Erstfeld – Bodio – Erstfeld

Es wird die letzte Tour sein, die ich zum Depot Erstfeld schreiben werde. Diesen Entscheid habe ich vor ein paar Monaten getroffen, denn es sind schon sehr viele Touren zu diesem Depot vorhanden. Dabei zeigte ich die Entwicklung im Beruf über die Dauer von 15 Jahren auf. Immer wieder versuchte ich neue und spannende Elemente einzubauen und so eine gute Geschichte für den Leser zu schaffen. Das wurde jedoch immer schwerer.

Neuerung an Strecken gibt es nicht und es drohen viele Wiederholungen. Man kann sagen, dass sich das Thema todgelaufen hat. Trotzdem will ich die Arbeit vervollständigen und so noch eine letzte Tour zum Depot Erstfeld bringen. Wer weiss, vielleicht gelingt mir eine Überraschung und der Titel zeigt dabei nur einen kurzen Einsatz auf. Trotzdem hoffe ich, dass es spannend werden wird und Sie eine aufregende Geschichte erhalten.

Das mit der letzten Tour ist sicher und es wird kein Grund geben, davon abzuweichen. Der Entscheid steht fest. Wie es weiter gehen wird, werde ich jedoch noch auflösen müssen.

Ich verspreche Ihnen aber schon jetzt, ab nun werden Sie neue Strecken und neue Probleme erwarten.

Richtig, ich fange mit dieser Tour an und da ist wirklich nichts so, wie es bei den anderen Touren der Depots Erstfeld und Arth-Goldau der Fall war.

Doch kommen wir zur Tour, die den Abschluss machen soll. Es muss ein Thema sein, das es noch nicht gab, eine spezielle Tour. Nach Möglichkeit mit einer speziellen Lokomotive.

Da würde sich womöglich die Ae 8/14 mit der Nummer 11 801 anbieten. Mit der schwersten Lokomotive eine Fahrt durch die Schweiz.

An Orte, wo ich noch nie war. Spannend sicherlich, aber ich kann hier nichts finden, das ich verwenden könnte.

Letztlich suchte ich lange und fand die Leistung, die gerade richtig ist. Eine Fahrt von Erstfeld nach Bodio und zurück. Eine Leistung mit einer speziellen Lokomotive, die zwar zum Bestand der Schweizerischen Bundesbahnen SBB gehört, trotzdem aber speziell ist. Was will man mehr und so könnte es zum Schluss doch noch eine Geschichte werden, die so spannend ist, dass man leicht vergessen könnte, dass es die letzte Tour ist.

Beginnen wir mit der Tour, dann werden sich die Fragezeichen schnell auflösen. Der Tag beginnt, wie so oft in den vergangen Tagen. Dabei war das sogar ein paar Monate entfernt. Mein Chef trat auf mich zu und fragte mich, ob ich bereit wäre, an den Testfahrten im neuen Basistunnel am Gotthard mitzuhelfen. Mein Entschluss war schnell gefällt, denn erstmals in meiner beruflichen Karriere wurde ich gefragt, ob ich spezielle Einsätze fahren möchte.

Immer wieder bewunderte ich die Stars unter den Lokführern, die für spezielle Aufgaben abgezogen wurden. Die Versuche mit der Funkfernsteuerung, oder die Fahrten mit der langen Rola und Zwischenlokomotive, gingen an mir vorbei. Ich war nur einer der normalen Lokführer. Nicht geeignet für spezielle Aufgaben. Nun hatte sich das geändert und dann greift man zu, denn es ist eine neue Herausforderung im Beruf.

Das hiess aber, dass ich die obligatorische Schulung des Tunnels vorgezogen absolvieren musste. So besuchten wir im Modul eins die Multifunktionsstelle in Faido. Nur schon die Fahrt mit dem Auto war eine spannende Geschichte. Geradeaus mit einem Gefälle von 14% ging es immer tiefer in den Berg. Wenn es da mit dem Bremsen nicht mehr geklappt hätte, dann gute Nacht. Jedoch war klar zu erkennen, wir besuchten eine Baustelle.

In den Modulen zwei bis vier, wurde erklärt und geübt wie man sich als Lokomotivführer bei einer ernsthaften Störung zu verhalten habe. Die Kurse fanden dabei in Faido und Olten statt. Lange Tage, an denen die Cargo Lokführer feststellen mussten, dass es mit Güterzügen auch einfacher sein kann. Gerade bei einem Feuer muss man wissen, was man macht und wie man die Leute von einem Reisezug so schnell wie möglich in Sicherheit bringt.

Zusätzlich erfolgte noch die Schulung von Alptransit Gotthard. Diese war nötig, weil diese Testfahrten nicht unter der Leitung der Schweizerischen Bundesbahnen SBB durchgeführt werden, sondern im Auftrag von Alptransit Gotthard. Zudem war der Tunnel zu diesem Zeitpunkt noch eine Baustelle mit besonderen Vorschriften. Dazu gehörte, dass die Kleider vorgeschrieben sind, man einen Helm tragen musste und dass Rettungsmasken mitgeführt werden mussten.

Etwas komisch klang dabei die Vorschrift, dass man im Tunnel nichts alleine machen darf. Ein Lokführer, der sich gewohnt ist, seine Arbeit alleine zu machen, musste, sobald er die Lokomotive verlassen wollte, einen Partner zur Seite haben. Selbst der Besuch der Toilette sollte nicht alleine durchgeführt werden. Man war auf jeden Fall vorbereitet. Nur, wenn ich alleine auf der Lokomotive bin, muss ich zuerst den Partner suchen.

Damit verbunden war, wie ich später feststellte, auch eine neue Lokomotive. Deshalb muss ich nun alle enttäuschen, die immer noch eine Fahrt mit der Ae 8/14 erwartet haben. Ich erhielt für den Einsatz im Basistunnel die Schulung auf der Lokomotive Am 843. Nach all den Jahren, wo ich elektrische Lokomotiven bediente, kam wieder einmal eine Diesellokomotive auf mich zu. Seit den alten Baureihen Bm 4/4 und Em 3/3 waren schon viele Jahre vergangen.

Es traten plötzlich andere Fragen auf. Wie und wo tanke ich die Lokomotive. Beim Auto wusste ich, wo ich die günstigste Tankstelle finden konnte und wie ich dort meinen Tank füllen musste. Selbst die Bezahlung war kein Problem. Nur, bei einer Lokomotive ist das wohl anders, denn da werden Mengen benötigt, die man mit einer herkömmlichen Kreditkarte nicht mehr bezahlen konnte. Also wird es Lösungen geben müssen.

Was will ich mehr, denn damit hatte ich die ideale Tour für den Abschluss des Depots Erstfeld gefunden. Deshalb wird es heute mit einer Diesellokomotive durch einen 57 Kilometer langen Tunnel gehen. Das gab es bei all den Touren zum Depot Erstfeld noch nie. Neue Strecke, neue Lokomotive und eine Fahrt in einer Baustelle mit Zügen. Ein besonders schöner Abschluss für den Leser. Dabei sollte es die erste Fahrt sein.

Letztlich entschied ich mich aber, damit die Geschichte spannend wird, eine Zusammenfassung zu nehmen. Die Fahrt mit der Lokomotive, ein ganz spezieller Test und dazu noch eine Maschine eines fremden Unternehmens. Schön wäre für Sie sicherlich auch die Fahrt mit 275 km/h. Ich entschied mich für die Lokomotive der Reihe Am 843 weil ich dabei selber die „Zügel“ in der Hand halten konnte und so etwas Einfluss hatte.

Aber ich enttäusche Sie nicht, denn wer träumt nicht von neuen Rekorden. Rekorde, die immer wieder aufgestellt wurden. Als Lokführer im Güterverkehr waren das die immer höheren Gewichte. Geschwindigkeit stand nie sonderlich im Vordergrund. Selbst als Reisender befuhr ich bisher keine Strecken, die sehr schnell befahren wurden. Ich liebe die gemütliche Reise und will nicht so schnell als möglich durch die Landschaft rasen.

Vorbereitung auf den Tag eins

Die Vorbereitungen auf den Einsatz begannen schon einige Tage früher. So erhielt ich die Unterlagen für die Fahrt und die letzten Informationen über wann, wie und wo. Die Unterlagen waren die Anordnungen für die Fahrt. Dort stehen viele wertvolle Informationen drin. Von den Einsätzen bei SBB Historic bin ich mir solche Anordnungen gewohnt. Daher wusste ich natürlich ganz genau, auf was ich achten musste.

Dazu gehörte auch, dass ein weiterer Lokführer mit von der Partie sein soll. Wie ich, wurde dieser in der Anordnung namentlich aufgeführt. Die Telefonnummer ist bekannt und daher weiss ich mit wem ich den Tag verbringen werde. Zudem ist auch geregelt, wer wann auf welcher Lokomotive zu finden sein wird. Ich erkannte, dass ich den Tag mit der Funktionsnummer 02 beginnen werde. Das ist daher die zweite Lokomotive.

Zwei Lokomotiven werden verwendet und jede muss einsatzbereit sein, da es sonst mit dem ETCS Level 2 zu Problemen kommen könnte. Dazwischen wurden spezielle Wagen eingereiht. Daher war eine Vielfachsteuerung der damit ausgerüsteten Lokomotiven unmöglich. In der Anordnung standen zudem die Nummern der Maschinen und der Wagen. Bei mir sah ich die Lokomotive mit der Nummer 843 084.

Wie so oft kam natürlich alles auf den letzten Drücker. Am Montag sollte es losgehen und am Freitag fasste ich noch meine letzten Unterlagen und meine persönliche Schutzausrüstung. Die orangen Kleider, die in einer Sonderbestellung beschafft wurden, waren schon ein paar Tage eher geliefert worden. Nur damit war es nicht getan, denn solch spezielle Einsätze erfordern zusätzliche Informationen von den Kollegen.

Man half sich, wo man konnte, dazu gehörten die Informationen über spezielle Lösungen und die Macken, die sich dabei ergeben können. Ein Breefing beim Chef erfolgte und er erklärte, welche Fehler er gemacht hatte und dass es nur so gehen werde. Gute Vorzeichen, die mir eines klar vor Augen führte, der Tag wird wahrlich ein Abenteuer werden, denn wie komme ich letztlich von Pollegio nach Hause? Zu Fuss?!

Selbst der Beginn der Arbeit war geändert worden. Die ursprüngliche Idee, bei der ich noch zu Fuss zur Arbeit gehen konnte, musste beerdigt werden. Der Lokführer für die Testfahrten sollte neu seine Arbeit auf dem Installationsplatz beginnen.

Der war aber weit entfernt, nicht in der Nähe einer Haltestelle und so musste man wohl oder übel das Auto nehmen. Wenn man nicht wusste, wie man nach Hause kommt, wie kommt man dann zum Auto, das nahezu in Altdorf stand?

Am Tag zuvor richtete ich die Sachen. Dazu gehörte auch, dass ich die Tasche mit der Verpflegung packen musste. Bisher vermied ich, dass ich die Verpflegung mitnahm.

Nun war das jedoch nicht mehr möglich, denn die Pause sollte im Basistunnel stattfinden. Dort war es hingegen sehr warm, so dass man Lebensmittel und Getränke für diese Umgebung mitnehmen musste. Gerade viel Flüssigkeit war nötig.

Der  Kollege meldete sich sogar bei mir und erklärte, dass er mich zu Hause abholen könnte, er würde mich dann auf der Rückfahrt mit dem Auto wieder zu Hause absetzen. So könnte die Fahrt mit meinem Wagen ausfallen, was durchaus keine schlechte Idee war, denn schliesslich sollte man unnötige Fahrten mit dem Auto vermeiden und so auch etwas für die Umwelt tun. Besonders dann, wenn man den ganzen Tag mit einer Diesellokomotive fährt.

So ging es dann bei Zeiten zu Bett und der Wecker wurde auf 06.00 Uhr gerichtet. Nach einer Woche im Frühdienst, war das schon eine angenehme Zeit und so sollte ich ausreichend Schlaf bekommen. Kurz vor 07.00 Uhr sollte ich dann vor dem Haus warten. Das war so besprochen worden. Auch die Info, dass der Zug fertig formiert war, bekam ich noch und so war eigentlich für den Einsatz alles klar und die Nacht konnte kommen.

Am Morgen gönnte ich mir ein ausreichendes Frühstück mit Spiegeleiern, Speck und Brot. Dazu ein Glas Milch und natürlich einen Kaffee. Eigentlich fehlte nur noch der Fruchtsaft um ein optimales Frühstück für einen längeren Tag zu bekommen. Man kann aber nicht immer alles zu Hause haben und auch so war das Essen ausreichend. Danach zog ich schliesslich die Kleider für den Tag an und stellte dabei fest, dass ich noch nie so viel von der Bahn trug.

Da es im Tunnel sehr warm ist und man dort eher sommerlich gekleidet sein sollte, zog ich ein oranges T-Shirt an, dazu die orangen Überhosen und letztlich noch den Kittel dazu. Alles war mit Leuchtstreifen versehen und so für den Einsatz zugelassen. Der grösste Vorteil war hingegen, dass die Kleider schmutzig werden durften. Da musste man nicht lange darauf achten, dass man nicht aus Versehen zu nahe an die Puffer kam.

Selbst die orange Jacke durfte, wie der Helm nicht fehlen. Auch die Kamera fuhr neben der Mahlzeit und drei Liter Getränken, natürlich mit. Erstmals konnte ich auch spezielle Bilder machen.

Die Aktion wurde von der Alptransit Gotthard nicht verboten, jedoch mussten wir unterschrieben, dass die Bilder nicht veröffentlich werden. Da beim erscheinen dieser Tour die Bauarbeiten abgeschlossen sind, wird es spezielle Bilder geben.

Ein spezieller Patch muss zudem immer auf Mann sein. Er sendet ein Signal aus, dass geortet werden kann. Damit weiss man auf der Zentrale jederzeit, wo sich der entsprechende Arbeiter befindet. Passiert im Tunnel ein Unglück, ist gleich bekannt, wo sich der Mann befindet.

Bei der Bergung kann das sicherlich hilfreich sein. Die Nummer des Patches muss später noch bekannt gegeben werden. Es macht nachdenklich, wenn man Helm, Schutzbrille und einen Patch tragen muss.

Zur abgemachten Zeit trat ich vor das Haus in den noch dunklen und kühlen Morgen. Der Oktober hatte sich mit kühlen Nächten angekündigt. Nichts erinnerte an den heissen Sommer und den schönen September. Im Land war es Herbst geworden und in den Berg lag bereits wieder der erste Schnee. Lange musste ich nicht warten, als schliesslich mein Partner für den heutigen Tag mit dem Wagen vorfuhr.

Auf dem Installationsplatz angekommen parkten wir den Wagen auf dem dafür vorgesehenen Platz. Noch fehlte uns ein wichtiger Teil der benötigten Ausrüstung. Dazu gehörten die auf der Baustelle benötigten Funkgeräte. Wir mussten deshalb zuerst das Magazin aufsuchen. Dort wurden wir mit dem Material ausgerüstet und es mussten noch letzte Angaben zur Person gemacht werden. Selbst die Nummer des Patches wurde notiert.

Zu diesen Angaben gehörten aber auch die Informationen zum Notfallkontakt. Dieser war eigentlich schon seit Jahren in den Unterlagen der Schweizerischen Bundesbahnen SBB vorhanden, aber für Alptransit Gotthard mussten die Angaben erneut erfolgen. Zudem stellte ich fest, dass der angeblich durch die Unternehmen erfolgte Informationsaustausch scheinbar noch nicht erfolgte und man kaum Informationen über mich hatte.

Der Weg zur Lokomotive

Wo steht die Lokomotive? Eine Frage, die sich auch bei SBB Cargo immer wieder stellt. Dort kenne ich, wie ich die Information holen kann. Hier ist es sogar für mich noch einfacher, denn der Kollege hatte die entsprechenden Abklärungen übernommen und so erfahren, dass der Zug in der sogenannten Betonhalle steht. Wo mag diese sein? Die Pläne, die wir bekommen haben, zeigten diese auf und wir erkennen, es ist ein Stück entfernt.

Ob es eventuell möglich wäre, dort ein Auto abzustellen? So können wir fahren und müssten mit dem umfangreichen Gepäck nicht gehen.

Das ist das Los vom fahrenden Personal, denn es versucht in erster Linie ein Fahrzeug zu benutzen und die Füsse sind bekanntlich nur dazu da, die Pedale im Auto, auf dem LKW, oder in der Lokomotive zu drücken.

Gute Fussgänger findet man in diesen Bereichen selten. Parkplätze bei der Betonhalle gibt es schlicht nicht.

Mit dem ganzen Reisegepäck, das jetzt etwas umfangreicher ist als normalerweise, machen wir uns auf den Weg.

Der Tag beginnt langsam und es scheint doch noch ein schöner Tag zu werden. Jedoch werden wir davon nicht viel haben, denn die meiste Zeit sollten wir im Tunnel verbringen. Jedoch kann man sich das Wetter nicht aussuchen und ein paar Minuten Sonne sollte es schon noch geben, denn auch im Tessin sollte es schön sein.

Der Weg in die Betonhalle ist beinahe geschafft. Mit dem Schlüssel, den auch ich angeblich hätte bekommen müssen, versucht der Kollege die erste Türe zu öffnen. Dummerweise passt er nicht und so müssen wir einen anderen Weg finden, um in die Halle und somit zu unseren Maschinen zu kommen. Keine leichte Aufgabe, wenn man von verschlossener zu verschlossener Tür irrt. Da die Halle jedoch gross ist, kann das noch lange dauern.

Plötzlich bewegt sich etwas, die vierte Türe geht schliesslich auf und wir können in die Halle treten. Wer nun eine hell beleuchtete Halle erwartet, irrt sich. Um diese Zeit sind noch nicht so viele Leute an der Arbeit und da nicht mehr viel Beton benötigt wurde, ist es in der Halle sehr ruhig. Kaum jemand ist zu sehen. Jedoch kann ich im halbdunkeln den Umriss einer Lokomotive mit Cargo Schriftzug erkennen. Das kann eigentlich nur eine der beiden Lokomotiven sein.

Nun muss aber eine Sache noch abgeklärt werden. Wer nimmt die Maschine vorne und wer jene am Schluss. Anhand der Unterlagen ist das klar geregelt, denn scheinbar habe ich das Vergnügen, die hintere Lokomotive zu übernehmen.

Letztlich können die Lokführer aber untereinander abmachen, welche Seite wer will. Ich entscheide mich für die hintere Lokomotive, denn auf der Rückfahrt werde ich dann die Spitze haben.

Obwohl die Informationen klar behauptet haben, dass der Zug fertig formiert wurde. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle besser. Seit meinem ersten Einsatz bei der Eisenbahn weiss ich, dass man sich durchaus nicht darauf verlassen sollte.

So krame ich die Anordnung aus meiner Tasche und vergleiche die Nummern der Wagen mit den Unterlagen. Darunter sollte sich auch ein spezieller Kurzschlussmesswagen befinden.

Die Diskussionen sind beendet, die richtigen Wagen sind auch eingereiht worden und es wird nun Zeit, sich um die Lokomotiven zu kümmern.

Die Maschine, die ich übernehmen muss, steht daher nördlich am Zug und vor ihr ist ein Reisezugwagen eingereiht worden. Im Zirkular war er nicht erwähnt worden, aber einen Mannschaftwagen kann man immer gebrauchen. Daher nehmen wir diesen zusätzlichen Wagen mit.

Ich steuere auf die entsprechende Lokomotive zu. Der andere Lokführer macht das auch. Nur hat er einen etwas längeren Weg vor sich. Da ich zuerst das Gepäck loswerden will, suche ich das Führerhaus auf. Dort sollte es genug Platz geben. Schliesslich werde ich alleine sein und dann ist das kein zu grosses Problem. Bei der Pause werde ich nicht alles mitnehmen. Schliesslich ist es bekanntlich heiss im Tunnel.

Die Inbetriebnahme

Die Inbetriebnahme einer Lokomotive, die man erst seit ein paar Wochen kennt, ist nicht einfach. Da muss man sich immer wieder in Gedanken vorstellen, wo was zu finden ist. Auch wenn ich einer der wenigen Testlokführer bin, die mit diesen Lokomotiven fahren darf, waren meine Einsätze selten gewesen. Die Tatsache, dass mich die Einteilung nur einsetzen würde, wenn wirklich kein anderer Lokführer mehr verfügbar ist, reduzierte meinen Einsatz deutlich.

Da jedoch auch hier alles damit beginnt, dass der Hahn zu den Hauptluftbehältern geöffnet werden muss, begebe ich mich zum Bereich, wo sich dieser befindet. Die entsprechenden Türen im kurzen Vorbau können nur mit dem Schlüssel geöffnet werden. Zudem ist die Anordnung bei der Treppe nicht gerade optimal, denn so richtig gut stehen kann man nicht und wenn sich die Türe öffnet wird der Platz zum Stehen eng.

Als sich die Türe öffnet und ich mich dem Hahn zuwende, kontrolliere ich auch die anderen Hähne. Alle sind geöffnet, nur der Schlepphahn ist geschlossen. Zudem finde ich auch den Hahn zu den Luftbehältern geschlossen vor. Als ich diesen öffne, ist mir nicht ganz wohl dabei, eigentlich sollte ich jetzt Luft in die Leitungen strömen hören. Davon ist aber nichts zu bemerken. Im Gegenteil es ist beängstigend ruhig.

Bei der Lokomotive scheint es keinen Hauch Luft zu geben. Kein so grosses Problem bei dieser Lokomotive. Daher begebe ich mich nun zur Aussenkontrolle. Dazu gehört auch, dass ich die Tafel der Vorheizanlage entferne. Diese wird nun nicht mehr benötigt, da ich die Lokomotive davon befreien werde. Ich begebe mich zum eingesteckten Kabel und löse den Stecker. Das ist nicht leicht, da dieser sich nur schwer bewegen lässt. Mit etwas Kraft geht es jedoch.

Auch ein paar Ölstände müssen geprüft werden. Dazu müssen jedoch die entsprechenden Türen geöffnet werden. Da die notwenige Erfahrung fehlt, passierte es immer wieder, dass ich die falschen Türen öffnete und so nicht das finden konnte, was ich suchte. Etwas, was mir bei Maschinen, die ich gut kenne, nicht passiert, aber bei den seltenen Einsätzen auf dieser Diesellokomotive kann das schon passieren.

Die Aussenkontrolle ist abgeschlossen und ich trenne die Lokomotive noch von der Bremsleitung. Diese ist verbunden und für den Zug vorbereitet, aber für die Prüfungen auf der Lokomotive ist die Leitung hinderlich, denn die andere Maschine könnte meine Prüfungen beeinflussen und so falsche Ergebnisse erzielen. Es wird jedoch Zeit, wenn ich die Lokomotive einschalte und so zusehe, dass ich genügend Druckluft habe.

Im Führerhaus angelangt, beginne ich mit den Handlungen um die Lokomotive einzuschalten. Dazu schalte ich die Steuerung ein und warte, bis die Diagnose bereit ist. Das dauert bei dieser Lokomotive etwas.

Die Zeit nutze ich, um am Baufunk den richtigen Kanal und die Lautstärke einzustellen. So bin ich auch auf diesem Gerät erreichbar. Die Kommunikation im Tunnel ist über viele Kanäle möglich.

Endlich, die Diagnose hat sich aufgestartet und es ist keine Meldung vorhanden, die verhindert, dass ich den Dieselmotor starten kann. Daher betätige ich den entsprechenden Schalter.

Nach einer kurzen Zeit höre ich, wie der Dieselmotor seine Arbeit aufgenommen hat. Auf den Anzeigen erkenne ich die entsprechenden Betriebsdaten. Die Maschine läuft, ein Lichtblick in der Inbetriebnahme, die ohne Luft nur bei Diesellokomotiven so einfach ist.

Der Kompressor nimmt die Arbeit auf und die Luft wird ergänzt. Die Lokomotive an der Spitze meldet sich und fragt, wie weit ich sei.

Ich gebe zur Antwort, dass ich noch ein paar Minuten benötige, denn die Lokomotive habe zu wenig Druckluft für die Prüfungen und die Bremsen. Daher müsse er sich noch etwas gedulden. Die Antwort ist klar, ich solle mich melden, wenn ich so weit bin und wir die Bremsprobe machen könnten.

Es dauert schier unendlich, bis die Druckluft dazu ausreicht die Prüfungen der Zugsicherung, von ETCS und von ZUB 121 auszuführen. Gerade der Test der Zugsicherung und von ZUB 121 ist etwas komisch, denn ich werde mit der Lokomotive nie auf so einem Abschnitt fahren, denn alle Fahrten erfolgen mit ETCS Level 2 und daher ohne die herkömmlichen Signale. Jedoch müssen die Prüfungen gemacht werden.

Nach der Prüfung gebe ich die für die Fahrt erforderlichen Zugdaten ein. Dazu gehören meine Personalnummer, die Zugnummer und meine Position im Zug. Dann folgen die Daten zur Länge und zu den Bremsen des Zuges. Erst jetzt habe ich alle erforderlichen Daten und kann die Eingaben abschliessen und bestätigen. Danach erfolgt jedoch nicht der normale Schritt, sondern ich trenne das Führerbremsventil ab.

Nun kann ich auf der Lokomotive den Betrieb als nicht zugführende Lokomotive betätigen. Die Bremsleitung des Zuges kann nun wieder verbunden werden. Als ich das gemacht habe, ist die Bremsanlage an der ersten Lokomotive angeschlossen worden und wir können zur Bremsprobe gehen. Das erfolgt nun über den Zugfunk mit GSM-R und mit den bei der Eisenbahn üblichen Befehlen. Da auch die Wagen kontrolliert werden müssen dauert es etwas länger.

Ich kann die Lokomotive nun ins ETCS Level 2 umschalten. Im normalen Betrieb erfolgt das, wenn ich über die Levelwechselbalise fahre. Das erfolgt nun jedoch nicht und so muss ich den Wechsel manuell machen. Das geht, ich muss dazu einfach die entsprechenden Daten eingeben. Diese habe ich auf einer Liste und die muss in den elektronischen Unterlagen zuerst gefunden werden. Nicht einfach, wenn man nicht genau weiss, wo es steht.

Von der Spitze kommt mein Kollege und erkundig sich, ob ich Probleme habe. Ich antworte, dass ich noch die Angaben suche, aber bereits fündig geworden bin. Ich kann nun die Zahlen eintippen. Nur keine falsche Ziffer, denn sonst bekomme ich wirklich Probleme. So gesehen, war alles bisher eher unter der Rubrik es kann nur noch besser kommen zu verbuchen. Keine Luft und damit die Verzögerungen waren nicht vorgesehen.

Die Eingaben werden abgeschlossen und ich warte gespannt, was mir das Display anzeigt. Es dauert seine Zeit und plötzlich habe ich den gewünschten Eintrag, die Ziffer zwei leuchtet und ich habe den entsprechenden Level eingestellt. Die Info vom Chef hat scheinbar gepasst, denn er meinte, ich solle zuerst den Modus einstellen und dann den Level wechseln, denn sonst könnte es nicht klappen. Eine Info, die hilfreich war.

Ich bin bereit, die Bremsprobe war erfolgreich und der Kollege kann den Zug in Bewegung setzen. So kann die Fahrt beginnen, die startet zuerst mit dem Hinweis der Leitstelle von Alptransit. Über den Baufunk höre ich, wie die Fahrt bis in den Bereich Rynächt gestellt ist. Es wird sogar mitgeteilt, wie weit die Fahrt ausgeführt werden darf. Danach bemerke ich, wie meine Lokomotive langsam losrollt. Die Fahrt ins Abenteuer kann beginnen.

Die erste Fahrt

Es dauert einen Moment, bis auch ich die Halle verlasse und so in die Urner Bergwelt gelange. Ein traumhafter Tag im Herbst beginnt und wir steuern nun in langsamer Fahrt auf den Basistunnel zu. Eine schlichte Betonröhre mit einer schier endlosen Länge. Es dauert jedoch noch einen Moment und die Fahrt über die Weichen verläuft ohne grosse Probleme. Bei meiner Lokomotive muss ich nur das Pedal der Sifa betätigen.

Die Fahrt führt über die neuen Anlagen bis vor ein ETCS Haltsignal. In der Regel wird bis vor ein bestimmtes Signal gefahren und dort als Zugfahrt begonnen. Für unsere Fahrt ist es jedoch wichtig, dass wir bis zu einem Ort fahren, wo sich die Lokomotive an der Spitze dem RBC die Position angeben kann. Wobei die Fahrt sicherlich nur mit SR starten kann, denn es fehlen schlicht zu viele Angaben über die Art und die Position des Zuges.

Bei den normalen Einfahrten ins ETCS Level 2 erfolgen mehrere Schritte. Zuerst wird bei der Anmeldebalise eine Datenfunkverbindung aufgebaut. Auf der südlichen Zufahrt erfolgt das in Raum Gurtnellen und damit lange Zeit vor dem entsprechenden Abschnitt. Nördlich ist es kurz nach Arth-Goldau der Fall. Beide Stellen passieren wir mit unserem Zug jedoch nicht. Wir erreichen auch  benötigten die Levelwechselbalisen nicht.

In einer solchen Situation geht es nur, wenn der Wechsel manuell durchgeführt wird. Wie ich vor wenigen Minuten, muss nun mein Kollege an der Spitze die entsprechenden Schritte ausführen. Bei der ersten Fahrt hatte ich mir notiert, dass ich die Daten an einem geeigneten Ort notiere. Gemacht habe ich dann jedoch nicht und so suchte ich halt etwas, bis ich die notwenigen Informationen gefunden habe. Die Angaben sollte ich wirklich notieren.

Wenn die Eingaben gemacht sind, baut die Lokomotive den für eine Fahrt unter ETCS nötigen Datenfunk auf. Wenn diese steht, können die Schritte erfolgen, die beim aufstarten eines Zuges erfolgen. Speziell am Abschnitt zwischen Brunnen und Erstfeld ist, dass es Stellen gibt, wo man gar nicht mit einem Zug starten kann. Ob es diese hier auch gibt? So genau weiss ich das nicht, denn es ist alles noch etwas neu.

Abschliessend wird er die Eingaben mit der Tastenfolge Mode und Start. Dann wird am Display die Aufforderung „Bestätigen Sie die Fahrt in SR“ aufblinken.

Jetzt kann man mit dem Fahrdienstleiter in Kontakt treten. Was bei der Schulung auch vermittelt wurde, dass sich diese eher als ZVL, oder Zugverkehrsleiter sehen. Im FDV werden sie jedoch immer noch als Fahrdienstleiter geführt und letztlich ist dieses massgebend.

Danach stellt der Fahrdienstleiter die erste Fahrstrasse ein und erteilt mit einem schriftlichen Befehl die Betriebsart SR. Die Fahrt in SR ist in jedem Fall protokollpflichtig.

Das auch, wenn man gar nicht als Zug starten will, sondern sich am Rangierdienst in Altdorf erfreuen will. So sind immer wieder Befehle zu schreiben, was natürlich nicht ohne die bissigen Kommentare der Fahrdienstleiter geht.

Die Zeiten, wo ein Zug einfach ein grünes Signal bekam und dann losfahren konnte, sind vorbei. Bei ETCS sind viele Funktionen so abgesichert worden, dass ich nur mit einem schriftlichen Befehl fahren kann.

Topmodernes System und man greift zu Papier und Bleistift, wie vor 100 Jahren. Dass das nicht allen gefällt ist klar, aber bei den Testfahrten werden vermutlich diese Befehle im Tag mehrmals erteilt werden müssen.

Hinten am Zug, kann ich die Vorgänge an der Spitze durchaus nur erahnen. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Zug nur in der Betriebsart SR starten kann. Die Lokomotive hat bisher noch keine Balise befahren und konnte sich daher gar nicht orten. Das hat unweigerlich zur Folge, dass das RBC nicht weiss, wo sich diese Maschine befindet. Diese Unwissenheit hat automatisch zur Folge, dass SR ausgegeben wird.

Es klingt verrückt und arrogant, aber trotz meiner geringen Erfahrung habe ich erkannt, dass man bei ETCS Level 2 erst dann Probleme bekommt, wenn sowohl das Fahrzeug, als auch das RBC nicht wissen, wo man sich befindet. Das kann zum Beispiel bereits passieren, wenn ich den Steuerstrom ausschalten muss. So gehen alle Infos verloren. Melde ich mich beim RBC an, weiss die Lokomotive nicht, wo sie ist und frägt daher das RBC. Das will die Info und gibt daher SR aus.

Der Funk wird aktiviert. Die Zuglok ruft mich. Ich gebe am Funk Antwort. Ich erfahre, dass er nun SR bekam, den Befehl ebenfalls besitze. Daher können wir die Fahrt beginnen. Die ersten Meter erfolgen daher mit Fahrt auf Sicht. Das Ziel wird das nächste ETCS Haltsignal sein. Gerüchte haben behauptet, dass im Basistunnel Standortsignale vorhanden seien. Jetzt werde ich das gleich selber erfahren, denn der Zug rollt gegen den Basistunnel.

Die langsame Fahrt endet in dem Moment, wo die Lokomotive an der Spitze das nächste ETCS Haltsignal passiert. Da unmittelbar vor dem Tunnel ein richtiger Tafelwald montiert wurde, geht das nicht lange.

Die Fahrt des Zuges führt unaufhaltsam gegen den Tunnel. In Gedanken habe ich geschrien. Ein so schöner Tag und mit uns geht es nun in den Untergrund. Nur, das ist mein Job und daher mache ich das, auch wenn es wirklich draussen zu schön wäre.

Ein Vorteil hat es, wenn man nicht an der Spitze eingereiht wurde. Man kann die Landschaft geniessen und sich so ein Bild von der Strecke machen.

Im Basistunnel ist die Landschaft jedoch eher eintönig. Auf beiden Seiten sind gebogene Betonwände vorhanden und die Signale wurden durch einfache Tafeln aus Blech ersetzt. Mehr erwarte ich eigentlich gar nicht, denn das ist der Bereich, den ein Lokführer interessiert.

Kurz nach der Vorbeifahrt am nördlichen Portal beginnt die Fahrt ins Ungewisse. Links huschen an der nun etwas schneller fahrenden Lokomotive runde Objekte vorbei. Ein Blick zurück lässt mich erkennen dass es sich dabei um Ventilatoren handelte. Diese kenne ich, denn in einigen Strassentunnel habe ich schon öfters ähnliche Ventilatoren vorgefunden. Daher eigentlich nichts Neues, wenn es kein Bahntunnel wäre.

Es folgen noch zwei solcher Ventilatoren. Diese wurden beidseitig angeordnet und können vermutlich einen gewaltigen Luftstrom erzeugen. Bei der Theorie wurden uns die Werte vermittelt, nur mit ein paar m3/sek ist das nicht getan, denn mit so einem Wert kann man nicht viel anfangen. Ein mittelmässiger Föhn im Kanton Uri, wird im Mittelland zu einem ausgewachsenen Orkan. Genau in diesem Bereich soll sich die Ventilation angeblich befinden.

Da der Tunnel jetzt noch eine Grundbeleuchtung besitzt, ist er nicht gänzlich dunkel. Daher kann man diese Bauten leicht erkennen. Selbst die ETCS Haltsignale, die in regelmässigen Abständen an mir vorbei kommen, lassen mich erkennen, dass das Gerücht schlicht nicht wahr ist. Im Basistunnel am Gotthard wurden ausschliesslich ETCS Haltsignale montiert. Zumindest auf den ersten Kilometern, was danach kommt, weiss ich noch nicht.

Was nun aber kommt, ist der Bereich, bei dem in einigen Jahren vielleicht die Strecke durch den Berg nach Brunnen oder gar Arth-Goldau abzweigen soll. Da der Bau der Zufahrtsstrecken mittlerweile auf den Zeitpunkt nach meiner Pension verschoben wurde, gehe ich davon aus, dass mir als Lokführer der über 100 Kilometer lange Tunnel erspart bleiben wird. Darüber unglücklich bin ich nicht, denn es ist wirklich nur ein Tunnel.

Da wir uns in der östlichen Röhre befinden, kommt der Abzweiger von der linken Seite. Es ist eigentlich nicht mehr als eine Abweichung von der Betonröhre. Wenn Sie es anders ausgedrückt haben wollen, einfach eine Veränderung beim Geräusch. Mehr ist diese Bereich wirklich nicht, denn die Weichen wurden bekanntlich noch nicht eingebaut. Daher merkt man bei der Fahrbahn davon schlicht nichts. Die Geschwindigkeit beträgt aktuell 85 km/h.

Im tiefer geht es in den Berg und seit der Vorbeifahrt an der Abzweigstelle ist die grösste Abwechslung die regelmässig vorbei huschenden grünen Bereiche. Das sind die Querschläge, die man im Notfall dazu benutzen kann, um in die andere Röhre zu gelangen. In ebenso regelmässigen Abständen folgen sich auch die ETCS Haltsignale. Immer noch kein ETCS Standortsignal auszumachen. Ich glaube, dass hier keine solchen Signale montiert wurden.

Wo ich mich aktuell im Tunnel befinde, weiss ich schlicht nicht. Links und rechts, sowie oben und unten gibt es schlicht nur Beton, wirklich keine Abwechslung. Grau, dann kurz Grün, dann wieder grau. Die Fahrt führt mit fast 100 km/h durch den Tunnel und die Tafeln sind nicht beleuchtet, daher kann ich mich auch nicht daran orientieren. Wobei, wenn ich ehrlich bin, wüsste ich auch nicht, wo welche Tafel montiert wurde.

Es wird heller und links taucht ein Bahnsteig auf. Wir passieren die Nothaltestelle von Sedrun und somit den höchsten Punkt des Tunnels. Mit der Nothaltestelle kündigt sich auch die Multifunktionsstelle an.

Diese besteht neben den beiden Nothaltestellen auch aus den beiden Spurwechseln. Der erste müsste jetzt auf der rechten Seite auftauchen und so theoretisch für uns den Wechsel in die westliche Röhre ermöglichen.

Die beiden Weichen sind schnell passiert und Sedrun gehört der Vergangenheit an. Die Fahrt führt nun weiter durch die graue Röhre mit den grünen Querschlägen.

Wenn man mit dem Zug hier liegen bleibt, ist es ein weiter Weg nach draussen, denn trotz der Tatsache, dass wir mit Sedrun den höchsten Punkt passiert haben, die Mitte des Tunnels ist noch nicht erreicht worden. Immer noch huschen die ETCS Haltsignale an meiner Lokomotive vorbei.

Ein Blick zurück lässt mich erkennen, dass die Strecke eine leichte Kurve macht. Daher kann ich die Multifunktionsstelle nicht mehr erkennen und es bietet sich nach hinten der gleiche trostlose Anblick.

Wie ist es wohl vorne, wo ETCS, die Freigabe über Kilometer hinweg erteilt hat und die Geschwindigkeit eingestellt wurde? Er wird erkennen, wie sich die Bögen abwechseln, aber auch er fährt einfach durch eine graue Röhre.

Es dauert ein paar Minuten und die Multifunktionsstelle von Faido taucht auf. Diese hatten wir seinerzeit besucht und bei der Begehung gewisse Punkte erkennen können. Dazu gehörten auch die geschlossenen Tore bei den beiden Spurwechseln und die Verankerungen für das Erhaltungstor. Selbst die automatische Erdung ist hier vorhanden. All das interessiert uns aktuell nicht, denn der Dieselmotor schnurrt friedlich vor sich hin.

Nach schier endlosen 30 Minuten verzögert der Kollege vorne den Zug. Das bedeutet eigentlich nur, dass wir uns dem Ende des Tunnels nähern. Noch kann man mit dem Zug nicht normal aus dem Tunnel fahren. Der Grund ist, dass die Strecke vor dem Tunnel gar noch nicht für ETCS Level 2 eingerichtet ist. Das soll erst in ein paar Wochen der Fall sein. Daher müssen wir mit etwas Aufwand aus dem Tunnel fahren.

Die Ventilatoren und das Licht am Ende des Tunnels erscheinen, das Ende ist nahe und damit auch die Tessiner Sonne. Nur noch ein paar Meter trennen mich. Jetzt habe ich den längsten Tunnel der Welt wieder verlassen. Zwei Punkte habe ich dabei festgestellt. Die Betonröhre bietet nicht viel Abwechslung und es wurden ausschliesslich ETCS Haltsignale montiert. Die angeblich vorhandenen ETCS Standortsignale sind nicht vorhanden.

Nach ein paar Metern im Freien haben wir das Ziel erreicht, an einem improvisiert wirkenden Bahnsteig halten wir an. Jetzt wechselt die Fahrrichtung und ich kann die Bremsen des Zuges übernehmen. So bereiten wir uns auf die Rückfahrt vor, wobei das Programm nur eine Fahrt bis Faido vorsieht, dann sollte in die westliche Röhre gewechselt werden. Jedoch ist es noch nicht soweit, denn nun kommt die Testmannschaft auf den Zug.

Zustieg der Fahrgäste

Jetzt erst steigen die Fahrgäste zu. Weil man die Testfahrten von Süden aus plante, aber das Lokomotivpersonal im Norden rekrutierte, kommt es zu dieser Situation. Die Idee, dass man das Lokpersonal für die Testfahrten in Biasca in einem Hotel einquartiert, hat zwar für den Ablauf Vorteil, bringt jedoch die Personalplanung arg durcheinander. Dem Personal müssen die Reisekosten und die Zeit vergütet werden.

Die Fahrten beginnen daher im Norden und somit an dem Ort, wo das Personal zu Hause ist. In diesem Fall können Lokführer auch nur an einzelnen Tag eingesetzt werden. Die weitere Beschäftigung während der restlichen Zeit, erfolgte in der normalen Einteilung. Das erlaubte auf die Bildung von speziellen Dienstplänen zu verzichten. Besonders bei knappem Bestand an Personal, beschäftigt man dieses nicht mit auswärtigen Übernachtungen.

Die Leute werden endlich zum Zug gelassen. Damit sie das tun können, musste zuerst das Gleis gesperrt werden. Durch die Gleissperre wurde auf dem anderen Gleis der Verkehr gedrosselt.

Etwas, was jetzt schlicht nicht der Fall ist, aber es geht natürlich auch darum die Abläufe des späteren Betriebs zu simulieren. Dazu gehört, dass sich niemand im Gleisbereich aufhalten darf. Für mich heisst das, dass ich SR blinken lassen muss.

Auch sonst bin ich auf der Lokomotive nutzlos. Die weiteren Fahrten sind wirklich nur sehr sparsam aufgeführt worden. Daher denke ich, dass es sinnvoll ist, wenn ich die verantwortliche Person suche.

Da heute eine Logistikfahrt ansteht, habe ich keinen Probefahrleiter, der mir zu Seite steht. Daher ist etwas mehr Aufwand nötig. Nur, wie finde ich die verantwortliche Person? Einer der orangen Figuren wird es wohl sein.

Letztlich war es sogar einfacher, denn die gesuchte Person kam auf mich zu und stellte sich vor. Somit haben wir alle wichtigen Personen zusammen. Nur wo sind diese auf der Fahrt? Keine Ahnung und ausser dem kurzen Hallo fehlte die Zeit, denn es wird hektisch. Die Leute rüsten sich auf den Wagen ein und das geht nicht mehr. Die geringen Geschwindigkeiten sind vorbei, die Leute müssen sich im Personenwagen aufhalten.

Auch der Kollege von der anderen Lokomotive hat mich gefunden. Wir tauschen uns aus und er meinte, dass er bei ersten Mal wesentlich grössere Probleme in Altdorf hatte. Damals hätte sich die Maschine partout nicht anmelden wollen. Zudem hätte es auch Probleme bei der Ausfahrt aus dem Tunnel gegeben. Für mich hat es nun ein paar Hinweise parat, denn die Einfahrt könne tückisch sein. Da die Anlage noch provisorisch betrieben werde.

Hinten beruhigt sich die Situation. Mein Kollege macht sich auf den Weg zu seiner Lokomotive, die am anderen Ende eingereiht ist. Dabei kann er gleich eine Kontrolle des Zuges machen. Ist alles profilfrei auf dem Zug, sind die Verzurrungen perfekt. Der Leiter konnt zudem zu mir auf die Lokomotive. Die Fahrt gehe nur wenig in den Tunnel und dann würden die ersten Versuche durchgeführt werden. Daher könnten wir losfahren.

Ich greife zum Funk, drücke dort auf die Taste zwei und warte, bis sich der Fahrdienstleiter meldet. Als das der Fall ist, erkläre ich, dass die Leute eingestiegen sind und dass die Sperre nicht mehr benötigt wird. Zudem benötige ich einen Befehl für die Betriebsart SR. Die Anforderung wird quittiert und mir mitgeteilt, dass der Befehl für SR erst erteilt werden könnte, wenn die Sperre entfernt ist, das werde ein paar Minuten dauern.

Fahrt mit Kurzschluss

Am Funk meldet sich der Fahrdienstleiter und erteilt mir den Befehl zur Fahrt in SR. Bevor er dies macht, erkundigt er sich, ob ich vor oder nach den Balisen stehe. Da ich diese aus der Lokomotive erkennen kann, stehe ich davor. Das hat Auswirkungen für den Befehl, denn je nach Position muss ein leicht anderer Befehl erteilt werden. In meinem Fall benötige ich die Version ohne Vorbeifahrt am ETCS Haltsignal.

Als die Angaben gemacht wurden, quittiere ich diese indem ich sie wiederhole. Letztlich werden noch die beiden Namen ausgetauscht und der Befehl wurde übermittelt. Nun hält mich eigentlich nichts mehr davon ab, die Fahrt zu beginnen, denn ich muss das nächste ETCS Haltsignal suchen. Damit das sicher erfolgt, muss ich mit Fahrt auf Sicht fahren. Zu schnell werde ich auch nicht losfahren können und so geht es gemütlich los.

Ich löse die Bremsen der Lokomotive und baue Zugkraft auf. Langsam beginnt der Zug zu rollen. Die Zugkraft bei dieser Lokomotive erfolgt stufenlos. Ich kann daher die eingestellte Kraft so belassen und der Zug mit der zweiten Lokomotive wird nicht zu schnell werden. Ich habe noch ein grosses Problem, das ich nicht lösen kann, denn eigentlich müsste ich mit dem Zug eine Bremsprobe auf Wirkung machen.

Nur passiere ich jetzt einen Neigungszeiger, der mir auf den nächsten 35000 Metern eine Steigung von 7‰ ankündigt. In einer solchen Steigung kann ich keine vernünftige Bremsprobe auf Wirkung machen. Die Fahrt muss aber dennoch beginnen. So neu ist diese Situation für einen Lokführer des Depots Erstfeld auch wieder nicht, denn die Nordrampe wird oft so befahren, denn bei einem Lokwechsel kann man vor Göschenen die Wirkung nicht prüfen.

Kurz nach dem Südportal kommt die gesuchte Tafel. Auf den Display vor mir wird abgefragt, ob das Gleis frei ist. Die Meldung TAF muss ich beim System von Siemens zweimal bestätigen. Danach dauert es nicht lange und ich habe die Freigabe in der Fahrt FS. Noch erfolgt aber die Einfahrt in die Vollüberwachung. Da ich keine Geschwindigkeit bis zum ETCS Haltsignal vorgegeben habe, sind nur 40 km/h zugelassen.

Als letztlich die Einfahrt in die Vollüberwachung erfolgt ist, kann ich die normale Fahrt beginnen. Dabei habe ich aber nur eine Distanz von 1000 Meter bekommen. Das System beginnt bald mit der Bremskurve, daher unterlasse ich es, die Komposition weiter zu beschleunigen. Alles andere wäre schlicht Vergeudung von Energie. Jedoch weiss ich noch nicht, dass ich das Ende der Fahrerlaubnis nie erreichen werde.

Die Hektik nimmt neben mir zu. Letztlich werde ich aufgefordert anzuhalten. Die Position für den Versuch soll bereits gefunden sein. Es finden hinten Abklärungen statt, dann kommt die Zustimmung, dass es stimmt. Einzig ein paar Meter müsse zurück gefahren werden. Das kann ich jedoch mit dem System nicht und wenn die Leute aussteigen, muss ich das Gleis sperren lassen. Die Vorschriften sind diesbezüglich klar.

So nehme ich mit dem Fahrdienstleiter Kontakt auf und erkläre, dass wir unser Ziel erreicht hätten und nun noch etwas rangiert werden müsse. Nach einem kurzen Moment wird meine Anfrage bestätigt und das Gleis gesperrt. Erst als dies erledigt ist, erhalte ich vom Fahrdienstleiter die Zustimmung um auf Shunting zu wechseln. Damit ist die Fahrt zu Ende und es wird rangiert. Viel solle es nicht sein, es geht scheinbar nur ein paar Meter zurück.

So ist es nach wenigen Metern steht der Zug wieder. Was jetzt geht, weiss ich nicht, aber ich vermute, dass ich meine Schuldigkeit für die nächsten Minuten getan habe. Daher beschliesse ich, dass ich die Lokomotive mit Hilfe der Federspeicherbremse sichere und dann auf Erkundung gehe. Mal sehen, was hinten so passiert, denn ich sehe, dass am Kurzschlussmesswagen hantiert wird. Nur schon das ist spannend.

Als ich beim Wagen bin, sehe ich, dass die komischen Deckel auf dem Dach Luken sind. Auf jeder Seite der Komposition sind zudem Erdstangen montiert worden, die Fahrleitung ist mit der Erde verbunden und ein Arbeiter klettert auf das Dach des Wagens. Dabei schleppt er eine Menge Kupferkabel mit. Ich wundere mich, was das soll und schaue daher dem Treiben weiterhin zu. Meine Anwesenheit wird dabei zur Kenntnis genommen, aber nicht kommentiert.

Die Kupferkabel werden mit Klemmen an der neuen Fahrleitung befestigt. So wie ich das sehe, kann das lange dauern, bis sich der Zug wieder bewegt. Im Wagen befindet sich zudem ein Transformator. Da ich nicht der einzige bin, der scheinbar nutzlos herumsteht, erkundige ich, was denn für ein Versuch anstehen würde. Die Antwort verblüfft mich, denn er meint, dass absichtlich Kurzschlüsse erzeugt werden.

Aha und an wie vielen Stellen im Tunnel muss diese Arbeit gemacht werden? Ich denke, dass es einfacher wäre, wenn man einen Stromabnehmer verwenden würde. Ich erfahre aber, dass das nur einmal gemacht werde und es danach nicht mehr nötig sei, denn jetzt werde die Versorgung der Fahrleitung geprüft und nicht die Abschnitte der Fahrleitung. Die Sache wird immer spannender und nur schon die Verkabelung ist umfangreich.

Insgesamt sechs Mal wurde ein Kurzschluss erzeugt, dabei wurde überprüft, wie lange es geht, bis das Unterwerk den Speisepunktschalter auslöst und ob die Prüfung der Fahrleitung richtig funktioniert. Damit sollte die Versorgung und deren Absicherung ausführlich geprüft werden. Wie die Versuche letztlich verliefen, kann ich nicht sagen, denn die Ergebnisse erfährt der Lokführer natürlich nicht und so wartete ich, bis alles wieder aufgeräumt worden war.

Natürlich ging nach diesem Test die Fahrt weiter. Bis zur Funktionsstelle in Faido und dann wieder zurück nach Pozzo Negro, wie das Südportal genannt wurde. Dann kamen die ersehnte Ablösung und die Fahrt nach Hause. All das erspare ich Ihnen, denn ich komme nun zum zweiten Teil dieser speziellen Tour und damit zu einem anderen Tag bei den Testfahrten im Basistunnel, denn auch das könnte spannend sein.

Als Pilot auf dem ICE

Es war ein Abend eines Sonntages. Ich reiste mit dem Interregio und dem Postauto nach Pollegio, wo ich meine Arbeit aufnehmen sollte. Das Programm sah für mich den Einsatz als Piloten vor. In der Anordnung wurde das Fahrzeug genannt. Es bestand aus den Fahrzeugen der Generation ICE 1. Genannt wurden die Triebköpfe und die eingereihten Zwischenwagen. Selbst das Personal wurde namentlich aufgeführt.

Ein Pilot bei der Eisenbahn ist nicht mit einem Piloten in der Luftfahrt zu vergleichen. Bei den Eisenbahnen ist der Pilot ein Lokführer, der im Führerstand dem fahrenden Kollegen helfend zur Seite steht. Dabei vermittelt der Pilot die Vorschriften, die Streckenkenntisse und ähnliche fahrdienstliche Vorschriften der Anlagen. Jedoch fährt er nicht selber mit dem Fahrzeug. Das kann es bei historischen Fahrten durchaus auch geben.

Im Programm sah ich auch, dass es sich beim Zug um einen Triebzug vom Typ ICE-S handeln sollte. Damit war klar, dass ich den Zug nicht selber bedienen sollte, denn ich kannte davon eigentlich nur, wie er von aussen aussehen sollte.

Bei meiner Ankunft sah ich das schliesslich auch, denn der Zug fuhr gerade an den Einsteigeort, als ich mich beim Treffpunkt einfand und mein Gepäck abstellte. Diesmal habe ich etwas weniger dabei.

Bei den vorangehenden Fahrten stellte ich fest, dass es schwer ist, eine normale Mahlzeit bei den Fahrten einzunehmen. Die Pausen sind oft nur sehr kurz und ausser einen Stück Brot gibt es nicht.

In der Nacht esse ich so oder so weniger. Eigentlich sollte das nicht der Fall sein, aber bei diesen Zeiten habe ich kaum Hunger und dann liegt ein üppiges Mahl schlicht nicht drin. Das berücksichtigte ich diesmal.

In der Gruppe erfolgten schliesslich der Abmarsch und so der Weg zum Basistunnel. Die Strecke zieht sich etwas. Der gut ausgebaute und leicht zu begehende Weg war keine Anstrengung. Als wir letztlich in die Nähe kamen, erkannten wir, dass die Fahrleitung geerdet wurde. Man musste auf dem Dach des Zuges einige Kontrollen vornehmen und das ging nun mal nur, wenn die Fahrleitung geerdet ist. Alles andere ist Selbstmord.

Als es letztlich zusammen mit dem Probefahrtleiter zum Zug ging, war klar, dass ich mich im nördlichen Führerstand einrichten sollte. Dort traf ich auch auf den deutschen Lokführer. Die Begrüssung erfolgte jedoch nur kurz, weil er bestimmte Handlungen zur Inbetriebnahme vornehmen musste und daher nur kurz angebunden war. Das war eigentlich nicht überraschend, denn auch ich richte ein Fahrzeug in Ruhe ein und lasse mich nicht stören.

Natürlich nutzte ich die Zeit um mir ein Bild vom Führerstand zu machen. Viele Bereiche kannte ich, da waren die gleichen Hebel, wie bei der BR 185, die ich bei meiner täglichen Arbeit habe.

Einige Hebel, die es bei der Lokomotive für Güterzüge gab, waren hier nicht vorhanden. Alles in allem, musste ich aber feststellen, dass ich dieses Fahrzeug durchaus auch hätte bedienen können, denn die Handlungen waren bekannt.

Da ich Anstand habe und mich nicht vordränge, fragte ich nicht nach der Erlaubnis selber zu fahren. Ich hatte die typischen Schweizer Gefühle, die verhinderten, dass ich mich arrogant aufführte und bettelte.

Es war Sache des Triebfahrzeugführers mit die Hebel in die Hand zu geben. Auch wenn das passiert sein sollte, hier werden Sie es sicherlich nicht zu lesen bekommen, denn es ist natürlich nicht ganz vorbildlich.

Die erste Fahrt ging für mich rückwärts, diese Zeit konnte ich nutzen um meine Unterlagen zu sortieren. Rückwärts bedeutete, dass der Zug in Richtung Süden fuhr. Dabei war das nur nötig, damit für die anstehende Fahrt genug Anlauf geholt werden konnte. Den Grund dafür sah ich in der Anordnung, es sollte mit 275 km/h durch den Basistunnel gehen. Dazu muss der Zug den entsprechenden Anlauf nehmen.

Scheinbar sind wir am Ausgangspunkt angekommen, denn der Triebzug hat angehalten. Wenige Minuten später kamen dann der Triebfahrzeugführer und der Probefahrtleiter in den Führerstand. Viel hatte ich bisher nicht zu tun und auch sonst sollte es ruhig sein, denn eingreifen muss ich erst, wenn es sich nicht um den normalen Betrieb handelt. Das sind Störungen, die entsprechenden den geltenden Vorschriften behoben werden müssen.

Der Start des Zuges erfolgte nur sehr langsam, denn zuerst musste ein Startpunkt definiert werden. Das war die in der Nähe gelegene Hektometertafel. Die Daten sind scheinbar eingegeben worden, denn von der Testmannschaft im Zug sind die erforderlichen Meldungen vorhanden. Auch ich bereite mich vor, dazu gehört, dass ich die Stoppuhr in die Hand nehme. Privat will ich genau wissen, wie schnell die Fahrt war, ein Wert der ebenfalls eindrucksvoll ist.

Mit den wenigen Zwischenwagen haben die beiden Triebköpfe keine grossen Schwierigkeiten die hohen Geschwindigkeiten zu erreichen. Bereits nach ein paar Kilometer stand auf dem Tachograph ein Wert von 240 km/h. Dieser Wert konnte jedoch nicht gehalten werden, weil die Geschwindigkeit über die Weichen vor dem Tunnel auf 200 km/h beschränkt waren. Danach kam vom ETCS die Freigabe für 275 km/h. Ich drückte auf den Startknopf der Stoppuhr.

Im Tunnel beschleunige der Triebzug immer mehr, bis letztlich die Geschwindigkeit von 275 km/h erreicht wurde. In den Kurven, die es im Tunnel gibt, merkte man, dass die Laufwerke am Anschlag liefen. Es war keine schöne Fahrt um die Kurven, daher denke ich, dass in diesem Tunnel nie 300 km/h gefahren werden wird, denn dazu sind die Radien schlicht zu gering. Man kann natürlich so fahren, wie die bemitleidenswerten Kollegen in Frankreich.

Selbst die Fliehkraft, die auf uns und den Zug wirkte merkten wir. Es war deutlich zu spüren, wie der Triebkopf aus den Federn gehoben wurde. Die seitlichen Schwankungen zeigten, dass keine weiteren Reserven vorhanden waren. Nur, für die Abnahme mussten diese Geschwindigkeiten gefahren werden. Die Vorschriften verlangen Höchstgeschwindigkeit plus 10%. Das ergibt eben 275 km/h und somit die aktuelle Geschwindigkeit.

Die Multifunktionsstellen in Faido und Sedrun waren nur kleine Veränderungen. Von den an der Tunnelwand montierten Tafeln konnte ich nur erkennen, dass sie da waren. Was geschrieben steht, konnte ich nicht beurteilen. Es machte daher durchaus Sinn, dass man mit ETCS Level 2 fährt. Es dauerte nur Sekunden um durch eine Nothaltestelle zu fahren. Danach folgte der nächste Abschnitt und letztlich sollte auch das Portal im Norden kommen.

Durch ETCS wurde die Geschwindigkeit des Zuges wieder gedrosselt. Der Bremsweg zum Stillstand des Zuges aus 275 km/h wurde mit über 8000 Meter berechnet. Da kommt man schnell in die Bremskurve, wenn die Signale nicht rechtzeitig auf Fahrt gestellt werden. Die automatische Zuglenkung war damit schlicht überfordert. Dadurch sank jedoch die Geschwindigkeit etwas und betrug gegen den Schluss noch 250 km/h.

Dann kam es, das Nordportal bei Erstfeld und ich drückte bei meiner Stoppuhr auf den entsprechenden Knopf. Von Hand gestoppt, dauerte diese Fahrt durch den Gotthard Basistunnel zwölf Minuten und 40 Sekunden. Eine kurze Fahrt, die klärte, dass der Tunnel nicht für 300 km/h ausgelegt wurde und dass man vermutlich die Kurven auch mit 250 km/h sehr gut merken wird. Mein Rekord bei den Geschwindigkeiten war gebrochen worden.

Die Fahrt ging jedoch weiter und letztlich erreichten wir mit dem Triebzug auch den Bahnhof von Altdorf und somit das Ziel. Dort hiess es dann wieder zurück und nach zwei weiteren rasanten Fahrten durch den Basistunnel stieg ich kurz nach ein Uhr morgens in Altdorf aus dem Zug. Meine Schuldigkeit für diese Nacht ist getan und es geht mit der letzten S-Bahn nach Erstfeld, wo ich Feierabend machen kann. Ein erlebnisreicher Tag endet.

Schlussworte

Die Tour ist geschafft, ich bin wieder zu Hause. Die für diesen Einsatz benötigten Kleider kann ich wieder auf die Seite legen, denn meine Einsätze im Basistunnel am Gotthard waren sehr selten. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn scheinbar war ich zu wertvoll um in den Tunnel geschickt zu werden. Die Folge war, dass die anderen Lokführer Testfahrten machten und ich mich mit den endloslangen Touren nach Chiasso vergnügen durfte.

Seit den beiden Einsätzen sind ein paar Tage vergangen. Nun sitze ich vor dem Computer und tippte diese Zeilen. Die letzte Tour des Depots Erstfeld ist damit geschafft. Wie ich schon am Anfang gesagt habe, wird es keine weitere Tour zum Depot Erstfeld mehr geben. Es war ein spezieller Einsatz, eine neue Lokomotive und ungewohnte Geschwindigkeiten. Hinzu kam eine äusserst sonderbare Strecke. Nur, damit ist es noch nicht getan. Noch bin ich Ihnen die Erklärung schuldig.

Es wird der Tag kommen, an dem ich die effektiv letzte Tour des Depots Erstfeld auch persönlich fahren werde. Jetzt am 03. Juni 2016, wo Sie diese Zeilen erstmals lesen können, wird das auch nicht mehr so lange dauern.

Genau genommen ist der dieser Tour folgende Unterbruch bei den Updates sogar damit verbunden. Ich muss meine Kräfte für andere Aufgaben bündeln und da muss die Homepage etwas zurück-treten.

Wie Sie schon wissen, wird SBB Cargo den Standort in Erstfeld per 11. Dez-ember 2016 schliessen. Damit verliere ich meine langjährige Arbeit im Depot Erstfeld.

In den Personenverkehr wollte ich nicht wechseln und so weiterhin im Depot Erstfeld beschäftigt sein.

Ich bin kein Lokführer für Reisezüge, denn ich liebe es die schweren langen Züge über die unterschiedlichsten Strecken zu führen. Kein strenger Fahrplan, der im Nacken sitzt.

Ein Kollege von mir bemerkte das einmal richtig, denn es ist einfacher die Bananen zu transportieren, als die Affen. Das mag etwas übertrieben wirken, aber es ist so, bei den Zügen von SBB Personenverkehr weiss die Kundschaft oft besser, wie ein Zug zu führen ist, als der Lokführer. Das wird natürlich mit bösartigen Gesten und Worten auch zum Ausdruck gebracht. Daneben können die Leute nicht mehr lesen und daher muss man ihnen erklären, dass der Zug nicht mehr fährt.

Somit stand mein Entscheid, den ich aus privaten Gründen gefällt habe, endgültig fest. Nach über 25 Jahren werde ich das Depot Erstfeld und somit auch den Kanton Uri notgedrungen verlassen. Ein Neuanfang mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Kein leichter Entscheid, aber für mich war es die richtige Lösung für ein Problem, das latent vorhanden war und das mich letztlich sogar ernsthafteren gesundheitlichen Problemen zuführen könnte.

Daher werde ich meine weitere berufliche Zukunft im Rangierbahnhof Limmattal RBL suchen. Dort werde ich in meiner bisherigen Funktion als Lokführer Cargo tätig sein. Touren ab dem Depot Erstfeld werde ich daher eventuell nur noch mit historischen Zügen fahren. Daher kann ich auch keine regulären Touren mehr zu diesem Depot schreiben. Erfolgt damit auch ein Abschied vom Gotthard und damit von der legendärsten Strecke der Schweiz?

Mit dem RBL eröffnen sich neue Möglichkeiten, denn dort gibt es die immer wieder gewünschten neuen Strecken und Landschaften. Daher wird es in Zukunft Touren ab dem neuen Standort geben. Das wird hoffentlich jene trösten, die schon Angst hatten, keine Touren mehr lesen zu können. Sie müssen daher nicht fordernde Mails schreiben, das Ende der Touren betrifft nur Erstfeld und Arth-Goldau, aber nicht das Thema.

Sozial ist der Entscheid jedoch eine Katastrophe, denn die Freundschaften, die ich im Lauf der Jahre aufgebaut habe, werden sich im schlimmsten Fall nicht mehr halten lassen. Ich hoffe jedoch inständig, dass mich die neuen Berufskollegen im RBL aufnehmen werden. So, wie es die Lokführer aus Erstfeld auch taten, als ich als Heizer am 01. Mai 1991 das erste Mal im Depot Erstfeld stand. Nun mache ich das auch, aber als Lokführer und am 14. Oktober 2016.

Für die Kollegen im RBL: Ich wäre dann eben der Neue.

 

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