Erstfeld - Lupfig - Basel

Wäre schön, wenn der Wecker jetzt mit mir gesprochen hätte. Erfreut hätten mich jedoch seine Worte nicht, hätte er doch korrekterweise guten Abend sagen müssen. Ein Blick auf die Uhr des Weckers zeigt mir, dass es kein böser Traum ist, und es tatsächlich noch Mittwoch ist. Genau 23:40 steht dort und ich stelle missmutig den Wecker ab, ach wie gerne hätte ich noch ein paar Stunden geschlafen, aber dieses nervige Ding hat kein Erbarmen.

Mein erster Gang führt in die Küche, dort steht nämlich jene Maschine, die mir jeden Morgen eines dieses wohlriechenden Heissgetränks zubereitet. Nachdem ich die Kaffeemaschine davon überzeugt habe, auch wieder zu erwachen, begebe ich mich ins Bad. Ein kalter Lappen muss den Schlaf aus den Augen und dem Kopf bringen. Danach ziehe ich mich an und blicke noch schnell auf das Natel.

Nein, die Einteilung hat mir während ich geschlafen habe nicht mitgeteilt, dass ich hätte länger schlafen können. Die Regelung, die es dem Büro erlaubt mich im Schlaf per SMS darüber zu verständigen, das ich am Tag, an dem ich früh aus dem Bett gehe, nicht zur Arbeit muss, empfinde ich als Frechheit der Menschheit gegenüber. Mit dieser Meinung bin ich nicht alleine, denn alle fluchen über diese neue Regelung. Manche meinen sogar, dass das schon an Sklaverei geht.

Der Kaffee ist mittlerweile in die kleine Tasse geflossen und wartet darauf in meinem Mund zu verschwinden. Am PC schaue ich noch schnell nach den elektronischen Nachrichten. Wieder eine Menge Mist, die da durch das weltweite Netz geschickt wird. Viel Zeit bleibt nicht mehr, ich muss ja um 0.35 mit der Arbeit beginnen und muss zudem noch eine Leistung fahren, die beim Personal nicht sonderlich beliebt ist.

 

Der Weg durch die Nacht

Als ich das Haus verlasse gefriert mir beinahe der Atem, es ist bitterkalt draussen. Die Sterne lassen erkennen, dass es keine Wolken hat, so fällt die Temperatur noch mehr. Da die Haare auf meinem Kopf unter Schwindsucht leiden, bin ich um die warme Mütze, die ich trage, recht froh. Trotzdem, es bleibt kalt und die Hände suchen auch nach den warmen Taschen in der Jacke.

Auf den Strassen hat es dank dem Streusalz schon lange keinen Schnee mehr, was man vom Trottoir nicht behaupten kann. Jedoch sorgt der gestreute Splitt für ausreichend Bodenhaftung auf dem festgetretenen Schnee. Der Weg um diese Zeit ist recht einsam, in so einer Nacht mitten in der Woche, geht niemand freiwillig vor die Türe.

Ein Auto überholt mich. Ich denke, dass auch die beiden Personen in diesem Fahrzeug mit den blauen Lampen auf dem Dach auch lieber in ihrem Wagen bleiben, als einem Verbrecher nachzurennen. Es begegnen mir Kollegen, die Feierabend haben, und so schnell wie möglich ins warme Bett wollen. In den Restaurants wird das Licht gelöscht, die Wirte und das Personal machen Feierabend, da die letzten Gäste gegangen sind.

Endlich, die geheizten Räume des Depots nehmen mich auf. Auf dem Kasten liegt schon wieder eine neue Änderung. In letzter Zeit gab es immer öfter Änderungen, die manchmal nur schwer zu verstehen sind, aber was soll’s, man muss sie befolgen, auch wenn sie irrsinnig erscheinen. Irgendwann werden sie dann auch wieder widerrufen und dann könnte ja plötzlich wieder das Alte gelten.

Im Aufenthaltsraum sitzen ein paar Kollegen, die noch letzte Arbeiten erledigen, oder auf die nächste Schiebelokomotive, die sie bedienen müssen warten. Ein Blick auf den Monitor mit der Zuglage, lässt mich erkennen, dass mein Zug pünktlich ist. Ja, wenn man froh wäre, der Zug hätte mehrere Stunden Verspätung, ist er pünktlich. Schon bald erreicht er den Bahnhof Erstfeld, sogar noch vorzeitig.

Ein Blick in den Computer mit dem Einteilungsprogramm lässt mich auch erkennen, dass es bei meiner Tour keine Änderung gegeben hat. Trotzdem gehe ich schnell bei der Leitstelle vorbei. Nein, auch die Mitarbeiterin dort, die wohl bemerkt hat, dass ich noch nicht ganz wach bin, hat keine Änderung notiert.

 

Erstfeld - Lupfig

Nachdem ich die Warnweste angezogen habe, verlasse ich die geheizten Räume und begebe mich in den Bahnhof, wo mein Zug schon steht. Viel wärmer gibt die Jacke mit der Weste auch nicht. Kurz muss ich inne halten, da ein anderer Zug gerade in den Bahnhof fährt und ich nicht durch komme, ohne mein Leben zu riskieren. Der Zug, den ich übernehmen will, muss halt noch ein wenig warten.

Ah, der Führerstand der Re 620 ist geheizt. Die Klimaanlage, die eingebaut wurde, brauche ich jetzt nicht, jedoch hätte ich gerne etwas mehr Bewegungsfreiheit, aber einen grossen Teil des Platzes hat nun die Klimaanlage in Besitz genommen. So stolpern wir halt über den Heizerstuhl, der im Weg steht. Na gut, der Sitz ist auf dem aktuellen Stand mit Kopfstütze und Armlehne, was noch lange nicht bei allen Loks so ist.

Bevor ich mich beim Fahrdienstleiter fahrbereit melde, muss ich den Funk noch umschalten, denn die Lokomotive ist mit den Einrichtungen für ETCS versehen, und nördlich von Erstfeld müssen wir bei diesen Loks den neuen digitalen Funk einschalten. Das dauert leider recht lange. In dieser Zeit bin ich am Funk nicht erreichbar.

Da das Netz in Erstfeld noch nicht aufgebaut wurde, schaltet das Gerät auf die Frequenz der Mobiltelefone um. Obwohl wir vom neuen digitalen Funk sprechen, ist es eher ein Mobiltelefon, als ein Funk, wie man ihn kennt. Um mich beim Bahnhof bereit zu melden, wähle ich die in der LEA angegebene Kurznummer. Beim Bahnhof klingelt dann das Telefon. Wer die Telefonnummer der Lokomotive kennt, kann sogar ganz einfach die Lokomotive anrufen, wie ein normales Telefon.

Endlich, der Fahrdienstleiter nimmt das Telefon ab und ich kann meine Bereitschaft melden. Kurze Zeit später zeigt das Signal vor mir Fahrt und ich kann meinen Zug beschleunigen. Langsam setzt er sich in Bewegung. Ich benötige nicht mal die volle Zugkraft der beiden Lokomotiven. Es ginge auch schnell, nur riskiert man dann einen zweiten Versuch.

Vor dem Einfahrsignal wartet ein Zug, der in Erstfeld einfahren will, da das Gleis 1 mit einem langen Zug belegt war, muss er warten, bis ich den Bahnhof verlassen habe. Eigentlich ist der neue Funk schon komisch ruhig, keine Gespräche von anderen Zügen, die einen stören oder ablenken. Aber, es gibt auch negative Seiten, denn so lange das Netz nicht ausgebaut ist, kann ich den Gegenzug nicht über gefährliche Situationen verständigen. Ich könnte zwar die Tagespresse anrufen und sie aus erster Hand informieren, aber dem Kollegen sagen, dass gleich sein letzter Wagen, der mit Chemie gefüllt ist in die Luft fliegt, kann ich nicht.

Man kann halt nicht alles haben. Mein Zug rollt auf jeden Fall friedlich in Richtung Altdorf und Flüelen. Ein wenig kalte Luft kommt von irgendwo her. Recht unangenehm diese Zugluft am Rücken. Schnell jedoch erkenne ich, dass eine Türe an der Rückwand nicht richtig geschlossen wurde. Schnell korrigiere ich dies und schon hat sich das Thema Zugluft zum Glück erledigt.

Die Tunnel zwischen Flüelen und Sisikon sind nicht besonders bemerkenswert, es sei denn, man benutzt, wie ich Heute, ausnahmsweise das andere Geleise. Das bemerke ich, als ich die Warnung beim Vorsignal zurückstelle, das mir soeben Fahrt mit 60 km/h signalisiert hat. Elegant rollt die Lok über die Weichen. Weil ich mich beim bremsen etwas verschätzt habe, jedoch nur mit 45 km/h. Es dauert, bis auch der letzte Wagen die Weichen passiert hat und ich beschleunigen kann. Doch plötzlich kommt ein Alarmsignal bei meinem Funk. Aha, nichts böses, das Netz reicht halt nicht in den Tunnel und der Funk rebelliert nun, dass er kein Netz finden kann.

Kurz bevor ich den Tunnel wieder verlasse, kommt auch der Funkkontakt wieder zu Stande und beim Funk ist alles wieder normal. An den Signalen in Sisikon kann ich nicht erkennen, auf welchem Weg es weiter geht. Erst jetzt, wo ich über die Weichen fahre, merke ich, dass es nach links geht. Ja, in der Nacht und bei liegendem Schnee ist es recht schwer die Lage der Zungen zu erkennen, daher ist es überraschend.

Die Station Brunnen sieht noch schön romantisch aus, mit dem liegenden und in rötliches Licht getauchten Schnee. Zeit, um mich an solchem zu erfreuen habe ich nicht, ein Blick in den Spiegel zeigt mir, dass durch den Zug viel Schnee aufgewirbelt wird. Grün bleiben hingegen die Signale auch in Schwyz und ein kurzer Blick in die LEA verrät mir, dass ich mit dem Zug bereits knapp 10 Minuten vor dem Fahrplan verkehre.

Nach Schwyz kommt die Schutzstrecke, ich schalte den Hauptschalter aus und senke die Stromabnehmer. Nein, aus Spass mache ich das nicht, aber gemäss einer dieser neuen Weisung müssen wir das nun machen. 15 Jahre lang klappte es bei mir mit 2 Loks immer ohne Kurzschluss und jetzt plötzlich muss ich den Stromabnehmer senken. Doch ich habe es aufgegeben, mich über solche Änderungen zu ärgern oder sie zu hinterfragen. So senke ich den Stromabnehmer, obwohl ich den Sinn nicht ganz verstehen kann.

Schon ruhig, dieser Funk, kein rauschen, keine Funkgespräche und auch sonst, keine Besonderheiten. Das vermute ich auch bei meinem Zug, soweit ich das überprüfen konnte, ist das auch so. Und so geht die Fahrt weiter durch die Nacht in der verschneiten Natur. So kommt Arth-Goldau näher und ich kann erkennen, wie dort die Lokomotiven eingeschaltet herum stehen und auf ihre Züge warten.

Nach dem Bahnhof Arth-Goldau benutze ich die Bremsen der Wagen. Ich habe das schon lange nicht mehr getan und will mich davon überzeugen, dass sie noch funktionieren. Zwar ist das hier nicht vorgeschrieben, aber ich will sicher sein, denn schon mancher Zug konnte nicht mehr rechtzeitig halten, weil die Bremsen vereist sind. Jedoch reagiert mein Zug wie erwartet ganz normal. Etwas anderes wäre überraschend gewesen, denn mein Zug gehört nicht zu denen, die mit vereisten Bremsen zu kämpfen haben, aber man kann nie sicher genug sein.

Nach Immensee vernehme ich vom Funkgerät einen Signalton, ein Blick auf die Anzeige, lässt mich erkennen, dass ich am Funk oder eben am Telefon erwartet werde. Ich nehme den Hörer ab und melde mich. Es ist der Bahnhof Rotkreuz, der mich darüber verständigt, dass ich schnell fahren solle, denn in Rotkreuz stehe nur ein Gleis zur Verfügung und so könne ich gleich durchfahren, ohne noch lange vor dem Einfahrsignal zu warten. Es geht also, wenn es notwendig ist, erwischen sie uns auch am neuen Funk, aber vermutlich hat er zuerst etwa dreimal auf dem analogen Funk probiert.

Tatsächlich, der Bahnhof Rotkreuz ist mit Zügen verstopft. Ach so, das BAV macht anscheinend Lokführerkontrolle. Die betroffenen Kollegen müssen dann Red und Antwort stehen, müssen den Leuten einige Zurüstteile der Lokomotive zeigen und hoffen, dass am Zug alles in Ordnung ist, sonst kann das Stunden dauern. Ich weiss, ich stand schon mal 3 Stunden hier, weil die Leute, damals waren es Leute von den SBB, die eine Gefahrgutkontrolle machten, etwas gefunden hatten. 3 Stunden, bis schliesslich ein Entschluss gefällt worden ist.

Meine Fahrt geht jedoch ungehindert weiter und so komme ich ohne grosse Behinderungen meinem ersten Etappenziel immer näher. Zuerst, kommt jedoch noch der Bahnhof von Wohlen, der oft auch als Bremspunkt dient, wenn die Zugkontrollanlage angesprochen hat, aber bei mir sind die Signale grün und ein Blick in den Fahrplan lässt mich erkennen, dass ich bereits fast 20 Minuten zu früh bin. Auch die letzten Signale bis nach Lupfig sind grün, nicht ganz, am Einfahrsignal leuchtet eine orange Lampe, da das Ausfahrsignal geschlossen ist. Das ist nicht aussergewöhnlich, denn hier endet mein Zug.

 

Lupfig, eine Geschichte für sich

Nachdem ich in Lupfig angehalten habe, kommt der Teil der ganzen Leistung, die so unbeliebt ist, denn nach dem Halt ist es meine Aufgabe, die Lok abzuhängen und den Zug zu sichern. Um überhaupt im Bild zu sein, wie ich genau vorgehen muss, konsultiere ich die Checkliste. Aha, zuerst abhängen und sichern.

Nur, wie viel muss ich sichern. Hier sollten mir die Papiere, die dem Zug mitgegeben wurden, weiterhelfen. Genau, ich habe Last, die weiter nach Aarau muss und Last, die hier bleibt. Nur, wie schwer ist nun die Last, die hier bleibt. Ein wenig Kopfrechnen ist am frühen morgen schon recht schwer, aber ich bekomme die gewünschte Angabe doch noch zusammen, in einer Tabelle sehe ich nach, wie viel Stillhaltebremsgewicht ich benötige. Es sind genau 35 Tonnen.

Jetzt ziehe ich die ganze Montur an und verlasse die Lokomotive. Zuerst einmal kupple ich diese vom Zug, dann gehe ich auf die Suche nach Handbremsen. Der erste Wagen hat schon eine, nur ist sie ganz gut platziert, so dass ich mich tief ducken muss, um überhaupt an das Handrad zu kommen. Meine Hosen landen dabei im Schnee, der mir in die Schuhe rutscht. Zudem lässt sich das Handrad kaum bis gar nicht bewegen. So schwach bin ich auch nicht, aber das Ding, die Schimpfworte lasse ich mal weg, bewegt sich nicht.

Der zweite Wagen besitzt auch eine Handbremse, mein Glück scheint sich zu wenden, denn das Handrad lässt sich drehen, zudem besitzt der Wagen noch ein gutes Handbremsgewicht, so dass mir nur noch 13 Tonnen Bremsgewicht fehlen. Das bringt schliesslich der dritte Wagen noch, der ebenfalls nochmals 22 Tonnen bringt. Mehr als genug um die Wagen zurück zu halten.

Wieder auf der Lok befreie ich zuerst die Hosen und die Schuhe vom Schnee. Dann melde ich mich am Funk und erkläre, dass ich bereit bin um mit den Loks ans andere Ende zu fahren. Die Zwergsignale vor mir gehen auf Fahrt und nach zweimaligem Wechseln des Führerstandes mit dem obligaten Schnee in den Schuhen, bin ich am anderen Ende des Zuges angekommen. Oh, eigentlich hätte ich anders vorgehen sollen. Na ja, das Licht reicht mir, warum muss ich dann zuerst durch dem Bahnhof stampfen und Licht machen. Gut ich hätte beim Bahnhof die dort deponierten Schutzkleider, bestehend aus dem, was ich auf der Lok auch gefunden habe, abholen können.

Nun, habe ich mich bisher nicht an den Ablauf gehalten, mache ich das nun auch anders, schliesslich muss ich noch genug Tiefschnee in Kauf nehmen. Bevor ich aber die beiden Lokomotiven erneut am anderen Ende an den Zug kupple, prüfe ich deren Sicherheitseinrichtungen, da ja ein neuer Tag begonnen hat. Die Lok hat aber immer noch gestern. Nachdem das erfolgt ist, kupple ich die Lokomotive, diesmal am anderen Ende, an den Zug. Jetzt löse ich die Bremsen des Zuges. Das dauert einen Moment, jedoch stelle ich bei der Kontrolle fest, dass der erste Wagen gelöst ist. Erneut auf der Lok ziehe ich die Bremsen des Zuges an.

Jetzt beginnt der Fussmarsch, denn irgendwo in der Mitte des Zuges muss dieser getrennt werden. Gekennzeichnet ist das mit Zugschlusssignalen. Ich werde bald einmal fündig. Ich schlüpfe erneut unter den Puffern durch, löse die Kupplung und trenne die Bremsschläuche, die sich bei dieser Kälte recht störrisch verhalten. Der hintere Teil ist getrennt und bleibt hier in Lupfig. Noch schnell kontrolliert, ob am letzten Wagen, den ich mitnehme, die Bremse angezogen ist.

Ich kehre zur Lokomotive zurück und löse den Zug. Die Zeit, die dieser zum lösen benötigt nutze ich um am Monitor der ETCS Maschine die notwendigen Daten einzugeben. Ein Kollege hat es mal gezählt, und meinte, dass 75 einzelne Schritte nötig sind, bis ein Zug fahrbereit ist. Ich lasse das zählen sein, sollen sich anderen darüber den Kopf zerbrechen. Machen muss ich es, ob es nun 75 oder 73 Schritte sind.

Erneut begebe ich mich auf eine Tiefschneewanderung, denn ich muss nochmals an den Schluss des Zuges. Dort angekommen kontrolliere ich die Bremsen, die nun gelöst sein müssen, das sind sie. Ich kann zum letzten Mal den Weg an die Spitze unternehmen.

Bevor ich mich von der Arbeit erhole, muss ich noch die für Lupfig bestimmten Papiere deponieren, dazu benutze ich den dafür deponierten Schlüssel. Im geheizten Raum finde ich noch einige Anweisungen. Aha, ich muss dem Rangierpersonal mitteilen, welchen Wagen ich wie gesichert habe. Wagen 1 Handbremse nicht sicher ob fest, Wagen 2 und 3 festgezogen, vermerke ich im Blatt, mit den vereinfachten Wagen.

 

Pause früh am Morgen im nirgendwo

Den Schlüssel deponiere ich wieder dort, wo ich ihn genommen habe und begebe mich zur Lokomotive. Im warmen Führerstand richte ich es mir bequem ein. Ein Kollege scheint eine Kaffeemaschine entdeckt zu haben. Jetzt ist mir nicht nach der Suche nach Kaffee, denn nun will ich endlich wieder trockene Hosen haben und etwas zur Ruhe kommen. Die geheizte Lok ist dazu ideal.

Schnell vergehen 30 Minuten, wenn man sich ausruht. Mein Natel meldet sich. Ich habe dessen Wecker gerichtet, falls ich einschlafen sollte. Die Uhr zeigt bald 4 Uhr, eigentlich hätte ich die Pause schon vor fast 30 Minuten beenden müssen, aber ich bin ja mit dem Zug fahrbereit, ich muss dies nur noch dem Fahrdienstleiter in Brugg mitteilen.

 

Weiter nach Aarau

Kaum habe ich mich gemeldet, öffnet sich das Signal vor mir und ich kann die Fahrt beginnen. Für die nächsten Minuten kehrt Ruhe im Bahnhof Lupfig ein, die Rangierarbeiter werden dann irgendwann zur Arbeit erscheinen, meine Liste ansehen, sich vielleicht etwas wundern und dann mit ihrer Arbeit beginnen. Nichts erinnert mehr an meine Anwesenheit, ausser ein paar Spuren im Schnee.

Leicht ist er geworden, mein Zug, denn mehr als die Hälfte der Wagen blieben in Lupfig zurück. Ich nähere mich schon bald nach der Abfahrt dem Bahnhof Othmarsingen. Genau, die ersten Kilometer fahre ich wieder zurück, jetzt jedoch ändert sich der Laufweg und ich benutze jene  Strecke, die am Tag von den schnellen Zügen zwischen Zürich und Bern benutzt wird. Speziell ist hier nur der Teil bis in die Dienststation Gexi, denn das ist die einzige Leistung, bei der wir diesen Abschnitt fahren, danach kommt ein Teil, den ich wieder gut kenne.

Die Bahnhöfe Lenzburg und Rupperswil habe ich schnell passiert, zudem gibt es noch etwas Abwechslung, denn seit Othmarsingen fahre ich auf dem rechten Gleis, auf dem linken fährt ein anderer Zug gegen Westen. Ich erkenne das, da auch dort die Signale grün zeigen. Ein Wettrennen bei der Eisenbahn! Nun, mein Kollege muss sich sputen, denn ich kann 120 km/h fahren und bin so einer der schnellsten Züge in dieser Tageszeit.

Bis Aarau vermochte der andere Zug mich nicht einzuholen und ich fahre in Aarau ein. Die letzten Wagen werden hier abgehängt. Nach dem Halt drücke ich in gewohnter Weise die Puffer zusammen, damit der Kuppler, der hier bereits kurz vor halb fünf am arbeiten ist, leichter abhängen kann. Während er das macht, begebe ich mich zur hinteren Lok und beleuchte dort das Zugschlusssignal.

 

Aarau – Basel mit 10 Motoren

Obwohl sich das Gewicht immer noch auf 200 Tonnen beläuft, ist jetzt die Beschleunigung kein Problem, denn dieses Gewicht besteht ja nur aus Motoren und der dazu notwendigen Infrastruktur in der Lokomotive. Schnell erreiche ich so die erlaubte Geschwindigkeit. Ich benötige dazu nicht mal die maximalen Zugkräfte, denn diese würden die Lokomotiven nicht mehr auf das Gleis übertragen können.

Bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Aarau stelle ich fest, dass hier langsam das Leben beginnt, es sind die Arbeiter hier, welche den Laden am Bahnhof und den Kiosk betreiben, Lastwagen liefern Zeitungen und frische Lebensmittel an, oder sie führen den Schmutz ab, den die Leute am vergangenen Abend haben liegen lassen.

Auch die ersten Reisezüge werden zu ihren Abfahrgleisen rangiert, um bereit zu sein, wenn die früh aufstehenden Personen erscheinen. Niemand, der diese ruhigen Vorbereitungen aus der Ferne anschaut, ahnt vermutlich, dass in nur knapp 1 Stunde hier die Rush Hour beginnt, und ein Zug nach dem anderen die Pendler übernimmt um sie in die Grossstadt zu befördern. Mehrere Tausend Leute wollen in nur knapp einer halben Stunde auf den Zug nach Zürich.

Ich entschwinde dieser Szene elegant, indem ich mit meiner Lok im Tunnel verschwinde. Ein Blick in den Fahrplan lässt mich erkennen, dass ich jetzt mächtig auf Tempo gehen könnte, denn hier sind Geschwindigkeiten weit über 120 zulässig. Obwohl meine Lokomotiven 140 km/h fahren könnten, und ich das zeitweise auch dürfte, beschränke ich mich auf 125 km/h.

Bei Däniken sehe ich die Gleisfelder des dortigen Rangierbahnhofs, nichts ist mehr von den damals noch zahlreichen Postwagen zu erkennen, einige normale Güterwagen werden rangiert. Im wahrsten Sinne des Wortes fliegt der Rangierbahnhof linkerhand an mir vorbei, denn mit 125 km/h kommt man schnell vorwärts. Zeit sich an vergangenes zu Erinnern hat man nicht.

Vor Olten muss ich die Geschwindigkeit reduzieren, denn die Kurve der Verbindungslinie ist etwas enger, als jene der wichtigsten West – Ost – Achse der SBB. Ich drehe nun ab und strebe dem HBT, so nennen wir den Hauensteintunnel, entgegen. Doch bevor ich in dessen Dunkelheit entschwinde, überquere ich die Aare auf der neu errichteten Brücke. Schon hat mich der Tunnel aufgenommen.

Die Länge des Tunnels ist schnell überwunden, wenn man mit einer Lok unterwegs ist, die Signale grün zeigen und man ein wenig Mut hat und sich auf 140 km/h wagt. So kommt Tecknau schnell entgegen, nur ich kämpfe auf der Lok mit dem V-Messer, denn der zeigt immer ein wenig abweichende Werte an. Nein, er hat keinen Defekt, aber ich habe den Kampf gegen den Schlaf aufgenommen, und da ist die Geschwindigkeit das erste, was leidet. Im Kopf sage ich mir, dass ich nur noch knapp 30 Minuten bei der Sache sein muss.

Nach dem Tunnel bessert sich die Situation, denn das leicht geöffnete Fenster bringt die kalte Luft in den Führerstand, das weckt. Auch die Landschaft, wenn auch immer noch in Dunkelheit gehüllt bietet mehr Abwechslung, als eine eintönige Tunnelwand. Gegenüber von Aarau ist die Uhr schon weiter vorgerückt, und um diese Zeit ändert sich vieles schnell. So erkenne ich die ersten Pendler, die auf den Frühzug warten. Der fährt vermutlich hinter mir, denn einige sehen mich erwartungsvoll an, um dann gleich wieder den Kopf zu senken. Auch sie wollen vermutlich in die Wärme des geheizten Zuges.

Nach Gelterkinden beginnen die Bauarbeiten an der Strecke, das sorgt dafür, dass sich einige Langsamfahrstellen bemerkbar machen. Einige Kurven werden gestreckt und neue Weichen eingebaut. Eigentlich ein enormer Aufwand, der betrieben wird, um nur ein paar Minuten Fahrzeit zu gewinnen. Ach ja, Fahrzeit, wie stehe ich denn zum Fahrplan? Ein kurzer Blick verrät mir, dass ich schon fast 30 Minuten früher unterwegs bin. Ja, in Aarau ging alles schnell und ich konnte schon mit Vorsprung starten.

Vor dem Hauptort des Kantons Basel Landschaft ist wieder eine Schutzstrecke montiert. Beinahe wäre es mir entfallen, dass ich ja die Stromabnehmer senken muss. Bisher habe ich immer daran gedacht, aber nach 15 Jahren hat man sich schon daran gewöhnt, dass es mit 2 geht ohne zu senken. Die Routine, die die Lokführer so hassen, zeigt ihr böses Gesicht genau in solchen Details.

Gedanken, die einen wach halten sollen. Vollends für einen wachen Kopf sorgt jedoch das Signal, das vor mir auftaucht, denn das orange Licht kündigt mir an, dass die Einfahrt in Prattelen noch geschlossen ist. Die elektrische Bremse der Lok muss jetzt arbeiten, und zwar benötige ich die volle Leistung, denn ich habe keine Wagen, die mir beim Bremsen helfen, ich muss alles mit der elektrischen Bremse oder mit der Luftbremse machen, kombinieren liegt nicht drin.

Es kommt, wie es kommen muss, ich stehe letztlich vor einem in wunderbarem rot leuchtenden Signal. Hier steh ich und komm nicht weiter. Nun, drei Minuten darf ich warten, dann sollte ich mich am Funk melden. Doch so lange dauert das nicht, denn mein Funk gibt wieder einen Piepston von sich. Es ist das OBZ Basel, das uns Lokführer nicht immer Freude bereitet, besonders dann, wenn die S-Bahnen Vortritt haben.

Auch das, was er mir jetzt mitteilt ist nicht erfreulich, denn er meint, dass der Zug vor mir eine Störung verursacht hat. Die Sicherungsanlage sei gestört und er müsse mir ein Sammelformular diktieren, ob ich bereit sei. Nein, bin ich noch nicht, denn ich muss zuerst den notwendigen Block in der Ablage suchen und bereit legen. Jetzt kann es losgehen.

Alle Punkte diktiert er mir am Funk und ich schreibe diese schön brav in das vor mir liegende Formular. Zum Schluss nennt er mir noch seinen Namen. Ich bestätige seine Angaben, so wie ich sie verstanden habe. Ganz zum Schluss sage ich ihm meinen Namen. So ist gesichert, dass beide bei einem Vorfall wissen, mit wem sie gesprochen haben. Zum Schluss teilt er mir mit, dass er nun das Signal auf Fahrt stellen werde, ich soll mich dann bei ihm melden, wenn ich im Bahnhof sei.

Tatsächlich, das Signal vor mir wird orange, mit der Ziffer 6. Ich könnte somit auf 60 km/h beschleunigen, wäre da nicht dieses Blatt Papier, das mir Fahrt auf Sicht vorschreibt. So halte ich die Geschwindigkeit tief. Eben so, dass ich vor einem allfälligen Hindernis anhalten kann. Doch, ich erreiche Prattelen ohne auf ein Hindernis gestossen zu sein. Ich will gerade den Hörer abnehmen, als sich der Funk in seiner gewohnten Art bemerkbar macht. Aha, er hat gesehen, dass ich durch bin. Genau, es ist der Mitarbeiter von vorher, der mich nach meinen Beobachtungen fragt. Nein, ich habe nichts festgestellt, das Gleis ist sauber.

Nachdem ich das Gespräch beendet habe, bin ich schon fast im Rangierbahnhof eingefahren. Jetzt kommt eine neue Problematik auf mich zu, denn der Funk, den ich eingeschaltet habe, kann mit meinem privaten Anschluss kommunizieren und sogar das Büro des Chefs anrufen, nur mit den Stellwerken hier kann ich nicht kommunizieren, denn ich kenne die Telefonnummern ebenso wenig, wie das Telefonbuch des Funkgerätes.

 

Eine Lok auf Parkplatzsuche

Vor einem roten Signal komme ich zum stehen, und die Giraffe neben mir beginnt zu sprechen. Sie denken sich wohl, dass ich aus versehen im Zoo Basel eingefahren bin und ein wenig spinne. Nein, ich bin schon richtig, aber die Eisenbahner haben ihre eigene Sprache. In den Gleisfeldern stehen an bestimmten Orten gekennzeichnete Wechselsprecher, die auf einer hohen Stange montiert sind, damit die Bedienelemente auf Höhe des Lokführers sind. Hoch mit schmalem Hals und gefleckt, eben eine Giraffe.

Der Mitarbeiter vom Stellwerk erkundigt sich, woher ich komme, und was ich habe. Nun, ich komme aus Erstfeld und habe Hunger, denke ich. Nun, wenn ich ihm das hier wohl verkünden würde, könnte ich gleich in der psychiatrischen Klinik einfahren. So nenne ich ihm meine Zugnummer, und die Lokomotiven. Eine Re 10 mit Fernseher. Anscheinend sind meine Meldungen angekommen, denn er bedankt sich.

Wenig später gehen auch die Zwergsignale auf Fahrt und ich kann meine Rangierfahrt beginnen. Auch das mache ich natürlich nicht, weil ich dazu Lust habe, sondern weil wir das beim Gespräch vorher so besprochen haben. Etwas komisch ist jedoch, dass ich mit meiner Lok an den Standplätzen vorbei fahre. Letztlich komme ich am anderen Ende des Bahnhofes zum stehen. Jetzt geht es zurück in den anderen Führerstand.

Als sich die Zwerge öffnen, glaube ich zu träumen, denn das geht nicht da lang, wo ich eigentlich hin sollte. Ich sollte geradeaus fahren, aber die Weiche steht auf Ablenkung. Da ich mich nicht im Standwechseln üben will, halte ich mal an und erkundige mich. Nur, dieser dämliche digitale Funk macht das zunichte. Vorschrift hin oder her, ich muss kommunizieren können. Entnervt stelle ich den Analogfunk ein. Es dauert ein wenig, bis er bereit ist. Schon höre ich, wie sich das Stellwerk meldet.

Seine Frage, ob ich denn ein Problem habe, quittiere ich mit den Worten, ja, ich wollte doch mit der Lok an den grossen Lokhaufen fahren. Anscheinend hat er kurz auf sein Pult geblickt, denn nun meint er, ob ich denn stehe. Ja, ich stehe still und harre der Dinge die da kommen. Kaum gesagt, zeigt das Zwergsignal vor mir wieder Halt.

Kurz nachdem sich die Weiche in die Lage gebracht hat, in der ich sie vermutete, öffnet sich auch das Zwergsignal wieder. Ja, auch im Stellwerk erwischt man ab und zu die falsche Taste, und schon steht die Lok nicht dort, wo sie sollte. Aber zum Glück machen auch die Leute im Stellwerk nur sehr wenig Fehler. Ich fahre mit meiner Lok ins Gleis ein. Es ist sehr lange, das Gleis, und die unbeleuchteten Lokomotiven können in der Dunkelheit nur schwer erkannt werden.

Endlich reflektieren die Scheinwerfer das Licht meiner Lok, ich bin bald dort, wo ich sein sollte. So ist es auch, nur noch wenige Zentimeter trennen die Puffer von den anderen. Aber auch dieses kurze Stück schaffe ich noch. Es ist soweit, die Puffer der Lokomotiven berühren sich. Da es hier in Basel nicht wärmer ist, als in Erstfeld, bleiben die Lokomotiven eingeschaltet, damit sie warm bleiben, und sich im Leitungssystem kein Eis bildet.

 

Morgenessen statt Mittag

Eigentlich habe ich ja schon Mittag, ich arbeite seit bald 6 Stunden und bin erst in Basel angekommen, gegessen habe ich Heute noch nichts. Das heisst, die wohl duftenden frischen Brötchen, die andere Frühaufsteher gebacken haben, finden einen dankbaren Abnehmer. Ein wenig Butter, etwas Brotaufstrich und statt einem Kaffee für einmal eine heisse Ovomaltine.

Ach, ja, ich sollte mich eigentlich bei der Leitstelle hier in Basel melden, denn ich habe keine Rückleistung eingeteilt, da mein normalerweise eingeteilter Zug nach Hause aus mir unbekannten Gründen schon ausgefallen war, als ich in Erstfeld mit der Arbeit begann. Daher meinte der Kollege in Erstfeld, dass ich wahrscheinlich Dienstfahrt haben werde. Na ja, ein Zug zurück, wäre die ultimative Herausforderung gewesen, aber manchmal hat man halt auch etwas Glück.

Nach ein paar Klingeltönen nimmt der Mitarbeiter das Telefon ab. Ich melde mich mit Namen und meiner Tourennummer. Sein Kommentar „aha, das Nachtgespenst von Erstfeld“ lässt mich vermuten, dass er mich auf seinen Blättern gefunden hat. Er empfiehlt mir, mir einen bequemen Platz zu suchen, und mich nach Hause transportieren zu lassen. Es bleibt demnach bei der Dienstfahrt. Der Mitarbeiter meint mit dem Kommentar, dass diese Tour eine Frechheit sei, wohl den normalerweise eingeteilten Zug zurück. Egal, ich habe nun eine angenehmere Heimfahrt.

 

Kurze Heimfahrt in 2.5 Stunden

Viel kann ich über die Dienstfahrt nicht berichten, denn kurz nachdem der Zug den Bahnhof Basel verlassen hat, habe ich die Empfehlung angenommen und es mir bequem gemacht. Die Müdigkeit hat nun endgültig überhand genommen und – genau, auch gesiegt. Irgendwann muss er wohl in Luzern angekommen sein, denn der neue Zugführer weckt mich und bittet nach dem Ausweis.

Jetzt wieder wach, komme ich nach Arth-Goldau und Erstfeld, wo ich Feierabend mache. Ein Anruf im Depot um noch zu bestätigen, dass alles normal verlief, dann mache ich mich mitsamt der Mappe auf den Heimweg. Erholung ist angesagt, ganze 2 Wochen, denn mein Urlaub hat soeben begonnen. Genau an einem kalten Donnerstagmorgen im Januar kurz vor 10 Uhr. Schön, geplant wäre der Urlaubsbeginn auf 10.37 gewesen.

Somit ist eines der wichtigsten Ziele erreicht, ich komme rechtzeitig in den Urlaub. Zwei Wochen kein Frühdienst, keine Funkprobleme und was noch schöner ist, kein waten durch den Tiefschnee in einem menschenleeren Bahnhof morgens um 2 Uhr.

 

                       
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