verkehr zum Stau geworden ist. Wie durch ein Wunder hat es geklappt und noch traf man sich nicht zum gemeinsamen Gespräch. Ich frage mich eigentlich nicht, wie so ein Stau entstehen kann. Viele Leute, die sich durch den Verkehr wühlen und sich um andere Sachen kümmern.

Weit vor mir erkenne ich, dass alle Fahrzeuge einen Schwenker nach rechts machen. Bei der Einfahrt von Wettingen ist das kein so grosses Problem. Als ich mich der Stelle nähere, mache auch ich den Schwenker, denn auf der Spur liegen noch die Trümmer. Die beiden Kontrahenten haben sich am Rand aufgestellt und deren Besitzer sind in ein Gespräch vertieft. Scheinbar haben sich wieder zwei getroffen. Kurzer Abstand, Handy oder schlicht beides.

Danach wird es wieder flüssiger. Ein paar kritische Situationen später, kann ich endlich abbiegen, die chronisch verstopfte A1 wird verlassen und ein paar Meter kann ich noch auf der A3 fahren. Danach wird es dann wieder enger. Die Ausfahrt beim Anschluss Brugg ist nicht optimal. Das führt zu engen Situationen und einem Gehupe, weil jeder das Gefühl hat, dass es sein Recht ist, vor dem Nebenbuhler zu fahren. Anhand des Boliden kann man das annehmen.

Es ist vollbracht. Ich konnte mich wieder aus allen Querelen raushalten und die Fahrt durch das Dorf ist nicht mehr so hektisch. Ein Tag geht dem Ende entgegen und die Sonne scheint wieder am Himmel. Heute werde ich mir noch etwas auf den Grill schmeissen und den Abend geniessen. Die Fahrt an den Bodensee kann erfolgreich abgelegt werden. Ich bin ganz, das Auto hat keinen Kratzer mehr und bei der Bahn war auch alles gut.

Ein erfolgreicher Tag, der viele keine Probleme kannte. Es ist der berühmte Alltag. Morgen steht in der Zeitung sicher etwas von den Gewittern und eine Hand mit Hagel bebildert dies. Keine Titelseite mit verbeulten Lokomotiven und Wagen ist immer gut. Das ist wichtig und daher heisst es letztlich morgen wieder ran. Der Wetterfrosch im Radio quakt etwas von 32 bis 34 Grad. Ein weiterer Tag auf der heissen Lokomotive erwartet mich morgen.

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