Erstfeld - Chiasso - Erstfeld

Es ist Sonntag, die Gläubigen kommen gerade aus der Kirche nach Hause, als ich mich endlich aus dem Bett erhebe. Den Schlaf noch in den Augen schaue ich aus dem Fenster. Draussen präsentiert sich ein schöner sonniger Herbsttag. Das Laub beginnt sich bereits zu verfärben. Die Natur wird bunt. Doch trotz dieser romantischen und beschaulichen Wettersituation muss ich am Abend zur Arbeit. Doch bis es soweit ist, geniesse ich den Sonntag. Die Sonntagspresse lesen und ein sonntägliches Mittagessen. Nur auf den Alkohol verzichte ich, da ich ja noch arbeiten muss.

Die Uhr hat gerade 4 geschlagen, als ich mich auf den Weg zur Arbeit mache. Ein kühler Wind lässt erahnen, dass es Herbst ist, die Sonne verschwindet gerade hinter den Bergen und die Schatten werden immer länger. Noch dauert es aber ein paar Minuten und ich geniesse die letzten Sonnenstrahlen. Die Strassen sind ruhig, die meisten Leute sind schon von ihrem Sonntagsspaziergang zurückgekehrt.

Auch im Depot herrscht Ruhe, am Sonntag arbeiten auch bei uns weniger Leute als sonst. Im PC schaue ich gerade nach, ob meine Leistung heute normal verkehrt, dem ist so. Ein Blick auf den Zuglagenbildschirm lässt mich erkennen, dass ich wohl zu früh gekommen bin, denn mein Zug ist weit und breit noch nicht zu sehen. Auch sonst gibt es darauf kein interessantes Programm.

Jetzt kontrolliere ich das ProSurf, ein Programm auf dem alle Züge der SBB aufgeführt sind. Darin kann ich erkennen, wie schwer mein Zug ist und vor allem wo. Die roten Zahlen bei meinem Zug sind für einen Sonntag eigentlich überraschend, denn der Zug ist eine halbe Stunde zu spät. Die dadurch gegebene Wartezeit nutze ich noch um die Daten meiner LEA zu aktualisieren, geplant hatte ich das in Chiasso. Kurz vor 5 mache ich mich zu Fuss auf den Weg in Richtung Südkopf des Bahnhofes Erstfeld, mein Zug nähert sich dem Bahnhof und hat soeben Altdorf passiert.

Kurz nach 5 ist es dann soweit, mein Zug kommt in Geleise 2 an. Der Kollege, auch ein Erstfelder, der den Zug gebracht hat, meint, dass er Schuld sei an der Verspätung. Ich frage ihn, wie das kommen konnte. Er meinte, dass er mit seinem Zug nach Basel so viel zu spät war, dass es eigentlich keine Pause mehr gegeben hätte, aber er habe sich korrekterweise dazu entschlossen, eine Pause einzulegen.

 

Erstfeld – Chiasso Smistamento

Ich melde dem Fahrdienstleiter meine Fahrbereitschaft. Die Zeiger der Uhr stehen kurz vor 10 nach 5. Aha, der IC wird vermutlich noch zuerst fahren. Doch der Bahnhof meint, dass es gleich losgehen wird und ich schnell fahren soll, da ich vor dem IC verkehre. Als die Signale endlich Fahrt zeigen, beginne ich, den Stufenschalter langsam Stufe um Stufe hoch zuschalten. Langsam setzt sich mein Zug in Bewegung. Das Gewicht von fast 1'300 Tonnen belasten die Re 10 stark. Schnell beschleunigt der Zug nicht, zudem kommt gleich nach dem Bahnhof die Steigung.

Endlich, der letzte Wagen hat die ablenkende Weiche passiert. Ich könnte jetzt weiter beschleunigen. Nur, ich habe die erlaubte Geschwindigkeit noch gar nicht erreicht. Der Zug ist einfach zu schwer. Kurz nach der ersten Steigung folgt ein flacher Abschnitt, der mir letztlich helfen wird, meinen Zug weiter zu beschleunigen. Doch, vor dem Gefälleknick muss ich Zugkraft zurücknehmen, denn sonst könnte die Kupplung reissen.

Langsam erreicht mein Zug die erlaubten 75 km/h. Jetzt kann ich die Geschwindigkeit halten, denn dank dem trockenen Wetter haben die beiden Lokomotiven kein Problem mit den hohen Strömen. Ein erstes Mal kontrolliere ich meinen Zug, die Tragwagen mit den Wechselbrücken folgen willig meinen beiden Loks.

Die Gebäude von Amsteg-Silenen beachte ich nicht, denn ich muss meine Zugkraft wieder aufbauen, damit der Zug in der anschliessenden Steigung nicht langsamer wird, und ich mühsam neu beschleunigen muss. Der Bristentunnel und die anschliessende Intschireussbrücke habe ich gerade passiert, als ich noch einen Eisenbahnfotografen erblicke. Er fotografiert nicht, sondern filmt. Wieder bin ich der geheime Star in einem Homevideo und niemand kennt mich. So ist es schön ein Star zu sein.

Zeit zum Nachdenken habe ich nicht, denn die Vorsignale der Spurwechselstelle Zgraggen müssen beachtet werden, doch sie zeigen nichts ungewöhnliches. Die Autobahn hat wie immer viel Verkehr. Im Gegensatz zu ihr, befinde ich mich mit meinem Zug auf der Schattenseite.

Vor Gurtnellen muss ich noch ein Pfeifsignal mit meiner Lok geben, um die Leute auf dem Fussgängerübergang zu warnen. Na ja, wie immer waren sie wieder nicht dort, aber wenn einmal nicht gepfiffen wird, dann stehen sie sicher dort.

Bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Gurtnellen grüsse ich den dortigen Fahrdienstleiter, der aus der Türe winkt. Beruhigend, er hat gesehen, dass es mir gut geht und umgekehrt. Wie in Amsteg versuche ich auch nach der Station die Geschwindigkeit zu halten. Diesmal gelingt es mir nicht so gut und die Geschwindigkeit fällt etwa 5 km/h zusammen. Mit dem maximal erlaubten Fahrmotorstrom beschleunige ich wieder. Es ist bereits dunkel, als ich wieder 75 km/h erreicht habe. Nein, es hat nicht so schnell eingenachtet, ich befinde mich mitten im Pfaffensprung-Kehrtunnel.

Nach dem Tunnel blicke ich nach unten. Ich sehe die freie Strecke unten. In Amerika, wäre der Zug wohl noch nicht im Tunnel verschwunden. Aber meine 450 Meter haben das untere Portal schon längst passiert, ja, wie ich im Rückspiegel sehe auch das obere. Der Abschnitt, der jetzt kommt ist allen bestens bekannt, ich überquere die untere Meienreussbrücke und verschwinde im Kirchbergtunnel. Darauf steht sie, die bekannte Kirche von Wassen.

In der grossen Kurve, die den Zug auf die andere Talseite zum Wattinger Kehrtunnel bringt habe ich aber keine Zeit um die Kirche zu bewundern. War da was an einem Wagen, nein, es war ein Lichtreflex, der nichts zu bedeuten hat und die Planen scheinen ebenfalls fest zu sitzen. Der Tunnel verschluckt meine Loks und die Kontrolle des Zuges muss ich beenden. Jetzt geht es wieder in Richtung Norden. Im Bahnhof Wassen steht eine einsame Frau und schaut mich gelangweilt an. Sie muss warten, während 20 Meter später ihr Mann nervös den Auslöser seiner Kamera betätigt. Ob das Bild noch was geworden ist, mag ich bezweifeln, denn die Lichtverhältnisse sind nicht mehr optimal.

Kurz vor Göschenen erinnere ich mich, dass ja der IC hinter mir ist. Ich nehme mal an, dass ich in Göschenen durch ihn überholt werde. Doch die Signale zeigen freie Fahrt. Kurz vor dem Tunnel schaue ich meinen Zug nochmals an, die nächsten 15 Kilometer kann ich das nicht mehr. Im Tunnel beschleunige ich auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, die bei meinem Zug gerade mal bei 80 km/h liegt. Der gerade Tunnel erlaubt mir, schon weit vor mir Gegenzüge zu sehen, wenn sie da wären. Im Gegenteil, auch das Signal des rechten Gleises geht auf Fahrt. Aha, jetzt kommt der Intercity im Gotthard.

Ein Wettrennen mit unterschiedlichen Voraussetzungen beginnt. Ich fahre langsamer, habe zudem einen Güterzug und bin erst noch zu spät. Zwar nicht mehr die 30 Minuten von Erstfeld, sondern nur noch 20 Minuten. Da der Rückspiegel wegen der hohen Luftfeuchtigkeit angelaufen ist, kann ich nicht erkennen, wo sich der andere Zug befindet.

Mitten im Tunnel höre ich einen Funkspruch. Die Station Airolo ruft meine Zugnummer. Ich gebe Antwort. Für einmal auf Deutsch, normalerweise versuche ich so viel italienisch wie möglich zu sprechen. Die Fahrdienstleiterin teilt mir mit, dass ich langsam fahren soll, da der IC beim Spurwechsel Sordo vor mich komme. Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, braust der schnelle Zug an mir vorbei. Ich kann die Leute in den Wagen dank dem Licht gut erkennen, viele sind es nicht.

Kurz vor Airolo prüfe ich die Funktion meiner Bremsen. Zuerst die Druckluftbremse der Wagen, die auch wie erwartet reagieren. Jetzt ist noch die elektrische Nutzstrombremse meiner Loks an der Reihe, auch sie funktioniert. Der Talfahrt steht nichts mehr im Weg. Bei der Durchfahrt durch Airolo habe ich gerade noch 40 km/h. Vom Intercity ist nichts mehr zu sehen.

Irgendwann wird die elektrische Bremse nicht mehr ausreichen. Bei etwa 30 km/h ist es dann soweit, die Nadel des V-Messers bleibt stehen und ändert die Richtung. Mein Zug wird schneller! Als ich mich dem Vorsignal des Spurwechsels Sordo nähere, sehe ich, dass das Vorsignal noch Warnung zeigt, ich leite eine Bremsung mit der Druckluft ein. Kurz bevor ich das Signal passiere ändert es seine Stellung. Jetzt habe ich genügend Abstand zum IC, damit ich meine Fahrt normal fortsetzen kann.

Mal schneller und dann wieder langsamer geht es die Rampe des Gotthards runter. Mittlerweile begegnet mir der zweite Lokzug der BLS, die anscheinend keine Wagen zu befördern haben. Jetzt fällt es mir auf, dass ich die einzigen bewegten Güterwagen in meinem Rücken habe, sonst habe ich noch keinen Güterzug gesehen. Immer wieder schaue ich nach hinten, nein, ich will nicht unbedingt Güterwagen sehen, vielmehr interessiere ich mich für die Räder der Wagen. Da es mittlerweile schon recht abgedunkelt hat, könnte ich eine feste Bremse am leuchten der Laufflächen erkennen.

Kurz vor Bodio kommt noch die ZKE-Messanlage, die sowohl die Temperatur der Lager als auch der Bremsen misst. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, war meine Fahrt gut, oder hat ein Wagen ein Problem. Gesehen habe ich nichts, anscheinend hat auch die Anlage nichts Verdächtiges gemessen, sonst hätte mich der Fahrdienstleiter Bellinzona, wo der Alarm ausgelöst wird, bereits verständigt. Trotz meiner beschränkten Geschwindigkeit bleibe ich auch in Biasca vor dem Schnellzug, der jetzt nur noch ein paar Minuten hinter mir ist.

Die Fahrt in Richtung Bellinzona stellt weder an die Lokomotiven noch an die Bremsen der Wagen grosse Bedingungen. Ich nähere mich Bellinzona. Die Signale zeigen mir eine normale Durchfahrt.

Ein Blick auf die Uhr bei der Durchfahrt zeigt mir, dass ich nur noch 10 Minuten zu spät bin. Die Zeit, die ich bis jetzt gut gemacht habe, konnte ich dank den Durchfahrten in Göschenen und San Paolo gewinnen. Zeit, die ich benötigt hätte um die Schiebelokomotive bei und weg zu stellen. Zudem hätte ich in Biasca noch den IC überholen lassen müssen.

Das Einfahrsignal von Giubiasco löst bei mir keine Begeisterung aus, es geht ins Geleise zwei, jetzt wird wohl der Schnellzug überholen. Vor dem Halt zeigenden Ausfahrsignal halte ich an. Ja, am Ceneri wird gebaut und es steht nur ein Gleis zur Verfügung. Auch nachdem der Schnellzug an mir vorbei gefahren ist bleibt das Signal auf Halt. Infos habe ich bis jetzt keine erhalten.

Endlich, das Signal zeigt wieder Fahrt. Meine Verspätung ist wieder auf 30 Minuten angestiegen. Auch hier beginnt schon nach der Station die Steigung. Ich habe gerade die auch hier erlaubten 75 km/h erreicht, als ich im Funk höre, wie einem Intercity gefunkt wird. Die Information an ihn ist klar, er soll langsam fahren, da ein Gegenzug komme und er im Spurwechsel eine Kreuzung habe. Kreuzung mit mir!

Im Bereich der Baustelle ist die Geschwindigkeit zur Sicherheit auf 60 km/h beschränkt. Die Verzögerung ist nicht schwer, denn ich muss nur etwas Zugkraft zurück nehmen und mein Zug wird langsamer. Kurz bevor ich die 60 km/h erreicht habe erhöhe ich die Zugkraft wieder, damit ich die Geschwindigkeit halten kann. Schon fahre ich an der ruhenden Baumaschine vorbei, jedoch sehe ich an den Arbeitern, dass die Arbeit gleich aufgenommen werden wird. Schliesslich hat auch der letzte Wagen die Langsamfahrstelle passiert. Ich beschleunige wieder. Na ja, ich versuche es zumindest, aber die Nadel des V-Messers will sich nicht bewegen, doch jetzt wird der Zug etwas schneller.

Als ich den Einspurabschnitt verlasse, steht auch schon der Intercity vor dem Signal und wartet. Für einmal hatte der Güterzug Vortritt. Das macht Sinn, denn ein Güterzug, der den Berg hoch fährt beschleunigt viel langsamer, als ein Intercity, der zudem noch bergab fährt. Der Scheiteltunnel des Monte Ceneri verschluckt meine Loks und ich habe gerade mal 72 km/h erreicht.

Bei der Durchfahrt in Rivera-Bironico prüfe ich erneut die Bremswirkung. Da die Bremsen bis jetzt funktioniert haben, bin ich auch nicht überrascht, als der Zug verzögert. Interessant ist die Fahrt durch das Val Vedeggio nicht, aber schliesslich habe ich es auch geschafft, ich fahre durch den Bahnhof Lugano. Auch weiter habe ich freie Fahrt. In Mendrisio zeigt das Einfahrvorsignal 40 km/h an.

Der Fahrdienstleiter in Mendrisio wollte kein Risiko eingehen und hat mir eine Einfahrt gestellt, die neben den damals noch dort stehenden Schnellzug führt. Bis ich jedoch den Bahnhof erreicht habe, ist auch das Ausfahrsignal auf Fahrt. Der Schnellzug ist in Balerna. Ab jetzt geht es nur noch Bergab. In Balerna verlasse ich die eigentliche Strecke um die Linie in Richtung Rangierbahnhof zu befahren. Auch dessen Einfahrvorsignal zeigt 40km/h an, das ist normal.

Bei der Einfahrt löse ich die Bremsen des Zuges wieder. Jetzt lösen die Wagen von vorne nach hinten und die Geschwindigkeit bleibt in etwa gleich hoch obwohl noch einige Wagen im Gefälle sind. Wieder halte ich vor dem Hauptsignal an. Ab jetzt ist die Zugfahrt fertig, ich habe meinen Endbahnhof erreicht, mit 25 Minuten Verspätung. Ein Rangierarbeiter löst die Kupplung meines Zuges und trennt die Wagen von der Lok. Er gibt mir das Signal, dass er fertig ist. Die Zwergsignale, die hier die Rangierfahrten regeln, zeigen bereits Fahrt.

Langsam nähere ich mich dem Geleise, in dem ich die Fahrrichtung wechseln muss, ich muss zurück, denn vor mir gibt es nur noch Fahrleitungen mit Gleichstrom und damit können meine Loks nichts anfangen. Nachdem ich den Führerstand gewechselt habe, schalte ich die Loks wieder ein. Die Fahrt führt an meinem Zug vorbei. Immer noch habe ich keine bewegten Güterwagen ausser meinen gesehen. Bei den Ausfahrsignalen in Richtung Schweiz steht schon der Mann, der meine Zugspapiere in Empfang nimmt. Ich gebe sie ihm und fahre weiter in Richtung Depot.

Das ist ein rechtes Stück Weg, zu Fuss ergäbe das eine rechte Wanderung. Vor einem Zwergsignal, das Halt zeigt halte ich an. Nicht geht mehr, ich warte und warte. Jetzt, ja jetzt kommen Güterwagen gerollt. Aber eben, keine neuen, sondern mein Zug wird in ein anderes Gleis gestellt und rollt erneut an mir vorbei. Letztlich geht das Zwergsignal auf Fahrt. Der Fahrweg geht nicht ins Depot, sondern in ein Abstellgeleise. Dort bleiben meine Loks stehen. Bis ich alle Arbeiten erledigt habe zeigt die Uhr 20.45 Uhr. Meine Pause ist eine halbe Stunde kürzer.

 

Die Pause

Was macht man am Sonntagabend in einem Ort wie Chiasso. Etwas Essen natürlich, denn ich habe ja noch eine längere Heimfahrt vor mir und die ist nicht unbedingt angenehm mit knurrendem Magen. Irgendwo wird es ja sicher noch etwas Warmes zum Essen geben. Nach all den Jahren ist es für mich nicht schwierig schnell das richtige Lokal zu finden. Eine Pizzeria nicht weit vom Depot entfernt. Eigentlich reicht eine Stunde zum Essen, doch jetzt habe ich mehr als genug Zeit.

Ich bestelle mein Essen, mache mir ein paar Notizen in meine Agenda und schaue so, was die Leute an den anderen Tischen machen. Verstehen kann ich nichts, denn meine Kenntnisse in der Italienischen Sprache reichen bei weitem nicht aus, um einer angeregten Diskussion zu folgen. Es dauert nicht lange, bis meine bestellte Pizza kommt. Hier im Süden schmecken sie einfach besser als bei uns zu Hause, zudem sind sie noch ein ganzes Stück grösser.

Sie hat gut geschmeckt, vom Restaurant wird mir noch ein Kaffee offeriert. Ich nehme ihn dankend an. Die kleine Tasse mit dem starken Espresso ist schnell leer getrunken. Ich bezahle meine Schulden und mache mich auf den Weg zurück ins Depot. Nein, es ist noch lange nicht Zeit um wieder mit der Arbeit zu beginnen. Aber im Depot habe ich einen PC mit dem ich Zugang zum Internet habe.

So kann ich mir noch einige Websites anschauen und muss das nicht mehr nach Feierabend erledigen. Das Depotgebäude steht leer, keine Kollegen, einfach niemand. Am Automat noch schnell eine Flasche Mineralwasser beziehen und dann an den PC. Gerade als ich mich mit ein paar Informationen beschäftige erscheint doch noch jemand im Raum. Es ist der Schaltwärter, der anscheinend auch keine Lust hatte alleine herum zu sitzen. Es ist halt die Nacht von Sonntag auf Montag.

Ich erkundige mich, wie viele Loks ich für meinen Zug habe. Die Frage ist nicht unbegründet, denn in meiner Einteilung steht, dass ich eine Doppeltraktion einrichten muss. Für gewöhnlich heisst das, es sind vier Maschinen. Er erklärt mir aber, dass es nur zwei Lokomotiven sein werden. Langsam rückt die Zeit immer näher ans Ende meiner Pause. Als es endlich soweit ist, bin ich froh, dass ich den Heimweg wieder antreten kann.

 

Chiasso – Erstfeld

Da der Schaltwärter neben mir sitzt, erkundige ich mich nach dem Standort der Lok, bevor ich mich auf den Weg mache. Er gibt mir den Standort bekannt und meint, dass die Handweichen für mich stehen. Ich könne somit bis zum Zwergsignal vorfahren. Ich nehme meine Tasche, ziehe mir die Warnweste wieder über und mache mich auf den Weg in die Dunkelheit. Der Schaltwärter schaut sich immer noch die Webseiten an, auf jeden Fall bleibt er sitzen. Nach einem kurzen Fussmarsch erreiche ich meine Lokomotiven. Es ist wieder eine Re 10 und diesmal ist nicht die Re 4/4 II sondern die Re 6/6 an der Spitze. Um genau zu sein die 11'622, die erste Re 6/6 die ich in meinem Leben gesehen habe.

Ich kontrolliere, ob auch alles am gewohnten Platz ist und vor allem ob es keine Schäden am Laufwerk gibt. Alles in Ordnung, ich kann die Lokomotiven einschalten. Nach dem obligatorischen Test der Bremsen beginne ich die Fahrt.

Kurz rasch eine Stufe hoch schalten, danach sofort wieder abschalten, die Loks rollen weiter. Ein gutes Zeichen, denn dann sind auch wirklich alle Bremsen lose. Kurz vor dem Zwergsignal halte ich an. Ich melde mit einem Tastendruck am entsprechenden Mast dem Fahrdienstleiter, dass ich fahrbereit bin. Es dauert nicht lange, bis das Zwergsignal mir die Fahrt frei gibt.

Die Fahrstrasse führt direkt vor meinen Zug. Beim heranfahren stelle ich fest, dass der Zug recht lang sein muss. Kurz vor dem ersten Wagen halte ich an. Der Kuppler stellt sich zwischen den Puffern auf und gibt mir das Zeichen zum anfahren, was ich auch gleich mache. Nachdem ich die Loks ausgeschaltet und den Führerstand verlassen habe, kontrolliere ich noch, ob auch alles richtig gekuppelt ist. Das ist der Fall und ich mache mich auf den Weg. Bei zwei Loks sind das gerade mal 35 Meter bis ich am anderen Ende angekommen bin.

Ich besteige die Leiter des Aufstiegs zum Führerstand und schalte die Loks wieder ein. Der Bedienstete mit den Zugspapieren steht bereits neben der Lok und übergibt mir die Dokumente. Langsam werden die Bremsen der Wagen gelöst, nachdem ich das Bremsventil in Betrieb genommen habe. Ich kontrolliere jetzt noch, ob auf der Belastungsanzeige auch alles richtig vermerkt ist. Zugnummer, Datum und der Laufweg stimmen. Aber Halt, nicht Basel ist als Ziel vermerkt, sondern Aarau. Darum schaue ich nochmals im Bund mit den Papieren nach. Aha, da ist die zweite Anzeige von Aarau nach Basel.

Gerade als ich die Eingaben für das ZUB 121 am Funkgerät beendet habe, ruft mich der Visiteur vom Zugende aus am Funk auf. Ich gebe Antwort. Er teilt mir mit, dass ich einen Meter vorziehen und danach die Bremsen anziehen soll. Vorziehen muss ich, damit er den Hemmschuh, der verhindert, dass die Wagen in Richtung Italien rollen, wegnehmen kann. Gegen die Schweiz ist das nicht nötig, da in dieser Richtung die Strecke noch im Bahnhof ansteigt.

Kurz nach dem ich die Bremsen festgezogen habe, ruft er, dass ich lösen könne. Ich bestätige und verbringe das Bremsventil wieder in die Füllstellung. Obwohl die Hauptleitung normalerweise einen Druck von 5 bar hat, steigt der Zeiger für den Bremsleitungsdruck immer höher, bis er 7 bar erreicht. Angst macht mir dies keine, denn ich erkenne, daran, dass auch der Hochdruckfüllstoss funktioniert. Kurz bevor die Hauptleitung den Druck von 5 bar übersteigt, senkt sich der Zeiger wieder ab auf 5.4 bar. Dieses System hat schon manchen Berufskollegen aus dem Ausland überrascht.

Am Funk höre ich, wie der Visiteur mir Bremse gut meldet und einen angenehmen Abend wünscht. Ich danke und quittiere seine Meldung. Dem Mitarbeiter, der immer noch neben der Lok steht, teile ich meine Fahrbereitschaft mit. Die ist erfüllt, wenn ich noch die Beleuchtung vorne kontrolliert habe. Er verabschiedet sich und geht zu einem Telefon, das im Gleisfeld steht.

Es leuchten alle Lampen wie sie sollten. Fahrplanmässige Abfahrzeit ist erst in etwa 20 Minuten. Doch ich mag kaum auf meinen Stuhl Platz nehmen, als das Signal auf Fahrt geht. Irgendwie scheint es fast so, als wollten die Mitarbeiter Feierabend machen und sind froh, wenn der letzte Güterzug dieses Sonntags losgefahren ist.

Die etwas mehr als tausend Tonnen sind auf über 130 Achsen verteilt. Und obwohl es so viele Achsen sind, hat der Zug eine Länge von knapp 500 Meter. Bis der letzte Wagen den Bahnhof verlassen hat dauert es lange, da ich nur mit 40 km/h fahren darf. Die Steigung, die hoch bis Mendrisio reicht, erleichtert die Beschleunigung keinesfalls. Irgendwann zwischen Chiasso und Balerna erreiche ich die erlaubte Geschwindigkeit doch noch.

Nichts besonders stellt die Fahrt bis Mendrisio dar, jetzt geht es jedoch bergab und ich überprüfe ein erstes Mal, ob meine Bremsen auch korrekt funktionieren. Überprüft hatten wir das zwar schon vor Abfahrt in Chiasso, doch jetzt ist viel mehr die Wirkungsweise gefragt. Das muss ich auch, denn in Capolago zeigt das Ausfahrvorsignal an, dass die Ausfahrt nur mit 60 km/h erlaubt ist. Ich muss das rechte Streckengleis befahren. Anscheinend wird etwas gearbeitet, denn in meinem normalerweise befahrenen Gleis steht ein Deckungssignal. Das Gleis ist gesperrt. In Maroggia sehe ich dann auch warum, denn dort sind Arbeiten an der Fahrleitung im Gange.

Nach dem Bahnhof geht die Fahrt auf dem richtigen Gleis wieder weiter. Ich nähere mich gerade langsam dem Bahnhof von Lugano, als mich Bellinzona am Funk aufruft. Ich gebe Antwort, diesmal auf italienisch. Obwohl ich italienisch geantwortet habe erfolgt der restliche Funkverkehr auf deutsch. Ich erhalte den Auftrag bis Bellinzona so schnell wie möglich zu fahren.

Kurz nach der Station Lugano folgt bereits der nächste Einspurabschnitt. Auf der Spurwechselstelle werden die Weichen gewartet. Die Scheinwerfer, die aufgestellt wurden, damit die Arbeiter etwas sehen können blenden mich, so dass ich im Blindflug an den Arbeitern vorbei fahren muss. Laut Fahrplan sollte eigentlich der Schnellzug aus Norden schon recht nah sein. Jetzt weiss ich auch warum ich schnell fahren muss, denn bis ich Taverne-Torricella erreicht habe, dauert das doch ein paar Minuten.

Ausser einer leeren abgestellten Rola, die vermutlich am Morgen nach Lugano Vedeggio geholt wird ist kein Zug in Taverne-Torricella zu sehen. Der Schnellzug scheint etwas verspätet zu sein. Ich befinde mich bereits wieder in der Steigung in Richtung Rivera-Bironico, als er mir entgegen kommt. Der zweite Zug, den ich seit Chiasso sehe. Viele werden es jedoch nicht mehr sein.

Ein einsamer Güterzug, der durch die dunkle Nacht nach Rivera fährt, das scheint alles zu sein, was hier in der Gegend bewegt wird. Na ja, hie und da kommt auf der Strasse noch ein Auto gefahren. Nach Rivera-Bironico beginnt das Gefälle nach Giubiasco. Die Bremsen, die ich vor Taverne erneut überprüft hatte, funktionieren und die Talfahrt sollte keine grossen Schwierigkeiten hervorrufen.

Beim Spurwechsel, wo ich beim letzten Zug den IC gekreuzt habe, kann ich mit 60 km/h über die ablenkenden Weichen in den Einspurabschnitt, dem Dritten seit Abfahrt, einfahren. Über die Weichen muss ich die Bedienung der Bremsen etwas ändern. Damit keine zu grossen Kräfte auf die Puffer wirken, muss ich den Bremsstrom meiner elektrischen Bremse stark reduzieren. Die fehlende Bremswirkung muss ich mit der Druckluft der Wagen ergänzen.

Es dauert einige Zeit, bis auch der letzte Wagen die Weichen passiert hat. Jetzt kann ich wieder mit der normalen Bedienung weiter fahren. Mein Zug hat schon wieder eine Geschwindigkeit von 70 km/h erreicht, als sich das Vorsignal zur Langsamfahrstelle nähert. Die Druckluftbremsen müssen wieder arbeiten, das ist nicht so schlimm, da ich ja sowieso gleich die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erreicht hätte und die Druckluft zur Hilfe nehmen müsste.

Mittlerweile habe ich die Baumaschinen erreicht. Jetzt stehen sie nicht mehr so still und leise da, sie arbeiten. Auch hier blenden mich die Lampen der Baustelle. Der Platz ist sehr beengt, ich hoffe nur, dass die Arbeiter aufpassen, denn ich würde es nicht merken, wenn sich hinter mir einer mit einem Wagen anlegt. Im Bereich wo der Schotter ausgewechselt wird ist es zu allem Elend noch staubig, wieder ist absolut nichts zu erkennen. Die zwei grünen Lichter, die an meinem Führerstand vorbei huschen, gehören zum Vorsignal. Ja, der Bauzug reicht bis weit nach dem Spurwechsel, so dass der Einspurabschnitt bis Giubiasco reicht.

Die Einfahrt in Giubiasco erlaubt nur 60 km/h, das erkenne ich schon am Vorsignal. Ich wechsle wieder auf mein normales Geleise. Doch was ich jetzt zu sehen bekomme überrascht auch mich. Auf der Ausfahrseite Richtung Bellinzona wird an den Weichen gearbeitet. Der Einspurabschnitt dauert bis Bellinzona, da in Giubiasco nur ein einziges Gleis befahren werden kann. Jetzt verstehe ich endgültig, warum die Schnellfahrt bis Bellinzona zu erfolgen hat.

In Bellinzona wechsle ich wieder auf das rechte Gleis, nein, diesmal ist es keine Baustelle. Vor wenigen Minuten habe ich gehört, dass dem vor mir fahrenden Nachtschnellzug in Bellinzona noch Wagen abgehängt werden. Diese waren vermutlich noch nicht entfernt worden, als mir das Signal geöffnet wurde. Der Regionalzug nach Chiasso wartet hier auf meine Ankunft. Von den Wagen sehe ich nichts mehr, die sind wohl inzwischen weggestellt worden.

Nach dem Rangierbahnhof San Paolo wechsle ich wieder auf das linke Geleise. Langsamer fahren muss ich deshalb nicht, da diese Weichen schneller befahren werden können, als die anschliessende Strecke. Hier wartet kein Gegenzug, das wird noch etwas dauern. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich momentan fast 40 Minuten vorzeitig verkehre. Es könnte ganz gut sein, dass ich etwas früher Feierabend machen könnte. Nach Castione-Arbedo kann ich erstmals die Höchstgeschwindigkeit meines Zuges ausnutzen und ich beschleunige auf die erlaubten 100 km/h.

In Bodio hat dann die flotte Fahrt, wie sie seit Chiasso vorgeherrscht hat ein Ende. Das Ausfahrsignal zeigt Halt. Zumindest tat es das, bis ich kurz vor ihm zu stehen komme. Warum war das Signal wohl auf Halt. Es ist ja kein Zug weit und breit zu sehen. Kurze Zeit später erfahre ich den Grund. Kurz unterhalb Giornico in der grössten Steigung der Gotthardbahn kommt mir ein Schnellzug entgegen. Nach dem gleichnamigen Spurwechsel sehe ich den Grund. Erneut herrscht Einspurbetrieb. Das Gras der Bahnböschung wird gemäht. Jetzt ist es logisch, dass das Signal in Bodio Halt zeigte. Es ist leichter den Zug in der Station zu beschleunigen als hier in der vollen Steigung.

Die Kehrtunnel der Biaschina passiere ich jetzt mit nur noch gut 30 Minuten Vorsprung. Kurz nach Lavorgo begegnet mir der Nachtschnellzug aus Zürich nach Rom. Das war der letzte Reisezug, den ich bis Erstfeld gesehen habe. Und obwohl ich noch eine Stunde Fahrzeit vor mir habe, fehlt nur noch ein einziger Zug. Der einzige Güterzug, den ich sehen werde. Es ist die Rola aus Singen.

In Ambri ist das Eishockeyspiel vom Abend bereits lange beendet und die Fans sind nach Hause gefahren, in der Eishalle brennt aber noch Licht. Wieder muss ich das Gleis wechseln. Jetzt geht es erneut auf dem rechten Gleis hoch bis Sordo. Nein, das Vorsignal zum Spurwechsel sehe ich schon von weit her, dort geht es gerade aus. Somit fahre ich rechts bis Airolo. Wieder mal schaue ich  in den Rückspiegel ob an meinem Zug alles in Ordnung sei. Ich kann nichts erkennen, es ist einfach dunkel. Ein gutes Zeichen, denn dann sind alle Bremsen lose. Ich kann beruhigt in den Gotthardtunnel fahren.

Die Ausfahrt von Airolo ist reduziert, ich wechsle wieder auf mein angestammtes Geleise. Der schnurgerade Tunnel lässt mich erkennen, dass ausser mir auf den nächsten 7 Kilometer kein Zug unterwegs ist. Auch nach der Kuppe sehe ich keinen Zug bis Göschenen. Mit dieser Kuppe habe ich soeben den höchsten Punkt des SBB-Netzes befahren.

Ab jetzt geht es nur noch bergab bis Erstfeld. Im Tunnel mache ich wieder den obligatorischen Check der Bremsen. Keine Probleme, die Wagen bremsen und lösen. Auch die elektrische Bremse funktioniert einwandfrei.

Bei der Durchfahrt in Göschenen ruft mich die Station am Funk auf. Ich gebe Antwort. Der Fahrdienstleiter teilt mir mit, dass ich in Wassen vor Einfahrt zum stehen komme, wegen einem Gegenzug. Diese Information ist mir sehr willkommen. Ich weiss jetzt, dass ich es auf dem ersten Abschnitt gemütlich nehmen kann. Zumal der Spurwechsel Eggwald wieder mit ablenkenden Weichen befahren werden muss. Wie am Ceneri muss ich die Bremsbedienung ändern.

Jetzt auf dem rechten Gleis, komme ich vor dem Einfahrsignal zum halten. Probleme mit dem Bremsweg hatte ich keine, da ich ja schon in gemütlicher Fahrt gekommen bin. Mein Zug steht still. Die Bremsen lasse ich auch an den Wagen angezogen. Normalerweise werden diese nach dem Halt wieder gelöst. Doch hier am Gotthard arbeitet man etwas anders und die Bremsen bleiben fest. Es dauert noch einige Minuten, bis die Rola daher gefahren kommt. Sie scheint recht gut beladen zu sein. Der Zug hat mich noch nicht in seiner ganzen Länge passiert, als das Einfahrsignal mit 60 km/h auf Fahrt geht.

Eine Slalomfahrt, die durchaus sinnvoll ist, auch wenn es nicht so erscheint. Warum sollte der talwärts fahrende Zug auf das rechte Geleise wechseln, wenn er später wieder sein normales Gleis benutzt. Nun, der Vorteil liegt darin, dass der bergwärts fahrende Zug nicht in die Steigung beschleunigen muss. Der Druck in der Hauptleitung steigt langsam auf 5 bar an. Noch stehe ich still. Die Bremsen sind noch nicht lose.

Langsam beginnt sich meine Lok zu bewegen. Am V-Messer kann ich noch nichts erkennen, aber ich bemerke die Bewegung meiner Lok. Jetzt nimmt auch der V-Messer seine Arbeit auf. Ich beginne sogleich wieder die elektrische Bremse der Lok zu bedienen. Zwar im Moment noch mit den reduzierten Werten. Langsam wird der Zug schneller und schneller. Ich bin schon weit in der Station, als auch der letzte Wagen die Weichen passiert hat. Jetzt gehe ich mit der elektrischen Bremse auf die erlaubten maximalen Stromwerte.

Der Zug verzögert. Macht nichts, denn ausser mir ist niemand auf der Strecke, ich bin vorzeitig und fahre daher so wirtschaftlich wie möglich. Das bedeutet jetzt, dass die Minuten, die ich ohne die Druckluftbremsen auskomme vorteilhaft sind. Dafür sprechen 2 Gründe. Erstens die Verzögerung wird in Energie für die Fahrleitung umgewandelt und die Bremsen der Wagen können abkühlen. Sie werden noch lange gebraucht.

Bei der Durchfahrt in Gurtnellen grüsst mich der Fahrdienstleiter. Auch er hat eine ruhige Nacht. In den Rückspiegeln erkenne ich, dass immer noch alles in Ordnung ist. Auf der Autobahn, die ich bei Intschi überquere ist kein einziges Auto zu sehen. Kurz vor Amsteg-Silenen sehe ich die Lichter der NEAT-Baustelle. Dort wird auch jetzt gearbeitet. Die teuren Maschinen dürfen nicht ruhen.

Zeit habe ich nicht, um dem Baubetrieb zuzuschauen, schliesslich habe ich ja einen Zug zu führen. Nach Amsteg steht der Feierabend vor der Türe, doch noch muss ich nach Erstfeld fahren. Auch das Einfahrsignal von Erstfeld zeigt freie Fahrt. Das letzte Signal, das kommt, ist das Einfahrsignal von Erstfeld. Dort befindet sich das Vorsignal zur Ausfahrt. Er zeigt Halt. Macht nichts, denn ich muss ja so oder so anhalten.

Zunehmend wird mein Zug langsamer und bleibt schliesslich etwas früher stehen, als ich gehofft habe, aber besser so, als umgekehrt. Nun, jetzt kann ich nicht einfach davon laufen, zuerst schaue ich mal nach, wie ich zum Fahrplan stehe. Aha, 15 Minuten sind noch geblieben von meinem Vorsprung. Ich frage den Fahrdienstleiter, was mit dem Zug passiert. Er teilt mir mit, dass alles weiter verkehre. Kein Lokwechsel, ist gut, dann kann ich den Zug hier stehen lassen.

Nun, stehen lassen heisst nicht einfach absteigen und gut, nein, es muss schon noch dafür gesorgt werden, dass der Zug auch stehen bleibt. Die Druckluftbremsen der Lok und der Wagen werden angezogen. Schliesslich noch die Handbremse im bedienten Führerstand. Ich habe meine Buchhaltung erledigt und mein Arbeitsgerät in der Mappe verstaut. Jetzt nach etwa 5 Minuten schalte ich noch die Ventilation der Lok aus. Es wird wieder ruhig im Bahnhof Erstfeld.

Im Gleis nebenan stehen noch zwei Lokomotiven der BLS. Die wurden ausgeschaltet. Mein Weg führt wieder ins Depotgebäude. Vorbei am Schaltwärter, der nichts zu tun hat und im Moment einen kleinen Imbiss zu sich nimmt. Im Depotgebäude ist noch weniger los. Die Leitstelle ist nicht besetzt und auch kein Lokführer sitzt dort.

Noch muss ich den Überzeitzettel ausfüllen und abgeben, danach kann ich Feierabend oder besser Feiermorgen machen. Die Warnweste ziehe ich aus und verstaue sie in der Mappe, die ich in meinen Kleiderschrank stelle. Doch zuvor werfe ich noch einen Blick in die Einteilung. Heute Abend geht es erneut nach Chiasso. Kurz vor 2 Uhr nachts verlasse ich das Depot und gehe auf den Heimweg.

 

Schlusswort

In der Nacht von Sonntag auf Montag verkehren sehr wenige Güterzüge, da die Wirtschaft am Sonntag ruht. Bei einem so schwachen Verkehr werden oft Bauarbeiten erledigt, die einen längeren Einspurabschnitt erfordern. Darunter sind alle Arbeiten zu verstehen, die im Weichenbereich stattfinden und somit deren Befahren nicht erlauben. Der Einspurbetrieb dauert dann über zwei Abschnitte.

Aussergewöhnlich hier war nur der extrem lange Abschnitt vom Ceneri bis Bellinzona, das ist selten. Es kann durchaus auch sein, dass gewisse Streckenabschnitte total gesperrt werden müssen. Dann dürfen natürlich keine Züge verkehren.

 

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